Das Openmess-Projekt

Begonnen von opengeiger.de, 03. Januar 2024, 14:07

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DL8BCN

Zitat von: NoLi am 15. Januar 2024, 10:45Kein Wunder, dass das BfS alle rund 2000 Zählrohre ihres IMIS getauscht hat, obwohl ihr Lebensdauerende noch nicht erreicht ist, und diese getauschten Zählrohre 70031A auf dem freien Markt zu günstigen Konditionen erhältlich sind.

Hallo Norbert, wo gibt es die ausgesonderten Zählrohre denn zu kaufen?
Ich habe noch keine günstige Quelle gefunden...

NoLi

Zitat von: Flipflop am 15. Januar 2024, 11:34...
Kalibration von Strahlungsmessgeräten Radioaktivitäts-Messer im Untergrundlabor - 30
Jahre UDO

https://www.laborpraxis.vogel.de/radioaktivitaets-messer-im-untergrundlabor-30-jahre-udo-a-aa3ee0a05894f9963b1dfdb89686d191/
Zitat aus dem Artikel:
"Mit rückführbaren und verlässlichen Kalibrierungen bei sehr geringen Dosisleistungen hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt es sich zum Ziel gemacht, die nationalen Frühwarnsysteme zu harmonisieren und den radiologischen Notfallschutz in Europa zu unterstützen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in Messungen könne nur erreicht werden, wenn die nationalen Ortsdosisleistung-Werte an Ländergrenzen keine nennenswerten ,,Sprünge" aufweisen, heißt es von der PTB. So wird das Untergrundlabor UDO wohl noch viele Jahre einen wichtigen Dienst bei der Kalibrierung von hochempfindlichen Strahlungsmessgeräten leisten."

Daher braucht mit den ausgemusterten 70031A Zählrohren (vor dem Jahr 2015 produziert) bei der Erhebung von Messdaten kein so großer Hype wegen einigen zehn nSv/h Differenz zum offiziellen Messnetz machen...die können nicht anders.

Und ja, den aktuellen Anzeigewerten der IMIS-Messstellen kann man vertrauen und diese als zuverlässige Referenzpunkte nutzen.

Norbert

NoLi

Zitat von: DL8BCN am 15. Januar 2024, 12:20Hallo Norbert, wo gibt es die ausgesonderten Zählrohre denn zu kaufen?
Ich habe noch keine günstige Quelle gefunden...
Tauchen/tauchten doch immer mal wieder in der EBucht auf. Derzeit allerdings (leider) nicht...

Norbert

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 15. Januar 2024, 10:30Ich habe nun das Paper des BfS und der PTB über die ODL-Sonden des BfS sorgfältig gelesen.

Ich auch.

Zusammenfassend die wichtigsten Punkte:

- Im Regelbetrieb misst man mit den Sonden die natürliche Hintergrundstrahlung. Damit dies überhaupt mit ausreichender Genauigkeit durchzuführen ist, muss man jede einzelne Sonde charakterisieren:

1. zieht man den kosmischen Anteil der Strahlung ab
2. zieht man den individuellen Eigeneffekt jedes einzelnen Zählrohrs ab.

Übrig bleibt der variable Anteil des natürlichen Hintergrunds. Die Schwankungsbreiten durch Niederschlag, Schneebedeckung und Radon-Exhalation wurden untersucht und sind benannt.



Ich möchte darauf hinweisen: wenn jemand nun mit einem Selbstbastel-Gerät zu einer ODL-Sonde fährt, wurde in der Regel nicht der Eigennulleffekt vorher im Untergrundlabor bestimmt. Außerdem muss man für jeden Detektortyp das individuelle Ansprechverhalten für Höhenstrahlung berücksichtigen: ein Szintillator wie der RadiaCode bewertet diese anders als ein GM-Zählrohr.

