Das Openmess-Projekt

Begonnen von opengeiger.de, 03. Januar 2024, 14:07

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Also ich will jetzt hier mal den Start eines Projekts kund tun, für das ich mir den Namen "Openmess" ausgedacht habe.

Der Name kommt nicht ganz von ungefähr. Man könnte vermuten, dass der Projektname eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Namen eines etablierten deutschen Messgeräte-Herstellers von Kernstrahlungsmessgeräten hat, dessen Hauptprodukt gerne von Profis bemüht wird, um zu zeigen, wie unzureichend doch die Messwert-Qualität von Consumer Geräten ist. Eigentlich aber bezieht sich der Name auf das Fazit, das die PTB aus dem europäischen Joint Research Projekt ,,16ENV04" mit dem Titel "Mobile detection of ionizing radiation following a nuclear or radiological incident" oder kurz "Preparedness" gezogen hat.  Dieses Projekt wurde von der Euramet (European Association of National Metrology Institutes) initiiert und hatte zum Ziel herauszufinden, ob man sich im Ernstfall auf Messungen von Bürgerforschern, die mit ,,MINNs" (Measuring Instrument used in Non-governmental Networks) auf eigene Faust messen, in irgendeiner Form verlassen kann. Die Zusammenfassung der PTB, die auf dem Online Stakeholder Workshop am 10.12.2020 vorgetragen wurde fasste die Erkenntnis ganz höflich mit zwei Punkten zusammen:

•   Information based on non-governmental measurements using MINNs should be used with great precautions (e. g. fake data, malfunctioning MINNs, bad energy response, proper location, outdated data).
•   Large amount of data might be useful to track radioactive plumes and to detect radioactive contaminations.

Siehe / http://www.preparedness-empir.eu/wp-content/uploads/Preparedness-2nd-workshop-WP3-PTB.pdf /

Man hätte zur Qualität der Messdaten von Consumer Geräten der ,,Open Community" aber auch viel kürzer und prägnanter beschreiben können: ,,It's a mess"  >:( . Daher also der Projektname. :))

Ich habe mir nun ja schon einen gewissen Namen als Bürgerforscher gemacht und bin zumindest im privaten Bereich auch auf Consumer Messgeräte angewiesen. Und ich habe das Totschlag-Argument ,,Energie-Response" schon unzählige Male gehört. Ja, in der Tat, die meisten Strahlungs-Messgeräte, die von Bürgerforschern verwendet werden, sind nicht Energie-kompensiert und das ist zumindest laut PTB das größte Manko an diesen Geräten. Deswegen liefert ein Automess 6150 die Messdaten mit viiiel besserer Qualität, selbst mit dem kleinen, internen und energie-kompensierten Zählrohr, sofern ,,der Automess" gültig kalibriert oder gar geeicht ist.

Daher ist nun meine Konsequenz daraus, ein möglichst einfaches und kostengünstiges Messgerät für Bürgerforscher zu entwickeln, welches einen energie-kompensierten Detektor verwendet und diese Entwicklung auch öffentlich zu machen. Eigentlich hatte ich gehofft mir das sparen zu können, als die Firma Radiacode (damals noch Scan-Electronis) angekündigt hatte, in sein MINN mit dem Namen RC-101 eine Energiekompensation einzubauen. Aber leider wurde das Konzept und die daraus resultierende Energy-Response nie offengelegt. Und ehrlich gesagt, mir ist immer noch nicht klar, wie ich eine Dosisleistung aus einer Kaliumquelle damit verlässlich messen kann, wenn die Anzahl an Zählimpulsen in den Kanälen unter dem Kaliumpeak erst nach vielen Stunden Messzeit die Zahl von 100 überschreitet. Dies wird auch ganz offensichtlich seit Peter-1 das erste Mal die Detektor Effizienz des Geräts einigermaßen genau vermessen hat. (https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,647.msg26853.html#msg26853)

Ich baue nun ja auch schon länger Messgeräte (nicht nur für die Strahlungsmesstechnik und nicht nur rein privat) und es hat sich dabei doch immer bewährt, den konzeptionellen Entwurf mit dem Sensor zu beginnen, der für die Wandlung der physikalischen in die elektrische Größe steht. In unserem Fall ist es der Strahlungsdetektor. Grundsätzlich gäbe es heute zwei Möglichkeiten, ein energie-kompensiertes Zählrohr zu verwenden oder ein modernes Szintillations-Modul bestehend aus CsI-Kristall und SiPM, aber eben was größeres als Radiacode verwendet und dann eine Energiekompensation drauf zu rechnen. Der zweite Weg erscheint mir aber doch etwas zu anspruchsvoll im Hinblick darauf, dass es ein ,,Open Community" Projekt werden soll. Also fällt die Wahl doch auf ein energie-kompensiertes Zählrohr.

