Radioaktives Kalium in Wand- /Fassadenfarben

Begonnen von Jan, 25. Oktober 2024, 08:35

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Gigabecquerel

@opengeiger.de Vielleicht bin ich da als Bayer vorbelastet, aber hier findet man auf den Stammtischen viel, nur keine verschiedenen Meinungen  ;)
Zum Bundestag äußer ich mich lieber garnicht, denn ich bin ja hier um Spaß zu haben.

Dass K40 gut Messbar ist und damit auch als Prüfstrahler super geeignet ist zweifel ich ja garnicht an.
Aber auch hier sind wir wieder bei dem wichtigen Unterschied zwischen  "Messbar" und "Gefährlich".
Wenn jemand sich Sorgen macht, ob eine Wandfarbe schädlich für sein Kind ist sind antworten wie "Hmm die Wandfarbe kann ich bestimmt mit meinem Zähler messen" wenig hilfreich.

Das tolle an Wassergläsern ist, dass nicht einfach das Wasser als Lösemittel verdunstet, sondern, dass sie unter den richtigen Bedingungen polymerisieren und damit eine mehr oder weniger Dichte, vorallem fest haltende Glasschicht bilden. Deine Rechnung zur Effizienz kann ich nicht ganz nachvollziehen, da wir hier ja eine Marinelli-Artige Geometrie haben, aber die erreicht nie und nimmer 3pi! Der Strahler deckt in diesem Fall 3pi vom Detektor ab und nicht andersrum. Stell dir einen Raum vor mit einem Menschen in der Mitte, such dir einen zufälligen Punkt in der Wand aus und überlege, welchen Raumwinkel der Mensch davon einnimmt. Das ist deine Messgeometrie. Fast jedes Quant, das vom Menschen ausgeht landet in der Wand, aber fast keins aus der Wand landet im Menschen. Außerdem beinhaltet die Wand ja schon vor dem Bestreichen eine gute Menge Kalium, da sich das als Alkalimetall praktisch überall finden lässt. Die Aktivität der Wandfarbe ist alleinestehend einfach messbar, aber die Messeffizienz und relative Änderung ggü. dem Hintergrund macht das ganze bedeutend schwerer. Das ist wie wenn man versucht eine Tüte Pottasche im Kalidünger-Regal im Baumarkt nachzuweißen.

Beim Umrechnen in Dosisleistungen bin ich raus, wenns eine Punktquelle ist gibts Rechner 'für, bei allem anderen gibts Tabellen. Bei den Psychischen Schäden bin ich voll und ganz bei dir, das scheint mir ein sehr deutsches Problem zu sein, dass einem von Anfang an beigebracht wird, dass "Atome" böse sind. In diesem Fall braucht man eindeutig mehr Aufklärungsarbeit und kompetente Physiklehrer. Ich bin jedes Jahr auf der Makerfaire Hannover mit ein paar selbstgebauten Detektoren und selbstverständlich auch Strahlern, einfach, um den Leuten zu zeigen und zu erklären, dass nicht in jedem Fall "radioaktiv" mit "gefährlich" gleich zu setzen ist. Gerade dieses Jahr hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass etwas mehr Offenheit gegenüber dem Thema besteht und hoffe, dass das einen Trend darstellt.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

Harald der Strahler

...und von einer anderen Seite noch betrachtet: Silikatfarben haben ein "natürliches" Bindemittel (Werbung der Farbenindustrie). Kann etwas "natürliches" schlecht sein...?  ;D

Jetzt aber mal ganz im Ernst. Reine Silikatfarben beinhalten keine Lösungsmittel, keine Weichmacher, keine Konservierungsstoffe. Die Farbe ist wasserdampfdurchlässig und somit gut für das Raumklima. Durch den hohen pH-Wert hat es Schimmel sehr schwer sich darauf festzusetzen. All diese Eigenschaften der Farbe tragen wahrscheinlich mehr zur Gesundheit bei, wie es der Gesundheit durch die zusätzliche Strahlungbelastung schadet.