Das heißt aber auch, dass der Verwendung der ODL-Sonden zur Kalibrierung der eigenen Geräte im Niedrigst-Dosisleistungsbereich u.a. aus diesen Gründen Grenzen gesetzt sind, denn auf der BfS-Seite werden die bereits bereinigten Werte angezeigt!
Hier wird ja immer wieder in verschiedensten Threads darauf herumgeritten, dass das eigene Gerät konstant zu wenig oder zu viel anzeigen würde im Vergleich. Warum wohl?



- Im Freisetzungsfall wird man vermutlich hauptsächlich Cs-137 messen. Um die korrekte Anzeige der DL auch unter diesen Bedingungen sicherzustellen, wird der Kalibrierfaktor in einem homogenen Cs-137 Strahlenfeld bestimmt (4 m Abstand zur Punktquelle),  mit 10 µSv/h, 1 mSv/h und 100 mSv/h (!) Das deckt dann das ND-Zählrohr, das HD-Zählrohr, und den Übergangsbereich zwischen diesen ab.

- Die Zählrohre haben eine im Niedrigst-Dosisleistungsbereich nicht zu vernachlässigende Temperaturdrift. Bei mehr als 7 cpm Variation im Temperaturbereich -20°C bis +55°C (Betriebstemperaturbereich) ist das ZR Ausschuß!

- In der Auswertung wird mit der doppelten Standardabweichung (2 Sigma) gerechnet, nicht mit der einfachen. Das heißt, man braucht 400 Impulse für +/-10% Abweichung, nicht 100 Impulse.

- Natürlich will man seit der Einführung der neuen Messgrößen im Strahlenschutz nicht das Luftkerma messen (70031E), sondern H*10 (70031A).

- es wird darauf hingewiesen, dass die Kurve der Energieabhängigkeit für das H*10 Modell mit monoenergetischen Gammastrahlern bestimmt wurde, was nicht unbedingt dem Strahlenfeld natürlicher terrestrischer Hintergrundstrahlung entspricht (S. 407)


Ich vermute, dass die 70031A und auch E, die ein Anbieter auf Ebay gelegentlich mal einstellt, durch die Qualitätskontrolle gefallen sind (Eigeneffekt, Temperaturgang, vielleicht auch Echo-Counts und Ansprechempfindlichkeit). Für den Niedrig-Dosisleistungsbereich (Messung der Umgebungsstrahlung, oder um was geht es in diesem Thread?  :unknw: ) kommt man also um die individuelle Charakterisierung des Zählrohrs nicht herum, wenn man den fixen (Höhenstrahlung, Eigennulleffekt) vom variablen Anteil der ODL trennen will. Und für hohe Dosisleistungen braucht man für die Kalibrierung potente Strahlenquellen, die von der Energie her in der Mitte der Energiekompensationskurve liegen.

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Diese Schrift wäre zum Thema bestimmt hilfreich, aber 30 € für den Artikel... :-\

Characterization of dose rate instruments for environmental radiation monitoring
Charakterisierung von Dosisleistungsmessgeräten für die Überwachung der Umgebungsstrahlung


Zitat:
"Kurzfassung

Jedes Ortsdosisleistungsmessgerät, das zur Überwachung der Umgebungsstrahlung eingesetzt wird, muss bezüglich des Ansprechvermögens gegenüber der sekundären kosmischen Strahlung und der terrestrischen Strahlung charakterisiert werden. Dies erfordert Kalibriermessungen in verschiedenen Photonenstrahlungsfeldern, die Messung des internen Untergrundes der Geräte und die Exposition mit sekundärer kosmischer Strahlung. Die innerhalb einer Kooperation von BfS und PTB entwickelten Methoden werden im Detail an Hand eines Vergleichs von Messgeräten, die Teil des deutschen Frühwarnsystems IMIS sind, und einer Hochdruckionisationskammer als Referenzinstrument beschrieben. Die Messungen wurden auf den Messplätzen für Umgebungsdosimetrie der PTB durchgeführt. Es wird gezeigt wie die Ortsdosisleistung der terrestrischen Strahlung bestimmt wird und wie die Sensitivität eines Messgerätes bezüglich einer vorbeiziehenden radioaktiven Wolke untersucht werden kann.
"

