Belastete Pilze

Begonnen von katze, 04. Oktober 2019, 23:51

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katze

Hallo ihr,

2019 war, zumindest hier in der Gegend, ein gutes Pilzjahr, da bekam ich von Sammlern ein ganzes Kilo (genauer: 1.5kg) Pilzreste; alles was so übrigbleibt, wenn man die Pilze geputzt und ausgeschnitten hat.

Es handelte sich zum allergrössten Teil um Maronenröhrlinge https://www.123pilze.de/DreamHC/Download/Maronenroehrling.htm

Gesammelt wurden die Pilze bei Brunnau in der Nähe von Allersberg (Mittelfranken / Bayern):
https://goo.gl/maps/Z56D6NCQyAZhBRhW7

Was man nun tun müsste wäre, die Pilze zu trocknen und zu pulverisieren. Das habe ich mir bei der Menge an Frischmasse nicht angetan, sondern habe den etwa kopfgrossen Beutel (dünnwandige Plastikfolie) einfach auf mein Gammaspektrometer mit 40mm * 40mm Kristall gelegt.

Damit wurden dann die Netto-Counts bestimmt, zuerst zum groben Abschätzen nur 1700s lang, danach länger wiederholt, wobei die genaue Position der Frischmasse variierte (alternierende Messungen mit und ohne Material).

Ob man meine Rechnung so stehenlassen kann, dazu wollte ich euch befragen: Delta ist wohl selbsterklärend (A-B), Sigma wird berechnet aus sqrt(A+B) und ab einem Wert von Delta/Sigma von 3-4 kann man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer Aktivität der Quelle ausgehen.

Quantitativ will ich jetzt gar keine Mutmassungen anstellen, einzig scheint mir klar zu sein, dass der normale K-40 Beitrag in den Pilzen diese Werte nicht erklären kann.

Leider hat es trotz der langen Messzeit (7h) nicht für ein brauchbares Spektrum gereicht - damit hatte ich aber auch gar nicht gerechnet, dafür ist mein Equipment einfach nicht gut genug.

Übrigens war ich des heutigen Abends bei den fleissigen Pilzesammlern zum Essen eingeladen, und es hat ganz vorzüglich geschmeckt; Pilze in Sahnesauce mit Semmelknödeln lasse ich mir nicht einfach so entgehen!  :)

LG, katze


DL3HRT

Das Manko bei deiner Messung ist, dass du keine bzw. nur eine sehr geringe Abschirmung um den Detektor hast. Ohne Probe misst du 154.9 Impulse pro Sekunde. Mit Probe steigt der Messwert um 1.82 Impulse pro Sekunde an. Das zeigt auf jeden Fall, dass die Probe eine gewisse Aktivität hat. Wieviel davon allerdings Cäsium-137 ist, lässt sich nicht abschätzen.
Im Anhang ein Spektrum von 50 g getrockneten Mischpilzen aus Haibühl im Vergleich zu meiner Referenzprobe. Die Referenzprobe hat 860 Bq/kg (Trockenmasse), was 86 Bq/kg in Frischmasse entspricht. Man sieht, dass auch die K-40 Strahlung gegenüber dem Hintergrund deutlich messbar ist.
Dein 40x40 Detektor ist durchaus in der Lage, ein schönes Spektrum von den Pilzen zu messen. Ich denke, dass bereits 2 cm Blei ein guter Anfang wären. Mehr ist natürlich besser.

katze

Ok, hm, nun bin ich etwas enttäuscht, ich war schon so stolz, denn bisher hatte ich immer viel geringere Mengen Frischmasse, und daran konnte ich nie sonderlich was messen.

Nur damit nicht noch jemand in diese Falle läuft hier mal eine Rechnung, wie ich es mir zusammenreime:

Laut http://www.speisepilze.eu/pilze/maronen.pdf enthalten Maronenröhrlinge 0,348g Kalium pro 100g, das wären bei 1,5kg also 5,22g.

Davon wiederum sind 0,0117% K-40 (sagt https://de.wikipedia.org/wiki/Kalium), 1g Kalium zerfällt demnach mit 30,346 Bq.