NoLi

Zitat von: Gigabecquerel am 27. Oktober 2024, 10:45...
Ich bin jedes Jahr auf der Makerfaire Hannover mit ein paar selbstgebauten Detektoren und selbstverständlich auch Strahlern, einfach, um den Leuten zu zeigen und zu erklären, dass nicht in jedem Fall "radioaktiv" mit "gefährlich" gleich zu setzen ist.
...
:unknw:  Was ist das denn?  :unknw:

Norbert

Gigabecquerel

Eine der größten, wenn nicht die größte Bastlermesse im deutschsprachigen Raum!
Kann ich wärmstens empfehlen, ist jedes Jahr wieder ein riesen Spaß.
https://maker-faire.de/hannover/
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

opengeiger.de

Zitat von: Gigabecquerel am 27. Oktober 2024, 10:45Deine Rechnung zur Effizienz kann ich nicht ganz nachvollziehen, da wir hier ja eine Marinelli-Artige Geometrie haben, aber die erreicht nie und nimmer 3pi!

Also komm @Gigabecquerel , dann lass uns das mal ausdiskutieren, die Allgemeinheit wird das interessieren, wie man so eine Strahlungsgeometrie berechnet. Bei Dir liegt die Höhere Mathematik Vorlesung sicher nicht so lange zurück wie bei mir.

Ich erinnere mich nur noch so dunkel dran. Mein Ansatz wäre der: Der Raumwinkel unter dem der Detektor das Raumwinkelelement dA z.B. von einer Wand sieht (nehmen wir mal an ein Radiacode mit keinem 1cm^3 Kristall, den wir in der Mitte eines Wohnraums als punktförmig annehmen dürfen, ohne einen zu großen Fehler zu machen), wäre ja dOmega =dA/r^2, so ist das doch definiert. Um es jetzt einfacher zu machen, kann ich mir den Raum, dessen Wände mit Kalium-Silikatfarbe gestrichen sind, als Würfel vorstellen. Dann wäre der Raum z.B. 2m hoch, 2m breit und 2m lang und der Detektor wäre genau im Zentrum auf 1m Höhe über dem Boden montiert. Dumm ist nun, dass der Boden nicht mit Kalium-Silikatfarbe gestrichen ist, sonst hätten wir es einfach, dann hätte der Raumwinkel nämlich den berühmten Wert von 4*pi. Ganz formal müsste ich jetzt also den Radius der Flächenelmente der Wände in Abhängigkeit der Raumkoordinaten berechnen und darüber integrieren, aber ohne die Bodenfläche.

Gut, da kann man dann die Symmetrien nutzen, weil der Detektor die verbleibenden 5 Wände unter dem gleichen Raumwinkel sieht. Leider passen die Kugelkoordinaten der Einheitskugel nicht so gut zu den kartesischen Koordinaten der Wände und so wird das integrieren etwas häßlich. Aber man kann ja auch folgende Abschätzung machen:  Ziehen wir auf 1m Höhe eine Ebene ein. Dann sieht der Detektor die obere Hälfte des Raumes schon mal unter dem Raumwinkel von 2*pi, das ist ja eigentlich logisch, wenn er den ganzen Raum unter 4*pi sieht. Zu den 2*pi des oberen Halbraums kommen jetzt aber nur 4 Wandbeiträge des unteren Halbraums. Um hier jetzt eine Abschätzung hinzubekommen, kann man den unteren Halbraum mit Boden auch in 4 Sub-Würfel mit 1m Kantenlänge aufteilen. Einer dieser vier Sub-Würfel würde dann mit 2*pi/4=pi/2 beitragen, da ja eine Viertels-Einheitskugel genau reinpasst. Jetzt hat so ein Sub-Würfel 2 Seiten an dem eine Stück Wand anliegt und eine Seite an dem ein Stück Boden anliegt. Daher sage ich nun, der Detektor sieht die Wände mit 2/3 des Raumwinkels eines solchen Sub-Würfels. Also 2/3*pi/2 = pi/3. Von den Sub-Würfeln des unteren Halbraums habe ich nun 4, macht also einen Raumwinkel-Beitrag von 4*pi/3. Insgesamt haben wir jetzt also die Abschätzung für den Raumwinkel für die fünf Seiten des Raumes von Omega = 2*pi + 4*pi/3 = 10*pi/3 = 3.3*pi.  Die Rechnung für die Sub-Würfel findet man hier: https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCrfel_(Geometrie)