( https://www.degruyter.com/document/doi/10.3139/124.100341/pdf )

Norbert

NuclearPhoenix

Zitat von: NoLi am 15. Januar 2024, 14:30Diese Schrift wäre zum Thema bestimmt hilfreich, aber 30 € für den Artikel... :-\

Characterization of dose rate instruments for environmental radiation monitoring
Charakterisierung von Dosisleistungsmessgeräten für die Überwachung der Umgebungsstrahlung


Zitat:
"Kurzfassung

Jedes Ortsdosisleistungsmessgerät, das zur Überwachung der Umgebungsstrahlung eingesetzt wird, muss bezüglich des Ansprechvermögens gegenüber der sekundären kosmischen Strahlung und der terrestrischen Strahlung charakterisiert werden. Dies erfordert Kalibriermessungen in verschiedenen Photonenstrahlungsfeldern, die Messung des internen Untergrundes der Geräte und die Exposition mit sekundärer kosmischer Strahlung. Die innerhalb einer Kooperation von BfS und PTB entwickelten Methoden werden im Detail an Hand eines Vergleichs von Messgeräten, die Teil des deutschen Frühwarnsystems IMIS sind, und einer Hochdruckionisationskammer als Referenzinstrument beschrieben. Die Messungen wurden auf den Messplätzen für Umgebungsdosimetrie der PTB durchgeführt. Es wird gezeigt wie die Ortsdosisleistung der terrestrischen Strahlung bestimmt wird und wie die Sensitivität eines Messgerätes bezüglich einer vorbeiziehenden radioaktiven Wolke untersucht werden kann.
"

( https://www.degruyter.com/document/doi/10.3139/124.100341/pdf )

Norbert
Wenn du möchtest, kann ich dir das PDF persönlich schicken.

Peter-1

Wenn ich den Beitrag von Henri lese, so fasse ich das für mich in etwas überspitzter Version so zusammen:
Leute baut ein Zufallsgenerator, der liefert bessere Werte. >:(
Da wir Amateure keinen Zugang zu verlässlichen Standards haben, werden unsere Werte immer belächelt werden. Wir verlassen uns auf die Datenblätter von SBM 20 oder SBT10A oder eben auf 70031A unbekannter Herkunft. Wir stellen uns neben eine ODL Sonde und machen einen Einpunktvergleich, mehr geht nicht.
Wir haben keinen Zugang zum Bunker bei Dresden um das Eigenleben des Zählrohrs zu ergründen. Wir bewegen uns auf dünnem Eis. Das ist frustrierend, aber leider entspricht es den Tatsachen.
Natürlich werfe ich jetzt nicht alles hin, aber meine Ziele werde ich weit nach unten setzen.  :(
Gruß  Peter

opengeiger.de

Manchmal könnte ich auch auf den Gedanken, wie die von @Peter-1  kommen, wenn ich so diese Papers vom BfS und der PTB lese. Vielleicht ist das ja auch gewollt, so quasi als Nebeneffekt durch die Blume zu sagen, liebe Bürgerforscher und Hobbyisten, lasst bloß Eure Finger weg von sowas, das könnt ihr nur falsch machen. Nur ist es gelegentlich so, dass der eine oder andere Bürger auch beruflich mit solcher Messtechnik zu tun hat und daher sehr gut weiß, wie da mit Wasser gekocht wird. Wenn ich aber darüber ne Veröffentlichung schreiben muss, was ich im beruflichen Leben so mache, dann werd ich ein Teufel tun und erzählen wie da so manches "hingewackelt" wird.

Also lassen wir die Kirche doch im Dorf. Du kannst Dir einen schönen Automess 6150AD6/E neu kaufen und ihn zum Kalibrieren bringen und bei der Gelegenheit fragen, mit welchem Geräte-bedingten Messfehler Du nach der Kalibration rechnen kannst. Nach dem was das Gerät und die Kalibration gekostet hat, wirst Du vermutlich nicht glauben, was der freundliche Herr vom Kalibrier-Dienstleister Dir dann sagen wird. Die Gebrauchsaneitung hat hinten einige Seiten, die geben Dir einen Anhaltspunkt. Ich denke jedes Fieberthermometer misst genauer. Und damit geht dann so mancher Gutachter raus und misst kontaminierte Flächen nach, schreibt munter seine Gutachten und bekommt gutes Geld dafür.

