Pottasche: Katastrophenschutz-Kalibrierung

Begonnen von NoLi, 26. November 2019, 23:17

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DL8BCN

Ich finde den Ansatz mit KCL jedenfalls gut.Weil das Salz gut verfügbar und nicht giftig ist.
Ich habe auch eine Sartorius Laborwaage.Da kann man schon sehr genau wiegen (0,0001g)Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 06:15@NoLi: Hast Du schon ausgerechnet was da theoretisch an Bq/m^2 rauskommen müsste? Mit  welcher Schichtdicke rechnen wir da?

Ganz am Anfang dieses Threads hat Norbert das ja alles aufgedröselt. Die Selbstabsorption ist enorm und die genaue Zusammensetzung des Packungsinhalts unbekannt (zugesetzte Trennmittel?), also kann man eigentlich nur empirisch vorgehen. Wenn ich es recht verstanden habe, geht es darum, einen groben Anhaltspunkt zu haben mit ausreichend standardisierten Bedingungen und minimalem Aufwand. Deshalb das Tütchen Pottasche, von jedem bundesweit einfach zu beziehen (naja...), wasserdampfdicht versiegelt und in seiner Verpackungsform wahrscheinlich auch über viele Jahre konstant lieferbar.

Und so ein Tütchen hat Norbert dann mit kalibrierten Geräten vermessen. Anhand seiner Ergebnisse kann man die Efizienz des eigenen Geräts dann grob auf Norberts Kalibrierquelle zurückführen bzw. von dieser ableiten.

Es geht ja um einen Katastrophenfall. Die ungefähre Größenordung zu ermitteln reicht (die Beta-Durchschnittsenergie der Pottasche entspricht ja auch nicht 100%ig  der eines Spaltprodukte-Gemisches, dessen Zusammensetzung ja ebenfalls nicht einheitlich ist). Auf die letzte Nachkommastelle kommt es gar nicht an.

Für das Anfertigen eines "präzisen" Kalium-Flächenkalibrierstrahlers gibt es bereits einen eigenen Thread:

https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,432.msg3571.html#msg3571

Viele Grüße!

Henri

opengeiger.de

Na ich seh schon, da hab ich nach langer Abstinez wohl zu schnell auf einen neuen Beitrag reagiert  :sorry2:. Der Thread ist in der Tat lang und wenn er auch noch Zweige getrieben hat, dann werd ich mir das doch erstmal von Anfang an zu Gemüte führen. An was ich eben am Ende interssiert bin, ist die Frage, eignet sich nun diese Tütchenmethode für eine grobe Kalibrierung im Citizen Science Bereich oder nicht, mit all ihren Unschärfen? Es ist völlig klar, in so einer Community reichen die Kompetenzen vom ausgebufften Profi bis zum beliebigen Laien. Aber ich denke das Spannende ist doch, selbst wenn das Spektrum des Hintergrundwissens so gewaltig ist, was kommt denn dann insgesamt in der Summe aller Beiträge für so eine Community an Möglichkeiten damit raus? Reicht das beispielsweise für eine Unterstützung des amtlichen Notfallschutzes?

Genau das ist gerade die Fragestellung, die man sich derzeit auf politischer Ebene zum Thema "Teilhabe" (so heißt das in der modernen politischen Hochsprache) stellt. Und wie schon gesagt, man will das Thema "ionisierende Strahlung" da nicht ausnehmen. Es wurde im Auftrag der Bundesregierung mit einem gewaltigen Aufwand ein dickes bereichsübergreifendes Weißbuch erstellt, mit dem Titel "Citizen-Science-Strategie 2030 für Deutschland". Man kann das unter:
https://www.leibniz-gemeinschaft.de/fileadmin/user_upload/Bilder_und_Downloads/Forschung/Weissbuch_Citizen_Science_Strategie_2030.pdf
runterladen und anschauen. Man hat demgemäß die Teilhabe der Bevölkerung an der Forschung und der Entwicklung z.B. im Bereich der Hochtechnologien als wichtiges Element der Demokratie erkannt und hofft nun durch die Beteiligung und Unterstützung wohl auch auf bessere Akzeptanz. Und da gehts nicht nur ums Vögel und Insektenzählen. Man schaut sich da eben auch an, was lief z.B. an Community-Aktivitäten in Japan nach Fukushima. In dem Weißbuch ist auch viel die Rede von "Freiwilligen-Management", "Qualitätssicherung" und Sonstigem was die Regierung, die Vertreter der Wissenschaften usw. wichtig finden. Aber man müsst es halt auch mit Leben füllen und die Communities dann entsprechend unterstützen.