Ich habe Einiges an Informationen zu energie-kompensierten Zählrohren zusammengetragen und mir überlegt, welcher Hersteller in Frage käme. Nun bin ich einerseits Freund der ,,regionalen Küche" aber anderseits ist auch die Datenlage erdrückend deutlich. Ich habe nämlich nur einen Hersteller gefunden, von dem es ein brauchbares Datenblatt zur ,,Energy Response" eines Zählrohrs gibt und das ist VacuTec aus Dresden. Damit war der Hersteller schon mal entschieden.  Unter den Zählrohren, die es von VacuTec energiekompensiert gibt, ist die Wahl auch leicht, wenn man an die Schwierigkeit der Überprüfung eines gebraucht gekauften Zählrohrs denkt. Für einen Messpunkt in der Prüfung drängen sich die ODL-Stationen des BfS doch förmlich auf. Nun hab ich mal reingeschaut, was dort an Zählrohren verbaut ist. In der ODL-Sonde vom Typ GS-05 der Firma TechniData, welche das BfS meines Wissens mehrheitlich verwendet, Als Niedrigenergie-Zählrohr ist das VacuTec Zählrohr 70031E verbaut.  Auch die belgische ODL Sonde vom Typ IGS411 nutzt dieses Zählrohr.
Mit Änderung der Strahlenschutzgesetzgebung in Europa hätte man für die Überwachung der ODL wohl gerne gleich eine Energiekompensation gehabt, welche auf die dH*(10)/dt Umgebungs-Äquivalentdosisleistung abgestimmt ist. Das entsprechende ND-Zählrohr 70031A wurde von VacuTec allerdings erst Mitte 2005 angeboten. Neben der Modifikation des Zählrohrs durch Änderung des eingesetzten Energiefilters zur Messung von dH*(10)/dt wurde zusätzlich der Anodendraht von 1 auf 2 mm verstärkt. Obwohl das Zählrohr Treiber Board (Hochspannung und Impuslverstärkung) der GS05-Sonde laut BfS mit der A-Version genauso klarkommt, ist es wohl doch beim mehrheitlichen Einsatz des 70031E geblieben, das zwar auch energiekompensiert ist aber eben nicht genau auf  dH*(10)/dt, so ist mein derzeitiges Verständnis.

Das VacuTec Niedrigdosis-Zählrohr 70031A wird jedoch immer wieder bei Ebay für unter 100Euro gebraucht angeboten und hier im Forum gibt es ja auch eine ausführliche Besprechung dazu (https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1031.msg21474.html), wo auch Aufbau-Vorschläge und Messungen damit gezeigt sind. Und da ich glaube, dass der Unterschied im Messbereich zwischen 0.035 und 2.5MeV zwischen der A und der E Version nicht allzu groß ist, denke ich, wenn man es bekommen kann, dann ist das ND-Zählrohr 70031A die beste Wahl. Die entsprechende Energy Response des Zählrohrs kann man im Internet finden, man wird sie sicher auch in einer aktuellen Form vom Hersteller bekommen.

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Die Tatsache, dass die Specs bekannt sind und wir Referenzmesspunkte haben, die zunehmend genau vermessen sind, sollte es nun möglich sein, ein gebraucht gekauftes 70031A so zu überprüfen, dass man davon ausgehen kann, dass es noch ,,in Spec" ist.

Der Rest des Projekts muss sich nun noch damit befassen, ein passendes Zählrohr-Treiber-Board (Hochspannung und Impulsverstärkung) und ein Mikrocontroller-Board mit Display und optionalem Datalogging zu finden, so dass es in der Community im ,,Maker-Style" (zusammengesteckte Komponenten mit minimalem Einsatz eines Lötkolbens) zusammengebaut werden kann, so dass die Elektronik transparent bleibt und man die volle Performance des Detektors sieht. Ein flexibler Einsatz wahlweise als eigene ODL-Station oder als tragbares Messgerät stände im Vordergrund. Damit bin ich nun in der ,,Findungsphase". Was die Boards anbelangt bin ich überzeugt, wird es kaum günstiger sein, sie selbst zu machen, wenn es bereits was Fertiges gibt, welches auch die passende Eignung hat.  Zählrohr-Treiber-Boards gibt's viele und Mikro-Controller Boards gibt's wie Sand am mehr in allen Leistungs-Klassen. Da werde ich nun mal auf Suche gehen. Wie man so eine Mikro-Controller Auswerte-Logik dann ganz realistisch testen kann, das habe ich ja auch schon vorgestellt. Dann wäre es eben noch die Ergonomie des Messgeräts, die Mechanik, die Stromversorgung und die Gehäuse-Frage, die zu klären sind.  :unknw:

