Mysteriöse Radioaktivität von Wildschweinen

Begonnen von SievertGray, 02. Dezember 2024, 23:58

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SievertGray

In Bayern gibt es sehr viele Wildschweine die radioaktiv strahlen. Eine Erklärung war bisher, dass die Strahlung durch den Unfall in Chernobyl verursacht wurde. Allerdings sind die Schweine nicht in dem Maße weniger radioaktiv geworden wie das anzunehmen wäre.

Stellt sich heraus: Schuld sind Atomwaffentests und Trüffel. Festgestellt hat man das über das Verhältnis von Cs-135 zu Cs-137.

https://www.sciencealert.com/wild-pigs-in-germany-are-mysteriously-radioactive-and-we-finally-know-why (englischer Artikel)

Edit: Korrigiert, da die höhere Radioaktivität nicht von Cs-135 stammt.

DL1YA

Hi,

danke für den Artikel! Sehr interessant.

Vg,

Alf

Elektroniknerd

Zitat von: SievertGray am 02. Dezember 2024, 23:58Stellt sich heraus: Schuld sind Atomwaffentests und das daraus entstandene Cs-135.
Das habe ich anders verstanden.

Bei der Spaltung entsteht sowohl Cs137 als auch Cs135 - und zwar etwa gleich viel.
(Im Detail ist das sicher etwas unterschiedlich und vom gespalteten Brennstoff (U235 oder Pu239) und der Spaltungsart (Atombomben-Explosion oder langfristiger Abbrand) abhängig, aber es gibt da (zumindest nach meinem rudimentären Atomphysik-Kenntnissen) nix, was große Unterschiede machen sollte).

Das Cs137 zerfällt aber sehr viel schneller - vom Bomben Cs137 ist also schon mehr zerfallen, als vom Tschernobyl Cs137.

Das Cs135 zerfällt dagegen kaum (HWZ=2,3Mio Jahre).

Beide sind allerdings so instabil, das sie nicht Primordal vorkommen. Alles strahlende Caesium ist menschengemacht, entweder Bombe oder AKW.

Das Cs135 strahlt so wenig (2,3E6/30=80000 mal weniger), das man dessen Strahlung nicht vernünftig quantitativ messen kann.

Was aber geht:
1. Strahlung messen => Cs137 Gehalt.
2. Caesium chemisch aus der Probe separieren.
3. Caesium aus der Probe mit dem Massenspektrometer untersuchen.
Das Verhältnis von Cs137 zu Cs135 kann dabei gut bestimmt werden, auch wenn es nur sehr wenig CS137/135 gibt (... im Vergleich zum stabilen Cs133, was halt überall in Vergleichsweise großen Mengen drin ist und von sonst wo stammen kann).
Ist das Verhältnis etwa 1:2 dann stammt das Cs137 aus Tschernobyl (das ist ca. 30  Jahre=1 HWZ her) ist das Verhältnis 1:4, dann stammt es von den Bombentests (die sind ca 60 Jahre=2HWZ her). 
(Zahlwerte grob gerundet und nicht wirklich belastbar, nur um das Prinzip zu erläutern.)

NoLi

Zitat von: Elektroniknerd am 03. Dezember 2024, 16:31...
Ist das Verhältnis etwa 1:2 dann stammt das Cs137 aus Tschernobyl (das ist ca. 30  Jahre=1 HWZ her) ist das Verhältnis 1:4, dann stammt es von den Bombentests (die sind ca 60 Jahre=2HWZ her). 
...
Das blöde ist, dass Tschernobyl im April 1986, also vor knapp 39 Jahre, war und damit der Altersunterschied zwischen A-Bombenfallout und Reaktorfallout nicht mehr eine Cs-137 Halbwertszeit beträgt.
Weiterer Unterschied liegt in der Niederschlagszeit. Bei Tschernobyl waren dies wenige Tage, beim A-Bombenfallout zog sich dies über ein Jahrzehnt lang hin.

Norbert

Elektroniknerd

War, wie gesagt, grob gerundet.

Wenn man die Jahreszahlen mal einsetzt, kommen aber immer noch plausible Werte raus.

Cs137 HWZ 30,19 Jahre
1963 bis 1986 = 23 Jahre, Verhältnis 0,59, bis heute 62 Jahre:  0,24
1968 bis 2024 = 39 Jahre, Verhältnis 0,41

Der Unterschied zwischen Atom-Bombe(1963) und Tschernobyl(1986) ist ein konstanter Faktor (die 0,59), egal ob wir das 1986 oder heute messen.

Der Fallout von älteren Tests hat dann weniger Cs137-Anteil, allerdings fanden die Tests ja nicht gleichmäßig über die Jahre statt, sondern viele eben 1962/1963.

Entscheidend ist hier m.E. das man anhand des Verhältnisses raus bekommen kann, dass das Zeugs im Wildschwein gar nicht weitgehend aus Tschernobyl stammt.
Da man das Tschernobyl-Verhältnis recht genau kennen sollte, muss alles, was davon abweicht, (auch) eine andere Quelle haben. 

SievertGray

Zitat von: Elektroniknerd am 03. Dezember 2024, 16:31
Zitat von: SievertGray am 02. Dezember 2024, 23:58Stellt sich heraus: Schuld sind Atomwaffentests und das daraus entstandene Cs-135.
Das habe ich anders verstanden.


Äh stimmt, da war ich wohl schon etwas müde. Das Verhältnis 135/137 hat zur Feststellung geführt wieso sie immer noch radioaktiv sind.

Elektroniknerd

Zitat von: Elektroniknerd am 03. Dezember 2024, 16:31aber es gibt da (zumindest nach meinem rudimentären Atomphysik-Kenntnissen) nix, was große Unterschiede machen sollte).
Lesen bildet:

Im Reaktor fängt sich Xe135, der Vorläufer von Cs135, gerne Neutronen ein und fällt dann (mit Masse 136) als Quelle (für Cs135) aus.
Bei einer Bombe ist der Neutronenfluss aber schon lange vorbei, wenn der Großteil der 135 Kernteilchen schweren Spaltprodukte beim Zerfall zu Xe135 angekommen ist und das kann dann ungestört zu Cs137 zerfallen.
(Die frischen Roh-Trümmer haben ja erst mal viel zu viele Neutronen und zerfallen über lauter Beta-Minus Zerfälle nach "links oben" in der Nuklid-Karte.)


Das macht unseren Erkenntnisgewinn komplizierter: dadurch hat Bomben-Fallout anteilig mehr Cs135 als die gleiche Menge Reaktor-Fallout: Eine kleinere Menge an Bomben Fallout wird die Isotopen in unserem Wildschwein also schon deutlicher weg vom erwarteten Tschernobyl Verhältnis verschieben.
=> die grundsätzliche Erkenntnis wird dadurch immerhin robuster.

10..50% der Xe135 Atome sollen sich (im Reaktor) ein Neutron fangen, das versaut einem das Verhältnis schon ordentlich, und machen es nötig, dass man dazu Messdaten hat.