Burkhardtsdorf: lebensgefährliches Polonium im Erzgebirge

Begonnen von DG0MG, 20. November 2021, 13:19

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DG0MG

Die "Freie Presse" schreibt heute:


Verdacht auf lebensgefährliches Polonium in Burkhardtsdorf
Bei unvorsichtiger Handhabung ist die Substanz tödlich. Denn bei dem Stoff handelt es sich um einen sogenannten Alphastrahler. Doch der Besitzer wusste nichts vom Risiko im eigenen Haus - bis ein Großaufgebot an Rettungskräften anrücken musste. Die Ermittlungen liefen bis in die Abendstunden.

In einem Wohnhaus in Burkhardtsdorf ist am Freitag nach ersten Erkenntnissen offenbar ein radioaktiver Stoff gefunden worden, der tödlich ist, sobald er in den Körper gerät. Der Besitzer eines Einfamilienhauses an der Straße Randsiedlung hatte ein Fläschchen mit der Aufschrift Polonium entdeckt - und dann offenbar die Polizei informiert....





Auch der MDR berichtet:


In Burkhardtsdorf im Erzgebirgskreis ist am Freitag ein radioaktiver Stoff in einem Wohnhaus gefunden worden. Wie die Polizei auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte, meldete sich der Hauseigentümer bei der Polizei, nachdem er in seiner Garage einen Behälter mit der Aufschrift "Polonium" entdeckt hatte. Wie der Behälter in die Garage gelangt ist und wie lange er dort schon lag, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Die Polizei und Feuerwehr haben den Fundort im geringen Umkreis abgesperrt. Das Bundesamt für Strahlenschutz soll die Beseitigung übernehmen. Laut Angaben der Polizei handelt es sich um geringe Mengen des radioaktiven Materials im geringen einstelligen Grammbereich. Solange der Behälter verschlossen bliebe, sei die Gefahr gering. Die Polizei ermittelt nun wegen unerlaubtem Umgang mit radioaktiven Stoffen.

Man beachte:
Es wird mehrmals von "radioaktiv" geschrieben, ohne das irgendwie einzuschränken ("eventuell", "wahrscheinlich", "mutmaßlich"). Das macht diese Aussagen zu Tatsachenbehauptungen, die aber durch nichts belegt sind, wie wir gleich noch sehen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man so eine Handlungsweise im Journalistik-Studium lernt, das ist allenfalls BILD-Zeitungs-Niveau. 





Ein radioaktiver Stoff ist in einer Garage in Burkhardtsdorf (Erzgebirgskreis) gefunden worden. Die Polizei sei am Freitag vom Eigentümer alarmiert worden, sagte eine Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz. Spezialisten der Feuerwehr kamen zum Einsatz. Laut Polizei handelt es sich um radioaktives Material. Es soll sich um Polonium handeln, die Rede war von wenigen Gramm. Der Ursprung des Materials war vorerst unklar. Es sei Strahlenschutzexperten übergeben worden, hieß es. Laut Polizei wird wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen ermittelt.




Das Qualitätsmedium TAG24:


Radioaktiver Stoff im Erzgebirge gefunden! Feuerwehr im Einsatz

Burkhardtsdorf - Ein radioaktiver Stoff sorgt seit Freitagmittag im Erzgebirge für einen größeren Einsatz von Feuerwehr und Polizei. Der Besitzer eines Einfamilienhauses in der Randsiedlung in Burkhardtsdorf hatte gegen 12 Uhr einen Behälter mit der Aufschrift "Polonium" auf seinem Grundstück entdeckt und schnell die Polizei informiert.
Diese wiederum alarmierte die Feuerwehr.
Das Material wird nun durch das Bundesamt für Strahlenschutz im Laufe des Tages separat untersucht und entfernt.