Hat jemand Ratschläge?  :-*


DL8BCN

#1
Hallo, in dem obengenannten Link
https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1031.msg21474.html ab Beitrag #11 sieht man, wie ich es ohne basteln gemacht habe.
Wobei basteln naturlich viel mehr Spaß macht.
Ein analoges Automess 6150 dient als Anzeige für das 70031A.Das gibt es aktuell für 120 Euro bei Ebay.
Wobei es relativ abenteuerlich war, einen passenden Stecker für das ZR zu finden. Das ist sicherlich ein "no-go" für so ein Projekt. Allerdings habe ich auch noch einen externen Impulszähler angeschlossen. Und man muss die Dosisleistung aus der cps bzw. cpm Zahl selber errechnen. Das möchte man auch nicht unbedingt. Ansonsten: Tolles Projekt Bernd👍

Peter-1

Hallo,

das sieht ja gut aus. Hat schon jemand direkt bei Vacutec ein 70031A bestellt? Preis ? Im Netz finde ich nix.

Gruß
Peter
Gruß  Peter

DL8BCN

Ich hatte bei einem Ebay Verkäufer im Jahr 2022 einen Preis von 58 Euro bezahlt.Aktuell scheint es dort aber kein Angebot zu geben.

opengeiger.de

Ich glaube, man muss als Firma bestellen, sie werden nicht an privat liefern. Aber es gibt so Einkaufsdienstleister die kaufen einem alles ein. Natürlich gegen einen kleinen Obulus  8) Ich würd aber erst mal nach nem Preis für ein neues Rohr fragen!  ;)

kKernig

Hmm. Ich habe mal durch die verlinkten Präsentationsfolien der PTB geblättert, und es wurde zwar mit einigem Aufwand eine ganze Reihe von "Consumer"-Geräten getestet, aber mit einem stets kritischen Unterton auf die Abweichungen zu den Sollwerten hingewiesen. Der Pfeil mit "unexplainable decrease" auf Seite/Folie 11 wirkte schon ziemlich passiv-aggressiv für wissenschaftliche Verhältnisse. Anstatt herauszufinden, dass einfache Geigerzähler ohne Energiekompensierung für teils unter 100 € keine Präzisionsinstrumete sind (ach), hätten sie auch eine kleine Datenbank mit den Abweichungen der einzelnen Geräte aufbauen können. Dann könnten Bürgerforscher den Behörden beim Melden von Messdaten neben Ort und Abstand zum Boden auch die Gerätebezeichnung mitgeben, und die wüssten dann, welchen Fehlerbalken sie an den Messwert setzen können (auch abhängig von der Art der Kontamination).

Denn es wird niemanden hier überraschen, dass mit so einfachen Geräten keine absolute Dosisbestimmung mit nur wenigen Prozent Abweichung möglich ist, wenn es sich um einen bunten und inhomogen verteilten Isotopenmix handelt. Aber das ist im Ernstfall (AKW-GAU, Kernwaffe, schmutzige Bombe, ...) auch ziemlich egal. Da kommts mehr auf die Größenordnung an: Sinds im Wohngebiet 1, 10 oder 100 µSv/h? Sollen die Leute drinnen bleiben und warten, oder sofort evakuiert werden?

Auch ohne Ernstfall sehe ich die Genauigkeit der Messung als nicht so wichtig an. Wenn ich mit meinem "Chinazähler" irgendwo 2 µSv/h messe, wo keine sein sollten, dann fährt eben ein Messwagen der zuständigen Behörde raus und sieht sich das genauer an. Ob die Belastung an dem Ort nun tatsächlich 2 µSv/h ist, oder 1,4 µSv/h oder vielleicht sogar 3,2 µSv/h, macht praktisch keinen Unterschied. Lediglich bei sehr geringen Schwankungen der ODL um den natürlichen Hintergrund herum ist mit den günstigen Geräten nicht viel zu machen. Aber dann besteht auch keine akute Gefahr, und die Mitarbeiter vom Strahlenschutz können ganz entspannt mit ihrem Equipment herumfahren und selbst messen.