Gut, wir haben jetzt mal die Pottasche-Tütchen-Methode und einige Leute haben nun auch schon Energie reingesteckt gemessen und gerechnet. Aber wo stehen wir nun damit? Ich werde mich daher doch besser erst mal von Anfang an einlesen, oder kann hier schon jemand ein Fazit ziehen? Da dieses Formum so ziemlich das einzig wirklich lebhafte zu den Strahlungsthemen ist, wäre das also quasi der derzeitige Status zum Beispiel Qualitätssicherung in der Community, oder nicht? :umnik2:       

NoLi

Zitat von: etalon am 15. April 2023, 09:43Wieso kauft man sich für solche Spielereien nicht 50g KCl z.A. in der Apotheke (oder kennt einen, der einen kennt, der in einem Labor arbeitet...) und baut sich einen Kalibrierstrahler ohne Papierabdeckung etc.? Dann weiß man wenigstens, was drin ist...
Da gibt man hunderte von Euros für Messtechnik aus, investiert viel Zeit und hat auch noch den Anspruch, wissenschaftlich Daten zu generieren und dann scheitert es an ein paar Euro in der Apotheke?  :D

Kaliumchlorid ist, wie Kaliumcarbonat "Pottasche" auch, leider offen an Luft sehr hygroskopisch, "verbackt" und ändert mit dem Wassergehalt und der Zeit seine Selbstabsorptionseigenschaft der Beta-Strahlung.

Kaliumcarbonat in verschweißten Tütchen bleibt dagegen auch über Jahre hinweg recht rieselfähig.

Will man einen K-40 Flächenstrahler mit so gut wie ohne Selbstabsorption aus Kaliumchlorid bauen, darf die KCl-Belegung 15 mg/cm² nicht überschreiten! Dies bedeutet dann eine Beta-Flächenaktivität von 0,25 Bq/cm². Im Gegensatz dazu erhält man mit dem Pottaschetütchen eine (scheinbare) Beta-Oberflächenaktivität von 1,2 Bq/cm², also knapp dem 5-fachen. Egal, ob jetzt mit 15 Gramm (Ostmann), 20 Gramm (Vitavegan) oder 30 Gramm (Müllers) Inhalt.
"Scheinbar" bedeutet in diesem Fall, dass die aus der tatsächlichen einseitigen Oberfläche des Tütchens emittierten Betateilchen mit dem bekannten Beta-Kalibrierfaktor eines Kontaminationsmeßgerätes zu einer "scheinbaren" spezifischen Oberflächenaktivität Bq/cm² verrechnet wurden.

Norbert

opengeiger.de

Nun hab ich mich mal von Anfang an durch den Thread gebissen und komme zu folgendem Fazit:
Die Beta-Oberflächenaktivität von 1.2Bq/cm^2 hat Noli mit Profiequipment an einem 30g Tütchen Müllers Pottasche rausgemessen, theoretisch müssten es 525Bq/71cm^2/2=3.7Bq/cm^2 sein. Möglicherweise ist die Pottasche nicht ganz rein oder das Verpackungspapier hat einen Einfluss. Andere Hersteller als Müller, z.B. Ostmann, sollte man nicht nehmen und in Biovegan sind nur 20g drin, das pass dann nicht zu Noli's Referenzmessung. Müllers Pottasche gibt es meist nur um die Weihnachtszeit bei Kaufland oder gegen mehr Geld im Internet. Die Gammaaktivität kann man für die grobe Rechnung ignorieren. Es wurden entweder CPM für 400Bq/cm^2 oder uSv/h für 400Bq/cm^2 bestimmt, je nach Gerätefunktionsumfang. Stimmt diese Kurzzusammenfassung so?
Bisher wurden folgende Messungen gemacht:
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Das Fazit bis dato wäre: Bis auf einen fragwürdigen Fall, könnte man mit allen getesteten Geräten, einen in einem Notfall gewonnen Messwert gegen den Wert, der mit der Kalibrierung als Grenzwert für 400Bq/cm^2 bestimmt wurde, vergleichen und so eine Entscheidung, wie in der Notfallstation vorgeschrieben ist, treffen.
Wäre es denn nun vorstellbar, dass Bürger, die ein solches Gerät besitzen, ehrenamtlich und nach kurzer Einweisung in so einer Notfallstation tätig werden könnten und mit ihrem Gerät solche Entscheidungen treffen würden, weil nicht genug Profi-Notfallhelfer oder Profi-Notfallgeräte zur Verfügung stehen?

DL8BCN

Hallo Bernd, ich denke man muss sich schon etwas intensiver mit der Materie beschäftigen.
Nerds wie wir könnten auf jeden Fall einen sinnvollen Beitrag zur Katastrophenhilfe liefern.
Ich würde das aber nicht jedem Bürger zutrauen.


DL8BCN

Übrigens bin ich selber noch nicht dazu gekommen, meine Messwerte zu posten.
Obwohl ich mir schon mehrere Kalibrierstrahler mit KCL gebaut habe...
Wird nachgeholt.

NoLi

Vergleichsmessung von Pottasche "Müllers 30 Gramm" und "Ostmann 2 x 15 Gramm (= 30 Gramm)":

Gerät: Minicont
Netto-Betazählrate  Müllers: ~45 IPS
Netto-Betazählrate  Ostmann: ~45 IPS

Bei Gelegenheit werde ich die Messungen auch mit "Vitavegan 20 Gramm" sowie zusätzlich mit einem CoMo-170 und ggfs. LB-124 Scint durchführen.

Norbert


NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 21:26...
Das Fazit bis dato wäre: Bis auf einen fragwürdigen Fall, könnte man mit allen getesteten Geräten, einen in einem Notfall gewonnen Messwert gegen den Wert, der mit der Kalibrierung als Grenzwert für 400Bq/cm^2 bestimmt wurde, vergleichen und so eine Entscheidung, wie in der Notfallstation vorgeschrieben ist, treffen.
Wäre es denn nun vorstellbar, dass Bürger, die ein solches Gerät besitzen, ehrenamtlich und nach kurzer Einweisung in so einer Notfallstation tätig werden könnten und mit ihrem Gerät solche Entscheidungen treffen würden, weil nicht genug Profi-Notfallhelfer oder Profi-Notfallgeräte zur Verfügung stehen?

Theoretisch ja.
Die Chancen dafür sehe ich allerdings gering, weil der Betrieb von Notfallstationen sowie deren messtechnische Ausstattung durch Innenministerbeschluß, Verwaltungsakte und Beschaffung der Geräte-Abrollbehälter "Notfallstation" geregelt ist.
Prinzipiell wäre es m.E. aber möglich.

Norbert


NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 21:26...
Die Beta-Oberflächenaktivität von 1.2Bq/cm^2 hat Noli mit Profiequipment an einem 30g Tütchen Müllers Pottasche rausgemessen, theoretisch müssten es 525Bq/71cm^2/2=3.7Bq/cm^2 sein. Möglicherweise ist die Pottasche nicht ganz rein oder das Verpackungspapier hat einen Einfluss.
...
Theoretisch stimmen die 3,7 Bq/cm², praktisch kommt aber vor allem die Selbstabsorption der Betateilchen in der Schichtdicke des Kaliumcarbonat zum Tragen. Im Vergleich dazu ist die Verpackungsabsorption vernachlässigbar.

Norbert

etalon

Zitat von: NoLi am 15. April 2023, 18:59Kaliumchlorid ist, wie Kaliumcarbonat "Pottasche" auch, leider offen an Luft sehr hygroskopisch, "verbackt" und ändert mit dem Wassergehalt und der Zeit seine Selbstabsorptionseigenschaft der Beta-Strahlung.

Kaliumcarbonat in verschweißten Tütchen bleibt dagegen auch über Jahre hinweg recht rieselfähig.
...

Ja, daher schrieb ich ja, dass man es mit einer dünnen Lackschicht fixieren sollte. Die Rieselfähigkeit wird vor allem durch allerlei Zusatzstoffe sichergestellt. Ein Kalibrierstrahler muss aber nicht rieselfähig sein. Den muss man halt einmal vernünftig basteln, dann hält der schon ein paar Jahre. Was die dann zu geringe Aktivität betrifft, auch dazu hatte ich mich geäußert...

Außerdem würde ich Konstanz in der Beschaffenheit/Herstellung von Lebensmitteln als letztes vermuten. Da werden alleine schon aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten Rezepturen ständig geändert und angepasst...

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 21:26...
Das Fazit bis dato wäre: Bis auf einen fragwürdigen Fall, könnte man mit allen getesteten Geräten, einen in einem Notfall gewonnen Messwert gegen den Wert, der mit der Kalibrierung als Grenzwert für 400Bq/cm^2 bestimmt wurde, vergleichen und so eine Entscheidung, wie in der Notfallstation vorgeschrieben ist, treffen.
...

Welche Entscheidung soll denn von wem getroffen werden? Wenn es nur um ein Notfallszenario geht, dann brauche ich keine aufwändige Kalibrierung in der breiten Masse. Da reicht auch die Aussage, dass an Oberfläche A doppelt so viele Impulse angezeigt werden, wie an Referenzoberfläche B.

Was soll die breite Masse denn mit einem Messwert in Bq/cm^2 anfangen? Wer kann diesen denn Interpretieren und daraus eine Beurteilung der Gefährdung ableiten, vor allem, ohne bestimmte Parameter der Messung ausreichend zu kennen?

Ich finde den Grundsatz des citizen science sehr gut und unterstützenswert, allerdings in einem Rahmen, der von ,,citizen" auch geleistet werden kann. Damit meine ich nicht den Einzelnen, der sich vllt in die Materie eingearbeitet hat und daher auch einen gesicherten Beitrag zur ,,science" nach deren Regeln beitragen kann, sondern die breite Masse, die solch ein ,,Messgerät" rumliegen haben, aber nicht mehr als den Einschaltkonopf davon kennen...

Es ist immer sehr einfach, am Schreibtisch die Toleranzen oder Akzeptanzgrenzen für eine Messung oder ein Ergebnis beliebig großzügig auszulegen, solange es keinen persönlich betrifft. Ich frage mich immer, ob man das auch mit seinem EKG bei Herzproblemen machen würde, es hundert Laien zeigen und hoffen, dass im Mittel schon die passende Diagnose raus kommt? Es gibt denke ich schon gute Gründe, warum in der Wissenschaft gewisse Ansprüche an die Angabe von Messfehlern zu Messwerten, die Nachvollziehbarkeit von Messverfahren und Reproduzierbarkeit von Messergebnissen einen hohen Stellenwert haben.

Seit ein paar Jahren haben das sogar die Profis erkannt, und mit der DIN ISO 11929 die mathematischen Grundlagen der Fehlerbetrachtung in Anlehnung des international schon lange gelebten GUM festgeschrieben, welche dann in der DIN ISO 25457 (ich glaube die wars) in eine praktische Umsetzbarkeit für verschiedene Strahlungsmessverfahren gegossen wurde. Der hinreichend Interessierte kann sich hier ja gerne mal etwas einlesen...  ;)

Mir geht es dabei überhaupt nicht darum, die breite Bevölkerung mit Geigerzähler in solche Vorhaben nicht mit einzubeziehen, aber werbe schon dafür, dies im richtigen Kontext zu tun. Und um auf das eigentliche Thema zurück zu kommen: Eine Oberflächenkontaminationsmessung so exakt durchzuführen, dass die Messunsicherheiten eine Angabe von signifikanten Nachkommastellen zulässt, bedarf schon eines erheblichen Aufwandes und ist mit Sicherheit keine Feldmessung.

Das ist jetzt wahrscheinlich nicht das, was du hören wolltest, aber es ist meine Sicht der Dinge.
;D

opengeiger.de

Doch, doch, das sind genau die Meinungen, die ich dazu hören will :ok: ! Und genau darum ging es auch in der Diskussion mit der SSK. Im Strahlenschutz ist verständlicherweise das Bedenken besonders groß, ob überhaupt partizipative Forschung (so heißt die Citizen Science neuerdings) möglich ist. Aber das ist auch in anderen Bereichen der Forschung und Hochtechnologien so. Klar sind da Grenzen, schon mal durch die gesetzlichen Vorgaben mit Freigrenzen usw. Und ich bin auch der Meinung, dass wenn es staatlich geförderte partizipative Forschung geben soll, dann müsste die durch Profis begleitet werden (sonst lern ich ja nichts  ;D ), und es kommt sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nichts Verwertbares dabei raus. Auf der anderen Seite, werden Hobbyforscher auch nen Teufel tun und sich hier zu Messklaven umfunktionieren lassen, nur weil die Uni's kein Geld mehr für Hiwi's haben oder sich politisch in die gewünschte Richtung bugsieren zu lassen. Also muss man da sicher eine Balance finden.

Auch was die Kompetenzen anbelangt muss man Kompromisse finden. In der Community gibt es ja Vollprofis, die auch das was sie im Job schon machen, hin und wieder spaßeshalber in der Freizeit zu tun (soll ich Beispiele nennen?  ;) ). Dann gibt's die Leute, die in anderen Hochtechnologiebereichen wissenschaftlich oder in der Forschung der Industrie arbeiten und die keinerlei Probleme haben, sich ganz nebenbei in die Strahlungsmessung und in den Strahlenschutz einzuarbeiten. Es gibt auch Professionelle, die in dem Bereich einfach nur arbeiten, weil sie das gelernt haben und dann mal einen Ausflug an historische Plätze z.B. nach Gottow oder Jachymov machen und sich dafür sich die Geräte aus der Firma ausleihen und im Forum davon berichten. Die messen dann auch mal was anderes Spannendes ganz professionell nach, was die anderen so beschäftigt, oder erklären was, so als nette hilfsbereite Geste eben. Dann gibt's noch die schlauen Bürger, in BaWü heißen die ,,Cleverle", die auch ohne Vorkenntnisse ganz selbst von Null aus tief in so ein Fachgebiet reinkommen, und dann natürlich noch die Laien, die wo mal was aufgeschnappt haben und dann Fragen oder Sorgen haben, und schließlich noch die ,,dümmsten anzunehmenden User".  Wenn wir jetzt mal den GUM als Beispiel nehmen, den gibt's ja für alle Fachbereiche, dann darf ich in so einer Community jetzt natürlich nicht mit den partiellen Ableitungen kommen um die Fehlerfortpflanzung zu erklären, sonst laufen die meisten Leute einfach davon und sagen, lass den Oberschlauen doch schwätzen. Aber man kann das auch so erklären, dass einer mit Abi oder Realschulabschluss das noch in groben Zügen versteht und einen Nutzen davon hat. Genau darum geht es, wenn man solche Projekte sinnvoll begleiten will und das hat die Bundesregierung vor, weil es sich quasi in der westlichen Welt als besonders demokratisches Element gerade breitmacht. In den USA gibt es das schon länger und da gibt es auch schon so einen GUM für Dummies von der EPA, das heißt dann ,,Citizen Science Handbook, Quality Assurance & Documentation". Es gibt auch ein Citizen Science Toolkit und Beispiele. 

Im Übrigen ist das ganze Thema auch schon EU-weit aufgehängt. Und andere europäische Länder tun sich damit offensichtlich schon deutlich leichter als Deutschland. Als Beispiel zu Strahlungsthemen gibt es da das RadoNorm-Projekt der EU https://www.radonorm.eu/ . Da sind auch Fördertöpfe ausgeschrieben und in Frankreich, Ungarn, Norwegen und Irland wurden schon Pilotprojekte z.B. zu Radon gestartet. Das betrifft die Bürger direkt, da kann man was zum Thema lernen und das ist auch nicht so heikel wie jetzt die Forschung an Transuranen, die heiße Chemie, o.ä. .
Siehe auch:
https://www.radonorm.eu/wp-content/uploads/2022/10/RadoNorm-citizen-science-overview.pdf

Also falls diese Community hier gute Ideen hätte, bewerben kann man sich da noch, dann bekommt man die Aktivität möglicherweise sogar gesponsert. Was ich so rausgehört habe, ständen die Chancen auch nicht schlecht, dass man sogar Unterstützung vom BfS dafür bekäme. Man sagte mir mehrfach, man sei dafür offen, sogar im Notfallschutz ...

etalon

Ich bin ja mit allem, was du schreibst, vollkommen d'accord!

Zitat von: opengeiger.de am 16. April 2023, 10:09...
Auch was die Kompetenzen anbelangt muss man Kompromisse finden. In der Community gibt es ja Vollprofis, die auch das was sie im Job schon machen, hin und wieder spaßeshalber in der Freizeit zu tun (soll ich Beispiele nennen?  ;) ). Dann gibt's die Leute, die in anderen Hochtechnologiebereichen wissenschaftlich oder in der Forschung der Industrie arbeiten und die keinerlei Probleme haben, sich ganz nebenbei in die Strahlungsmessung und in den Strahlenschutz einzuarbeiten. Es gibt auch Professionelle, die in dem Bereich einfach nur arbeiten, weil sie das gelernt haben und dann mal einen Ausflug an historische Plätze z.B. nach Gottow oder Jachymov machen und sich dafür sich die Geräte aus der Firma ausleihen und im Forum davon berichten. Die messen dann auch mal was anderes Spannendes ganz professionell nach, was die anderen so beschäftigt, oder erklären was, so als nette hilfsbereite Geste eben. Dann gibt's noch die schlauen Bürger, in BaWü heißen die ,,Cleverle", die auch ohne Vorkenntnisse ganz selbst von Null aus tief in so ein Fachgebiet reinkommen, und dann natürlich noch die Laien, die wo mal was aufgeschnappt haben und dann Fragen oder Sorgen haben, und schließlich noch die ,,dümmsten anzunehmenden User".  Wenn wir jetzt mal den GUM als Beispiel nehmen, den gibt's ja für alle Fachbereiche, dann darf ich in so einer Community jetzt natürlich nicht mit den partiellen Ableitungen kommen um die Fehlerfortpflanzung zu erklären, sonst laufen die meisten Leute einfach davon und sagen, lass den Oberschlauen doch schwätzen. Aber man kann das auch so erklären, dass einer mit Abi oder Realschulabschluss das noch in groben Zügen versteht und einen Nutzen davon hat. Genau darum geht es, wenn man solche Projekte sinnvoll begleiten will und das hat die Bundesregierung vor, weil es sich quasi in der westlichen Welt als besonders demokratisches Element gerade breitmacht. In den USA gibt es das schon länger und da gibt es auch schon so einen GUM für Dummies von der EPA, das heißt dann ,,Citizen Science Handbook, Quality Assurance & Documentation". Es gibt auch ein Citizen Science Toolkit und Beispiele. 
...

Genau die von dir genannten Leute hatte ich aus meiner Betrachtung ja explizit ausgenommen:

Zitat von: etalon am 15. April 2023, 22:46...
Ich finde den Grundsatz des citizen science sehr gut und unterstützenswert, allerdings in einem Rahmen, der von ,,citizen" auch geleistet werden kann. Damit meine ich nicht den Einzelnen, der sich vllt in die Materie eingearbeitet hat und daher auch einen gesicherten Beitrag zur ,,science" nach deren Regeln beitragen kann, sondern die breite Masse, die solch ein ,,Messgerät" rumliegen haben, aber nicht mehr als den Einschaltkonopf davon kennen...
...

Es ist völlig klar, dass diese die notwendigen Hintergründe auch autodidakt erlernen und anwenden können. Aber ich befürchte, das ist eben nicht die breite Masse. Spätestens seit Fukushima haben sich gaaaanz viele Leute so ein tickendes Kästchen in den Nachttisch gelegt, ohne zu wissen, was es macht und wie es funktioniert, und was einem die angezeigten Werte sagen (oder auch nicht). Die meisten von denen haben auch nicht in Ansätzen die Intension, sich tiefer damit zu beschäftigen, sei es, dass die Zeit fehlt, die Interessen anders gelagert sind oder der notwendige Bildungshintergrund fehlt. Das alles ist ja auch völlig in Ordnung, aber muss halt bei wissenschaftlichen Projekten berücksichtigt werden.

Ich denke, das (Fach-)Forum hier ist dafür keine repräsentative Stichprobe, denn hier werden sich nur Leute einfinden, die aktiv gewillt sind, zu den Themen etwas beizutragen, und wenn es nur darum geht, selbst Informationen zu verschiedenen Problemstellungen zu bekommen. Das ist auch gut so und dafür ist das Forum ja da, aber es bildet sicher keinen repräsentativen Schnitt der Gesellschaft mit Geigerzählerbesitz ab. Wenn ich dann noch sehe, wie viele von den aktiv thematisch interessierten hier Messgeräte haben oder bauen, von denen sie sehr wenig wissen und verstehen (das ist bitte überhaupt nicht despektierlich gemeint, wenigstens beschäftigen sie sich damit und suchen Informationen und Hilfe hier im Forum!), dann stelle ich mir das in der breiten Masse noch deutlich ausgeprägter vor.

Daher ja, ich bin etwas skeptisch, ob die breite Masse, welche vielleicht bei solch einem Projekt mitmacht (und sei es nur aus Zeitvertreib) bereit ist, wenigstens ein Mindestmaß an Wissen und Sorgfalt zu gewährleisten, denn das kostet Zeit und Aufwand und das ist nicht im Sinne unseres gesellschaftlichen Mainstreams, wo Informationen ohne Aufwand und eigenes Zutun gerne mundgerecht aufbereitet beiläufig interessiert konsumiert werden. Leider!

Wie gesagt, bezieht sich das Geschriebene nicht auf die von dir aufgeführten Personengruppen. Aber es wird wohl schwer werden, gelieferte Messwerte nach Vertrauensniveaus zu sortieren, da nicht von jedem Intension und Hintergründe bekannt sind. Das ist übrigens auch ein Problem im professionellen Bereich...

Von daher finde ich einen Ansatz, wie von dir im Parallelthread vorgeschlagen, für deutlich sinnvoller. Bei der Ortsdosisleistungsmessung gibt es nich ganz so viele Einflussgrößen, welche man beachten muss und die man falsch machen kann, als bei der Oberflächenkontaminationsmessung, und vor allem wahrscheinlich auch in der breiten Masse deutlich mehr ,,geeignete" Messgeräte, was der notwendigen Statistik sicher entgegen kommt. Da ist man bei der Oberflächenkontaminationsmessung doch schon sehr speziell unterwegs.

Da ich selbst in anderen Bereichen citizen science betreibe (bis hin zur wissenschaftlichen Publikation), bin ich sehr dafür, solche Projekte auf die Füße zu stellen, weiß aber auch um die Schwierigkeiten und um die Skepsis sowie der mangelnden Akzeptanz von Profis im jeweiligen Fachbereich gegenüber der citizen science (nicht alle, aber doch erschreckend viele). Da sind die Hürden leider teils noch sehr hoch und keines falls so blumige Selbstläufer, wie uns irgend welche Weißbücher und politisches Wunschdenken glaubend machen wollen. Das mag in manchen Disziplinen vielleicht etwas einfacher sein, aber sicher nicht in der Physik...

DL8BCN

Ich hatte mir eine Kalibrierquelle mit 1g KCL auf einer Fläche von 100 cm2 ( 10cm x 10cm) gebaut.
Pappe mit doppelseitigem Klebeband, KCL möglichst gleichmäßig verteilt und mit sehr dünner Frischhaltefolie abgedeckt.
Das Teil sollte wohl 16 Bq haben, also einseitig 8 Bq.
Also 0,08 Bq/cm2.
Ich hoffe ich habe mich nicht verrechnet.
Nun habe ich mit einem Selbstbauzähler (400V) und einem Flächenzählrohr SBT10 getestet.
Das Zählrohr liefert bei mir im Bastelkeller (ca. 0,1 μSv/h) ca. 112 CPM.
Mit der KCL Quelle 193 CPM.
Also netto 81 CPM.
Ist diese Messung, bzw. Betrachtung hilfreich?

DL8BCN

Irgendwo muss noch ein Denkfehler sein.
Wenn 8 Bequerel 80 CPM erzeugen, dann sollten 400 Bq 4000 CPM machen!
Kann das sein?