Radiocäsiumuntersuchung mit Radiacode 10x durchführen?

Begonnen von sebabitty, 08. Dezember 2024, 18:13

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sebabitty

Hallo,

in meinem Bekanntenkreis gibt es einige Jäger, die regelmäßig Proben von Wildschweinen zur Radiocäsiumuntersuchung bringen. Grund ist Einhaltung der Lebensmittelverordnung, die Proben dürfen maximal eine Belastung von 600 bq/kg aufweisen.

Bisheriges Verfahren:
Es wird wohl meistens ein Gerät von Berthold (LB200 oder LB201) genutzt. Man füllt hierzu ca. 500gr Fleisch in das Gerät (einen Marinelli-Becher) und das Gerät ermittelt die Aktivität.

Meine Idee:
Das Gerät ist sehr teuer (laut diesem Beitrag wohl ca. 4000€: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,706.15.html).
Deswegen hatte ich die Überlegung, ob ausreichend genaue Messungen auch mit einem 3D-gedruckten Marinelli-Becher (zB aus diesen Beiträgen: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?topic=862.0) und einem vergleichsweise günstiges Radiacode-Messgerät möglich sind.
Ich erwarte keine Messungen selber Präzision. Es geht darum, die Proben "vorzuuntersuchen". Ist eine Probe nur gering belastet (z.B. tatsächlich 200 Bq/kg) sollte der Messaufbau aber ausreichen, die Probe als genießbar zu identifizieren.

Ich habe schon etwas im Forum gelesen (siehe die verlinkten Beiträge), konnte den physikalischen Überlegungen aber oft nicht folgen.

Im folgenden einige Fragen, deren Antworten mir hoffentlich weiterhelfen:
- kann das Radiacode-Messgerät CS137 prinzipiell detektieren, falls ja mittels welchen Prinzips (und wo liegen die Tücken)
- wie genau muss das Messgerät sein, um solche Genauigkeitsbereich abbilden zu können (und was bedeutet zB die Angabe 9.4% ±0.4% FWHM bei Radiacode 102)
- wird eine Bleiburg benötigt (vermutlich ja, Berthold nutzt diese ja auch ;) )? Wie könnte man die Hintergrundstrahlung herausrechnen, falls man darauf verzichten kann?
- wie steht es um die Kalibrierung?


Mein Ziel:
Falls das prinzipiell gehen würde, würde ich so ein Messgerät beschaffen & Tests anstellen. Außerdem könnte man dann eine Art Tutorial erstellen, sodass hofffentlich auch andere diese Möglichkeit nutzen können.

Lieben Dank schonmal fürs Durchlesen :)

DG0MG

Kurze Antwort: Ja, das geht.

Ich denke, wir hier sind alle sehr interessiert daran, Vergleiche zwischen einem LB200 und einem RadiaCode zu sehen. Meine Meinung ist, dass die Genauigkeit des RadiaCodes nicht wesentlich hinter dem LB200 zurückstehen wird, einzig wird auf Grund des kleineren Kristalls die Messzeit länger sein müssen.

Zitat von: sebabitty am 08. Dezember 2024, 18:13- kann das Radiacode-Messgerät CS137 prinzipiell detektieren, falls ja mittels welchen Prinzips (und wo liegen die Tücken)

Ja. Der RadiaCode ist ein Spektrometer. D.h. er misst mit eines Szintillationkristalls die Energie der Gammaquanten. Cs-137 kommt bei 662 keV raus - wenn dort also ein Peak ist, dann stammt der vom Cs-137. Die FWHM-Angabe bedeutet dabei, wie schmal so ein Peak wird. Je schmaler, desto besser, weil in der Theorie dürfte es ja nur eine Linie sein.
Der LB200 ist kein Spektrometer (für den 201 weiß ichs nicht), er zählt einfach Lichtblitze in einem erheblich größeren Szintillationskristall. Deshalb kann er Kalium und Cäsium nicht unterscheiden. Das Kalium muss dann mit Korrekturfaktoren herausgerechnet werden. Der RadiaCode kann zwischen Kalium und Cäsium unterscheiden, bei ihm geht das Kalium vereinfacht gesagt gar nicht erst in die Messung ein.

Zitat von: sebabitty am 08. Dezember 2024, 18:13- wird eine Bleiburg benötigt (vermutlich ja, Berthold nutzt diese ja auch ;) )? Wie könnte man die Hintergrundstrahlung herausrechnen, falls man darauf verzichten kann?