So interessant ich es also finde, einen Geigerzähler mit Energiekompensiertem Zählrohr zu bauen, weiß ich nicht ob das in der Praxis die erhofften Auswirkungen hat. Ich drücke dem Projekt dennoch die Daumen  :)

DL8BCN

Hallo kKernig, Bernd kann ja noch mal schreiben, was seine genaue Motivation zu dem Projekt ist.
Ich denke es geht ihm gar nicht unbedingt um den K-Fall, sondern er will nur zeigen, daß auch interessierte Laien ziemlich gute Messtechnik bauen können, die nah an die Messwerte der Profigeräte rankommen.

U235

Moin, ich finde das Openmess-Projekt klasse.

Evtl. kommt als Board das hier in Frage:
https://www.ebay.de/itm/155512325396?hash=item243541c514:g:8pYAAOSwB09YSNpg

Es gibt für das Gerät auch 3D-Druckvorlagen bei Thingiverse:
https://www.thingiverse.com/search?q=impexeris&page=1
Die könnte man sich anpassen für interne Montage, oder für BNC extern.

Der Link zur K40-Messung funktionierte bei mir nicht, dieser hier geht:
https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,647.1905.html.msg26853.html#msg26853

Viel Erfolg!

opengeiger.de

Zitat von: DL8BCN am 03. Januar 2024, 20:46Ich denke es geht ihm gar nicht unbedingt um den K-Fall, sondern er will nur zeigen, daß auch interessierte Laien ziemlich gute Messtechnik bauen können, die nah an die Messwerte der Profigeräte rankommen.

Ja, ich denk das trifft es sehr gut! Wie hier ja schon paar mal gezeigt wurde, liegen die Messwerte von "Bürgerforschern" gar nicht so arg neben amtlichen Werten. Aber immer mal wieder taucht ein Profi auf, und wird nicht müde, wieder und wieder zu betonen wie unbrauchbar doch solche Messungen sind, weil eben die Messgeräte nichts taugen und die Leute nicht wissen was sie tun. Das mag ja in bestimmten Fällen völlig zutreffend sein, aber die pauschale Aburteilung sehe ich eben mehr als Revierverteidigung. Eigentlich disqualifizieren sich solche Leute schon von selbst, aber manchmal habe ich halt auch einen gewissen Spaß daran, das etwas zu verdeutlichen und dann macht man halt solche Projekte und schaut wie weit man doch auch mit Home-Brewed Lösungen kommen kann.  :D

Ich denke auch, dass ich mich alleine auch durchaus mal wo vertun kann oder was nicht weiß, aber ich sehe eben einen gewissen Vorteil in einer Community darin, dass es da eben auch eine Vielfalt an Wissen gibt, die zusätzlich hilft. Drum mach ich hier mal den Versuch, dieses Gerät für die Community "offen" zu entwickeln. Das kann natürlich auch schiefgehen, aber das Gute dran ist, davon hängt kein Aktienkurs ab  ;)

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Also, wenn man dann mal sich auf ein Zählrohr als Detektor festgelegt hat, ist das Erste, was man für einen Geigerzähler braucht, die Hochspannung von etwa 500V und die Einrichtung um die Zählimpulse abzugreifen. Das ist eng miteinander verwoben, deswegen gibt es die Zählrohr-Treiber Module. Nun ist aber die Frage gibt es ein Passendes zu dem 70031A Zählrohr von VacuTec, dann ist das meist günstiger als es selbst zu bauen. Aber die Betonung liegt eben auf "Passendes".

Bei der Frage, ob ein Treiber-Modul passend ist es empfehlenswert, sich das Zählrohr erst einmal genau anzuschauen, vor allem wie die Kathode aussieht. Ich habe deswegen hier nochmal zwei Fotos gemacht und auch mal nen Standard-Schraubenzieher daneben gelegt, dass man auch sieht was das für ein prächtiges Rohr das ist! Es hat vermutlich ein Alugehäuse, welches lackiert ist. Schaut man sich nun an, wie die Anschlussdrähte aussehen, dann fällt auf, dass nur der Anodenanschluss mit einer roten Isolation versehen ist. Man kann also davon ausgehen, dass der Kathodenanschluss "innig" mit dem Alugehäuse verbunden ist. Das aber heißt, dass die kathodenseitige Auskopplung des Zählrohrsignals etwas ungünstig wäre, weil das 27cm lange Zählrohrgehäuse mit einem Durchmesser von 1.8cm als Kathode groß ist und damit natürlich auch schnell eine große Kapazität bilden kann, die undefiniert wäre, wenn man das Zählrohr nicht noch einmal mit einer Abschirmung versehen würde, die auf der Masse des Zählimpulsverstärkers liegt. So eine Abschirmung wäre auch fast zwingend nötig, weil sonst das kathodenseitig verbundene Gehäuse als Antenne für den Zählimpulsverstärker-Eingang wirkt und man unter Umständen ganz ungewollt die Funkbursts eines Mobiltelefons zählt oder gar die Frequenz der Netzspannung. Mehr zu diesem Thema kann man auch in einem alten Dokument von Centronic nachlesen. (https://qa.ff.up.pt/rq2020/Bibliografia/etc/geiger_tube_theory.pdf).


