Radioaktives Kalium in Wand- /Fassadenfarben

Begonnen von Jan, 25. Oktober 2024, 08:35

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NoLi

Klar, die Zählrate eines Strahlungsdetektors wird durch den Abstand geringer, weil die Strahlungsemission in 4-Pi-Geometrie erfolgt; somit erreichen mit größerem Abstand immer weniger Betateilchen den Detektor, weil mehr vorbei fliegen.
Die Intensität sinkt mit dem Abstand, nicht aber die Reichweite der Betateilchen; beim Flächenstrahler angenähert mit etwa 1/r, im Gegensatz zu einem Punktstrahler mit 1/r²  (r = der Abstand).

Die Bezeichnung "Reichweite" im Diagramm ist unglücklich gewählt.

Norbert

NoLi

Zitat von: GZ-BW am 03. November 2024, 14:18...
2. Berechnung der Kaliumaufbringung auf die Wände

Für einen Raum von 30 m² Grundfläche mit einer Raumhöhe von 2,5 m beträgt die gesamte Wandfläche (unter Berücksichtigung aller vier Wände):
Gesamtwandfläche: 110 m²
...
Farbschicht: Angenommen, die Schichtstärke beträgt 0,2 mm (eine dicke Schicht, um eine andere Farbe zu überstreichen), dann benötigen wir 0,15 Liter pro m², also insgesamt 0,15 × 110 = 16.50 Liter Farbe.

Bei einer Dichte von 1,5 kg/L ergibt das eine Gesamtmasse der Farbe von:
16.50 Liter × 1,5 kg/L = 24.75 kg
Falls die Farbe 10% Kalium enthält:
24.75 kg × 0,10 = 2.48 kg Kalium

Zusammenfassung

Für einen 30 m² großen Raum, der mit einer kaliumhaltigen Wandfarbe gestrichen wurde, die maximal etwa 10% Kalium enthält, kann die Strahlenbelastung in einem Abstand von 20 cm von der Wand durch die Gammastrahlung von Kalium-40 um etwa 0,1–0,3 µSv/h zunehmen. Betastrahlung ist im Abstand von bis zu 25 cm zu erwarten, nimmt aber mit zunehmender Distanz zur Wand stark ab."
2,48 kg Kalium haben eine Aktivität von 77376 Bq, verteilt auf 110 m² ergibt dies 703 Bq/m².
Der Dosisleistungskoeffizient für Gamma-Strahlung von Kalium-40 beträgt bei Submersion (also "allumgebend") effektiv 4,9 E-17 (Sv/s)/Bq/m²), also 1,8 E-13 (Sv/h)/(Bq/m²). Daraus folgt eine effektive Dosisleistung von 1,24 E-10 Sv/h bei 703 Bq/m², oder 0,124 nSv/h bzw. 0,000124 µSv/h.
Für Beta-Strahlung (Organ Haut) liegt der Dosisleistungskoeffizient bei Submersion bei 3,2 E-14 (Sv/s)/Bq/m³), also 2,25 E-11 (Sv/h)/(Bq/m³). Daraus folgt bei 703 Bq/m³ eine Haut-Dosisleistung von 1,58 E-8 Sv/h oder 15,8 nSv/h bzw. 0,0158 µSv/h.
(https://www.base.bund.de/SharedDocs/Downloads/BASE/DE/rsh/dosiskoeffizienten-teil1.pdf;jsessionid=E2A7CABA8DFA43763D364CF55623CCF2.internet971?__blob=publicationFile&v=1 , Teil I - Seite 15)

Da zwar die Wände quasi "allumgebend" angenommen wurden, die Abstände zu denselben aber unterschiedlich sind, wird die errechnete Dosisleistung deutlich geringer ausfallen. Außerdem wurde ein nackter Raum ohne Mobiliar angenommen.

Norbert

GZ-BW

Der Unterschied zwischen den beiden Berechnungen liegt hauptsächlich in der Methodik und den Annahmen zur Strahlungsumgebung und dem verwendeten Dosisleistungskoeffizienten.

Dosisleistungsberechnung mit Annahme einer direkten Bestrahlung:

Der ursprünglich verwendete Ansatz geht davon aus, dass sich die Person nahe an der Wand (20 cm Abstand, z.B. täglicher bzw. nächtlicher :-) Aufenthalt im Bett nahe der Wand) aufhält und dass der Messwert die Strahlung direkt an der Position der Person erfasst.