Es geht auch ohne Bleiburg, aber daran würde ich keinen Gedanken verschwenden. Allseitig >9mm Blei um den Messbehälter sind kein Hexenwerk (Walzblei, siehe Bleiburg-Thread). Ohne Abschirmung macht man das dann mit zwei Messungen: Einmal ohne und einmal mit Probe, die dann miteinander verrechnet werden. Demzufolge würde die Messzeit wiederum länger werden.

Zitat von: sebabitty am 08. Dezember 2024, 18:13- wie steht es um die Kalibrierung?

Die hat der Hersteller des RadiaCode schon gemacht. Wenn Du eine der vorgefertigten Messgeometrien nimmst (z.B. den Marinelli-Becher 0,5l aus dem 3D-Drucker), dann stimmt die Kalibrierung. Es muss also nicht nur ein halber Liter Volumen um den Messkopf sein, sondern auch noch in genau dieser Geometrie.

In der App wählst Du dann die zur Messung verwendete Geometrie und das Messgut (Fleisch, frisch) aus und es wird Dir nach einiger Zeit ein Messwert in Bq/kg angezeigt.



"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Der FHWM-Wert (= Halbwertsbreitenwert) gibt die Güte der Messvorrichtung an, also das Auflösungsvermögen einzelner Energiepeaks (und damit der einzelnenen Nuklidbestimmungen) im Spektrum einer Probe. Je kleiner dieser Wert ist, um so hochwertiger ist das Messgerät, desto besser die Auflösung. Professionelle Gamma-Spektrometrieanlagen haben eine FHWM-Wert  von deutlich < 1 %. Die benannten 9,4 % sind eher mittelmäßig anzusehen.
Wenn man aber, wie in diesem Fall, nur Cs-137 nachweisen will, kommt es auf einen sehr kleinen FHWM-Wert nicht so darauf an. Wichtiger ist hier eine extrem gute Spannungsstabilisierung und Temperaturkompensation, damit der Peak bei verschiedenen Umgebungsbedingungen (Temperatur) nicht driftet. Jede kleinste Drift bedeutet eine Änderung der Effizienzkalibrierung und damit einen Qualitätsverlust bei der Auswertung ("Hausnummern").
Zur Kalibrierung und Wiederholungsprüfung von Energielage des Peaks und Effizienz des Detektors benötigt man unbedingt ein Cs-137 Kalibrierpräparat in Probenmessgeometrie mit bekannter spezifischer Aktivität in Bq/kg und der Dichte 1 in einem zum Gerät vorgegebenen Marinelli-Becher, wie sie dann auch ausschliesslich zu Probenmessungen Verwendung finden. Diese Kalibrierung muß zwingend vor jeder neuen Probenmesskampagne durchgeführt werden, um vorher benannte Parameter zu überprüfen und eventuelle Änderungen zu erkennen. Daher reicht eine nur einmalig durchgeführte Herstellerkalibrierung nicht aus!

Norbert

NoLi

Hier ein Beispiel für eine (Wiederholungs)Kalibrierung des QSAFE QSF-104 mit einem dazugehörigen Cs-137 Kalibrierpräparat:


http://qsafe.co.kr/shop/shopdetail.html?branduid=1012523&search=&page= (mit mehr Info).

In diesem Video erkennt man auch die abschirmende Wirkung des zum Messset gehörigen Abschirmbehälters, um die Nullrate zu senken und die Nachweisgrenze zu erniedrigen.

Auch hier ab 4:10 min.

Norbert

NoLi

Das Cs-137 Kalibrierpräparat für den LB-200/LB-201 besitzt eine Marinelli-Geometrie und hat eine Aktivität von 5000 Bq (= 50 % der Freigrenze), so wie dieses Schulpräparat von Leybold:


https://www.leybold-shop.de/physik/geraete/atom-und-kernphysik/radioaktivitaet/praeparate/559885.html
https://www.ld-didactic.de/documents/de-DE/GA/GA/5/559/559885d.pdf

Norbert

DG0MG

Bleib doch mal bitte bei der Frage des TO! Es ist nicht immer hilfreich, Antworten auf Fragen zu geben, die gar nicht gestellt wurden.

Die Frage lautete nach der überschlägigen Wildfleischuntersuchung mittels eines RadiaCodes.
Nicht(!) nach der Kalibrierung irgendeines koreanischen Messgerätes (das KEIN Spektrometer ist!) mit einem Cs-137-Prüfstrahler, den er wahrscheinlich nicht hat, auch nicht braucht und ganz sicher auch nicht will - bei einem Preis von ~5000.- EUR. Das ist doch für die hier behandelte Variante völlig praxisfern. Sicher, eine regelmäßige Überprüfung von Messgeräten ist grundsätzlich angebracht, aber wenn die Frage nach dem "Wie überhaupt" kommt, muss man doch nicht mit der Überprüfung der Messwerte ankommen, die noch gar nicht vorliegen.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Energiestabilität eines RadiaCode ausgesprochen hoch ist - auch bei schwankenden Temperaturen. Kalibrieren kann man das Energiespektrum auch mit anderen Stoffen als Cs-137 (Lutetium).

Und jetzt befassen wir uns erstmal mit dem MESSEN!
Von Fleisch!


"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

sebabitty

Vielen Dank für die Antworten, dann werde ich mir den mal bestellen. Gerade ist er im Sale für 265€.
Weiß zufällig jemand, ob das gerade wirklich ein gutes Angebot ist, oder nur Black-Friday Marketing? (Google zeigt noch einen Preis von 220€ an, er scheint also vor kurzem noch günstiger gewesen zu sein)

DG0MG

Naja, also das mittlere Modell würde ich dann aber schon nehmen, den RadiaCode-103.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Flipflop

Frage: Irgendwo habe ich ein Foto gesehen wo man Wildschweine von aussen mit einem grossen Szintillator auf Cs 137 testet. In wie weit würde denn das für eine erste Einschätzung zu gebrauchen sein?  :unknw:

NoLi

Zitat von: Flipflop am 09. Dezember 2024, 09:34Frage: Irgendwo habe ich ein Foto gesehen wo man Wildschweine von aussen mit einem grossen Szintillator auf Cs 137 testet. In wie weit würde denn das für eine erste Einschätzung zu gebrauchen sein?  :unknw:
Moin.
Was verstehst du unter einem grossen Szintillator?
Hier zur Info mal die Beschreibung eines Body Counters mit 4 Stück NaJ-Detektoren und deren Nachweisgrenze für Cs-137: https://www.sum.kit.edu/downloads/BodyCounterAllgemein.pdf

Norbert

Flipflop

Bin mir nicht sicher ob es diese Sonde war:

Automess SZINTILLATORSONDE
6150AD-b/E

https://www.automess.de/assets/documents/de/Prospekt_ADb_D.pdf

Also mit gross meinte ich 2-3 Zoll. Das Problem sehe ich dabei dass man bei der Automess-Sonde kein Spektrum aufnehmen kann. (Die liegt natürlich auch in einer anderen Preiskategorie). Irgendwie müsste man doch vermutlich auch von aussen feststellen können ob das Wildschwein kontaminiert ist, für genauere Messwerte braucht es dann aber was anderes. Da könnte man auch gleich den Radiacode in eine Tüte packen und in das Wildschwein legen.  :sarcastic_hand:

@NoLi, Danke interessante Seite, leider auf Koreanisch oder Englisch:

http://www.qsafe.co.kr/shop/shopdetail.html?branduid=959271


http://www.qsafe.co.kr/shop/shopdetail.html?branduid=1027891


NoLi

Zitat von: Flipflop am 09. Dezember 2024, 11:21...
Also mit gross meinte ich 2-3 Zoll. Das Problem sehe ich dabei dass man bei der Automess-Sonde kein Spektrum aufnehmen kann. (Die liegt natürlich auch in einer anderen Preiskategorie). Irgendwie müsste man doch vermutlich auch von aussen feststellen können ob das Wildschwein kontaminiert ist, für genauere Messwerte braucht es dann aber was anderes.
Das kann bestimmt mit der 6150 AD-b Sonde oder einer anderen ähnlichen Szintillatorsonde (z.B. von Thermo-Scientific) funktionieren, Problem ist nur der dabei störende Gamma-Untergrund und das gleichzeitig im Muskelfleisch befindliche K-40 (mit ~ 60 Bq/kg). Zur Reduktion des Untergrundes (und damit Senkung der Nachweisgrenze) müsste die Sau zur Messung in eine Blei- bzw. Abschirmkammer, zur "Eliminierung" des K-40 Signals bleibt nur ein spektrometrisches Gerät mit selektiver Aktivitätsauswertung des Cs-137 Peaks...insofern wäre beispielsweise der Radiacode-10X das richtige Gerät hierfür.

Norbert