Viel günstiger wäre es bei diesem Zählrohr daher, den Zählimpuls-Abgriff anodenseitig vorzunehmen, auch wenn das eine zusätzliche Hochspannungskapazität erforderlich macht. Wenn man nun die Zählrohr-Treiber Module daraufhin abprüft, dann stellt man fest, dass von denjenigen, die das überhaupt klar spezifizieren, mehr als die Hälfte die Signalauskopplung kathodenseitig machen, weil das der geringere Aufwand ist.

Um nun parametrisch zu prüfen, ob das Modul passend ist, helfen natürlich auch die ausführlichen Specs des Zählrohrs ungemein. Es gibt da einen Graphen, der hilft die Hochspannungsquelle zu prüfen bzw. zu bemessen, das ist der Anodenstrom als Funktion der Dosisleistung. Bei der maximal messbaren Dosisleistung von 1000uSv/h sieht man einen (gemittelten) Anodenstrom von 25uA und bei 100uSv/h sind es nur noch 10uA. Gehen wir mal von einer Anodenspannung von 500V aus, dann brauchen wir für die Hochspannung also 5mW für 100uSv/h aber schon 12.5mW für 1000uSv/h. Oder in einem Lastwiderstand ausgedrückt, das Rohr verhält sich im Mittel wie ein 50MegOhm Widerstand bei 100uSv/h und wie 20MegOhm bei 1000uSv/h. Bis in diesen Last-Bereich muss die Hochspannungsquelle also die Spannung konstant regeln, oder in anderen Worten die Spannung sollte nicht mehr als 10V einbrechen, sonst ändert sich die Zählrate zu stark (die Plateausteigung des Zählrohrs ist 0.1%/V).

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Dann scheint mir noch was wichtig, das ist der empfohlene Anodenwiderstand, der mit 5.1MegOhm angegeben ist. Der sollte ganz nah am Rohr sitzen und das anodenseitige Ende darf keine zusätzliche Kapazität erzeugen, sonst geht das schnell auf die Lebensdauer des Zählrohrs. Denn wenn zwischen Anoden und Masse eine zusätzliche Kapazität sitzt, dann holt sich die Lawine dorther die Ladung und wenn die in der Kapazität gespeicherte Ladungsmenge groß genug ist, ist das ein unzulässig hoher Strom, der dann auch u.U. die Selbst-Löschung (self-quenching) behindert, so dass auch die Zählimpulse zu lang werden. Das gilt es insbesondere dann zu beachten, wenn man das Zählrohr ,,Remote" betreiben will, also abgesetzt von der Auswerteelektronik und nur durch ein Kabel verbunden. Nimmt man beispielsweise ein RG58 Koaxialkabel zur Verbindung, dann hat das etwa 100pF pro Meter an Kapazität, während das Zählrohr nur eine Eigenkapazität von <10pF hat. Wenn dann der Anodenwiderstand auf dem Zählrohr-Treiber Modul sitzt, ist das Zählrohr schnell kaputt und zählt vermutlich auch nicht mit der erwarteten Zählrate. Man muss also darauf achten, dass man die Ausgangsseite eines Zählrohr-Treiber Moduls gut verstanden hat, und sollte den Anodenwiderstand u.U. vom Modul entfernen können und direkt an den Anodenanschluss des Zählrohrs verlegen können.

Nun ist noch die Totzeit des Zählrohrs mit < 150us angegeben. Das ist in etwa die Zählimpulsdauer. Das bedeutet, das der Zählimpulsverstärker eine Bandbreite von etwa 10kHz haben sollte, damit er die Pulse nicht zusätzlich verschleift. Auch das sollte man natürlich besser testen.