Gammastrahlung: Die Aktivitätsdichte der Wand (kBq pro Quadratmeter) wird als Quelle betrachtet, die in unmittelbarer Nähe eine lokale Strahlungszunahme verursacht, ohne den Dosisleistungskoeffizienten für die Submersion zu verwenden.

Diese Methode führt zu einer höheren Dosisleistung, da man die Annahme trifft, dass der Abstand zur Quelle gering ist und die Wand als mehr oder weniger punktuelle Quelle wirkt.

Berechnung der Dosisleistung mit Submersion-Modell:

Das Submersion-Modell betrachtet die Verteilung der Strahlung im gesamten Raumvolumen und verwendet einen Dosisleistungskoeffizienten, der die Strahlung als gleichmäßig im Raum verteilt annimmt.

In diesem Fall wird der gesamte Raum als eine Art homogener Strahlungsumgebung betrachtet, was die Dosisleistung stark reduziert. Dieses Modell wäre theoretisch zutreffender für Räume, die mit gleichmäßig verteiltem radioaktivem Material durchmischt sind (z. B. Luft voller radioaktiver Partikel).
Durch die Anwendung dieses Modells ergibt sich ein Wert von 0,000124 µSv/h für die Gammastrahlung und 0,0158 µSv/h für die Betastrahlung.

Wer hat nun "recht"?

Beide Berechnungen haben ihre Berechtigung, aber sie sind für unterschiedliche Szenarien anwendbar:

Der Submersion-Ansatz ist theoretisch fundiert, wenn man die Strahlung im gesamten Raumvolumen als homogen verteilt betrachtet, was jedoch in einem realen Raum mit einer einzigen Strahlungsquelle an den Wänden weniger praxisnah ist.

Die Berechnung mit der Annahme einer direkten Bestrahlung bei geringem Abstand ist praxistauglicher, wenn man davon ausgeht, dass sich eine Person in der Nähe der Wand aufhält und hauptsächlich von dieser Strahlungsquelle betroffen ist.

In einem realistischen Szenario, in dem eine Person tatsächlich in der Nähe einer Kalium-beschichteten Wand steht, wäre vermutlich die direktere Annahme (0,1–0,3 µSv/h) anwendbarer?

Elektroniknerd

#49
Ich habe das hier mal stumpf ausprobiert. 1.3kg Kaliumchlorid im Eimer. 80cm von Raysid: nicht detektierbar. 30cm vom Eimer: grade so im Spektrum zu erkennen. Da es (für die 1.4MeV Gammastrahlung) fast völlig egal ist, ob der Eimer eine "Punkt" Quelle ist oder sein Inhalt gleichmäßig in einer 60 cm Kugel um den Raysid angeordnet wäre, würde ich bei jeder Rechnung, die da mehr als 10nSv Größenordnung raus bekommt, nach dem Fehler in der Berechnung suchen.
Ich habe bei mir in der Wohnung ca. 90nSv/h davon sind ca.40nSv/h NORM (vermutlich die Ziegel) mit einem gut erkennbaren K40 Peak.
Bild: grün=Hintergrund, gelb=mit Kaliumchlorid Eimer. Betastrahlung abgeschirmt.
 

NoLi

Zitat von: GZ-BW am 04. November 2024, 00:03...
Die Berechnung mit der Annahme einer direkten Bestrahlung bei geringem Abstand ist praxistauglicher, wenn man davon ausgeht, dass sich eine Person in der Nähe der Wand aufhält und hauptsächlich von dieser Strahlungsquelle betroffen ist.

In einem realistischen Szenario, in dem eine Person tatsächlich in der Nähe einer Kalium-beschichteten Wand steht, wäre vermutlich die direktere Annahme (0,1–0,3 µSv/h) anwendbarer?
Betrachten wir doch die Wand wie Bodenstrahlung (schliesslich hält man sich auch nicht in direktem Wandkontakt im Raum auf):

dann benutze doch aus der im Link angegebenen Tabelle den "Dosisleistungskoeffizienten für Gamma-Bodenstrahlung ((Sv/s)/(Bq/m²))" von "effektiv  1,4 E-16 (Sv/s)/(Bq/m²)" für K-40:

1,4 E-16 (Sv/s)/Bq/m²)  =  5,04 E-13 (Sv/h)/(Bq/m²)
Bei 703 Bq/m² ergibt dies eine Dosisleistung von 3,5 E-10 Sv/h oder 0,35 nSv/h bzw. 0,00035 µSv/h.