Heute dann Entwarnung in der online-Ausgabe der FP:


Am Freitag informierte ein Mann in Burkhardtsdorf die Polizei über ein Behältnis mit der Aufschrift "Polonium", welches er in seiner Garage lagerte. Die Polizei sowie die Feuerwehr sperrten daraufhin den Bereich des Grundstücks ab, da Polonium ein radioaktiver Stoff ist. Eine Messung des Landesamtes für Umwelt und Geologie im Bereich Strahlenschutz ergab, dass vom gefundenen Stoff keine Radioaktivität ausgehe. Das teilte die Polizei am Samstag mit. Jedoch soll es sich um eine giftige Substanz handeln. Der Hinweisgeber wurde mit der sachgerechten Entsorgung des Stoffes beauftragt, so die Polizei. Der Verdacht einer Straftat bestätigte sich nicht. (fp)




Den Fotos nach war auch ein CBRN-Erkundungsfahrzeug im Einsatz. Das sind - soweit ich bisher gesehen habe - immer FIAT-Transporter, weil das BBK vor vielen Jahren eine größere Anzahl davon für alle Bundesländer beschafft hatte. Zu erkennen an den 4 kleinen Luftansaugstutzen hinter dem Beifahrerfenster. Dieses Fahrzeug ist für den Erzgebirgskreis offenbar bei der Freiwilligen Feuerwehr Grünhain-Beierfeld stationiert: https://www.feuerwehr-gruenhain-beierfeld.de/site-assistent/cms-admin/user/index.php?page_id=33&x_content=598,16&image=Erkunder3

Da stellt sich natürlich gleich die Frage: Was hat der Erkunder an Technik an Bord, um Polonium zu detektieren?
Beim BBK ist zumindest die strukturmäßig vorhandene Ausrüstung aufgelistet:
https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/CBRN-Schutz/CBRN-Faehigkeiten/Mess-Nachweistechnik/RN-Messtechnik/rn-messtechnik_node.html
Demzufolge: Die Messerweiterung Radiologie (MER-1) enthält eine FHZ 732 GM Alpha- und Beta-Handsonde zum Anschluss an ein FH40G.

@NoLi: Ist das auch bei Euch so und hättet Ihr das für einen solchen Einsatz eingesetzt? Gäbe es für die konkrete Aufgabenstellung Geeigneteres?

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Henri

Zitat von: DG0MG am 20. November 2021, 13:19
handelt es sich um geringe Mengen des radioaktiven Materials im geringen einstelligen Grammbereich. Solange der Behälter verschlossen bliebe, sei die Gefahr gering.

Soso. Polonium im einstelligen Gramm-Bereich.

0,1 µg (!) sind bereits tödlich. Die spezifische Aktivität beträgt 1,67×10^14 Bq/g, also 167 Tera-Bq pro g. Ein "einstelliger Grammbereich" sind somit maximal < 1,67 Peta-Bq.

https://www.bfs.de/DE/themen/ion/wirkung/radioaktive-stoffe/polonium/polonium.html

Das ist schon eine Hausnummer. Mit einem "einstelligen Gramm-Bereich" könnte man 100.000.000 Menschen umbringen.


1000 Tonnen Pechblende enthalten 30 mg Po-210. Für 1 g Polonium muss man also 33.000 t Pechblende verarbeiten.

Polonium entwickelt 140 W Wärme pro Gramm. Die muss man über das kleine Volumen erst mal abführen. Das Fläschchen dürfte die Garage also fast in Brand gesteckt und auf jeden Fall gut beheizt  haben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Polonium


Laut https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/toedliches-gift-was-kostet-eine-portion-polonium-a-452650.html  kostet 1g Po-210 offiziell aus Russland erworben $ 2.000.000,-


Und so was liegt in einem Fläschchen in einer Garage??    :unknw:

pangeiger

Was mich auch interessieren würde: 210Po ist ein starker Alphastrahler, eingebettet in ein Glasfläschen. Wie um Himmels Willen kann ich die Aktivität messen, ohne das Polonium aus der Glasflasche zu holen? Um es als Polonium zu identifierzen, müsste man wohl Alphaspektronomie einsetzen. Und ich bezweifle, dass die Feuerwehr über so etwas verfügt.

