Flohmarktfund: Schale mit Uranglasur

Begonnen von danielhahn76, 20. Juni 2024, 22:43

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danielhahn76

Hallo,

habe am Wochenende meinen ersten dicken Uranglasur-Fisch auf dem Flohmarkt geangelt:

Eine Schale mit verdächtigen Rot-Tönen. Die Verkäuferin meinte, sie (die Schale) sei aus den 60er Jahren.

Erster Versuch mit dem FS2011 mit M4011 Zählrohr und RadPro 2.0 Firmware mit entfernter Gehäuserückseite:  55,8 uSv/h  :o

Nun habe ich aber hier im Forum gelernt, dass Uranglasur vorrangig ein Beta-Strahler ist und deshalb die Dosisleistung nicht korrekt angezeigt wird.
Also nochmal in CPM:

Grundsignal: ca. 20 CPM (laut Datenblatt des M4011 Rohres ist der Background 25 CPM)
Zählrohr direkt auf Uranglasur: ca.8000 CPM, es klackert dramatisch...
5 mm dicke Aluplatte dazwischen:  immerhin noch ca. 200 CPM

Die 200 CPM sind aber dann doch Gammastrahlung, oder ?

Also scheint das Teil doch recht aktiv zu sein und ich würde davon absehen, mein Frühstücksmüsli daraus zu essen... ;)

Viele Grüße
Daniel




NoLi

Zitat von: danielhahn76 am 20. Juni 2024, 22:43...
Eine Schale mit verdächtigen Rot-Tönen. Die Verkäuferin meinte, sie (die Schale) sei aus den 60er Jahren.
...
Die Schale ist typisch Art Deco aus den 1920er/1930er Jahren.

Zitat von: danielhahn76 am 20. Juni 2024, 22:43...
5 mm dicke Aluplatte dazwischen:  immerhin noch ca. 200 CPM

Die 200 CPM sind aber dann doch Gammastrahlung, oder ?
...
Auch wenn unterhalb des FS 2011 die Alu-Platte liegt, erfolgt immer noch vom Randbereich der Schale Beta-Einstrahlung seitlich durch das Gehäuse auf das Zählrohr.

Norbert

opengeiger.de

Aber natürlich sieht man auch Gamma-Strahlung. Wir hatten das Thema schon:
https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1553.0.html

PS: Was mir zur Messtechnik noch einfällt:
Man kann so eine Schale ja gut auf drei kleine Abstandshalter in die Badewanne stellen und so viel Wasser einfüllen bis es 2cm über der Schale steht und die Schale von allen Seiten umgibt. So kann man dann über der Wasseroberfläche messen. Dann müsste die Gammastrahlung  in jedem Fall dominieren. Die Badewanne fungiert dann quasi wie ein Abklingbecken, nur dass das Uran nicht so schnell abklingen wird. :D

opengeiger.de

Jetzt dachte ich so, ist vielleicht wirklich ein nettes Experiment mit der Uranglasur unter Wasser, ich mach das einfach mal ,,geschwind". Ich habe also eine Vesperbox genommen und ein Stück einer Keramikfliese mit Uranglasur reingelegt. Quer drüber habe ich den Inspector mit seinem Pancake-Rohr über der Glasur positioniert. Dann habe ich langsam in Millimeter-Schritten Wasser reingefüllt und die Zählrate aufgeschrieben. Die Höhe, wo die Glasur gerade noch nicht mit Wasser bedeckt war habe ich dann zu Null gesetzt. Hier das Ergebnis:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Ich denke man sieht ganz deutlich, aber einer Wasserschichtdicke von etwa 5mm über der Fliese tut sich nicht mehr viel. Solange kein Wasser auf der Glasur ist zählt der Inspector etwa 53cps und zwischen 20 bis 30mm nur noch so etwa 0.8-1cps. Diese Zählrate von etwa 1cps würde ich sagen, das ist nun die Summe von Background und Gammastrahlung der Fliese. Da der Background am Messort aber auch in der Größenordnung von etwa 0.9cps liegt, müsste man viel länger mitteln um die Gammastrahlung besser einschätzen zu können. Also ganz so ,,geschwind" geht's dann doch auch nicht.

