Australien: Kapsel vom Laster gefallen

Begonnen von wrdmstr inc., 28. Januar 2023, 07:49

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DG0MG

Ja, genau, man muss nachweisen, dass irgendwelche Werte UNTER irgendwelchen Grenzen liegen, das ist völlig klar. Das ist eine andere Fragestellung - wenn mans genau nimmt. Jetzt kommt es aber drauf an: Das ist ja noch nicht zwingend ein Beweis dafür, dass der Strahler wirklich verladen wurde, wenn der Messwert nur ausreichend niedrig ist.
Vielleicht war es aber hier so, dass der Messwert zwar ausreichend niedrig - aber trotzdem deutlich über dem Hintergrund war und man daraus schloss, dass der Strahler verladen worden sein musste.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Überschlagsmäßig müssten bei einer angenommenen allseitigen Bleistärke von 10 cm an der Außenseite noch ca. 20 µSv/h zu messen gewesen sein...das hebt sich deutlich vom Background ab.

Norbert

Peter-1

Hallo Norbert,

mit welcher Schwächung rechnest du bei 10 cm Blei und 600 keV ?
Mein kleines Programm streikt ab 6 cm Blei. Könnte es auch zu Fuß rechnen. ;D

Peter
Gruß  Peter

Henri

Scheint übrigens kein Einzelfall zu sein, bzw. kein "Jahrhundertereignis":

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_orphan_source_incidents

"May 5, 1978 – Setif, Algeria – A 25-curie iridium-192 source fell off a truck during transport. Two children found it and kept it for several days before giving it to their grandmother, whom kept it in the kitchen of her home. After 38 days radiation exposure was identified by medical personnel. The grandmother died of radiation injuries, and six members of her family received varying radiation injuries.[7]"


"1982 – Vikhroli, Mumbai, India – An iridium-192 source was lost during transport. A railway worker who found the source suffered significant exposure.[10]"



"December 6, 1983 – Ciudad Juárez, Mexico.[11] Ciudad Juárez cobalt-60 contamination incident. A local resident salvaged materials from a discarded radiation therapy machine containing 6,010 pellets of cobalt-60 (60Co). The transport of the material led to severe contamination of his truck. Remaining pellets in the scrapyard contaminated another 5,000 metric tonnes of steel to an estimated 300 Ci (11 TBq) of activity. This steel was used to manufacture kitchen and restaurant table legs and rebar, some of which was shipped to the U.S. and Canada. The incident was discovered months later when a truck delivering contaminated building materials to the Los Alamos National Laboratory drove through a radiation monitoring station. Contamination was later measured on roads used to transport the original damaged radiation source. Some pellets were actually found embedded in the roadway. In the state of Sinaloa, 109 houses were condemned due to use of contaminated building material. This incident prompted the U.S. Nuclear Regulatory Commission and Customs Service to install radiation detection equipment at all major border crossings.[12][13]"


Nichts mit öffentlichen Strassen zu tun hat dieser Vorfall, ist allerdings wirklich spektakulär:

September 13, 1999 – Grozny, Chechnya, Russia – Six individuals attempted to steal radioactive material from a chemical factory in Grozny. They opened a container and removed several 12-cm rods of cobalt-60, each one 27,000 curies. One of the thieves handled one of the rods for several minutes and reportedly died after 30 minutes. Of the remaining thieves, two died and three received radiation injuries.[35]


Auch die anderen Einträge in der Auflistung sind lesenswert, wenn man sich mal gruseln möchte darüber, was alles schon schief gegangen ist. Hoffentlich taucht die Kapsel bald wieder auf.

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Zitat von: Peter-1 am 30. Januar 2023, 22:38Hallo Norbert,

mit welcher Schwächung rechnest du bei 10 cm Blei und 600 keV ?
Mein kleines Programm streikt ab 6 cm Blei. Könnte es auch zu Fuß rechnen. ;D

Peter

Ich habe mit einer Halbwertsdicke Blei = 5 mm gerechnet. Es sind aber knapp etwas mehr ( 5,xx mm), so daß die Dosisleistung im Kontakt mit dem Blei durchaus auch ca. 40 µSv/h betragen könnte. Dazu kommt aber noch die Stahlummantelung, somit erniedrigt sich die Außendosisleistung dieser Dichtemeßvorrichtung wieder etwas.

