Der "Taschenschreier"

Begonnen von DG0MG, 04. Dezember 2023, 14:23

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DG0MG

In der Kult-Sendung "Genial daneben" vom 30.08.2008 lautete eine Frage an das Rateteam:

"Was ist ein Taschenschreier?"


(Ab 2:40 min, Auflösung ab 9:22 min)

Erklärung: "In Kernkraftwerken und Forschungslaboren, in denen Menschen mit radioaktiver Strahlung in Berührung kommen können, trägt bei Störfällen jeder Mitarbeiter ein kleines Warngerät in der Tasche, das laut piept, wenn der erlaubte Höchstwert an Strahlung überschritten wird. Da dieses Gerät in der Tasche getragen wird und als Alarm aus der Tasche schreit, heißt es Taschenschreier."

Googelt man nach dem Begriff, findet man fast ausschließlich Hinweise auf "Genial daneben". Das kann also kein aktuell breit verwendeter Begriff mehr sein. Der Beschreibung nach würde ich "Dosisleistungswarner" (DLW) dazu sagen.

Sucht man etwas weiter, findet man in der Zeitschrift "ZIVILER BEVÖLKERUNGSSCHUTZ" Heft 4, April 1961 den Begriff verwendet:
http://download.gsb.bund.de/BBK/Magazin/BBK_Bevoelkerungsschutz196104.pdf

"Besondere Spielarten solcher Kondensatorkammern
sind sogar als Monitore ausgebildet,
d. h. sie geben einen Warnton
ab, wenn eine bestimmte Menge Strahlung,
die z. B. der Tagesdosis eines Arbeiters
entspricht, auf sie aufgetroffen ist.
Man wird dadurch vom Vorgang des
Ablesens unabhängig und kann sich
ganz auf die auszuführende Arbeit konzentrieren.
Deshalb sind diese sogenannten
"Taschenschreier" vor allem
für den Einsatz bei oder nach Strahlenunfällen
besonders geeignet.
"

Hm, also das klingt auch nach Dosisleistungswarner oder noch eher nach Dosiswarner.

Dann gibt es aber ein Patent der Firma BANDELIN von 1967 über ein

Taschenwarngeraet fuer radioaktive Strahlen
https://patents.google.com/patent/DE1589515A1/de?oq=de1589515

"Die Erfindung bezieht sich auf ein Taschenwarngerät für radioaktive Strahlen, insbesondere Gammastrahlen, mit einem Geiger-Müllerzählrohr als Strahlendetektor, durch das bei Überschreiten einer vorgegebenen zulässigen Dosisleistung ein akustisches Warnsignal ausgelöst wird. Bei einem der hierfür bekannten Geräte wird nach Überschreitung einer einstellbaren Dosisleistungsgrenze ein Warnton ausgelöst, der bei weiterer Steigerung der Dosisleistung seine Frequenz erhöht. Es entsteht dadurch in Momenten stärkerer Exposition ein sirenenartig aufheulender Alarmton, der in jedem Falle Beachtung findet. Dabei werden Zählrohrimpulse in einen der Impulsfrequenz proportionalen Gleichstrom umgeformt und dieser mit Hilfe eines einstufigen Transistor-Verstärkers auf die notwendige Steuerspannungsamplitude verstärkt. Die folgende Tonfrequenzgeneratorstufe ist als Sperrschwinger geschaltet, der im Ruhezustand durch eine negative Vorspannung am Transistor gesperrt ist.  [..]  Im Gegensatz zu anderen bekannten Geräten ist es dabei möglich, aus der Höhe der Tonfrequenz auf die Größe der momentanen Dosisleistung zu schließen."


Das ist doch erstmal recht clever und war 1967 auch nicht besonders schwierig umzusetzen. Das ist nätürlich ähnlich der audiblen Suchfunktion in diversen Szintillationsmessgeräten, aber dort hat das ja einen anderen Zweck. Ist so eine Funktion in DLW noch üblich? Also dass ein Dosisleistungswarner die Stärke der Überschreitung einer voreingestellten Dosisleistungsgrenze in Form der Tonhöhe wiedergibt?

