Kann man Bremsstrahlung an einer Uhr mit Tritium-Leuchtelementen messen?

Begonnen von DL3HRT, 02. Juni 2019, 19:31

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DL3HRT

Diese Frage habe ich mir schon lange gestellt, da ich seit 2012 eine solche eine Armbanduhr trage (Fabrikat Traser H3 Trooper). Der Vorteil dieser Uhren besteht darin, dass man sie unter praktisch allen Lichtverhältnissen sehr gut ablesen kann. Das Foto im Anhang entstand unter UV-Licht, so dass man die einzelnen H3-Leuchtelemente gut sehen kann.

In Deutschland liegt die gesetzliche Freigrenze für H3-Leuchtelemente bei 1 GBq. Die Freigrenze wird von der Uhr eingehalten. Kauft man jedoch bei ebay die im Wikipedia abgebildeten Schlüsselanhänger (glow rings) so liegt man weit über der in DL zulässigen Freigrenze.


Informationen zum Tritium gibt die Wikipedia. Tritium ist ein sehr niederenergetischer Betastrahler. Die maximale Energie der emittierten Elektronen liegt bei 18.6 keV und die mittlere Energie bei lediglich 5.7 keV. Die Elektronen in den Leuchtelementen interagieren teilweise mit der Leuchtschicht und regen diese zum Leuchten an. Der Rest der Elektronen wird in der Glashülle des Leuchtelements abgebremst und erzeugt Bremsstrahlung. Diese hat eine maximale Energie von ca. 18 keV, typisch jedoch weit darunter. Betrachtet man die Uhr so sieht man, dass die Bremsstrahlung auf dem Weg nach außen auch noch das Saphirglas passieren muss und dort weiter abgeschwächt wird. Durch das Uhrengehäuse in Richtung Arm wird die Bremsstrahlung natürlich komplett abgeschirmt.


Die Frage war nun, ob man die zu erwartende sehr geringe Intensität derBremsstrahlung von außen noch messen kann. Entsprechende Versuche in meinem Gammaspektrometer schlugen fehl. Auch empfindliche Fensterzählrohre und Pancakes zeigten keinerlei Reaktion.

Vor kurzem bekam ich eine RAP-47 LEG-Sonde (LEG Low Energy Gamma). Die misst laut Datenblatt aber einer Energie von 8 keV und ist bis ca. 100 keV brauchbar. In der Praxis kann man sogar noch niedrige Energien bis 4.5 keV messen, allerdings mit verringerter Empfindlichkeit. Das zweite Foto zeigt den Versuchsaufbau. Das Saphirglas der Uhr wurde direkt vor dem Eintrittsfenster der RAP-47 platziert. Und tatsächlich, nach einer längeren Messzeit konnte man die nach außen dringende Bremsstrahlung sehen. Die Sonde zeigte das Maximum bei ca. 14 keV an. Eigentlich müsste das deutlich tiefer liegen aber da macht sich die abnehmende Empfindlichkeit der Sonde bemerkbar.

Die Dosisleistung dürfte sich im homöopatischen Bereich bewegen. Dennoch zeigt sich, dass man Bremsstrahlung nicht unterschätzen sollte. Wenn schon bei einer Uhr mit legaler Aktivität noch etwas zu messen ist, wie sieht es dann bei den Glow-Rings oder gar den militärischen "Taschenlampen" aus (betalight torch). Für die ist eine Aktivität von max. 1.9 Ci angegeben. Das entspricht einer Aktivität von 70 GBq und liegt damit 70fach über der Freigrenze!

NoLi

Ich habe mal das Bremsstrahlungsspektum eines TRIGALIGHT-Schlüsselanhängers (18,5 GBq) mit Hilfe eines Reinstgermanium-Detektors mit dünnem Beryllium-Fenster gemessen. Das Maximum der Impulsraten lag im Energiebereich von 4 keV bis 6 keV. Dies liegt im erwarteten Bereich, weil die größte Anzahl der emittierten ß-Teilchen des Tritium bei einem Drittel der Maximalenergie (18,6 keV) liegt.

Gruß
Norbert

DG0MG

Hier wird auch ein TRIGAGLOW-Schlüsselanhänger mit einem GammaScout gemessen und eine signifikante Erhöhung festgestellt:



Ich hatte allerdings Angst, dass er das Zählrohrfenster zerstört ..