Deswegen habe ich nun noch eine Bleistift-Schale der Staatlichen Majolika Manufaktur Karlsruhe AG genommen, schön orangerot glasiert, da hatte die Fläche etwas mehr Glasur und habe das Experiment wiederholt. Das muss man dann logarithmisch skalieren, dass man den Effekt schön abgebildet bekommt. Da hat man dann bei einer Wasserschichtdicke zwischen 9 und 22mm weitestgehend konstante Werte, die etwas über dem Background liegen, aber nur wenig. Mit dem Radiacode kann man dann aber bei einer Schichtdicke von 22mm Wasser über der Majolika-Schale eine Gammastrahlung mit einer Dosis von 236nSv/h deutlich über dem Background messen, während der Background nur mit 122 nSv/h (10cps) angezeigt wird.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Man kann also sagen, 2cm Wasser über einer uranglasierten Oberfläche nimmt die Betastrahlung weitestgehend weg, so dass die Zählrate eines GM-Zählrohrs neben dem Background praktisch nur noch die Gammastrahlung der Glasur sieht. Man braucht aber ein empfindliches Zählrohr und eine nicht zu kleine Oberfläche mit Glasur, welche das Zählrohr auch gut ausleuchtet, dass sich die Gammastrahlung der Glasur vom Background noch signifikant abhebt. Aber das passt dann auch zu dem was man so in der Literatur findet.

Edited: Mal wieder zu schnell u getippt statt n, gut dass es genaue Leser gibt!

NoLi

"Schöne feuchte Spiele mit dem Geigerzähler"... ;D
Der Radiacode wird aber über den 22 mm Wasserdicke über der Majolika-Schale bestimmt nur nSv/h, nicht µSv/h, angezeigt haben. ;)
Die Gamma-Dosisleistung wird aber nicht (ausschliesslich) vom Thorium-234 kommen, sondern hauptsächlich vom Protactinium-234(m), welches ein harter Beta-Strahler (2,2 MeV ß-max.) ist, entsprechende energiereiche Bremsstrahlung erzeugt und in knapp 1 % aller Zerfälle zusätzlich ein Photon mit 1,001 MeV emittiert.

Hier  https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Strahlenschutz/strlsch_messungen_gamma_natrad_bf.pdf  sind in der Tabelle auf der Seite 7 die Gamma-Energien von Th-234 und Pa-234 mit ihren prozentualen Anteilen am Gesamtzerfall des jeweiligen Nuklides gelistet.

Norbert

opengeiger.de

@NoLi  Danke fürs aufmerksame Lesen  ;).

Ja, das Pa234 wird immer ein wenig vernachlässigt, das stimmt. Ich glaube auch, dass die PIN-Dioden Zähler mit z.B. der BPW34 sehr vom Pa234 leben.Für Gamma sind sie ja sehr unempfindlich jedenfalls für die höheren Energien und die Soft Beta-Strahlung scheitert ja oft schon am Gehäuse. Wenn so ein Zähler dann bei einer Glasur gut tickt könnte dss wirklich am Pa234m liegen, das ja auch eine stolze mittlere Energie von 820keV hat.Von daher wird es viel zu wenig würdigend erwähnt.

Umgekehrt muss man aber sagen, dass ein paar cm Wasser schon auch ein überraschend guter Betablocker sind. Wer also seiner U-Keramik nicht recht über den Weg traut, der kann sie auch ganz einfach in einer mit Wasser gefüllten Wassertonne lagern,und kann dann so wieder ganz beruhigt schlafen.

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 21. Juni 2024, 22:36...
Umgekehrt muss man aber sagen, dass ein paar cm Wasser schon auch ein überraschend guter Betablocker sind. Wer also seiner U-Keramik nicht recht über den Weg traut, der kann sie auch ganz einfach in einer mit Wasser gefüllten Wassertonne lagern,und kann dann so wieder ganz beruhigt schlafen.
NEIN, bloß nicht!!
Wenn die Keramik längere Zeit feucht oder gar naß ist, "saugt" sich allmählich an unglasierten oder rissigen Stellen der Keramikkörper mit Wasser voll, die Glasur bekommt (mehr) Risse und löst sich bröckelig ab.