Aber selbst die PTB, die sicherlich das beste Labor im Bundesgebiet hat, hat nur zwei Stellschrauben mit denen sie die Kalibration des 70031A Zählrohrs bewerkstelligen kann. Die Eigen-Nullrate und den Konversionskoeffizient cpm/(uSv/h) und sie kann noch die Ihrer Meinung nach schlechten Zählrohre aussortieren. Die Qualität der Messdaten, welche die PTB erreicht, habe ich mir nie vorgenommen zu erreichen. Ich stelle mir hier lediglich die Frage, werde ich die Qualität erreichen, die ich mit einem neu gekauften Automess auch erreichen werde, den ich bei einem Kalibrierdienstleister kalibrieren lassen habe? Und die Qualitätsdifferenz schätze ich jetzt gar nicht so sehr negativ ein.

Ach ja für diejenigen, welche die OM1-Sonde nachbauen wollen, habe ich noch eine schematische Zeichung gemacht, wo was anzuschließen ist. Und dann bin ich auf die Erfahrungen damit sehr gespannt.  ;)

NoLi

Zitat von: Henri am 15. Januar 2024, 13:51...
Ich möchte darauf hinweisen: wenn jemand nun mit einem Selbstbastel-Gerät zu einer ODL-Sonde fährt, wurde in der Regel nicht der Eigennulleffekt vorher im Untergrundlabor bestimmt. Außerdem muss man für jeden Detektortyp das individuelle Ansprechverhalten für Höhenstrahlung berücksichtigen: ein Szintillator wie der RadiaCode bewertet diese anders als ein GM-Zählrohr.

Das heißt aber auch, dass der Verwendung der ODL-Sonden zur Kalibrierung der eigenen Geräte im Niedrigst-Dosisleistungsbereich u.a. aus diesen Gründen Grenzen gesetzt sind, denn auf der BfS-Seite werden die bereits bereinigten Werte angezeigt!
Hier wird ja immer wieder in verschiedensten Threads darauf herumgeritten, dass das eigene Gerät konstant zu wenig oder zu viel anzeigen würde im Vergleich. Warum wohl?
...
Der Eigennulleffekt eines Zählrohres ist im Vergleich zum natürlichen Nulleffekt (Background) für den Consumer- und Citizen-Science-Bereich vernachlässigbar gering. Eine Vergleichsmessung eines Consumer-Gerätes im Dosisleistungsmodus an einer IMIS-Sonde hilft allerdings bei der Beurteilung der Fehlerabweichung bei DL-Messung eines natürlichen Photonengemisches. Und im CPS/CPM-Modus des Consumer-Gerätes oder Eigenbaugerätes gestattet die Vergleichsmessung eine Kalibrierung für ein natürliches Photonenstrahlungsfeld. Für die Einschätzung natürlicher Strahlungsanomalien in begehbaren Gebieten reicht dies vollkommen aus.
Ansonsten werden wir uns, wie @Peter-1 schon anmerkte, auf die Angaben der Zählrohrproduzenten, Handbücher und Herstellereinstellungen verlassen müssen, falls keine anderen Kontrollmöglicheiten mit Prüfstrahler etc. bestehen. Um so wichtiger sind dabei auch die Kenntnisse der Modalitäten einer Messung.

Norbert

DL3HRT

Hier könnt ihr zur Erinnerung die Ergebnisse der Messungen an 5 Stück 70031A nachlesen:
https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1031.msg21474.html#msg21474

Die Abweichungen vom Sollwert waren gar nicht so groß, selbst wenn man mit Standardwerten rechnet.