Norbert

miles_teg

Zitat von: Henri am 31. Januar 2023, 02:02September 13, 1999 – Grozny, Chechnya, Russia – Six individuals attempted to steal radioactive material from a chemical factory in Grozny. They opened a container and removed several 12-cm rods of cobalt-60, each one 27,000 curies. One of the thieves handled one of the rods for several minutes and reportedly died after 30 minutes. Of the remaining thieves, two died and three received radiation injuries.[35]

Alter Schwede, von diesem Fall hatte ich noch nie gehört. Ich habe gerade versucht die Quellen ( :D edit: der Wortwitz fiel mir erst später auf) aufzutun, leider aber ohne Erfolg. So ziemlich alle Zitate beziehen sich auf Sekundärquellen, die teilweise gar keine Quelle angeben. Ich bin kein Experte, in diesem Fall aber ein wenig skeptisch.
Jeder Stab mit einem PBq? In einer Chemiefabrik? Wie das?
Hier gibt es ein Fünkchen mehr Informationen und hier dann endlich mal was genaueres:

ZitatAn insurgent turned himself in at the commandant's office in Grozny. He testified that he had assisted Khakimov by organizing the theft of IRSs from an inactive chemical plant in the Zavodsky region. The plant formerly had nine sources for use in the polymerization of unvulcanized rubber. The IRSs were stored on-site in a special chamber where they had remained even after the plant was no longer in operation.

The path to the plant was mined, and the chamber holding the sources was sealed by a lead and steel door. Insurgents had accessed the chamber through a hatch on the fourth floor of the building. Radiation levels in and around the hatch were high, and the hatch was protected with a concrete sarcophagus.

The lead and steel door to the chamber was destroyed, and robots were sent in with cameras to investigate the IRS container, which had been opened. The first robot failed due to extreme conditions and high temperatures in the chamber. A second robot removed the first robot and continued the operation. The second robot's cameras revealed that the container had been opened improperly and seven sources had fallen beneath the container.

Discovery of the seven IRSs beneath the container accounted for all nine IRSs from the chemical plant, since two had been collected earlier in Moscow and Grozny (see incidents 1 and 2, above). The IRSs were placed in a special container and taken by truck to Mozdok. Personnel from Radon met the truck there and loaded the container onto a train.

SOURCE: Kuzmin, A. V. 2003. Spetsnaz. Television Program. Ostankino Television Company for Channel 1.
Die Quelle auf die in diesem Fall verwiesen wird, macht mich aber auch nicht gerade glücklich. Ich frage mich, wie ein paar PBq (je nach Halbwertszeit dann gerne auch TBq) nach dem ersten und mitten im zweiten Tschetschenienkrieg unbeaufsichtigt bleiben?

Flipflop

Gemäss www.nti.org

52% der Vorfälle im Jahr 2019 ereigneten sich während Material von einem Ort zum anderen Transportiert wurde.

Mehr als die Hälfte aller Vorfälle betreffen ,,Menschliches Versagen"

:vava:

Lennart

Zitat von: miles_teg am 31. Januar 2023, 12:51Alter Schwede, von diesem Fall hatte ich noch nie gehört. Ich habe gerade versucht die Quellen ( :D edit: der Wortwitz fiel mir erst später auf) aufzutun, leider aber ohne Erfolg. So ziemlich alle Zitate beziehen sich auf Sekundärquellen, die teilweise gar keine Quelle angeben. Ich bin kein Experte, in diesem Fall aber ein wenig skeptisch.

So ein Zufall, hatte hier auch gerade was dazu geschrieben: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,532.msg17329/topicseen.html#msg17329

Das wäre der einzige (mir bekannte) Vorfall, wo jemand nach so kurzer Zeit durch radioaktive Strahlung gestorben ist.

Quellen dieser Art werden doch normalerweise unter Wasser erzeugt, gehandhabt und verpackt, siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=46YLC0AyN9o

DG0MG

Die  Berichterstattung wird immer verrückter, obwohl aus irgendeinem Grund keine neuen Fakten auftauchen. Inzwischen haben viele deutschsprachige Veröffentlichungen die Information übernommen, dass es sich um ein "Strahlenmessgerät" handeln würde.

Hier wirds ganz krude: https://www.rtl.de/cms/australien-sucht-radioaktive-kapsel-so-gefaehrlich-ist-sie-wirklich-5027885.html

",,Es wäre 28 Mal so wahrscheinlich, bei einer Zufallsmessung diese Kapsel zu entdecken, wie in Deutschland im Lotto zu gewinnen!", sagt Mathematiker Kristan Schneider im RTL-Interview: ,,Wenn man davon ausgeht, dass ein Geigerzähler mit einer Messung eine Fläche von vier Quadratmetern systematisch abdecken können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer zufälligen Messung die Kapsel zu finden, 1:126.000. Das ist also fast doppelt so wahrscheinlich, wie vom Blitz getroffen zu werden.""

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 31. Januar 2023, 18:29...
",,Es wäre 28 Mal so wahrscheinlich, bei einer Zufallsmessung diese Kapsel zu entdecken, wie in Deutschland im Lotto zu gewinnen!", sagt Mathematiker Kristan Schneider im RTL-Interview: ,,Wenn man davon ausgeht, dass ein Geigerzähler mit einer Messung eine Fläche von vier Quadratmetern systematisch abdecken können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer zufälligen Messung die Kapsel zu finden, 1:126.000. Das ist also fast doppelt so wahrscheinlich, wie vom Blitz getroffen zu werden.""
Na ja, bist du Mathematiker, bist du auch Strahlen(meß)experte! :))