Man kann nun noch die Amplitude der Zählimpulse in etwa abschätzen, die ja ausnahmsweise mal ein Signal darstellen, das an den Strom und nicht an die Spannung gebunden ist. Wir wissen aus den Specs, dass das Rohr eine Dosisempfindlichkeit von 14 Pulsen pro Sekunde hat. Bei 100uSv/h hätten wir also eine mittlere Zählimpulsrate von 1.4kcps und wenn die Zählimpulse konstanten Abstand wäre dieser dann 714us. Das gibt ein Tastverhältnis von 0.266 und damit eine Zählimpulsamplitude von 2.66uA. Für einen Mikrocontroller brauchen wir z.B. eine Amplitude von 5V, das bedeutet, wir brauchen also einen Transimpedanzverstärker mit 5V/2.6uA=1.9MegOhm ,,Verstärkung" für die Zählpulse. Würde man einen OP für diesen Zweck benutzen, läge das als Widerstand dann im Gegenkopplungszweig.

Diese Daten geben die Hersteller von Zählrohr-Treiber Modulen selten an. Da hilft nur nachmessen. Ich habe nun einmal ein Zählrohrmodul von rh-electronics für 47.95$ bestellt:
(https://www.rhelectronics.store/high-voltage-geiger-probe-driver-power-supply-module-420v-550v-with-ttl-digitized-pulse-output).

Da waren einige dieser Parameter angegeben, aber nicht alle. Aber es steht zum Beispiel in den Specs dass das Modul 50uA kann und dass die Kathode gegrounded wird, d.h. dass die Zählpulse anodenseitig ausgekoppelt werden. Jetzt bin ich gespannt, wie das Modul performt. Vielleicht kommt ja auch noch eine bessere Beschreibung mit.

NoLi

Zitat von: kKernig am 03. Januar 2024, 20:02Hmm. Ich habe mal durch die verlinkten Präsentationsfolien der PTB geblättert, und es wurde zwar mit einigem Aufwand eine ganze Reihe von "Consumer"-Geräten getestet, aber mit einem stets kritischen Unterton auf die Abweichungen zu den Sollwerten hingewiesen. Der Pfeil mit "unexplainable decrease" auf Seite/Folie 11 wirkte schon ziemlich passiv-aggressiv für wissenschaftliche Verhältnisse. Anstatt herauszufinden, dass einfache Geigerzähler ohne Energiekompensierung für teils unter 100 € keine Präzisionsinstrumete sind (ach), hätten sie auch eine kleine Datenbank mit den Abweichungen der einzelnen Geräte aufbauen können. Dann könnten Bürgerforscher den Behörden beim Melden von Messdaten neben Ort und Abstand zum Boden auch die Gerätebezeichnung mitgeben, und die wüssten dann, welchen Fehlerbalken sie an den Messwert setzen können (auch abhängig von der Art der Kontamination).
...
Zitat von: kKernig am 03. Januar 2024, 20:02...
Auch ohne Ernstfall sehe ich die Genauigkeit der Messung als nicht so wichtig an. Wenn ich mit meinem "Chinazähler" irgendwo 2 µSv/h messe, wo keine sein sollten, dann fährt eben ein Messwagen der zuständigen Behörde raus und sieht sich das genauer an. Ob die Belastung an dem Ort nun tatsächlich 2 µSv/h ist, oder 1,4 µSv/h oder vielleicht sogar 3,2 µSv/h, macht praktisch keinen Unterschied. Lediglich bei sehr geringen Schwankungen der ODL um den natürlichen Hintergrund herum ist mit den günstigen Geräten nicht viel zu machen. Aber dann besteht auch keine akute Gefahr, und die Mitarbeiter vom Strahlenschutz können ganz entspannt mit ihrem Equipment herumfahren und selbst messen.
...
Mit dieser Meinung von Paul stimme ich voll überein, auch was den Katastrophenschutz betrifft!

Auch ich hätte von dieser Studie  https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1350448721000950  erwartet, dass sie die Abweichungen der einzelnen Gerätetypen vom Sollwert mit Klarnamen benennt, um die Qualität und Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Geräte/Detektoren, aber auch der Software (Kalibrierfaktor)  einschätzen zu können. Ich weiß, dass die Chinesen sehr invasiv und aggressiv mit ihren diesbezüglichen Produkten auf dem Markt und damit weit verbreitet sind, aber letztendlich werden doch fast immer die gleichen wenigen Detektoren, nur in anderer Verpackung, verwendet.

Leider ist diese Studie für die Citizen-Science-Bewegung nur ein Teil ihrer Möglicheiten wert und hat im Prinzip keine neuen Erkenntnisse gebracht! Schade um die verpasste Gelegenheit!

Daher wünsche auch ich Bernd`s Projekt einen erfolgreichen Verlauf! :good2:

Norbert


ArsMachina

Zitat von: opengeiger.de am 03. Januar 2024, 19:35Aber es gibt so Einkaufsdienstleister die kaufen einem alles ein.

