Hamburg: Strahlendes Karolinenviertel

Begonnen von Henri, 07. September 2021, 22:33

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Henri

Das Karolinenviertel in Hamburg hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem der ärmsten Stadtteile zur schmuddelig-chicen Ausgeh-Location gewandelt, mit tollen Bars, gutem Kaffee, alternativem Einzelhandel, und einigen Musikclubs. Ein guter Grund, ihm mal wieder einen Besuch abzustatten.

Ein noch besserer Grund zeigte sich durch ein dezentes Vibrieren am Gürtel an. Normalerweise gehört Norddeutschland ja zu den Regionen mit sehr niedriger Ortsdosisleistung, und abgesehen von einigen wenigen granitenen Strassenbelägen scheint dort auch nicht viel "radiophil entdeckenswertes" zu finden zu sein.

Interessanterweise sind in einigen Strassen des Karolinenviertels jedoch Kupferschlacke-Steine als Strassenbelag verlegt worden, was ansonsten eher typisch für den Osten Deutschlands ist. Teilweise sind in diesen Strassen Ortsdosisleistungen von bis zu 1 µSv/h (dem 12-fachen der ortsüblichen natürlichen Hintergrundstrahlung) zu messen, so auch in einer Strasse, die direkt an einen Kinderspielplatz anschließt. Und es liegt auch noch viel Kopfsteinpflaster aus Granit, teilweise unterhalb des Asphalts, den das Messgerät ebenfalls deutlich registriert.

Die klassischen, viel im "Osten" verbauten Kupferschlackesteine aus Mansfeld haben einen hohen Gehalt von Nukliden aus der Uran-Zerfallsreihe, da das Kupfererz reich an Uran war.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mansfelder_Kupferschlackensteine

Ob die in Hamburg verlegten Steine tatsächlich aus Mansfeld "importiert" wurden, oder aber ein lokales Produkt sind, wäre interessant herauszufinden. Hamburg verfügt mit der Aurubis AG (ehemals Norddeutsche Affinerie) über einen der weltweit größten Kupferproduzenten.



Kurz gesagt, das Wetter war schön, und ich hatte ausreichend Zeit, also habe ich mir das ganze Karolinenviertel angeschaut und dabei einen Track aufgezeichnet, und bei einem zweiten Ausflug dann noch mal die Lücken gefüllt.

Auf der Karte seht ihr drei rote Spots, bei denen sich die Kupferschlacke-Steine finden. Alles, was in gelb oder orange erscheint, ist Granitpflaster. Ich habe die Karte mit QGIS erstellt und den Farben eine festen Dosisleistung zugeordnet, rechts findet sich die Legende.

An Spot 3 habe ich außerdem ein Gammaspektrum aufgezeichnet, hatte aber leider keinen anständigen Betafilter dabei und musste improvisieren. Obwohl der RadiaCode über 40 cps registriert hat (normal sind ca. 5 cps), zeigten sich selbst nach einer Viertelstunde (36.000 registrierte Impulse) nur schwach auswertbare Peaks - die Filterfunktionen haben es ein wenig rausgerissen - , und meine Kalibrierung müsste ich gelegentlich auch noch mal korrigieren. Aber man erkennt trotzdem die Peaks der Radium-Zerfallsreihe. Durch die kompakte Stein-Matrix hauptsächlich aus Silicium- und Leichtmetalloxiden geht viel Information über die Strahlungsenergien verloren, da ein Teil der Energien bereits in der Masse in unterschiedlichem Maß absorbiert wird, in der die Nuklide homogen verteilt sind. Allerdings hat Silicium weder eine hohe Ordnungszahl (14) noch eine hohe Dichte (2,3 g/cm³).
Mir fällt bei diesem "Mess-Klassiker" auf, dass man mit der Smartphone-App des RadiaCode-101 gute Chancen hat, zu einer Analyse zu kommen, während das Display auf dem Gerät selber leider keine auswertbaren Informationen zum Spektrum liefert.

Das Foto von Spot 4 ist an einem ehemaligen Schlachthofgebäude entstanden, welches heute unter anderem einen Musikclub beheimatet und großräumig mit Granitpflaster umgeben ist, das für Ortsdosisleistungen von bis zu 300 nSv/h sorgt, etwa dem Vierfachen des Ortsüblichen.

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Die Mansfelder Schlackensteine waren auch ein DDR-Exportartikel (vermutlich sehr günstig im Preis) und wurden daher auch in der alten BRD West im Strassenbau verwendet, allerdings nicht so verbreitet und großflächig wie im Osten. Man findet sie (im Westen) meistens im gemischt farbigen Kopfsteinpflaster, seltener als alleiniger Pflasterstein.
In meinem Wohnort war bis vor etwa 3 Jahren ein als städtischer Material- und Bauhof genutzes Gelände teilweise mit ca. 500 m² Mansfelder Steinen gepflastert (wir machten dort vor vielen Jahren mit der Berufsfeuerwehr und dem ABC-Zug eine Strahlenschutzübung und waren im Pflasterbereicht "etwas irritiert"); dieser Bauhof wurde inzwischen aufgegeben und das Gelände durch einen Investor bebaut. Leider verpasste ich den Zeitpunkt der Auflassung und des Aushubs >:(
Da meiner Kenntnis nach diese Steine nicht mehr hergestellt/verbaut werden, schnell zuschlagen... ;D