Henri

Zitat von: NoLi am 15. Januar 2024, 20:04Der Eigennulleffekt eines Zählrohres ist im Vergleich zum natürlichen Nulleffekt (Background) für den Consumer- und Citizen-Science-Bereich vernachlässigbar gering.

Na ja, in dem verlinkten Paper steht: das ZR macht in natürlichem Hintergrund ca. 100 cpm. Und der Eigeneffekt beträgt etwa 16 cpm +/- 5 cpm. Ich finde nicht, dass man das vernachlässigen kann, vor allem auch, weil der Effekt so weit streut (+/- 11 bis 21 cpm).

Dazu kommt, selbst wenn sie sich noch im zulässigen Bereich befindet, eine Temperaturdrift von max. 7 cpm.

Ich fand an Bernds Interpretation des Textes interessant, dass er sagt, ganz viele Einzelexemplare des 70031A wurden charakterisiert, und man könne für sein eigenes ZR dann einfach den Mittelwert annehmen. Dies widerspricht aber den Gesetzen der Statistik, wo ein einziger aus einer großen Stichprobe gezogener Wert ja irgendwo im gesamten Werteereich liegen kann, der muss gar nicht in der Nähe des Mittelwerts aller Messungen sein. Ich hatte da eher das genaue Gegenteil daraus gelesen, nämlich dass es eine ziemlich große Streuung zwischen den Einzelnen ZR gibt und man deshalb sein Exemplar zwingend experimentell überprüfen muss, was ja das BfS deshalb auch tut. Die charakterisieren ja nicht alle Zählrohre, um daraus einen möglichst exakten Mittelwert zu bilden, mit dem dann alle Sonden kalibriert werden.



Pessimismus ist nun allerdings auch nicht angebracht. Es wird hier im Forum ständig mit Messwerten um sich geworfen, ohne dass eine Fehlerbetrachtung stattfindet. Klar, dafür muss man erst mal wissen, was für Fehler auftreten können, und muss dann den Gesamt-Fehler ausrechnen. Das macht Arbeit und wird vielleicht auch nicht gleich verstanden. Aber das ist das, was man halt auch für die Messergebnisse selbstgebauter OM1-Messgeräte machen müsste, wenn man nicht in der Lage ist, experimentell die Eigenheiten des Zählrohrs zu überprüfen. Man hat dann ein Ergebnis, aber es ist halt mit einer größeren Unsicherheit behaftet.

Niemand hindert einen daran, den Nulleffekt einer OM1 in einer dicken Bleiburg, oder in 20 m Tiefe versenkt in einem See zu bestimmen. Und auch nicht daran, mit einem Boot auf den See rauszufahren und den kosmischen Anteil zu bestimmen. Damit sind doch schon mal Unsicherheiten weg, bzw. kleiner geworden.

Jetzt zur kalten Jahreszeit kann man auch prima eine Temperaturkurve mit seinem Zählrohr fahren. Es ist einiges möglich, um die Messunsicherheiten zu reduzieren.

Das muss halt nur jeder Citizen Scientist, der sich ein OM1 baut, für sich machen. Das ist vielleicht etwas unbequem, teuer, und mit einigem Aufwand verbunden, aber es gehört zum Bau des Geräts dazu, genau wie es beim professionellen Gerät dazugehört, dieses vor Auslieferung durch die Bestrahlungsanlage und die Klimakammer zu schicken. "Science" fällt einem ja in der Regel nicht in den Schoß, und ist in den seltensten Fällen damit getan, eine Fertiglösung an die Hauswand zu schrauben und eine Internetverbindung herzustellen.

Wenn man (viel) Geld in die Hand nehmen und nicht mit der höheren Messunsicherheit leben möchte, kann man sein OM1 auch zu einem Kalibrierdienst schicken. Aber laut dem Paper weicht der Kalibrierfaktor bei einer Stichprobe von 1150 ZR maximal +/-5% vom Mittelwert ab (915 bis 1020 cpm pro µSv/h). Da kann man mit leben, den Fehler kann man auch einfach benennen.