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Die Quelle für das "zitierte" Wikipedia-Bild eines Subwürfels in blau an der Decke (der Detektor befindet sich im roten Punkt M) ist die hier:

Von Petrus3743 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91699868


So @Gigabecquerel , nun mach mal Deine Rechnung bzw. Abschätzung, so dass ich ganz deutlich sehe, warum der Raumwinkel jetzt nie und nimmer 3*pi sind und ich völlig falsch liege. Ich glaube das wäre wirklich wichtig, weil ich ja öfters von diesen Geometrien rede und schnell mal von einer 4*pi oder einer Marinelli-Geometrie spreche. Das sollte dann ja nicht gerade völlig daneben liegen. Daher würde ich es gerne verstehen, wo mein Fehler liegt. 

Oliver

Nochmal zur Gefährdung durch Strahlung: man kann davon ausgehen, dass nichts, was man legal in Euopa kaufen darf, einen durch radioaktive Strahlung "in Gefahr" bringt. Das gilt zumindest wenn es richtig verwendet wird. Sowohl sogenannte NORM (natürlich im Produkt enthaltene radioaktive Stoffe wie Kalium-40), als auch bewusst zugesetzte radioaktive Stoffe (Tritium in leuchtenden Uhren, Americium in Rauchmeldern) sind in Produkten aus dem Baumarkt in so geringen Mengen enthalten, dass man sich damit ohne es bewusst zu tun (z.B. 10 Rauchmelder essen) wirklich nicht gefährden kann.
Es bebsteht also wirklich keine Gefahr, dass Baumaterialien oder irgendwelche Gegenstände, die in den letzten 40 Jahren gekauft wurden, deinem Kind irgendwie durch Strahlung schaden.

SievertGray

Zitatdie Allgemeinheit wird das interessieren, wie man so eine Strahlungsgeometrie berechnet.

Nicht wirklich.

Gigabecquerel

@opengeiger.de Deine Überlegungen sind prinzipiell korrekt, die Wand des Raumes deckt ~3 pi des Detektors ab.
Das heißt aber nicht, dass dein Detektor 3/4 aller von der Wand ausgesendeten Strahlung sieht.
Es ist genau umgekehrt, der Detektor soll einen möglichst großen Raumwinkel um den Strahler abdecken, nicht umgekehrt! Deshalb sind die effizientesten Detektoren Kugeln, die um eine ~punktförmige Quelle gebaut werden, nicht Hohlkugel-Quellen, die um Punktförmige Detektoren gebaut werden.

Betrachten wir einen einfachen Fall, erstmal nur eine Wand des Raumes, die einen gewissen Abstand vom Detektor entfernt ist. Dann können schon mal per definitionem die Hälfte der dort ausgesandten Strahlen den Detektor nicht treffen, denn sie landen auf der falschen Seite der Wand! Damit fallen schonmal 2 der 4 pi weg. Die Relation zwischen einer Flächenquelle und einem Punktdetektor ist extrem Kompliziert, gewiss ist jedoch, dass hier keine Magie passiert und die Effizienz nur weiter sinken kann.

Treibt man das ganze ad absurdum heißt das:
Alles, was du abgibst landet im Universum (4 pi Effizienz), aber fast nichts von dem, was das Universum abgibt landet in dir (weit unter 4pi), obwohl das Universum 4pi der von dir ausgehenden Raumkugel abdeckt.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

opengeiger.de

Der Detektor im Zentrum einer Kugel sieht die Innenseite der Kugel unter einem Raumwinkel von 4*pi. So ist der Raumwinkel definiert. Genau wie der Winkel im Kreis. Vom Zentrum des Kreises aus gesehen überstreicht der normale Kreiswinkel beim Vollkreis 2*pi. Dass eine strahlende Beschichtung auf einer Kugeloberfläche idealerweise die Hälfte der Energie nach aussen abstrahlt, das ist richtig. Das gehört berücksichtigt. Genau wie bei einer Fläche, die ich mit einem Flächenmonitor messe. Aber dennoch weiss ich bei einer Fläche, dass die andre Hälfte in das Flächenzählrohr geht, wenn ich es auflege. Und ich weiss bei der Kugel, dass die Innenfläche der Kugel vollständig vom punktförmigen Detektor im Zentrum gesehen wird, also idealerweise die Hälfte der Strahlung. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass man das als 4*pi Geometrie bezeichnet. Eine Marinelli Geometrie ist dann eine, die versucht möglichst nah an die 4*pi ranzukommen, in dem die Probe möglichst um den ganzen Detektor herum angeordnet wird. Und der würfelförmige Wohnraum, dessen Wände und Decke mit Kaliumsilikat beschichtet ist, müsste diesem Verständnis nach eine 3*pi Geometrie sein. Natürlich ist es so, wenn ich eine kleine Glühlampe oder eine sonstige Strahlungsquelle  im Zentrum einer Kugel anbringe, dann trifft die gesamte Strahlung auf die Innenfläche der Kugel und nicht nur die Hälfte. Der Raumwinkel vom Zentrum aus gesehen aber bleibt 4*pi, das ist jedenfalls mein grobes Verständnis. Ich hoffe das ist nicht ganz falsch.

silfox

Handelt es sich um eine räumlich ausgedehnte Quelle und befindet sich der als punktförmig anzusehende Detektor in großem Abstand zu der Quelle, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein Photon emittiert aus der Quelle den Detektor trifft.

Bei Monte-Carlo Simulationen wendet man in diesem Fall eine Methode zur Beschleunigung des Rechenverfahrens an, indem man Quelle und Detektor austauscht. Das nennt man ,,variance reduction"  oder ,,detection forcing". 

Siehe z.B.:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1350448721001098

oder mit einer anschaulichen Skizze versehen:
https://www.researchgate.net/publication/44208246_Monte_Carlo_simulations_of_semi-infinite_clouds_of_radioactive_noble_gases

opengeiger.de

Und was es auch noch gibt sind Bohrlochdetektoren. Das sind Kristalle, die eine Bohrung (Bohrloch) ins Zentrum haben, in das die Quelle eingeführt wird. Da sieht jetzt die Quelle den Detektor rundum also mit dem Raumwinkel von 4pi (mal abgesehen von der Bohrung). Da hat man den Effizienzverlust von 50% einer Wandbeschichtung nicht, aber man braucht eben eine wirklich punktförmige Quelle, die auch ins Bohloch passt. Für die Messung der Kaliumsilikatfarbe ist diese Methode dann eher ungeeignet.

Gigabecquerel

@opengeiger.de du hast da noch einen Knoten in deinen Gedanken und ich bin mir nicht sicher, wie ich es formulieren soll, damit wir das lösen können.
Dein Grundverständnis von Raumwinkeln ist vollkommen korrekt, aber es geht beim messen einfach nicht darum, dass dein detektor vollkommen umgeben ist, sondern, dass deine quelle vollkommen umgeben ist.
Wie du richtig sagst, wenn dein Flächenmonitor auf der wand anliegt misst du ca. die hälfte der Strahlung, die unter dem Monitor abgegeben wird. Wenn du allerdings mit deinem Monitor von der wand weg gehst siehst du immer weniger davon, obwohl die Wand immernoch ca. den gleichen Raumwinkel des Monitors abdeckt.

