Australien: Kapsel vom Laster gefallen

Begonnen von wrdmstr inc., 28. Januar 2023, 07:49

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Lennart

Ich habe meine wirren Gedanken zu dem Thema mal aufgemalt  :D

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DL 0,46 µSv/h, weil man das vom Hintergrund noch gut unterscheiden kann und man eine "schöne" Entfernung von 60 m hat. Bei 100 m Höhe und 100 km/h stelle ich mir das schwierig vor, oder täusche ich mich?

nukulus

wäre das hier in der nähe passiert hätte man das nur ins forum posten müssen...

da wären schnell ein paar autos unterwegs die strecke abfahren  :D

also ich definitiv - aber australien ist jetzt etwas arg weit...

Lennart

Zitat von: nukulus am 28. Januar 2023, 18:09da wären schnell ein paar autos unterwegs die strecke abfahren  :D
Mit 19 GBq Cs 137 könnte man eine schöne Energiekalibrierung beim Radiacode durchführen  :D

DG0MG

Zitat von: NoLi am 28. Januar 2023, 17:45sondern auch mit lokalen, für den Autobahnabnschnitt zuständige "normale" Feuerwehreinheiten-Fahrzeugen, sofern diese über Strahlenmeßtechnik

Ich habe in meinem Arbeitsort gelegentlich lockeren Kontakt zu Feuerwehrleuten einer städtischen FFw, die auch häufig bei nahen Autobahneinsätzen dabei sind. Auf meine Frage, ob sie "irgendwelche" Strahlungsmessgeräte haben, wurde ich mit großen Augen angeschaut. Ich hatte da ja erstmal "nur" an so einen DL-Warner für Unfälle mit Gefahrgut gedacht, der wenigstens klingelt, wenn 25 µSv/h überschritten sind. Aber nein, bei Strahlenunfällen rufen wir über die Leitstelle den Gefahrengutzug. Auf meinen Einwand, dass man dazu ja erstmal von der Radioaktivität wissen müsse, war die Antwort: Es steht ja dran. Orangenes Gefahrgutschild. Gut, dann hab ich aufgehört mit fragen.

Also dass "normale" FFw bei diesem Szenario außer mit Manpower irgendwie helfen könnten, glaube ich zumindest für Sachsen nicht. Ich weiß gar nicht, wovon das abhängig ist, ob eine normale FFw Strahlenmess- oder wenigstens -warnequipment besitzt? Bundesland? Persönliches Engagement? Besondere Industrie oder Institutionen im potentiellen Einsatzgebiet?

Zitat von: NoLi am 28. Januar 2023, 17:45Üblicherweise flögen diese Hubschrauber in 100 Meter Höhe und mit 100 km/h.

Hier: https://www.nuviatech-instruments.com/de/produkt/airis/
steht, die haben 4x 4 Liter NaI(Tl) Szintillatoren. Das ist ganz schön viel, wenn ich mir jetzt mal das Volumen eines 5-Liter-Kanisters vorstelle. In 100 Meter Entfernung sind die 19 GBq nur noch 0,17 µSv/h, da aber die Aktivität des Bodens geringer ist und garantiert auch eine Form von NBR gemacht wird, könnte sich das Cäsium vielleicht gerade noch erkennen lassen. Vielleicht auch "gut". Auf jeden Fall wäre es vorstellbar, dass die Suche so abliefe.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: Lennart am 28. Januar 2023, 18:04Ich habe meine wirren Gedanken zu dem Thema mal aufgemalt  :D

Wirre Gedanken.jpg

DL 0,46 µSv/h, weil man das vom Hintergrund noch gut unterscheiden kann und man eine "schöne" Entfernung von 60 m hat. Bei 100 m Höhe und 100 km/h stelle ich mir das schwierig vor, oder täusche ich mich?
Du täuscht dich.
Rechnerisch wären es in 100 Meter Abstand = 0,2 µSv/h.
Die aber dafür vorhandene Meßtechnik mit den entsprechenden Auswertealgorithmen läßt ein Aufspüren auch bei Ergebnissen von nur Bruchteilen der Background-Strahlung sicher zu.

Norbert

Lennart

Zitat von: NoLi am 28. Januar 2023, 18:22Du täuscht dich.
Rechnerisch wären es in 100 Meter Abstand = 0,2 µSv/h.
Die aber dafür vorhandene Meßtechnik mit den entsprechenden Auswertealgorithmen läßt ein Aufspüren auch bei Ergebnissen von nur Bruchteilen der Background-Strahlung sicher zu.