Von diesen (5,22g*30,346) 158,4 Bq zerfallen 11% unter Aussendung eines Gammaquants, damit kommt man auf 17,4 Gammazerfälle/s mit meinen 1,5kg Frischmasse.
Beta detektiert mein Gerät ja nicht.

Mir erscheint das etwas wenig, aber ich sehe keinen Fehler.. Vielleicht schaut noch mal jemand drüber.

LG, katze

ullix

Wieso hast Du Sigma - das soll die Standard-Abweichung sein? - von der Summe von A und B genommen? Du müsstest StdDev von A und B separat bestimmen, und dann vergleichen, ob A +/- StdDevA  mit B +/- StdDevB überlappt.

Wenn ich mich nicht verrechnet habe tun sie das nicht, also würde ich den Leerwert als verschieden vom Vollwert betrachten. Also sind die Daten nach diesem Kriterium signifikant verschieden.

Willst Du härtere Kriterien anlegen, sagen wir auf 95% Niveau, nimmst +/- zwei Stddev. Aber auch danach wären sie noch verschieden. und so weiter.

Habe ich das richtig verstanden, Du hast den NaI Kristall nur als Zähler benutz, ein Spektrum hast Du damit nicht erzeugen können?




DL3HRT

Der Anbieter aus Haibühl, von dem ich die Pilze damals hatte, verkauft wieder welche bei Ebay. Ob die aktuell angebotenen viel Cs-137 enthalten weiß ich allerdings nicht. Steinpilze enthalten in der Regel nur wenig Cs-137. Wichtig sind die Maronenröhrlinge. Die Aktivität meiner Probe war deutlich (siehe Spektrum in früherem Post), lag aber immer noch weit unter dem Grenzwert von 600 Bq/kg Frischmasse.

katze

@ullix:

Ich bin nicht 100%ig überzeugt von deinem Einwand, aber vermutlich hast du recht.

Nehmen wir die ersten beiden Werte:
   
        Pilze   Leer   Delta
1700s   262644   260988   1656


Du würdest, denke ich, hier die Standardabweichung mit Sqrt(262644)/1700 zu 0,30146 errechnen (für die Pilze) und zu 0,300512 für die Leermessung. Oder?

Ich hingegen gehe aus von "Erwartungswert Pilze" (262644) = "Varianz Pilze" und "Erwartungswert Leer (260988) = "Varianz Leer" und Delta = 1656.

Warum ich das mache? Weil es der User yalu hier https://www.mikrocontroller.net/topic/431443 so angibt. Obs stimmt kA, so habe ich es halt auch einmal gelernt.

Man sollte doch dann über den Zweistichproben t-Test https://www.crashkurs-statistik.de/zweistichproben-t-test-mittelwerte-zweier-gruppen-vergleichen/ aus der Formel für die Prüfgrösse T sagen können:

T = Delta / Sqrt[ Varianz(Pilze)/1 + Varianz(Leer)/1 ] = .. = 2,2885. Das ist auch was ich errechnet habe.

Nun bin ich fürs erste mal ratlos.. :unknw:

Im Zweifelsfall werde ich in Zukunft wohl wie du rechnen.

Ja, ich habe mit dem NaI die Impulse gezählt, natürlich auch versucht, ein Spektrum draus zu bauen, aber da kam nichts brauchbares raus.

Ich habe nun mal ein Packerl der von DL3HRT gelinkten Pilze bestellt und werde daran (mit mehr Blei - aber 2cm werden es sicher nicht) mal mein Glück versuchen.

LG, katze

ullix

@katze:
Irgenwie hast Du Dich mit der Varianz und der relativen StdDev verrannt. Hier brauchst Du erstmal Mittelwert, und dann absolute StdDev.

Wir können unterstellen, dass die Counts einer Poissonverteilung folgen. Also wissen wir bei einem gegebenen Mittelwert, welches die StdDev ist, und könnten berechnen, ob die beiden Kurven "wohlgetrennt" sind.