Norbert

opengeiger.de

Du meinst also ich solle aus meinem orangenen Espressotässchen auch besser keinen "starken" Espresso mehr drinken, weil sonst die Keramik kaputt geht?  :unknw: Schade eigentlich!  :D
Und was ist mit der leuchtenden Blumenvase? Auch besser mal keine Blumen zum Hochzeitstag mehr reintun?  Nicht dass irgendwann das Wasser durchsickert?  :))

Naja, vielleicht hast Du ja recht. Aber was wäre dann die geeignetere Aufbewahrungsart? Muss ich mir dann als strahlenschutzbewusster Keramiksammler doch eine Plexiglasvitrine ins Wohnzimmer bauen? Wie dick? Reichen 5mm?

NoLi

Ich hoffe nicht, dass dein Espresso sooo lange in der Tasse bleibt. ;D

Solange die Glasur komplett dicht und unversehrt ist, gibt es keinen Feuchtigkeitseintrag in den Keramikkörper und somit auch keine Schäden, wenn man von Kalk und anderen Ablagerungen mal absieht.
Ich denke, ob eine Keramik durch Wasser geschädigt wird oder nicht, hängt letztendlich auch von der Zusammensetzung des Keramikmaterials ab. Ich habe/hatte jedenfalls Keramiken (Kuchenplatte, Obstteller, ...) aus einem feucht-nassen Keller, bei denen solche Schäden aufgetreten sind; andere keramische Objekte aus gleichem Raum zeigten dem gegenüber keine Beeinträchtigungen. Man weiß halt nie, woraus das Objekt seiner Begierde unter der Glasur besteht.

5 mm Plexi sind etwas wenig, mit 8 mm bist Du auf der sicheren Seite (gerade die max. 2,2 MeV des Pa-234 sind sehr durchdringungsfähig). Für eine Vitrine reichen aber die üblichen 2 mm Glasscheiben, um die Betastrahlung weitestgehend zu absorbieren. Und es muß nicht unbedingt Bleiglas sein... :)

Norbert

opengeiger.de

Ja, ich habe mich nun erinnert, dass im Atomkeller-museum in Haigerloch (https://hechingen4you.de/Museen/Atomkeller-Museum/UranwuerfelOrg.jpg), wo zwei der historischen Uranwürfel ausgestellt sind, mit denen Heisenberg die Spaltung in Gang zu bekommen versucht hat. Das sieht nach 1cm dickem Glas aus.

Das Uran war ja, wie man vermutet, nicht angereichert worden, daher müsste es dem Uran in den alten Uranfarben (aus nicht abgereichertem Uran) sehr stark ähneln. Das heißt, die Beta-Strahlung müsste genauso vor allem aus dem Th234 und Pa234 stammen, die sich annähernd im Gleichgewicht mit dem U238 befinden. Richtig?

Dann wäre also so eine Glasvitrine für eine Keramik-Sammlung die bessere Lösung als das Wassergefäß. Zugegeben, sieht auch etwas schicker aus.  ;)

Das würde ich dann eigentlich auch dem Museum in der Majolika in Karlsruhe empfehlen, wo der ca. 1m hohe"rote Reiter" steht (ganz ohne Vitrine) und lästerlich tickt. Aber vielleicht löst sich das Problem in der Majolika in Karlsruhe auch von selbst. Es heißt angeblich, sie soll den Betrieb einstellen. Was auch wieder schade ist.   :(


DL8BCN

Ich denke, wer Angst vor der Strahlung hat sollte solche Sachen erst gar nicht sammeln.
Aber es ist wie mit Giftschlangen:
Sie üben auf manchen eine Faszination aus. Man muss aber aufpassen, nicht gebissen zu werden :D

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 22. Juni 2024, 11:26...
Das Uran war ja, wie man vermutet, nicht angereichert worden, daher müsste es dem Uran in den alten Uranfarben (aus nicht abgereichertem Uran) sehr stark ähneln. Das heißt, die Beta-Strahlung müsste genauso vor allem aus dem Th234 und Pa234 stammen, die sich annähernd im Gleichgewicht mit dem U238 befinden. Richtig?
...
So richtig, es ist in der Isotopenzusammensetzung U-238/Th-234/Pa-234 das gleiche Material.