Zitat von: GZ-BW am 04. November 2024, 00:03...
Gammastrahlung: Die Aktivitätsdichte der Wand (kBq pro Quadratmeter) wird als Quelle betrachtet, die in unmittelbarer Nähe eine lokale Strahlungszunahme verursacht, ohne den Dosisleistungskoeffizienten für die Submersion zu verwenden.

Diese Methode führt zu einer höheren Dosisleistung, da man die Annahme trifft, dass der Abstand zur Quelle gering ist und die Wand als mehr oder weniger punktuelle Quelle wirkt.
...
Eine Wand mit so gut wie gleichmäßiger Aktivitätsverteilung als "als mehr oder weniger punktuelle Quelle" zu betrachten, geht hier gar nicht; somit ist hier auch das Abstandsquadratgesetz nicht anwendbar.

Norbert

Peter-1

Ich habe einen Knoten im Kopf. Es  fehlt ein Faktor 100 bei mir.
Ist es richtig mit K40 :  4,5 µSv * m² / h * GBq  ?
Gruß  Peter

NoLi

#52
Zitat von: Peter-1 am 04. November 2024, 12:14Ich habe einen Knoten im Kopf. Es  fehlt ein Faktor 100 bei mir.
Ist es richtig mit K40 :  4,5 µSv * m² / h * GBq  ?
Peter, guck mal in diese Tabelle, da findest Du u.a. für K-40 Angaben zur Gamma-Dosisleistungskonstante und Bremsstrahlungsdosisleistungskonstante (gilt aber nur für Punktstrahler!):

https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/15_Service/Lehrk%C3%A4fte_Arbeitsmittel/kenn2010.pdf

Norbert

NoLi

Zitat von: NoLi am 04. November 2024, 12:33Peter, guck mal in diese Tabelle, da findest Du u.a. für K-40 Angaben zur Gamma-Dosisleistungskonstante und Bremsstrahlungsdosisleistungskonstante (gilt aber nur für Punktstrahler!):

https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/15_Service/Lehrk%C3%A4fte_Arbeitsmittel/kenn2010.pdf

Norbert
Für die Beta-Hautdosisleistung gemäß oben angegebener Tabelle ergibt sich bei unmittelbaren Wandkontakt:

1 Bq/cm² = 1,4 µSv/h
bei 703 Bq/m² sind dies 0,0703 Bq/cm²  x  1,4 ((µSv/h)/(Bq/cm²)) = 0,098 µSv/h.

Norbert

Jan

Die Pottasche habe ich nicht selbst gemessen. Diese Werte (Nullrate = 0.19µSv/h, auf einem Päckchen Pottasche = 0.355µSv/h) habe ich glaube hier aus dem Forum. Aber da gibt es ja sogar Schülerexperimente dazu.

Also in Pottasche ist das Kalium konzentriert und deutlich höher als in der Silikatfarbe, das ist schon mal beruhigend. Woher kommt eigentlich die hier angenommene Zahl von 10 % Kalium in Silikatfarbe, steht das irgendwo?
Aber die Aussage von GZ-BW, dass die Gammastrahlung im Abstand von 20 cm zur Wand eine Zunahme von etwa 0,1–0,3 µSv/h bedeuten würde, wären ja dann Werte wie direkt auf einem Päckchen Pottasche. Oder war seine Annahme falsch und die von NoLi richtig, dass die Gamma-Strahlung von der Farbe eine effektive Dosisleistung von 0,000124 µSv/h und die Beta-Strahlung eine Haut-Dosisleistung von 0,0158 µSv/h hat?

Und warum ist das so entscheidend aus was die Wand besteht? Aus Luft sichert nicht und alles andere hat ja auch mineralische Inhaltsstoffe, es sei denn man streicht direkt auf Holz, oder? Deswegen hatte ich ja auch gefragt, wie viel mehr an Kalium ich durch die Kalium-Silikatfarbe an die Wand bringe, als es in unserem Kalk-Zementputz (kein Gipsputz) an Kalium sowieso schon drin ist.

Das mit dem tatsächlichen Test von Elektroniknerd finde ich ja super!
Könnte mir jemand noch mal bitte das Diagramm von ihm erläutern? Wenn ich es richtig verstehe, dann ist die grüne Kurve die Hintergrundstrahlung ohne den Eimer Kaliumchlorid und die gelbe Kurve mit dem Eimer Kaliumchlorid. Die Gammastrahlung ist kaum erhöht so wie ich das verstehe. Und bei 80 cm vom Eimer weg war gar nichts zu messen sondern erst bei 30cm vom Eimer. Mehr als 10nSv können lt. Elektroniknerd da kaum rauskommen, ist das richtig?