Hast Du da eine konkrete Empfehlung?
Sowas kann man immer mal wieder gut gebrauchen, wenn man etwas bestellen möchte, was nur an Gewerbescheinbesitzer verkauft wird und ich habe inzwischen keinen mehr :-)

Danke und Grüße Jochen

Peter-1

Was spricht gegen die Schaltung von Theremino GA500 ?
Gruß  Peter

opengeiger.de

Erstmal Danke für den Hinweis auf diese Geiger-Zählrohr-Treiber Module bei Ebay des Anbieters Impexeris aus Litauen mit seinen IMEX Produkten. Ich kenne ihn schon seit einigen Jahren, habe aber noch kein Modul von ihm gekauft, sondern immer nur davon berichtet bekommen.  Und ich wurde jetzt auch schon mehrfach wieder darauf hingewiesen. Also was ich gehört habe, sind die Module nicht schlecht. Allerdings ob sie für so ein großes VacuTec 70031A Zählrohr geeignet sind, das müsste speziell geprüft werden, da habe ich noch etwas Zweifel. Aber ich will meine Zweifel auch begründen.

Nehmen wir doch mal das IMEX-38-56 ,,Adjustable HV high voltage supply module for geiger tube counter and dosimeter" Modul .  Da gibt es doch etliche Daten im Angebot, zum Beispiel zur Spannungsregelung und dem möglichen Ausgangsstrom. Das wäre meiner Meinung nach von den Angaben her passend. Das Modul hat offensichtlich einen 5.1MegOhm ,,Strombegrenzungswiderstand", nur wenn es vergossen ist, dann wird es vermutlich schwer sein, den herauszunehmen und hinter ein Kabel zum Zählrohr hin zu verlegen. Daher müsste das Modul immer nah beim Zählrohr sitzen, was bei der Größe aber noch möglich wäre.

Nun weist der Verkäufer aber daraufhin, dass es ein 3-poliges Modul ist mit ,,pin 1 HV, pin 2 GND, pin 3 positive input voltage" und für einen Schaltplan zur Beschaltung weist er auf eine blogspot webseite hin. Dieser findet sich unter:
http://arduino-geiger-pcb.blogspot.com/2013/10/use-of-imex-38-56-high-voltage.html
Da findet man nun diese Grafik, die ich hier mal ,,zitieren" will. Man sieht also, dass es sich um ein reines Hochspannungsmodul ohne Zählimpulsverstärker handelt, dem jetzt noch ein 4.7MegOhm als zusätzlicher Anodenwiderstand zwischen Pin 3 und die Anode geschaltet wird. Die Zählimpulsauskopplung wird aber an der Kathode gemacht und der Transistor Q1 sieht also Störspannungen, die über die Kathode eingefangen werden. Das wird zwar mit dem 330pF etwas tiefpass-gefiltert, aber so richtig großartig finde ich das nicht.

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Jetzt könnte man für ein 70031A den vorgeschriebenen 5.1MegOhm Anodenwiderstand statt dem 4.7MegOhm zwischen Pin 3 und die Anode legen und dann an Pin 3 über eine Kapazität das Zählimpulssignal abgreifen. Dann hätte die Hochspannungsquelle einen Innenwiderstand von 5.1MegOhm im Modul, der die Auskoppelkapazität auflädt und eine Entladungslawine würde dann über den externen 5.1MegOhm die notwendige Ladung aus der Auskoppelkapazität holen. Aber im langen Mittel betrachtet hätten wir dann doch 5.1MegOhm als Widerstand hinter der 500V-Regelung noch vor dem Anodenwiderstand. Und bei 10uA mittlerem Strom bei 100uSv/h erzeugt das halt 50V Spannungsabfall, was bei 0.1%/V Plateausteigung dann eben eine Zählratenänderung um 5% mit sich bringt. Und dann müsste man sich noch etwas zurechtbasteln, was die ausgekoppelten Zählimpulse mit minimaler Impulsverlängerung auf den Spannungspegel der Mikrocontroller I/O-Pins bringt. Oder wie seht ihr das?




opengeiger.de

Ja, auch hier wieder Danke für den Hinweis auf diese Theremino-Schaltung!
Man findet die Beschreibung unter:
https://www.theremino.com/wp-content/uploads/2012/02/GeigerAdapter_Datasheet_ENG.pdf
Hier merkt man, dass Alessio ein erfahrener Hase ist! Ich beginne mal wieder mit dem "Bildzitat" des Schaltplans aus dem Dokument. Diese Schaltung ist ein gutes Beispiel für die anodenseitige Auskopplung der Zählimpulse. Drum hier meine ausführliche Interpretation (hoffentlich ohne Faux Pas)