Und zuletzt: wie genau muss man es haben, und was hängt davon ab? Wir sind als Citizen Scientist ja von dem Zwang befreit, rechtssichere Messungen durchführen zu müssen, bei denen Fehler zu ernsthaften (juristischen!) Konsequenzen führen könnten. Was hat es bei uns  für Auswirkungen, wenn auf dem Display ein µSv mehr oder weniger erscheint? Was hat es (medizinisch, nicht rechtlich) für Auswirkungen, wenn ein Individuum mit 1,1 mSv im Jahr zusätzlich exponiert wurde statt mit 0,9 mSv?

Der Unterschied zum Profi-Gerät ist halt, dass man Messfehler nur abschätzen kann, statt sie experimentell zu überprüfen. Auf jeden Fall ist so ein energiekompensiertes ZR schon mal "genauer" als ein SBM-20. Und wenn man mehrere gekauft hat, und alle zeigen ungefähr das gleiche an, ist das auch ein Anhaltspunkt.



Meiner Meinung nach spricht gar nichts gegen das OM1, solange man nicht anfängt, seine Spezifikationen "schönzurechnen/schönzudenken", um im Vergleich mit kommerziellen Geräten möglichst gut dazustehen.

opengeiger.de

@Henri , das sind sehr wertvolle Überlegungen! Ich bin ein Freund von Fehlerbetrachtungen und habe mich damit bestimmt auch schon bei Studenten unbeliebt gemacht. Aber ich denke, dass das eine Pflicht sein sollte. Deswegen habe ich auch hier im Forum den Messfehler-Thread angefangen. Meiner Meinung nach muss jeder der in der Messtechnik unterwegs ist, und mit Messwerten um sich wirft, in der Lage sein, eine Messfehlerabschätzung angeben können, sonst macht er sich unglaubwürdig. Es ist natürlich immer die Frage ob die Fehlerabschätzung dann richtig ist. Aber das kann man diskutieren.

Zum 70031A Zählrohr und der OM01-Sonde, da war meine Idee eigentlich nur, mit die Mittelwerten des BfS als Startwert anzufangen. Was bessres haben wir nicht, aber das ist schon verdammt gut im Vergleich zu anderen Zählrohren und sonstigen Detektoren. Was ich mir auch noch überlegen werde ist, wie man defekte Rohre bzw. Outlier erkennen kann. Aber dann plane ich für die eigene Kalibration an Referenzpunkten eine Regressionsrechnung einzusetzen. Das macht man "im richtigen Leben" auch so. Ich hab das schon mal erwähnt, wie das geht. Man geht an N Referenzpunkte wo die ODL möglichst genau (z.B. amtlich) bekannt ist. Das sind dann die Werte Xi. An den Orten bestimmt man selbst die Zählimpulsraten Yi. Das ergibt dann die Datenpaare an den einzelnen Orten i, und i läuft von 1 bis N. Je größer N ist desto besser und je gleichmäßiger Xi über den Messbereich verteilt sind desto viel besser. In einem X,Y-Plot ergibt das eine gestreckte Punktewolke, die um welche die wahre Funktion der Zählimpulsrate in Abhängigkeit der ODL streut. Nun fittet man in diese Punktewolke eine Regressionsgerade. Dafür gibts in Excel speziell eine Funktion dafür. Diese Regressionsgerade approximiert nun den wahren Zusammenhang Zählimpulsrate(ODL) im Sinne des kleinstmöglichen quadratischen Fehlers. Sie hat einen Offset, der die Eigen-Nullrate approximiert und eine Steigung, die den Konversionskoeffizienten cps/(uSv/h) approximiert. Nun kann man zwei Gütemaße relativ einfach angeben, einmal den Korrelationskoeffizienten, das kann Excel mit einer speziellen Funktion ebenfalls und man kann den mittleren quadratischen Fehler ausrechnen, das ist ne triviale Rechnung. Was aber ein wenig eine Herausforderung darstellt ist, wie sich z.B. ein Fehler in der ODL an den Orten i, die man glaubt zu kennen, in das Ergebnis fortpflanzt. Aber auch da gibts ne Möglichkeit, wenn man jetzt nicht der begnadete Mathematiker ist, weiterzukommen. Da gibt es die Möglichkeit einer Monte-Carlo Simulation.