Könnte ich mir auch im RadiaCode vorstellen :)
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

z.B. der GRAETZ Gammatest 1 "schreit" ganz schön laut, aber ohne Tonfrequenzänderung.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

#2
Zitat von: DG0MG am 04. Dezember 2023, 14:23...
Dann gibt es aber ein Patent der Firma BANDELIN von 1967 über ein

Taschenwarngeraet fuer radioaktive Strahlen
https://patents.google.com/patent/DE1589515A1/de?oq=de1589515
,,,
Das ist doch erstmal recht clever und war 1967 auch nicht besonders schwierig umzusetzen. Das ist nätürlich ähnlich der audiblen Suchfunktion in diversen Szintillationsmessgeräten, aber dort hat das ja einen anderen Zweck. Ist so eine Funktion in DLW noch üblich? Also dass ein Dosisleistungswarner die Stärke der Überschreitung einer voreingestellten Dosisleistungsgrenze in Form der Tonhöhe wiedergibt?
Soviel ich weiß, gibt es so was heute nicht mehr...alle Warngeräte besitzen einen fest frequentierten Warnton.

So einen Bandelin-"Schreier" mit variabler Tonfrequenz hatte ich jeden Tag in der Brusttasche meiner Reaktor-Dienstkleidung (Hemd + Hose) am Forschungsreaktor-2 (44 MW Leistung), da hier fast täglich wechselnde unterschiedliche Strahlungsfelder auftraten. Und als Strahlenschutz kam man als eine der dienstlichen Aufgaben doch in alle mögliche Bereiche des Reaktorgebäudes, um mit Dosisleistungsmessungen diese Strahlungsfelder aufzuspüren und die DL-Warnschilder mit aktuellen Messwerten zu aktualisieren.
Ferner war unsere Strahlenschutzgruppe (im 3-Schicht-Betrieb) außerhalb der normalen Dienstzeit und am Wochenende/Feiertage bei Ungereimtheiten für das gesamte (Kern)Forschungsgelände zuständig...auch hier leistete das Bandelin gute Dienste.

Die Warnschwellen an diesem Gerät hatten als kleinste Schwelle 2,5 mr/h (25 µSv/h). Warum gerade 25 µSv/h? Dieser Schwellwert ergab bei 2000 Jahresarbeitsstunden eine (mögliche) Dosis von 50 mSv/a, was in den 1970er + teilweise 1980er Jahren noch dem Jahresgrenzwert gemäß damalig gültiger Strahlenschutzverordnung entsprach. Eine 9 V-Batterie hielt bei der täglichen Benutzung ca. 3 - 4 Wochen durch.

Norbert

Gigabecquerel

Ich trage immer ein Automess ADOS Alarm DOSimeter mit mir, einfach, weil es mich eben interessiert, was man wo so alles abbekommt. Das schreit wenn ich 200 µSv überschritten habe, das ist einfach der fest voreingestellte Wert, wenn die batterie zu neige geht, oder, wenn es über 5 µSv/h gamma sieht.
Meiner Meinung nach ist das auch ein Sinnvoller Wert, einen falschalarm hatte ich damit noch nie, aber auf manchen Flohmärkten findet man damit sachen die man so nie erwartet hätte! Das teil kann Akustisch nur über monotones piepen kommunizieren, aber beim Dosisleistungsalarm zeigt es die aktuelle dosisleistung am bildschirm an, abwechselnd mit der verbleibenden zeit bis man, bei der aktuellen dosisleistung, den 200 µSv alarm erreicht. Die batterie hält ein gutes jahr bei hintergrundstrahlung, damit bin ich super zufrieden.
Gammaspektroskopie, Proportional- und Halbleiterzähler!