Gruß
Norbert

Henri

Zitat von: NoLi am 08. September 2021, 12:09
Die Mansfelder Schlackensteine waren auch ein DDR-Exportartikel (vermutlich sehr günstig im Preis) und wurden daher auch in der alten BRD West im Strassenbau verwendet, allerdings nicht so verbreitet und großflächig wie im Osten. Man findet sie (im Westen) meistens im gemischt farbigen Kopfsteinpflaster, seltener als alleiniger Pflasterstein.
In meinem Wohnort war bis vor etwa 3 Jahren ein als städtischer Material- und Bauhof genutzes Gelände teilweise mit ca. 500 m² Mansfelder Steinen gepflastert (wir machten dort vor vielen Jahren mit der Berufsfeuerwehr und dem ABC-Zug eine Strahlenschutzübung und waren im Pflasterbereicht "etwas irritiert"); dieser Bauhof wurde inzwischen aufgegeben und das Gelände durch einen Investor bebaut. Leider verpasste ich den Zeitpunkt der Auflassung und des Aushubs >:(
Da meiner Kenntnis nach diese Steine nicht mehr hergestellt/verbaut werden, schnell zuschlagen... ;D

Gruß
Norbert

Ja, es gab im Viertel noch einige Einfahrten aus Granit, bei denen die Begrenzung mit fast schwarzen Schlackesteinen ausgeführt war, als "Dekoration" sozusagen. Ich habe mich auch etwas gewundert, dass die Steine dort so viele verschiedene Farben hatten. Bislang kannte ich nur "Aschgrau", aber bei dem Platz, wo ich das Spektrum aufgenommen hatte, waren neben ziemlich dunklen auch fast weiße. Von der Aktivität her waren sie allerdings gleich.

Ach, irgendwer hatte doch hier mal Bilder von riesigen Schlackesteinbergen eingestellt, besonders selten können die nicht sein. Ich hatte sogar mal einen, aber als Einzelstück sind die wenig eindrucksvoll. Da er nicht besonders dekorativ war, habe ich ihn dann ziemlich schnell an seinen Fundort zurückgebracht - anscheinend war dort mal die Strasse neu gemacht worden, und sie hatten einen Schwung dieser Altlast einfach ins Gebüsch gekippt und dann dort "vergessen".

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Man hatte auch Steine mit Beton-Beimischungen hergestellt, wenn auch nicht in so großer Zahl wie die Schwarzen.

Im Osten gibt es die Steine wohl öfter im Abfall, hier im Westen (leider) nicht :(

So ein Einzelstück befindet sich im LKW-Endlager-Informations-Auflieger des Bundesamtes für Strahlenschutz, um die Funktion einer abstandsbeweglichen BfS-IMIS-Messsonde zu demonstrieren.

Gruß
Norbert

Henri

Zitat von: NoLi am 08. September 2021, 22:11
So ein Einzelstück befindet sich im LKW-Endlager-Informations-Auflieger des Bundesamtes für Strahlenschutz, um die Funktion einer abstandsbeweglichen BfS-IMIS-Messsonde zu demonstrieren.

Na, die trauen sich ja nicht viel ;D  Ich weiß noch, wie mich die Erinnerung an eine kupferschlackegedeckte Strasse beim Fund des Steins in Hochstimmung versetzte, und wie ernüchternd dann (nach all der Schlepperei und dem Auswaschen anhaftender Erde aus den Poren) das Messergebnis war. Leider war das Ding auch zu groß für meine Bleiburg...
Dann habe ich noch zwei Wochen lang geprüft, ob es nennenswert Radon emaniert, aber nicht mal das... Also, für den Naturkundeunterricht in der Grundschule vielleicht gar nicht mal so ungeeignet (wenn man verhindert, dass er den Kleinen auf die Füße fällt...)  :P

Viele Grüße!

Henri

NoLi

Zitat von: Henri am 08. September 2021, 22:21
Zitat von: NoLi am 08. September 2021, 22:11
So ein Einzelstück befindet sich im LKW-Endlager-Informations-Auflieger des Bundesamtes für Strahlenschutz, um die Funktion einer abstandsbeweglichen BfS-IMIS-Messsonde zu demonstrieren.

Na, die trauen sich ja nicht viel ;D  Ich weiß noch, wie mich die Erinnerung an eine kupferschlackegedeckte Strasse beim Fund des Steins in Hochstimmung versetzte, und wie ernüchternd dann (nach all der Schlepperei und dem Auswaschen anhaftender Erde aus den Poren) das Messergebnis war. Leider war das Ding auch zu groß für meine Bleiburg...
Dann habe ich noch zwei Wochen lang geprüft, ob es nennenswert Radon emaniert, aber nicht mal das... Also, für den Naturkundeunterricht in der Grundschule vielleicht gar nicht mal so ungeeignet (wenn man verhindert, dass er den Kleinen auf die Füße fällt...)  :P

Viele Grüße!

Henri

Die Dosisleistung im unmittelbaren Kontakt mit der IMIS-Sonde im BfS-Infoauflieger betrug ca. 0,3 µSv/h, also knapp 3-fache Nullrate (mehr konnte ich nicht rauskitzeln) ;D

Gruß
Norbert