Aber bis dahin ist noch ein wenig Zeit. Erstmal muss man die Referenzorte finden. Das ist für den Citizen Scientist eher die Herausforderung. Wir haben in Deutschland zwar den Vorteil, das es ca. 1800 Sonden des BfS gibt, das gibt ne sehr gute Sicherheit, aber nur im typischen ODL-Bereich. Darüber wird die Luft halt dünn. Für Werte > 0.3uSv/h führt einen das dann z.B. in alte Wismut Gebiete, an Stellen die amtlich bekannt gemacht wurden, oder gar ins Ausland, so es da Daten gibt. Es gibt da z.B. die Partnerämter des BfS, vor allem das in Tschechien, die auch nicht so sehr geizen mit amtlichen Werten. Aber ja, in diesem Bereich wird dann die Punktewolke merklich dünner werden. Vielleicht müssen wir deswegen die Ehre, die einem in der Community zuteil wird, wenn er einen guten Referenzpunkt > 0.5uSv auftut,  noch etwas vergrößern. Wie wäre es mit einer "Hall of Fame"?  :D

opengeiger.de

Ich hab jetzt mal für die Freunde der Monte-Carlo basierten Fehlersimulation einen Quick-Hack in Matlab/Octave geschrieben, der die an einem Refernzort angenommene ODL gegenüber der wahren ODL zufällig variiert und habe damit ausgerechnet was als Konversionskoeffizient in cpm/(uSv/h) und Eigennullrate in cpm als Kalibrierkoeffizienten rauskommt anstelle der PTB Werte des 70031A Zählrohrs. Das sieht bei einem Run so aus:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Als Ergebnis der Kalibration an dieser 100 simulierten Orten käme das raus:

Regression fit convCoef: 964.66 cpm nRate: 26.86 cpm/(uSv/h)

Um nun zu bestimmen, wie sich der Fehler in der angenommenen ODL durch die Regression in die Kalibrierkoeffizienten fortpflanzt müsste man diese Simulation vielleicht 1000 Mal laufen lassen und dann die Streuung von nRate und confCoef bestimmen. Aber momentan weiß ich noch nicht recht, was man als Fehler für die ODL annehmen kann, das muss man mal sehen und sich dann auf einem "educated guess" einigen. Ich hab hier einfach mal 0.1uSv/h als Streuung der ODL angenommen. Das Skript siehe Anhang.

Edited: Habe noch kleine Änderungen an dem Skript vorgenommen (Version2)

NoLi

Mal was anderes:
Steht auf eurem Zählrohr 70031 drauf, um welchen Typ es sich handelt?
Wie aus dieser Messstellenbeschreibung hervor geht, wurden in früheren Zeiten Zählrohre des Typs 70031E für Hx verwendet, die hier in den Beiträgen und Papers gezeigten Diagramme und Tabellen beziehen sich aber meistens auf den neueren Zählrohrtyp 70031A für H*(10).

http://80.153.15.213/mwsIII-beschreibung_de.html

"Sonde: Messprinzip Geiger-Müller
Typ:    Sonde GS05
mit Niederdosiszählrohr
und Hochdosiszählrohr
ND-Zählrohr-Typ:    Vacutec 70031E
HD-Zählrohr-Typ:    Vacutec 70018E
Messbereich:    10 nGy/h bis 5 Gy/h
Energieauflösung:    50 KeV bis 2 MeV
Abmessungen:    L 520mm D 80mm
Hersteller:    TechniData AG, Markdorf
"

Oder täusche ich mich?

Hier genauere Infos aus dem Jahr 2006 über die ersten Vergleichsuntersuchungen der Zählrohre 70031E und 70031A:
https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Strahlenschutz/broschuere_fachgespraech_13_komplett_bf.pdf
(ab Seite 90)

Norbert

Radiohörer

wieder mal schnell, schnell:als Mail gedacht