Zitat von: opengeiger.de am 22. Juni 2024, 11:26...
Das würde ich dann eigentlich auch dem Museum in der Majolika in Karlsruhe empfehlen, wo der ca. 1m hohe"rote Reiter" steht (ganz ohne Vitrine) und lästerlich tickt. Aber vielleicht löst sich das Problem in der Majolika in Karlsruhe auch von selbst. Es heißt angeblich, sie soll den Betrieb einstellen. Was auch wieder schade ist.   :(
Leider auch so richtig, nachdem der Berliner Investor zwar die Majolika, aber nicht die dazugehörigen Gebäude bekommen hatte und die Stadt den Gebäudeerwerb bisher vehement verweigert. Daher will sich der Investor wieder von dem Ganzen zurückziehen, was dann das Aus der Majolika bedeutet.
Nicht nur im Museum sind uranglasierte Plastiken zu bewundern, auch im und am Gebäude befinden sich alte Fliesen und Dekorationen aus eigener Produktion mit Uranglasuren.

Norbert

danielhahn76

Hallo und Danke für das Experiment und die Gedanken.

Ich habe meine Art-Deco-Schale erstmal nicht unter Wasser getaucht, aber eine andere Vermutung gehabt:
Auf der Rückseite des Bodens der Schale gemessen, dürfte die Beta-Strahlung ja nicht durch die ca. 5-7 mm dicke Keramik dringen, die Gamma-Strahlung aber schon. Oder ist diese Annahme angesichts der unbekannten Zusammensetzung der Keramik zu kühn ?

Tatsächlich sind auf der Rückseite kaum noch erhöhte Werte zu messen. Erstmal kam also in der Schale gemessen, wie Norbert vermutet hatte, an der Alu-Platte vorbei noch einiges vom roten Rand der Schale seitlich bis zum Zähler.

Es sind an der Rückseite der Schale 0,16 µSv/h (Average, Konfidenzintervall +/- 10%) und fernab von der Schale 0,13 µSv/h (Average, Konf.int. +/- 10%). Die kleine Differenz könnte Gamma sein, vielleicht kommt aber doch noch etwas Beta durch die Keramik durch oder es ist Röntgen-Bremsstrahlung aus der Keramik (siehe Wikipedia Artikel über Beta-Strahlung ?), oder, oder. Fragen über Fragen.

Gruß
Daniel

NoLi

Zitat von: danielhahn76 am 22. Juni 2024, 23:00...
Ich habe meine Art-Deco-Schale erstmal nicht unter Wasser getaucht, aber eine andere Vermutung gehabt:
Auf der Rückseite des Bodens der Schale gemessen, dürfte die Beta-Strahlung ja nicht durch die ca. 5-7 mm dicke Keramik dringen, die Gamma-Strahlung aber schon. Oder ist diese Annahme angesichts der unbekannten Zusammensetzung der Keramik zu kühn ?
...
Ist so richtig, die Keramik schirmt die Beta-Strahlung der Uranglasur vollständig ab.

Zitat von: danielhahn76 am 22. Juni 2024, 23:00...
Es sind an der Rückseite der Schale 0,16 µSv/h (Average, Konfidenzintervall +/- 10%) und fernab von der Schale 0,13 µSv/h (Average, Konf.int. +/- 10%). Die kleine Differenz könnte Gamma sein, vielleicht kommt aber doch noch etwas Beta durch die Keramik durch oder es ist Röntgen-Bremsstrahlung aus der Keramik (siehe Wikipedia Artikel über Beta-Strahlung ?), oder, oder. Fragen über Fragen.
...
Die Ursache ist nicht so genau zu spezifizieren, weil
a) Auch der Keramikkörper und die anderen Glasuren eine geringe Eigenradioaktivität aufweisen (vor allem Kalium-40).
b) Die Bremsstrahlung teilweise die Keramik durchdringen kann.
c) Ein Teil der 92 keV Gammastrahlung des Th-234 die Keramik auch durchdringen kann.

Norbert