"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Das würde bedeuten, dass das Zählrohr des GS Röntgenstrahlung im Bereich <18 keV nachweisen kann. Das hätte ich so nicht vermutet. Der Wirkungsgrad wird allerdings sehr gering sein.

kwinz

Ich habe so einen Tritiumstrahler [iceatope] für Notbeleuchtung und wollte herausfinden wie bedenklich der bei Dauerverwendung am Schlüsselbund ist.
Bei meiner Recherche bin ich auf deinen Thread gestoßen, aber noch immer nicht ganz schlau:


  • Dieses Video [video] misst mit einem für ein Laiengerät releativ hochwertigen RadiaScan 701A [701A] 1.8 MicroSievert / Stunde an Bremsstrahlung.
    Das kommt mir relativ viel vor. Und da würde ich mich nicht mehr wohl fühlen bezüglich Tritium-Notlicht am Schlüsselbund.
    Sind die mit dem 701A gemessen 1.8 MicroSievert / Stunde realistisch?


  • Ich weiß leider nicht ob, und wie man von deiner mit der RAP-47 LEG-Sonde gemessenen Teilchen-Energie auf die Dosisleistung schließen kann.


  • Wir müssen auch auseinanderhalten von der angegebenen Aktivität in GBq des Tritium Beta-Strahlers, und wieviel davon noch durch die Glasröhre und den Phosphor als Bremsstrahlung gewandelt auf den Benuter einwirken kann.

Alles in allem bin ich verwirrt und würde gerne wissen wieviel MicroSivert / Stunde an Dosis ich im Schlüsselanhänger-Anwendungsfall abbekommen würde.
Danke im Voraus!


[iceatope] https://www.iceatope.co.uk/product/glowrings/
[video] https://youtu.be/T1HZ8NAXu64?t=323
[701A] https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?topic=114.0

Zugpferd

Zitat von: DG0MG am 02. Dezember 2019, 20:38
Hier wird auch ein TRIGAGLOW-Schlüsselanhänger mit einem GammaScout gemessen und eine signifikante Erhöhung festgestellt:
...
Ich hatte allerdings Angst, dass er das Zählrohrfenster zerstört ..

Hängt das nicht primär vom Target ab, also dem Material auf welches die Beta Strahlung trifft?
Die Energie ist ja durch das Nuklid bestimmt, das Target Material sowie Dicke dieses und die Abstände zwischen dem Beta Strahler dem Target und Entweichmöglichkeiten (also wiederum Dicke bzw Geometrie des Targets spielen hier eine Rolle meiner Meinung nach.



DL3HRT

ZitatHängt das nicht primär vom Target ab, also dem Material auf welches die Beta Strahlung trifft?
Das natürlich auch, aber das Nulid bestimmt die maximale Energie und die liegt knapp unter 18 keV. Die durchschnittliche Energie liegt sogar noch deutllich niedriger im Bereich um 10 keV. Da spielt die Absorption durch das umgebende Material die größte Rolle.

Dazu kommt noch das Eintrittsfenster des Detektors. Bei meiner RAP-47 Sonde besteht das aus dünner Aluminiumfolie (ca. 70 µm dick). Das reicht, um den größten Teil dieser niederenergetischen Röntgenstrahung zu absorbieren.

DG0MG

Zitat von: kwinz am 03. August 2020, 04:27
Sind die mit dem 701A gemessen 1.8 MicroSievert / Stunde realistisch?

Wir müssen auch auseinanderhalten von der angegebenen Aktivität in GBq des Tritium Beta-Strahlers, und wieviel davon noch durch die Glasröhre und den Phosphor als Bremsstrahlung gewandelt auf den Benuter einwirken kann.

Ich selbst kann die Messung jetzt nicht nachstellen, da ich nicht so einen Glowring besitze, der in DL ja auch nicht zugelassen wäre. Aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das von Dir verlinkte Video nicht authentisch wäre. Der Däne kennt sich mit Naturwissenschaften, Magnetismus und Radioaktivität sehr gut aus.

Eine konkrete Aktivitätsangabe zu diesem Glowring habe ich nicht gefunden, der Großteil zitiert aber Wikipedia mit ".. bis zu 17,5 GBq".