Ich mach's mal noch einfacher und plotte einfach die beiden Summenwerte Deines Experiments als Poissonkurven. Das Bild läßt keine Wünsche offen! Erstellt wurde es mit einem einfachen Python Programm, welches ich auch anhänge. Auf plotDist.py zurückbennennen, und einfach mit 'python3 plotDist.py' starten. Als Variation kannst Du einfach die Kurven für die je 5 Einzelmessungen darstellen, und sehen, wie diese streuen. Es wird auch dan dabei bleiben: die Daten sind signifikant!


Die blaue und die graue Kurve sind übrigens Poissonverteilungen (wie gesagt), die gelbe aber ist eine Normalverteilung. Bei diesen hohen Mittelwerten ist aber kein Unterschied zu sehen. Doch Achtung: Poisson ist nur gültig für Integer-Werte!



katze

#7
Ich habe da in folgendem Dokument: "Radioaktivität und Strahlungsmessung" "vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz" (8. überarbeitete Auflage, April 2006) auf Seite 90ff. eine Begründung für "meinen" Rechenweg gefunden:

ZitatWird  die  genannte  Wahrscheinlichkeit  p  >  95  %  gefordert  dafür, dass N = B – U signifikant (bedeutsam, nicht zufällig) ist,  muss  für  U  und  B  "numerische  Auflösung"  (Trennung)  bestehen,  und  zwar  im  äußersten  Fall  mit  der  zweifachen  Summe ihrer Standardmessunsicherheiten. Dies bedeutet:

N > 2(sqrt(U)+sqrt(B)) = 2 (sU + sB)

Nach  dem  Gauß'schen  Fehlerfortpflanzungsgesetz  genügt  die weniger strenge Bedingung:

N > 2 sN = 2 * sqrt(U + B) oder N/sN > 2

Falls die Rechnung N/sN > 3 ergibt, besteht sogar p > 99 %, Wahrscheinlichkeit für Signifikanz von N.

https://www.wolkersdorfer.info/publication/pdf/stmugv_app000009.pdf

Es hat mich nämlich doch ein wenig gewurmt, dass ich da so falsch liegen sollte und man mir das ein klein wenig von oben herab erklären muss.

Vor Allem ist das aber auch wichtig für uns Alle, wie man das rechnen oder nicht rechnen kann!

Zur Klarheit: Deine Variante ist trotzdem völlig korrekt.

LG, katze

EDIT: Das Python-Skript ist natürlich trotzdem toll, ich kann nur jedem empfehlen, das mal laufen zu lassen (so einfach zeichnet euch Code in anderen Sprachen keinen so schönen Plot). Zur Installation von Python, hm, Zauberei ist es nicht aber das kann ullix besser erklären..

ullix

Soweit ich sehe sagen die Bayern exakt dasselbe wie ich. Sogar die Grafik ist quasi dieselbe. Wär ja auch überraschend, wenn nicht.

Die Trennung der beiden Bayern-Kurven ist 2 sigma. Die Trennung Deiner Daten ist sogar ca 5 sigma, das ist derart hochsignifikant, da brauch man sich nicht mehr zu quälen mit Unschärfe-Betrachtungen. (Die übrigens bei der Frage der Auflösung optischer System - Fernrohr, Mikroskop, Auge - genau so angewendet werden).

DL8BCN

Hallo, hier gibt es ein ganz interessantes Video auf dem Kanal Buschfunkistan:
Den zweiten Teil mit der Abschirmwirkung der Pilze sollte man wohl nicht  so ernst nehmen, denke ich.

https://youtube.com/watch?v=Xa1MxE4CQ-8&feature=share

Flipflop

Radioaktive Belastung von Waldpilzen aus der Region Heilbronn
Prof. Dr. Kurt Rauschnabel, Labor Strahlungsmesstechnik in Zusammenarbeit mit dem Pilzverein Heilbronn e.V. 19.11.2013

https://s98dc7ea272388899.jimcontent.com/download/version/1687206692/module/7589278886/name/Radioaktive%20Belastung%20Waldpilze.pdf