Okay, danke für die Aufklärung. Das ist schon eine beeindruckende Leistung, in wenigen Sekunden so etwas zu erkennen und sicher als künstliches Nuklid zu identifizieren.

NoLi

Zitat von: DG0MG am 28. Januar 2023, 18:21...
Also dass "normale" FFw bei diesem Szenario außer mit Manpower irgendwie helfen könnten, glaube ich zumindest für Sachsen nicht. Ich weiß gar nicht, wovon das abhängig ist, ob eine normale FFw Strahlenmess- oder wenigstens -warnequipment besitzt? Bundesland? Persönliches Engagement? Besondere Industrie oder Institutionen im potentiellen Einsatzgebiet?
...
Nicht JEDE Feuerwehr besitzt eine Strahlenmeßausstattung, aber zumindest jede Stützpunktwehr und Gefahrgutzug.
Die Krux ist ja, daß das Feuerwehrwesen und der Katastrophenschutz Ländersache ist; der Bund unterstützt nur mit Ausstattung, sofern es in den ZIVILSCHUTZ fällt.
Somit gibt es 16 unterschiedliche Kompetenzen, was die Vorschriften und Beschaffungen angeht. Aber zumindest mit der Feuerwehr-DV 500 (CBRN-Einsatz) ist es gelungen, ein bundesweit gültiges weitreichendes Rahmenkonzept für die Feuerwehren zu schaffen (es mussten aber alle 16 Innenministerien darüber debattieren und die Minister zustimmen).

Norbert

NoLi

Zitat von: Lennart am 28. Januar 2023, 18:24...
Okay, danke für die Aufklärung. Das ist schon eine beeindruckende Leistung, in wenigen Sekunden so etwas zu erkennen und sicher als künstliches Nuklid zu identifizieren.
Wir hatten bei uns im ABC-Zug Karlsruhe mal einen Empfindlichkeitsnachweistest für umschlossene Cs-137 Strahler mit unserem CBRN-Erkunder durchgeführt.

- 6 Stück Cs-137 Quelle je 233 kBq, zusammen 1,4 MBq, dicht nebeneinander auf der Straße platziert.
- Abstand Strahler zum Detektor (2-Liter-Szinti, im Fahrzeug eingebaut) = 1 Meter.
- Mit verschiedenen Geschwindigkeiten jeweils drüber gefahren (also fahrzeugmittig ;D ) und auf Alarmauslösung des NBR-Meßsystems geachtet.

Die maximal zulässige Geschwindigkeit zur Alarmauslösung betrug 50 km/h.

Norbert

Henri

Zitat von: Lennart am 28. Januar 2023, 18:24Okay, danke für die Aufklärung. Das ist schon eine beeindruckende Leistung, in wenigen Sekunden so etwas zu erkennen und sicher als künstliches Nuklid zu identifizieren.

Nein, eigentlich nicht. Es ist ja eine sich sehr eindeutig vom Untergrund abhebende Signatur (662 keV, Cs-137), zumindest in Australien, da sollte nicht viel von Chernobyl runtergekommen sein(?). Die NaI(Tl) Detektoren an den deutschen Mess-Helis sind riesig, und es werden einzelne Kanäle (U, Th, K, ...) angezeigt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man so eine Quelle recht schnell gefunden hätte.

https://www.bfs.de/DE/themen/ion/notfallschutz/ueben/luft/messuebungen/aerogamma.html

Allein für den natürlichen Hintergrund an Bi-214 (609 keV Linie) hat der Detektor eine Rate von über 2 cps (und zwar nur für den genauen Peak, man kann ja rechts und links davon noch Kanäle auswerten). Sieht man hier ganz schön (verlinkt auf die BfS-Seite: "Summenspektren des Germaniumdetektors und eines NaI(Tl)-Detektors vom Messflug "Biblis""




Jedenfalls ist die Geschichte gruselig... dass sie nun zu Fuß mit einfachen Strahlenmessgeräten die Autobahn ablaufen. Hoffentlich taucht die Kapsel möglichst rasch auf... in ein paar Jahren wird dann mit Sicherheit ein IAEA-Report darüber veröffentlicht.


Hier ist übrigens noch eine Beschreibung der Heli-Detektoren aus 2014, in denen auch die Nachweiswahrscheinlichkeit für eine Cs-137 Punktquelle verzeichnet ist (S. 147 ff):

https://www.bmuv.de/domainswitch/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3611_S_60013_strahlenschutz_messsysteme_bf2.pdf

Im ungünstigsten angenommenen Fall (90 m Flughöhe, 100 km/h, Messdauer 0,5 s) sind es für die 4 Stück 4-Liter-NaI(Tl), also 16 Liter Gesamt-Detektorvolumen,  1,08 GBq.