Henri

Zitat von: pangeiger am 20. November 2021, 17:22
Was mich auch interessieren würde: 210Po ist ein starker Alphastrahler, eingebettet in ein Glasfläschen. Wie um Himmels Willen kann ich die Aktivität messen, ohne das Polonium aus der Glasflasche zu holen? Um es als Polonium zu identifierzen, müsste man wohl Alphaspektronomie einsetzen. Und ich bezweifle, dass die Feuerwehr über so etwas verfügt.

Wenn ich die Pressemeldungen richtig verstanden habe, stand "Polonium" auf dem Fläschchen. Damit ist doch alles klar? ;D

NoLi

Zitat von: DG0MG am 20. November 2021, 13:19
Demzufolge: Die Messerweiterung Radiologie (MER-1) enthält eine FHZ 732 GM Alpha- und Beta-Handsonde zum Anschluss an ein FH40G.

@NoLi: Ist das auch bei Euch so und hättet Ihr das für einen solchen Einsatz eingesetzt? Gäbe es für die konkrete Aufgabenstellung Geeigneteres?
Auch in unserem CBRN-Erkunder befindet sich eine MER-1 Ausstattung, zum Kontaminationsnachweis zusätzlich noch ein CoMo-170 und ein LB-122(mit Butan- und Xenon-Detektoren). Ich hätte diese für Wischproben und zusätzlich zur Alpha-Direktmessung am Fläschchen und Fundumgebung eingesetzt.
Eine Aussage über "keine Radioaktivität" würde ich aber mit diesen Messungen nie tätigen, denn dazu müsste man erst das Fläschcheninnere mittels Wischprobe untersuchen; die notwendige Öffnung sollte nur in einer geeigneten Handschuhbox erfolgen (wer weiß, was einen erwartet?!).
Ein weiterer Hinweis könnte eine eventuelle Beschriftung mit Datum sein (Aufkleber?)...Po-210 hat eine Halbwertszeit von 138 Tagen.
Und die angegebene Gewichtsmenge? Ist wohl Brutto, also Gesamtgewicht mit Fläschchen, gemeint. Netto kann`s nie gewesen sein, das hat Henri ja ausführlich dargestellt.

Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 20. November 2021, 17:49
Auch in unserem CBRN-Erkunder befindet sich eine MER-1 Ausstattung, zum Kontaminationsnachweis zusätzlich noch ein CoMo-170 und ein LB-122(mit Butan- und Xenon-Detektoren). Ich hätte diese für Wischproben und zusätzlich zur Alpha-Direktmessung am Fläschchen und Fundumgebung eingesetzt.
Eine Aussage über "keine Radioaktivität" würde ich aber mit diesen Messungen nie tätigen, denn dazu müsste man erst das Fläschcheninnere mittels Wischprobe untersuchen; die notwendige Öffnung sollte nur in einer geeigneten Handschuhbox erfolgen

Ah, okay, letzteres hat dann vielleicht das LfULG gemacht, denn es hieß ja, das Fläschchen wurde fortgeschafft und woanders weiter untersucht.

Die sächsische Polizei gibt auch Entwarnung:


"Zeit:     19.11.2021, 11:45
Ort:      Burkhardtsdorf

(4126) Der Bewohner eines Hauses in der Randsiedlung informierte die Polizei über ein Behältnis mit der Aufschrift Polonium, welches in seiner Garage lagerte. Wegen des Verdachts eines radioaktiven Stoffes sicherten Einsatzkräfte der Feuerwehr und der Polizei daraufhin den Feststellort und sperrten den Bereich ab. Anschließend wurden Spezialisten des Landesamtes für Umwelt und Geologie, Bereich Strahlenschutz, hinzugezogen. Deren Messung ergab am späten Nachmittag, dass von der Substanz keine Radioaktivität ausgeht und es sich vermutlich um eine giftige Substanz handelt. Der Hinweisgeber wurde mit der sachgerechten Entsorgung beauftragt. Der Verdacht einer Straftat bestätigte sich letztlich nicht. (ju)
"
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Ach sooo, vermutlich Gift ist egal...keine Straftat. 8)

Norbert