Wenn DL3HRTs Uhr max. 1 GBq hat, damit sie in DL legal ist, dann wird das doch die GESAMT-Aktivität sein. Schaut man sich Fotos an, so sind da offenbar 14 Einzel-Leuchtelemente (12 Stundenmarkierungen und 2 Zeiger) drin. Ich denke, dass deren Aktivität so liegt, dass erst deren Summe 1 GBq erreicht.

So und nun haben wir zum einen die Uhr mit mehreren kleinen "Lichtern" von vllt. 70 MBq, auf der Uhrenfläche verteilt. Deren Bremsstrahlung ist also offenbar nur mit Mühe und Aufwand überhaupt nachzuweisen. Und zum anderen einen einzelnen, etwas größeren Strahler mit ~250facher Aktivität. Dass dessen Bremsstrahlung entsprechend mehr ist, fällt ja nicht schwer, zu glauben.

Vielleicht kann ja jemand weitere Messergebnisse beisteuern.
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DG0MG

In diesem Video wird ein solcher Schlüsselanhänger ebenfalls mit einem RadiaScan 701A vermessen. Im Ergebnis stellt der Autor Oleg Izon fest, dass 0,9 mm Aluminiumblech oder 6 cm Luft nötig sind, um keine signifikante Erhöhung über dem Hintergrund mehr zu messen. Daraus folgend wird die interessante These aufgestellt, dass es keine Bremsstrahlung ist, die außerhalb gemessen werden kann, sondern stattdessen Verunreinigungen des Tritiums mit Krypton-85, einem Beta-Strahler.

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NoLi

Nach Messungen von TRIGA-LIGHTS (je 18,5 GBq) mit einem Low-Energy-Gammaspektrometer mit Beryllium-Fenster kann ich definitiv behaupten, dass die emittierten Photonen ausschliesslich aus dem Bremsstrahlenspektrum von Tritium stammen.
Weil die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit dieser sehr niederenergetischen Photonen auch mit Gasmolekülen relativ hoch ist, kann man sie auch mit einem Endfenster-GM-Zählrohr nachweisen.

Gruß
Norbert

Zugpferd

In Holland habe ich Notausgangsschilder mit wahnwitzigen Aktivitäten gesehen, ich glaub auch 18,5GBq. Die Fläche wäre deutlich grösser, die waren bestimmt 20x30cm
Davon hab ich Fotos gemacht, das ist aber schon länger her muss ich suchen...


NoLi

Auch die Notausgangschilder in Flugzeugen sind mit Beta-Lights "tritiumbeleuchtet".

Gruß
Norbert

DL3HRT

ZitatAuch die Notausgangschilder in Flugzeugen sind mit Beta-Lights "tritiumbeleuchtet".
Vor einiger Zeit bekam ich durch einen Bekannten die Möglichkeit, Messungen an genau solch einem "EXIT"-Schild vorzunehmen. Gemessen wurde mit der RAP47 Sonde.  Das Maximum im Spektrum liegt eigentlich tiefer bei ca. 6 keV. Hier kommt jedoch zum Tragen, dass die RAP47 unterhalb von 10 keV zunehmend unempfindlicher wird. Selbst in 50 cm Abstand war die Bremsstrahlung noch eindeutig nachweisbar, wenn auch sehr schwach (siehe 2. Spektrogramm).

DL3HRT

ZitatIn Holland habe ich Notausgangsschilder mit wahnwitzigen Aktivitäten gesehen, ich glaub auch 18,5GBq.
Als wahnwitzig würde ich das noch nicht bezeichnen. Das sind die "Betalight Torchs" mit 70 GBq doch wesentlich aktiver. Aber Achtung, sie sind in Deutschland nicht erlaubt.


stoppi

Ich möchte mir ja mittels Tritiumlichter und zwei Solarzellen meinen eigenen kleinen Kernreaktor bauen. Dem Titel dieses Beitrags folgend habe ich nun auch mein Tritiumlicht (Kosten ca. 14 Euro auf aliexpress) vor meinen Geigerzähler (Zählrohr ZP1401) postiert. Die Hintergrundzählrate betrug 28 Impulse/min. Mit Tritiumlicht stieg die Zählrate auf rund 140 Impulse/min.  ;)