NoLi

Search for lost radioactive capsule begins in Western Australia
The search began in WA for a lost radioactive capsule, a week and a half after it went missing and sparked an emergency hazmat warning.
January 28, 2023 — 10.29pm


https://www.smh.com.au/national/search-for-lost-radioactive-capsule-begins-in-western-australia-20230128-p5cg76.html
(mit Video über die Suche)


The 'bizarre' and 'once-in-a-century' radioactive mystery that has experts puzzled | ABC News
ABC News (Australia)



Norbert

Lennart

Zitat von: Henri am 28. Januar 2023, 22:42Nein, eigentlich nicht. Es ist ja eine sich sehr eindeutig vom Untergrund abhebende Signatur

Schon klar, technisch ist es meiner Meinung nach trotzdem beeindruckend sowas "mal eben so" im Vorbeiflug festzustellen. Bei 100 km/h geht es um Sekunden.

Zitat von: Henri am 28. Januar 2023, 22:42da sollte nicht viel von Chernobyl runtergekommen sein(?)

Also wenn man mit dem Szinti im Heli bei 100 km/h radioaktive Pilze erkennen kann, würde mich das schwer wundern  :D

Zitat von: Henri am 28. Januar 2023, 22:42Ich bin mir ziemlich sicher, dass man so eine Quelle recht schnell gefunden hätte.

Wenn man grob weiß wo man suchen muss. Die Reichweite von Gammastrahlung in Luft ist doch recht begrenzt, d1/2 <70 m bei 600 keV


Henri

Zitat von: Lennart am 28. Januar 2023, 23:29Wenn man grob weiß wo man suchen muss. Die Reichweite von Gammastrahlung in Luft ist doch recht begrenzt, d1/2 <70 m bei 600 keV

Aus der oben verlinkten Studie, S. 13:

Der Sichtbereich der Detektoren wächst mit größerer Höhe schnell an, abhängig von
der Gammaenergie, der winkelabhängigen Empfindlichkeit und der Tiefenverteilung
der Quelle im Boden. Bei Gammastrahlung mit Energien über 500 keV stammen
unter typischen Bedingungen 90 % der detektierten Strahlung aus einem Gebiet
innerhalb eines Radius von ca. 4mal bis 5mal der Flughöhe. Durch die große Fläche,
die bei einer z. B. eine Sekunde dauernden Messung gemessen wird und die hohe
Fluggeschwindigkeit (30 m/s bis 50 m/s) ergeben sich abgescannte Flächenraten
von 10 km 2 /h bis 100 km 2 /h



Faszinierend ist es allemal. Allerdings hat der Spaß auch seinen Preis - eine Flugstunde Heli ist ja nicht ganz billig. Und wenn sich die Kapsel bei einem Truck in eine Reifenrille geklemmt hat, kann der schon tausende km weg sein... Da kann man noch so viel mit dem Hubschrauber fliegen. Wahrscheinlich hilft dann nur noch Schwarm-Intelligenz - jeder zehnte bekommt kostenlos einen Billig-Geigerzähler aus China geschenkt und muss versprechen, mit der Kapsel keinen Unfug anzufangen, falls er sie finden sollte...   :to_take_umbrage:

Lennart

Zitat von: Henri am 28. Januar 2023, 23:44und muss versprechen, mit der Kapsel keinen Unfug anzufangen, falls er sie finden sollte...  :to_take_umbrage:

Für solche Fälle habe ich immer einen Bleibehälter im Kofferraum  ;D

Ohne Zange würde ich das Ding aber nicht anfassen  ;)

DG0MG

Zitat von: Henri am 28. Januar 2023, 23:30Gibt mittlerweile auch schon einen Wikipedia-Artikel hierzu:
https://en.wikipedia.org/wiki/Western_Australian_radioactive_capsule_incident

Es ist interessant, dass der auch nicht weitere Informationen enthält, als wir hier schon zusammengetragen haben. Wichtig wäre doch mal, was das genau für ein Strahler war, also in was für einer Form von "gauge" (Messgerät) er verwendet wurde. Unter mehreren australischen youtube-Videos habe ich diesbezügliche Fragen ebenfalls gelesen, was man denn im Bergbau mit radioaktiven Strahlern mache - das ist natürlich berechtigt. Aluhutträger bringen die Antwort, dass man das nicht erfahren würde, weil "die" an einer radioaktiven Waffe in der Mine basteln würden.  :-\ Da sieht man mal, wie wenig nicht gegebene Information ausreicht, um Querdenkern und Verschwörungstheoretikern einen Ansatzpunkt zu geben.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!