Was, aus eigener Erfahrung, viel schlimmer ist: diese Meinung ist in Akademikerkreisen gar nicht so selten vertreten! Hat man studiert, kennt man sich schliesslich in allen Bereichen aus... :dash2: :P

Norbert

Lennart

Zitat von: NoLi am 31. Januar 2023, 19:01
Zitat von: DG0MG am 31. Januar 2023, 18:29...
",,Es wäre 28 Mal so wahrscheinlich, bei einer Zufallsmessung diese Kapsel zu entdecken, wie in Deutschland im Lotto zu gewinnen!", sagt Mathematiker Kristan Schneider im RTL-Interview: ,,Wenn man davon ausgeht, dass ein Geigerzähler mit einer Messung eine Fläche von vier Quadratmetern systematisch abdecken können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer zufälligen Messung die Kapsel zu finden, 1:126.000. Das ist also fast doppelt so wahrscheinlich, wie vom Blitz getroffen zu werden.""
Na ja, bist du Mathematiker, bist du auch Strahlen(meß)experte! :))

Was, aus eigener Erfahrung, viel schlimmer ist: diese Meinung ist in Akademikerkreisen gar nicht so selten vertreten! Hat man studiert, kennt man sich schliesslich in allen Bereichen aus... :dash2: :P

Norbert

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kristan_Schneider

Wenn man das so liest waren seine Vorhersagen immer "spot-on"  ;)

NoLi

Machen wir es doch auch mal mathematisch:
in 1 Meter Abstand haben wir 2000 µSv/h (2 mSv/h).

Und nun das Abstandsquadratgesetz:
in 10 Meter Abstand (Faktor 10 mehr) wären dies 10², also 1/100 (von 2000 µSv/h) = 20 µSv/h.
in 20 Meter Abstand (Faktor 2 mehr) wären dies 2², also 1/4 (von 20 µSv/h) = 5 µSv/h.
in 40 Meter Abstand (nochmals Faktor 2 mehr) wären dies also wieder 1/4 (von 5 µSv/h) = 1,25 µSv/h.

1,25 µSv/h können übliche Dosisleistungsmeßgeräte ("Geigerzähler") sehr gut nachweisen.

Die Fläche eines Kreises ist  d² x pi/4.
Bei einem Radius von 20 Meter (= 40 Meter Durchmesser, falls die Strahlenquelle genau am gegenüber liegenden Ende liegen sollte) ergibt sich für den Geigerzähler eine gut nachweisbare Fläche von rund 314 m² !

Zitat: ,,Wenn man davon ausgeht, dass ein Geigerzähler mit einer Messung eine Fläche von vier Quadratmetern systematisch abdecken können, dann ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer zufälligen Messung die Kapsel zu finden, 1:126.000. Das ist also fast doppelt so wahrscheinlich, wie vom Blitz getroffen zu werden."
:unknw:  :umnik2: 

Norbert

Henri

Zitat von: NoLi am 31. Januar 2023, 20:39Machen wir es doch auch mal mathematisch:

Na, der hat nun aber den billigsten Geigerzähler von Aliexpress gekauft, der 12 Stunden bräuchte, um bei 2 mSv/h so viele Impulse zu sammeln, dass gegenüber dem natürlichen Hintergrund eine Signifikanz entsteht. Nach 10 Stunden hat der Bediener aber bereits einen Sonnenstich und muss die Messung abbrechen.

Viel spannender finde ich: welches Areal legt er zugrunde, auf dem sich die Kapsel befinden könnte? Nur den Highway? Ganz Australien? Highway und Großstädte? Dafür sollte er mal ein Modell aufsetzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich die  Kapsel jetzt wo befinden könnte, dann wäre seine Rechnerei echt was wert! 

Dafür bräuchte er dann wahrscheinlich aber noch einen Physiker und einen Ingenieur als Unterstützung, vielleicht noch einen Meteorologe, einen Informatiker, und...  ;D

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Ah pardon, ich habe jetzt tatsächlich mal den RTL-Artikel gelesen. Die Arealabschätzung hat er tatsächlich gemacht! Aber:

"Experten fürchten, dass die Kapsel längst ganz woanders sein könnte – etwa, weil sie sich in einen Autoreifen gebohrt haben könnte. Für Schneider wäre die Wahrscheinlichkeit, die Kapsel dann noch zu finden ,,nicht mehr in Zahlen fassbar"."

Da kommt selbst die Mathematik dann an ihre Grenzen!  :P

Henri

Immerhin, sie haben jetzt einen großvolumigen Szinti bekommen. Damit dürfte es deutlich schneller gehen.

Zu sehen bei 0:54



Obwohl... Mehr als 1 Liter NaI(Tl) ist das auch nicht, wenn man mal genau hinschaut...

NoLi

Zitat von: Henri am 31. Januar 2023, 21:00Immerhin, sie haben jetzt einen großvolumigen Szinti bekommen. Damit dürfte es deutlich schneller gehen.
...
Wenn man damit im Auto fährt und ihn nicht spazieren trägt...;D

Norbert