Braunschweig: Morddrohung - Polizei findet radioaktive Stoffe

Begonnen von DG0MG, 30. Oktober 2021, 08:44

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DG0MG


"Ein Mitarbeiter eines Braunschweiger Unternehmens hat von seiner bevorstehenden Kündigung erfahren - und seinen Vorgesetzten gedroht, sie umzubringen. Die Polizei durchsuchte daraufhin seine Wohnung."


"Neben Waffen und waffenähnlichen Gegenständen stellten die Beamten auch verschiedene Gefahrstoffe mit einer "nicht unerheblichen Gefährlichkeit" sicher."

"Das Niedersächsische Umweltministerium meldete, dass es sich bei einzelnen Funden um radioaktive Stoffe und "potentiell kontaminierte Gegenstände" handele."
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Der Großteil der inzwischen ergooglebaren Pressemeldungen beinhaltet nichts neues, aber hier:


.. gibts nebne Fotos von Polizei- und Feuerwehrautos vor dem Haus immerhin einen wichtigen Punkt:

"Der Braunschweiger (43) befindet sich nach seiner Androhung, seine Vorgesetzten zu töten, in der Psychiatrie. Er ist bei Eckert & Ziegler beschäftigt."

Eckert & Ziegler stellen radioaktive Komponenten für die Medizintechnik her.  :o
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Habe leider keinen Zugang zu Artikel und Bilder... :(

Gruß
Norbert


Lutathera-177

Zitatdort unter anderem sogenannte Dosierquellen hergestellt worden. Eine solche Dosierquelle hätten die Ermittler in der Wohnung des Mannes gefunden. Dosierquellen haben laut Eckert & Ziegler eine geringfügige Strahlung, mit der Geigerzähler kalibriert werden

Was sind Dosierquellen, sind das so Prüfstrahler wie die von Spectrum Techniques? Oder ist was anderes gemeint   :unknw:

NoLi

Zitat von: Lutathera-177 am 31. Oktober 2021, 00:19
Was sind Dosierquellen, sind das so Prüfstrahler wie die von Spectrum Techniques? Oder ist was anderes gemeint   :unknw:

Vielleicht waren es eine (oder mehrere) solcher Beta-Kalibrierquellen für Beta-Dosimeter (in der Presse liest man manchmal auch von Dosiermeter statt Dosimeter). Die würde auch die Bemerkung über  »von einer nicht unerheblichen Gefährlichkeit ausgegangen werden«  erklären. Solche Quellen haben/hatten zusammen eine Ausgangsaktivität von 7,9 GBq.
https://www.ezag.com/home/products/isotope_products/isotrak_calibration_sources/instruments/beta_secondary_standard_2/

Broschüren-Zitat:
The system consists of 2 boxes:
1) the radioactive sources - Type A package - UN2915
dim.: 0.78m x 0.34m x 0.55m, weight 25kg
7.9GBq (Sr-90,Kr-85,Pm-147)
estimated labelling: II Yellow, max. Ti: 0.2 or below
2) all inactive parts of the equipment are packed into a wooden box
dim: 1.19m x 0.7m x 1.26m, weight 60kg


Hier in dieser Produktspezifikation auch die Aktivitäten sowie Dosisleitungen der einzelnen Strahlenquellen:
https://www.ezag.com/fileadmin/ezag/user-uploads/isotopes/isotopes/Isotrak/isotrak-pdf/Product_literature/EZN/BSS-2_Upgrade_Product_Specification.pdf

Zitat daraus:
Radiation Source Set for BSS-2, PTB calibrated

Pm-147source, PHRB4809, activity 3.7 GBq

Kr-85 source , KARB4810, activity 3.7 GBq

Sr-90 source , SIRB4568, activity 460 MBq

Each source is calibrated by the PTB and is mounted in a stainless- steel

adapter. The sources are supplied with nuclide specific beam flattening

filters and a Type-A storage container


Gruß
Norbert

DG0MG


"Dort wurden bis 2009 geringe Mengen radioaktiven Materials zur Kalibrierung von Geigerzählern eingesetzt, wie die Firma in einem Bericht in der ,,Braunschweiger Zeitung" mitteilte. ,,Eckert & Ziegler" hatten den 43-jährigen Mann demnach in 2009 von dem damaligen Betreiber des Standortes übernommen. Dieser hatte vermutlich schon 2007 das radioaktive Material entwendet, was damals der Gewerbeaufsicht Braunschweig gemeldet wurde."
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 31. Oktober 2021, 19:28

"Dort wurden bis 2009 geringe Mengen radioaktiven Materials zur Kalibrierung von Geigerzählern eingesetzt, wie die Firma in einem Bericht in der ,,Braunschweiger Zeitung" mitteilte. ,,Eckert & Ziegler" hatten den 43-jährigen Mann demnach in 2009 von dem damaligen Betreiber des Standortes übernommen. Dieser hatte vermutlich schon 2007 das radioaktive Material entwendet, was damals der Gewerbeaufsicht Braunschweig gemeldet wurde."

Na, ich hoffe doch schwer, dass bei Eckert + Ziegler auch NACH dem Jahr 2009 weiterhin "geringe Mengen radioaktiven Materials zur Kalibrierung von Geigerzählern" zur Überprüfung und Qualitätssicherung ihrer Strahlungsmesstechnik eingesetzt werden...
Schliessslich stellt diese Firma ja auch solche Kalibrierstrahler für die Strahlenmessstechnik ihrer Kunden her und vertreibt sie.

Von den üblichen Aktivitäten und Dosisleistungen dieser "Geigerzähler"-Kalibrierstrahler kann aber nicht »von einer nicht unerheblichen Gefährlichkeit...«  geredet werden.

Norbert


Henri

Eine spannende Frage ist auch, wie er den Kram am Portalmonitor vorbei bekommen hat. Da scheinen ja Lücken im Sicherheitskonzept zu bestehen.

E+Z, das war doch die Firma, die am Rande eines Wohngebiets und direkt in der Einflugschneise eines Flughafens liegt, was einigen Leuten verständlicherweise ein mulmiges Gefühl macht...

https://www.biss-braunschweig.de/?page_id=751


2006 ist da auch schon mal was verschwunden, siehe hier:

https://www.atommuellreport.de/daten/detail/eckert-und-ziegler-nuclitec-gmbh.html

Die 2*10^12 Bq Ni-63 Lösung war sicherlich nicht schwierig rauszuschmuggeln. Fragt sich nur, was der Dieb mit dem Zeug machen will? Einen https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroneneinfangdetektor bauen?

NoLi

Henri, die beiden verlinkten Seiten sind, sagen wir mal so, nur mit einer gehörigen Portion Skepsis zu betrachten!
Gymnasium, Kita und Jugendzentrum liegen auch in der Einflugschneise und am Mittellandkanal, ebenso die Häuser der Anwohner. Das macht denen aber anscheinend wenig aus.

Kurios auch diese Meldung im zweiten Link:
" 30.11.2007: Brand in einem Ofen bei der Veraschung von Thorium-dotierten Glühstrümpfen [3]" ... Ja, wo denn sonst???;D

Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: Henri am 01. November 2021, 18:00
2006 ist da auch schon mal was verschwunden, siehe hier:
https://www.atommuellreport.de/daten/detail/eckert-und-ziegler-nuclitec-gmbh.html
Die 2*10^12 Bq Ni-63 Lösung war sicherlich nicht schwierig rauszuschmuggeln. Fragt sich nur, was der Dieb mit dem Zeug machen will?

Das ist interessant, denn bei dem drohenden Mitarbeiter wurden ausgerechnet 2 Flaschen Ni-63 gefunden:


".. handelt es sich um zwei kleine Flaschen des Radionuklids Nickel-63, eine umschlossene Strahlenquelle und kontaminierte Laborgeräte. [..] Nickel-63 ist nach Angaben des Ministeriums ein niederenergetischer Beta-Strahler mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren. Die Reichweite der Strahlung in der Luft beträgt wenige Zentimeter. Die gefundene Nickel-63-Lösung dient zur Beschichtung von Metallfolien."
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Aha, zur Herstellung für Strahlenquellen in Gas-Chromatographen und Ionenmobilitätsspektrometer.
Gefährlich für Menschen aber nur bei Inkorporation, reicht dann aber für signifikante Organdosen für "einige Personen"... :o   vorausgesetzt, es handelt sich tatsächlich um die seinerzeit spurlos verschwundenen Fläschchen mit je 1 TBq.

Gruß
Norbert

Ergänzung:
Hier genauere Infos der zuständigen Landesaufsichtsbehörden:

https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/information-uber-in-braunschweig-und-gifhorn-sichergestellte-radioaktive-stoffe-untersuchungsergebnisse-des-nlwkn-205540.html

" Information über in Braunschweig und Gifhorn sichergestellte radioaktive Stoffe – Untersuchungsergebnisse des NLWKN
Vorlesen 
PI 137/2021

Nach Hinweisen auf eine Bedrohung eines Arbeitnehmers gegenüber seines Vorgesetzten am Dienstag, den 26. Oktober 2021, ist die Polizei in Braunschweig im Zuge ihrer Ermittlungen neben Waffen auf waffenähnliche Gegenstände und verschiedene Gefahrstoffe gestoßen. Bei einzelnen Funden handelt es sich um radioaktive Stoffe und potentiell kontaminierte Gegenstände.

Die Polizei Braunschweig hat im Rahmen der nuklearspezifischen Gefahrenabwehr Fachleute der sachverständigen Stelle Strahlenschutz des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zur Beratung und Unterstützung hinzugezogen. Die radioaktiven Stoffe und die potentiell kontaminierten Gegenstände wurden sichergestellt und zur weiteren Untersuchung in das Strahlenschutzlabor des NLWKN in Hildesheim gebracht.

Erste Ergebnisse des NLWKN liegen vor. Es handelt sich bei den Fundstücken um zwei Fläschchen des Radionuklids Nickel-63, um eine umschlossene Strahlenquelle sowie kontaminierte Laborgeräte.

Kontaminierte Gegenstände

Am Mittwoch, 27.10.2021, wurden potentiell kontaminierte Gegenstände vom NLWKN geborgen und zur Untersuchung in das Strahlenschutzlabor des NLWKN nach Hildesheim überstellt. Dabei handelt es sich um zwei Eppendorf-Pipetten und eine Zange. Von diesen potentiell kontaminierten Gegenständen geht keine Gefahr aus.

Umschlossene Strahlenquelle:

Am Donnerstag, 28. Oktober 2021, wurde ein Abschirmgefäß mit einer umschlossenen Strahlenquelle vom NLWKN geborgen und zur Untersuchung in das Strahlenschutzlabor des NLWKN nach Hildesheim überstellt.

Umschlossene radioaktive Stoffe müssen nach Strahlenschutzgesetz ständig von einer allseitig dichten, festen, nicht zerstörungsfrei zu öffnenden, inaktiven Hülle umschlossen oder in festen, inaktiven Stoffen so eingebettet sein, dass bei üblicher betriebsmäßiger Beanspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit verhindert wird. Eine Beschädigung war bei Auffinden nicht ersichtlich.

In Abstimmung mit dem Justizministerium und der zuständigen Staatsanwaltschaft können vor dem Hintergrund der noch laufenden, strafrechtlichen Ermittlungen noch keine weiteren Details benannt werden.

Nickel-63:

Am Freitag, 29. Oktober 2021, wurde ein vergrabener Behälter gefunden. Dieser enthielt zwei Fläschchen mit dem Radionuklid Nickel-63. Der Behälter wurde von Fachleuten des NLWKN geborgen und zur Untersuchung in das Strahlenschutzlabor des NLWKN nach Hildesheim überstellt. Durch Beschriftungen konnten sie bei der weiteren Untersuchung eindeutig einem gemeldeten Verlust der Firma QSA Global GmbH, einer Vorgängerfirma der Eckert & Ziegler Nuclitec GmbH in Braunschweig, aus dem Jahr 2006 zugeordnet werden.

Zusätzlich wurden am Fundort ca. 10 Liter potentiell kontaminierte Erde abgetragen.

Die zwei gefundenen Fläschchen mit je ca. 14 Milliliter Nickel-63-Lösung in Salzsäure wurden von der Firma QSA Global GmbH am 15. Sept. 2006 dem zuständigen staatlichen Gewerbeaufsichtsamt in Braunschweig als Verlust gemeldet.

Da die Nickel-63-Lösung unauffindbar blieb, wurde die Staatsanwaltschaft Braunschweig eingeschaltet. Zudem ermittelte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig mit Unterstützung des NLWKN. Die QSA Global GmbH hat außerdem den Niedersächsischen Verfassungsschutz über den Verlust informiert. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig wurde am 19.01.2007 ergebnislos eingestellt.

Das Radionuklid Nickel-63 ist ein niederenergetischer Beta-Strahler mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren. Die Reichweite der Strahlung in Luft beträgt wenige Zentimeter. Die gefundene Nickel-63-Lösung dient zur Beschichtung von Metallfolien. Diese Folien werden in Elektroneneinfangdetektoren verwendet, die in der Umwelt- oder Spurenanalytik (z. B. in Gas-Chromatographen) eingesetzt werden. "


DG0MG

Zitat von: NoLi am 02. November 2021, 23:23
Durch Beschriftungen konnten sie bei der weiteren Untersuchung eindeutig einem gemeldeten Verlust der Firma QSA Global GmbH, einer Vorgängerfirma der Eckert & Ziegler Nuclitec GmbH in Braunschweig, aus dem Jahr 2006 zugeordnet werden.

Das bestätigt den ja recht naheliegenden Verdacht von gestern abend.

Ich bin positiv überrascht, dass der anfangs recht mysteriöse Vorgang durch tägliche Informationen der Öffentlichkeit immer klarer wird. Das ist ja sonst eher selten der Fall.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!