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So wie ich die Schaltung verstehe, wird zur Erzeugung der Hochspannung erst mal ein Inverter IC1A aus dem Hex-Buffer IC 40106 über den 10Meg (R9) und den 12pF (C8) zurückgekoppelt und wenn der Transistor T2 ,,off" ist, kommt diese Rückkopplung ins Schwingen. Dann werden 4 parallele Inverter dazu benutzt die Flanken des Taktsignals aufzusteilen, und T1 schließlich schaltet die Induktivität L1 ganz ,,zackig" mit einem großen di/dt an und aus und bildet so einen Boost Konverter. Dann folgt der klassische Cockroft-Walton Spannungsvervielfacher. Wichtig ist, dass er nach der letzten Stufe angezapft ist (bei TEST1) und das Spannungssignal über eine Zener-Dioden-Kette (D7-D10) und den Spannungsteiler R7/R8 wieder auf T2 zurückgeführt ist. Das ist die Regelschleife. Das heißt der Boost-Konverter bekommt Takt-Bursts, deren Dauer mit der Last variieren wird. Diese Art der Rückführung kostet etwas Stromverbrauch, macht aber die Spannung an C2, der eigentlichen Hochspannungskapazität, ziemlich stabil. Dann bildet der Teiler R2 und R1 den anodenseitigen Zählimpulsabgriff. Abgegriffen wird über C1, was jetzt auch hochspannungsfest sein muss. Der sechste Inverter in dem Gehäuse des 40106 schließlich wird als Komparator mit Hysterese verwendet (Schmitt-Trigger) und macht aus den analogen Zählimpulsen ein schönes Digitalsignal für den Mikrocontroller. Somit ist das Hex-Buffer IC 40106 sehr gut ausgenutzt. Was jetzt noch ganz wichtig ist, ist, dass C1 mit 47pF der eigentliche Lieferant der Ladung für die Entladungslawinen im Zählrohr ist. Und der Strom wird durch die 5.6MegOhm also R1 begrenzt. R1 muss also ganz nah am Zählrohr sitzen und muss ggf. hinter das Verbindungskabel verlegt werden auf die Zählrohrseite, wenn das Kabelstück mehr als etwa 10pF Kapazität auf die Waage bringt.

Wenn nun die Schaltung wirklich bis zu 100uA bei geregelter Spannung liefert, was ich so nicht sagen kann, dann würde das sehr gut passen. Und der anodenseitige Abgriff passt auch. Der Purist würde natürlich den Wert von R1 auf 5.1MegOhm ändern, so wie es im Datenblatt des 70031A steht. Aber das tut dem Schaltungsprinzip keinen Abbruch. Und ich denke, der Zählimpulsverstärker mit dem Inverter wird schon funktionieren, Alessio hat das bestimmt ausgiebig getestet.

Mit viel Kleinkariertheit könnte ich nur noch folgende Fragen stellen, die zu beantworten wären: wieviel Ripple erzeugt das Bursting mit der Rückkopplung? Ein PWM-Regler arbeitet sicher etwas sauberer. Ja und dann, wie stabil läuft der Oszillator? Er ist frei schwingend und man kann nicht so recht sagen, wie sich die Frequenz z.B. über Temperatur ändert und was das für Konsequenzen hat. Aber durch die Regelung kann es sein, dass man das überhaupt nicht merkt. Und wenn ich das Ding vor mir liegen hätte, würde ich schließlich noch das Übersprechen des Oszillators auf den Zählimpulsverstärker anschauen, um sicherzustellen, dass der von den Oszillatorzyklen nichts mitbekommt, sondern wirklich nur Zählimpulse vom Zählrohr zählt. Schließlich sind alle Inverter in einem IC-Gehäuse untergebracht. Und ich würde dem 40106 Inverter IC auf jeden Fall noch ein gutes Blocking C direkt vom Vdd zum Vss Beinchen spendieren. Aber vielleicht ist das auf dem Board auch so implementiert. Aber ansonsten bin ich der Meinung diese Schaltung ist recht clever gemacht und müsste sehr gut zum 70031A Zählrohr passen! :good2:

Es bleibt jetzt aber ein dicker Wermutstropfen für den typischen ,,Maker": Wo kann man nun diese tolle Schaltung als fertig bestücktes Board kaufen?  :shout: