Radioaktives Kalium in Wand- /Fassadenfarben

Begonnen von Jan, 25. Oktober 2024, 08:35

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Gigabecquerel

@opengeiger.de Vielleicht bin ich da als Bayer vorbelastet, aber hier findet man auf den Stammtischen viel, nur keine verschiedenen Meinungen  ;)
Zum Bundestag äußer ich mich lieber garnicht, denn ich bin ja hier um Spaß zu haben.

Dass K40 gut Messbar ist und damit auch als Prüfstrahler super geeignet ist zweifel ich ja garnicht an.
Aber auch hier sind wir wieder bei dem wichtigen Unterschied zwischen  "Messbar" und "Gefährlich".
Wenn jemand sich Sorgen macht, ob eine Wandfarbe schädlich für sein Kind ist sind antworten wie "Hmm die Wandfarbe kann ich bestimmt mit meinem Zähler messen" wenig hilfreich.

Das tolle an Wassergläsern ist, dass nicht einfach das Wasser als Lösemittel verdunstet, sondern, dass sie unter den richtigen Bedingungen polymerisieren und damit eine mehr oder weniger Dichte, vorallem fest haltende Glasschicht bilden. Deine Rechnung zur Effizienz kann ich nicht ganz nachvollziehen, da wir hier ja eine Marinelli-Artige Geometrie haben, aber die erreicht nie und nimmer 3pi! Der Strahler deckt in diesem Fall 3pi vom Detektor ab und nicht andersrum. Stell dir einen Raum vor mit einem Menschen in der Mitte, such dir einen zufälligen Punkt in der Wand aus und überlege, welchen Raumwinkel der Mensch davon einnimmt. Das ist deine Messgeometrie. Fast jedes Quant, das vom Menschen ausgeht landet in der Wand, aber fast keins aus der Wand landet im Menschen. Außerdem beinhaltet die Wand ja schon vor dem Bestreichen eine gute Menge Kalium, da sich das als Alkalimetall praktisch überall finden lässt. Die Aktivität der Wandfarbe ist alleinestehend einfach messbar, aber die Messeffizienz und relative Änderung ggü. dem Hintergrund macht das ganze bedeutend schwerer. Das ist wie wenn man versucht eine Tüte Pottasche im Kalidünger-Regal im Baumarkt nachzuweißen.

Beim Umrechnen in Dosisleistungen bin ich raus, wenns eine Punktquelle ist gibts Rechner 'für, bei allem anderen gibts Tabellen. Bei den Psychischen Schäden bin ich voll und ganz bei dir, das scheint mir ein sehr deutsches Problem zu sein, dass einem von Anfang an beigebracht wird, dass "Atome" böse sind. In diesem Fall braucht man eindeutig mehr Aufklärungsarbeit und kompetente Physiklehrer. Ich bin jedes Jahr auf der Makerfaire Hannover mit ein paar selbstgebauten Detektoren und selbstverständlich auch Strahlern, einfach, um den Leuten zu zeigen und zu erklären, dass nicht in jedem Fall "radioaktiv" mit "gefährlich" gleich zu setzen ist. Gerade dieses Jahr hatte ich ein bisschen das Gefühl, dass etwas mehr Offenheit gegenüber dem Thema besteht und hoffe, dass das einen Trend darstellt.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

Harald der Strahler

...und von einer anderen Seite noch betrachtet: Silikatfarben haben ein "natürliches" Bindemittel (Werbung der Farbenindustrie). Kann etwas "natürliches" schlecht sein...?  ;D

Jetzt aber mal ganz im Ernst. Reine Silikatfarben beinhalten keine Lösungsmittel, keine Weichmacher, keine Konservierungsstoffe. Die Farbe ist wasserdampfdurchlässig und somit gut für das Raumklima. Durch den hohen pH-Wert hat es Schimmel sehr schwer sich darauf festzusetzen. All diese Eigenschaften der Farbe tragen wahrscheinlich mehr zur Gesundheit bei, wie es der Gesundheit durch die zusätzliche Strahlungbelastung schadet.

NoLi

Zitat von: Gigabecquerel am Gestern um 10:45...
Ich bin jedes Jahr auf der Makerfaire Hannover mit ein paar selbstgebauten Detektoren und selbstverständlich auch Strahlern, einfach, um den Leuten zu zeigen und zu erklären, dass nicht in jedem Fall "radioaktiv" mit "gefährlich" gleich zu setzen ist.
...
:unknw:  Was ist das denn?  :unknw:

Norbert

Gigabecquerel

Eine der größten, wenn nicht die größte Bastlermesse im deutschsprachigen Raum!
Kann ich wärmstens empfehlen, ist jedes Jahr wieder ein riesen Spaß.
https://maker-faire.de/hannover/
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

opengeiger.de

Zitat von: Gigabecquerel am Gestern um 10:45Deine Rechnung zur Effizienz kann ich nicht ganz nachvollziehen, da wir hier ja eine Marinelli-Artige Geometrie haben, aber die erreicht nie und nimmer 3pi!

Also komm @Gigabecquerel , dann lass uns das mal ausdiskutieren, die Allgemeinheit wird das interessieren, wie man so eine Strahlungsgeometrie berechnet. Bei Dir liegt die Höhere Mathematik Vorlesung sicher nicht so lange zurück wie bei mir.

Ich erinnere mich nur noch so dunkel dran. Mein Ansatz wäre der: Der Raumwinkel unter dem der Detektor das Raumwinkelelement dA z.B. von einer Wand sieht (nehmen wir mal an ein Radiacode mit keinem 1cm^3 Kristall, den wir in der Mitte eines Wohnraums als punktförmig annehmen dürfen, ohne einen zu großen Fehler zu machen), wäre ja dOmega =dA/r^2, so ist das doch definiert. Um es jetzt einfacher zu machen, kann ich mir den Raum, dessen Wände mit Kalium-Silikatfarbe gestrichen sind, als Würfel vorstellen. Dann wäre der Raum z.B. 2m hoch, 2m breit und 2m lang und der Detektor wäre genau im Zentrum auf 1m Höhe über dem Boden montiert. Dumm ist nun, dass der Boden nicht mit Kalium-Silikatfarbe gestrichen ist, sonst hätten wir es einfach, dann hätte der Raumwinkel nämlich den berühmten Wert von 4*pi. Ganz formal müsste ich jetzt also den Radius der Flächenelmente der Wände in Abhängigkeit der Raumkoordinaten berechnen und darüber integrieren, aber ohne die Bodenfläche.

Gut, da kann man dann die Symmetrien nutzen, weil der Detektor die verbleibenden 5 Wände unter dem gleichen Raumwinkel sieht. Leider passen die Kugelkoordinaten der Einheitskugel nicht so gut zu den kartesischen Koordinaten der Wände und so wird das integrieren etwas häßlich. Aber man kann ja auch folgende Abschätzung machen:  Ziehen wir auf 1m Höhe eine Ebene ein. Dann sieht der Detektor die obere Hälfte des Raumes schon mal unter dem Raumwinkel von 2*pi, das ist ja eigentlich logisch, wenn er den ganzen Raum unter 4*pi sieht. Zu den 2*pi des oberen Halbraums kommen jetzt aber nur 4 Wandbeiträge des unteren Halbraums. Um hier jetzt eine Abschätzung hinzubekommen, kann man den unteren Halbraum mit Boden auch in 4 Sub-Würfel mit 1m Kantenlänge aufteilen. Einer dieser vier Sub-Würfel würde dann mit 2*pi/4=pi/2 beitragen, da ja eine Viertels-Einheitskugel genau reinpasst. Jetzt hat so ein Sub-Würfel 2 Seiten an dem eine Stück Wand anliegt und eine Seite an dem ein Stück Boden anliegt. Daher sage ich nun, der Detektor sieht die Wände mit 2/3 des Raumwinkels eines solchen Sub-Würfels. Also 2/3*pi/2 = pi/3. Von den Sub-Würfeln des unteren Halbraums habe ich nun 4, macht also einen Raumwinkel-Beitrag von 4*pi/3. Insgesamt haben wir jetzt also die Abschätzung für den Raumwinkel für die fünf Seiten des Raumes von Omega = 2*pi + 4*pi/3 = 10*pi/3 = 3.3*pi.  Die Rechnung für die Sub-Würfel findet man hier: https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCrfel_(Geometrie)

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Die Quelle für das "zitierte" Wikipedia-Bild eines Subwürfels in blau an der Decke (der Detektor befindet sich im roten Punkt M) ist die hier:

Von Petrus3743 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91699868


So @Gigabecquerel , nun mach mal Deine Rechnung bzw. Abschätzung, so dass ich ganz deutlich sehe, warum der Raumwinkel jetzt nie und nimmer 3*pi sind und ich völlig falsch liege. Ich glaube das wäre wirklich wichtig, weil ich ja öfters von diesen Geometrien rede und schnell mal von einer 4*pi oder einer Marinelli-Geometrie spreche. Das sollte dann ja nicht gerade völlig daneben liegen. Daher würde ich es gerne verstehen, wo mein Fehler liegt. 

Oliver

Nochmal zur Gefährdung durch Strahlung: man kann davon ausgehen, dass nichts, was man legal in Euopa kaufen darf, einen durch radioaktive Strahlung "in Gefahr" bringt. Das gilt zumindest wenn es richtig verwendet wird. Sowohl sogenannte NORM (natürlich im Produkt enthaltene radioaktive Stoffe wie Kalium-40), als auch bewusst zugesetzte radioaktive Stoffe (Tritium in leuchtenden Uhren, Americium in Rauchmeldern) sind in Produkten aus dem Baumarkt in so geringen Mengen enthalten, dass man sich damit ohne es bewusst zu tun (z.B. 10 Rauchmelder essen) wirklich nicht gefährden kann.
Es bebsteht also wirklich keine Gefahr, dass Baumaterialien oder irgendwelche Gegenstände, die in den letzten 40 Jahren gekauft wurden, deinem Kind irgendwie durch Strahlung schaden.

SievertGray

Zitatdie Allgemeinheit wird das interessieren, wie man so eine Strahlungsgeometrie berechnet.

Nicht wirklich.

Gigabecquerel

@opengeiger.de Deine Überlegungen sind prinzipiell korrekt, die Wand des Raumes deckt ~3 pi des Detektors ab.
Das heißt aber nicht, dass dein Detektor 3/4 aller von der Wand ausgesendeten Strahlung sieht.
Es ist genau umgekehrt, der Detektor soll einen möglichst großen Raumwinkel um den Strahler abdecken, nicht umgekehrt! Deshalb sind die effizientesten Detektoren Kugeln, die um eine ~punktförmige Quelle gebaut werden, nicht Hohlkugel-Quellen, die um Punktförmige Detektoren gebaut werden.

Betrachten wir einen einfachen Fall, erstmal nur eine Wand des Raumes, die einen gewissen Abstand vom Detektor entfernt ist. Dann können schon mal per definitionem die Hälfte der dort ausgesandten Strahlen den Detektor nicht treffen, denn sie landen auf der falschen Seite der Wand! Damit fallen schonmal 2 der 4 pi weg. Die Relation zwischen einer Flächenquelle und einem Punktdetektor ist extrem Kompliziert, gewiss ist jedoch, dass hier keine Magie passiert und die Effizienz nur weiter sinken kann.

Treibt man das ganze ad absurdum heißt das:
Alles, was du abgibst landet im Universum (4 pi Effizienz), aber fast nichts von dem, was das Universum abgibt landet in dir (weit unter 4pi), obwohl das Universum 4pi der von dir ausgehenden Raumkugel abdeckt.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

opengeiger.de

Der Detektor im Zentrum einer Kugel sieht die Innenseite der Kugel unter einem Raumwinkel von 4*pi. So ist der Raumwinkel definiert. Genau wie der Winkel im Kreis. Vom Zentrum des Kreises aus gesehen überstreicht der normale Kreiswinkel beim Vollkreis 2*pi. Dass eine strahlende Beschichtung auf einer Kugeloberfläche idealerweise die Hälfte der Energie nach aussen abstrahlt, das ist richtig. Das gehört berücksichtigt. Genau wie bei einer Fläche, die ich mit einem Flächenmonitor messe. Aber dennoch weiss ich bei einer Fläche, dass die andre Hälfte in das Flächenzählrohr geht, wenn ich es auflege. Und ich weiss bei der Kugel, dass die Innenfläche der Kugel vollständig vom punktförmigen Detektor im Zentrum gesehen wird, also idealerweise die Hälfte der Strahlung. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass man das als 4*pi Geometrie bezeichnet. Eine Marinelli Geometrie ist dann eine, die versucht möglichst nah an die 4*pi ranzukommen, in dem die Probe möglichst um den ganzen Detektor herum angeordnet wird. Und der würfelförmige Wohnraum, dessen Wände und Decke mit Kaliumsilikat beschichtet ist, müsste diesem Verständnis nach eine 3*pi Geometrie sein. Natürlich ist es so, wenn ich eine kleine Glühlampe oder eine sonstige Strahlungsquelle  im Zentrum einer Kugel anbringe, dann trifft die gesamte Strahlung auf die Innenfläche der Kugel und nicht nur die Hälfte. Der Raumwinkel vom Zentrum aus gesehen aber bleibt 4*pi, das ist jedenfalls mein grobes Verständnis. Ich hoffe das ist nicht ganz falsch.

silfox

Handelt es sich um eine räumlich ausgedehnte Quelle und befindet sich der als punktförmig anzusehende Detektor in großem Abstand zu der Quelle, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass ein Photon emittiert aus der Quelle den Detektor trifft.

Bei Monte-Carlo Simulationen wendet man in diesem Fall eine Methode zur Beschleunigung des Rechenverfahrens an, indem man Quelle und Detektor austauscht. Das nennt man ,,variance reduction"  oder ,,detection forcing". 

Siehe z.B.:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1350448721001098

oder mit einer anschaulichen Skizze versehen:
https://www.researchgate.net/publication/44208246_Monte_Carlo_simulations_of_semi-infinite_clouds_of_radioactive_noble_gases