DL8BCN

Moin!
So interessant wie diese Diskussion auch aus technischer Sicht sein mag:
Noch mal Jan: Aus gesundheitlicher Sicht wirst du keinen Zusammenhang finden zwischen Silikatfarben in Wohnräumen und Erkrankungen, die durch Radioaktivität getriggert werden!
Schaue lieber nach den radiologisch wichtigen Dingen in Wohnräumen: Stichwort Radon!
Und auch da heißt es mit Augenmaß ranzugehen und nicht gleich panisch werden, wenn das Radonmessgerät z.B. 100 Bq/m³ anzeigt.

Peter-1

Nur zum Spass habe ich folgenden Versuch gemacht.

1. In einem Raum ohne besondere Gegenstände oder Wandverkleidungen meine Vacutec 70031A Sonde aufgestellt. Über 15 Min. die Impulse gezählt und in µSv/h umgerechnet.
2. Wie unter 1. jetzt aber in 30 cm Abstand ein Gefäß mit 500 Gramm KCl an die Sonde gestellt. Impulse wie vorher in µSv/h umgerechnet.
3. Diese Messungen noch 8-mal wiederholt. Ob es nun tatsächlich 2 nSv/h mehr sind, oder es noch im Bereich der Unsicherheit liegt, darf jeder für sich entscheiden.

Unberücksichtigt bleibt natürlich der Anteil von Betastrahlung.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

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Gruß  Peter

Gigabecquerel

Ein sauberer Versuch, danke dafür @Peter-1 !
Wenn ich mich nicht verrechnet habe ist der Fehler bei deiner Messung bei ca. 0.002 µSv/h, also hebt sich der Unterschied gerade so aus dem Rauschen hervor, was ja auch deine zweite Graphik gut darstellt.
Interspec spricht von 1.77 nSv/h bei 8.5 kBq K-40 und 30 cm Entfernung (Punktquelle).
Die Messung bräuchte wohl etwas mehr integrationszeit um wirklich aussagekräftig zu sein, aber generell ist das hier schon sehr gut!
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!

miles_teg

Zitat von: Peter-1 am 08. November 2024, 11:32Nur zum Spass habe ich folgenden Versuch gemacht.
Versuch macht klug! Danke dafür.

Jan

Ich finde aus der langen Diskussion leider nicht die konkreten Antworten auf meine Fragen. Vielleicht will ich es auch zu genau wissen und es gibt einfach keine konkreten Antworten...

Wie viel Kalium ist denn in handelsüblichen Kalkzementputz in etwa enthalten?
Wie viel mehr an Kalium (im Verhältnis zum schon im Putz vorhandenen Kalium) bringe ich durch die Kalium-Silikatfarbe an die Wand?
Für Kies/Sand finde ich beim BfS 380 (3 - 1.200) Bq/kg, für Kalksandstein einen Wert von 200 (40-800) Bq/kg und für Ziegel/Klinker 700 (100-2.000) Bq/kg. Wo ordnet sich denn die Kaliumsilikatfarbe ein?

Welche Aussage ist nun richtig, die von GZ-BW, dass die Gammastrahlung im Abstand von 20 cm zur Wand eine Zunahme von etwa 0,1-0,3 µSv/h bedeut oder die von NoLi, dass die Gamma-Strahlung eine Dosisleistung von 0,000124 µSv/h und die Beta-Strahlung Dosisleistung von 0,0158 µSv/h hat?

Die Ergebisse der Tests von Elektroniknerd und Peter kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die Gammastrahlung ist bei beiden kaum erhöht so wie ich das verstehe. Bei dem Test von Elektroniknerd bei 80 cm vom Kaliumchlorid-Eimer weg war gar nichts zu messen sondern erst bei 30 cm vom Eimer war eine Erhöhung von 0,010 µSv/h festzustellen und beim Versuch von Peter waren es nur 0,002 µSv/h, richtig? Aber sind diese Test am punktuellen Eimer auf einen Raum, der ringseherum gestrichen ist nun übertragbar oder nicht? (die ganze Diskussion vorher drehte sich doch darum, dass es ein Raum ist und keine Punktquelle)
Die Betastrahlung war in beiden Tests abgeschirmt oder in der Entfernung schon nicht mehr messbar?

Wenn ich z. B. Dispersionsfarbe statt Silikatfarbe verwende, wäre in einem Abstand 20 cm zu einer Wand weniger radioaktive Belastung zu messen?