Jedes Atom hat seine Raumwinkel-Kugel um sich rum, und in eine Zufällige richtung in dieser Kugel wird abgestrahlt, was auch immer das atom eben abstrahlt. Zur einfachheit sage ich einfach mal, dass das ein gamma ist, damit man es als eine gerade linie, wie einen Laserstrahl, betrachten kann.
Ich habe also eine kugel, in deren mitte das Atom ist, und irgendwann macht das atom einen laser an, der von ihm aus auf einen zufälligen punkt in der kugel leuchtet. Wenn ich nun einen Teil der kugel mit einem Detektor bedecke, so hat der Detektor eine gewisse wahrscheinlichkeit, dass er den punkt sieht. Diese wahrscheinlichkeit ergibt sich aus der fläche, die der detektor abdeckt, geteilt durch die komplette fläche der kugel. Je größer ich meinen detektor mache, desto wahrscheinlicher ist es, dass er den punkt sieht, bis der detektor eben die kugel komplett bedeckt, dann ist meine wahrscheinlichkeit gleich eins und der detektor deckt 4 pi der kugel ab. Das bezeichnet man dann als 4 pi detektor.
Sollte der Detektor nur die halbe kugel abdecken habe ich eine wahrscheinlichkeit von 0.5 und einen 2 pi detektor, etc.

Bei dem Raum-Beispiel, das wir hier betrachten, ist das aber genau andersrum!
Der Detektor umgibt nicht die komplette Kugel um das Atom, sondern ich habe viele atome um den Detektor rum, aber von jedem einzelnen Atom in der Wand Deckt der Detektor nur eine windig kleine fläche der kugel ab!
Wenn ich den Detektor in diesem fall mit mehr atomen umgebe steigt meine Wahrscheinlichkeit pro Atom nicht!
Die Zählrate steigt, aber nicht, weil meine Wahrscheinlichkeit steigt, sondern einfach, weil die Aktivität im system steigt.

Nur, weil ich sichtlinie zwischen einem Objekt und meinem auge habe heißt das nicht, dass ich das objekt sehe, sondern es muss erstmal licht von dem objekt ausgestrahlt werden, das mein auge überhaupt treffen kann.
In einem komplett dunklen raum sehe ich die wände nicht, auch, wenn sie mich komplett umgeben.
Wenn ich einen laser an der wand fest mache, der auf eine andere wand trifft sehe ich den Strahl auch nicht, solange er nicht durch mein auge in der mitte des raumes fliegt.

EDIT:
Das kam als ich hier am tippen war: Ein Borhlochdetekor ist, wie du richtig erkennst, nahezu 4pi, da alles, was von der quelle ausgesandt wird, im detektor landet. Der wichtige unterschied ist, dass der detektor die quelle umgibt und nicht andersrum.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

NoLi

Und was sagt das Strahlenschutzgesetz von 2017 u.a. zu dem Kinderzimmer:

"Kapitel 3
Schutz vor Radioaktivität in Bauprodukten

§ 133 Referenzwert
Der Referenzwert für die effektive Dosis aus äußerer Exposition von Einzelpersonen der Bevölkerung in
Aufenthaltsräumen durch Gammastrahlung aus Bauprodukten beträgt zusätzlich zur effektiven Dosis aus äußerer
Exposition im Freien 1 Millisievert im Kalenderjahr.
§ 134 Bestimmung der spezifischen Aktivität
(1) Wer Bauprodukte, die die in Anlage 9 genannten mineralischen Primärrohstoffe oder Rückstände enthalten,
herstellt oder ins Inland verbringt, muss vor dem Inverkehrbringen der Bauprodukte die spezifische Aktivität der
Radionuklide Radium-226, Thorium-232 oder seines Zerfallsprodukts Radium-228 und Kalium-40 bestimmen.
(2) Die Ergebnisse der Bestimmung der nach Absatz 1 bestimmten spezifischen Aktivitäten sind aufzuzeichnen
und fünf Jahre lang aufzubewahren.
(3) Die zuständige Behörde kann verlangen, dass sie von dem zur Bestimmung der spezifischen Aktivität
Verpflichteten über die Ergebnisse der Bestimmung und den gemäß der Rechtsverordnung nach § 135 Absatz 1
Satz 3 ermittelten Aktivitätsindex sowie über andere in der Rechtsverordnung genannte für die Berechnung des
Aktivitätsindex verwendete Größen unterrichtet wird.
"

"Anlage 9 (zu § 134 Absatz 1)
Radiologisch relevante mineralische Primärrohstoffe für die Herstellung von Gebäuden mit
Aufenthaltsräumen

(Fundstelle: BGBl. I 2017, 2057)
1. Saure magmatische Gesteine sowie daraus entstandene metamorphe und sedimentäre Gesteine,
2. Sedimentgestein mit hohem organischem Anteil wie Öl-, Kupfer- und Alaunschiefer,
3. Travertin.
"

https://www.gesetze-im-internet.de/strlschg/StrlSchG.pdf

Norbert

opengeiger.de

Wir haben ja eigentlich zwei Diskussionen parallel. Ich denke über das erste Thema, da haben wir doch allmählich Einigkeit: von dem Zimmer, das mit Kalium-Silikatfarbe gestrichen ist, geht keine Gesundheitsgefahr aus, die sich in physischen Schäden äußert, die man mit epidemiologischen Mitteln nachweisen könnte, auch nicht bei einem Kleinkind. Und über ein eventuelles psychische Detriment bei Eltern wollen wir hier glaube ich nicht weiter diskutieren, auch wenn es menschlich gesehen sicher hilfreich wäre. Das ist ein äußerst schwieriges, nicht naturwissenschaftlich handhabbares Thema und erfordert meiner Meinung nach ein ganz anderes Diskussions-Medium als ein Geigerzähler-Forum. Daher sollten wir meiner Meinung nach diese Diskussion hierzu jetzt beenden.

Das zweite Thema betrifft die Messbarkeit des Strahlungsfelds in einem Raum, der mit Kaliumfarbe gestrichen ist (oder wie in meinem Haus, der Ziegelwände hat), und ich gehe mal von Gammastrahlung mit 1460keV in einer Raumluft mit 50% Feuchte aus und einem Raum mit etwa zwei Meter Ausdehnung in jeder Richtung. Ich versuche jetzt mal meinen ,,Knoten im Hirn" zur Geometrie des Strahlungsfelds mit dem Energiesatz zu beschreiben:

Man kann der Gamma-Strahlung, die von einer Kugelwand mit strahlender Beschichtung in Richtung Detektor nach innen gerichtet ausgeht (stellvertretend für die Raumwände), ja auch eine gewisse Energiedosis in Gray zuordnen, daher muss der Energiesatz gelten. Wir sind uns einig, die Energie, die von der Kugelwand nach außen ins Nirwana abgestrahlt wird, beträgt 50% und ist verloren und trägt nicht zu dem bei, was in den Detektor eingestrahlt wird, den wir uns mal repräsentativ als Radiacode 1cm^3 CsI Kristall im Zentrum der Kugel vorstellen. Die nach innen gerichtete Strahlung hat ein ideales radial-sphärisches Feld. Wenn wir uns nun idealerweise vorstellen, wir machen die Betrachtung im Vakuum, dann muss unabhängig vom Radius R des Kugelstrahlers alle Energie die radial ins Zentrum fließt dort auch ankommen, also die andern 50%, die von der Kugelwand abgestrahlt werden, egal wie groß der Radius der Kugel auch ist. Sonst ginge Energie verloren und der Energiesatz wäre verletzt.

Wenn ich den Abstand R des Detektors von einem unendlich ausgedehnten Flächenstrahler vergrößere, dann nimmt das, was in einem punktförmigen Detektor an Energie ankommt mit 1/R ab. Und wenn ich den Abstand R des punktförmigen Detektors von einer Punktstrahlungsquelle vergrößere, dann nimmt das, was im punktförmigen Detektor an Energie ankommt mit 1/R^2 ab. Das sind die mir bekannten einfachen Abstandsgesetze. Jedenfalls wenn man sich Vakuum als Medium dazwischen vorstellt. Das interessante an der 4*Pi Geometrie, also dem spähärische Kugelstrahler, ist daher, dass unter Idealbedingungen keine Abstandsabhängigkeit vom Radius mehr besteht. Daher auch die Verwendung des Raumwinkels, der ja unabhängig vom Radius ist.

Gut, wenn wir nun dem Medium zwischen Quelle und Detektor eine nennenswerte Absorption bei den gegebenen mechanischen Abmessungen unterstellen, dann gilt das Abstandsgesetz nicht mehr in dieser idealer Form. Aber beim Kalium und diesen Abmessungen müssen wir die Absorption in erster Ordnung noch betrachten. Der sphärisch-radial strahlende Kugelstrahler hat auch die Eigenschaft, dass der aufintegrierte Energiefluss durch eine beliebig geformte Schale ("Kartoffel") zwischen der strahlenden Außenwand und dem Detektor im Zentrum immer gleich ist, unabhängig vom Radius und der Gestalt.

Wenn ich mich richtig erinnere, ist das eine Folge des Gaußschen Integralsatzes ganz allgemein zu Vektorfeldern. Anschaulich kann man sich dazu statt der Energie auch Wasser vorstellen, das von äußeren Kugelwand radialsymmetrisch ins Innere der Kugel zum Detektor fließt. Durch jede Schale dazwischen, die den Detektor umschließt, muss immer gleich viel Wasser durch und am Ende muss alles Wasser auch durch die Detektoroberfläche durch und im Detektor selbst ankommen.  Und wie @silfox sagt, man kann die Richtung auch umdrehen. Das gilt genauso auch andersrum. Und das berührt jetzt in kleinster Weise die Hälfte des Wassers das von der äußeren Kugelschale nach außen gerichtet ins Nirwana abfließt. Die nehmen wir als für immer verloren an.

Das denke ich ist auch der Vorteil eines Marinelli-Gefäßes (fast 4*pi). Wenn man die Strahlung ohne die Absorption betrachtet, dann ist hier die Anordnung auch nur minimal vom Abstand des Gefäßes zum Detektor abhängig. Dass das Vernachlässigen der Absorption möglich ist, setzt selbstverständlich voraus, dass wir über energiereiche und durchdringende Photonenstrahlung und geeignete Abmessungen reden. Das ist klar.

Also, wie lässt sich nun mein Knoten im Hirn zerschlagen? Was ist falsch in dieser Erklärung? Ich lass mich gerne belehren!  :)

Gigabecquerel

Im ersten Thema stimme ich dir vollkommen zu.

Im Zweiten Thema allerdings noch nicht  ;)
Zitat von: opengeiger.de am 28. Oktober 2024, 13:56Die nach innen gerichtete Strahlung hat ein ideales radial-sphärisches Feld.
Genau daran scheitert es!
Das Feld ist eben nicht Radial, denn die Atome haben bedeutend mehr optionen in welche Richtung sie ihre energie los werden als aus der Kugel raus oder genau in das Zentrum der Kugel rein. Was ist mit den Strahlen, die nicht Senkrecht zur kugeloberfläche abgegeben werden? Die treffen deinen detektor nicht, die treffen die kugeloberfläche irgendwo anders und sind "verloren".
Nur die strahlen, die rein zufällig senkrecht zur kugelinnenoberfläche ausgestrahlt werden landen auch auf einer linie mit deinem detektor in der mitte.
Die meisten der strahlen fliegen aber in eine völlig zufällige richtung, da das feld eben nicht radial ist.
Das hat auch nichts mit der absorption der strahlung zu tun.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!