Energiekompensiertes vs. nicht kompensiertes Zählrohr

Begonnen von Maroi, 26. August 2021, 10:05

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Maroi

Liebe Forenmitglieder/innen,
Ich habe dazu im Forum  nichts gefunden ,aber mich beschäftigt schon lange eine grundsätzliche Frage zu energiekompensierten vs. nicht kompensierten Zählrohren und ersuche jetzt die Experten im Forum, mein Verständnis darüber zu erhellen.

Mein Ranger Alert exp. hat ein nicht kompensiertes(das nehme ich jedenfalls an) Zählrohr bzw. Zählscheibe und ist auf Cs 137 0,66MeV " kalibriert"!
1.) Ich habe das vom Prinzip so verstanden,dass alles was ich an CPS/CPM damit messe und eine Energie von 0,66Mev hat (ich  weiß nicht,was außer CS137 noch in diesem Energiebereich strahlt, ist aber fürs prinzipielle Verständnis jetzt nicht wesentlich)1:1 und ohne Korrektur in Sievert bzw. Gray  (also Energie )anzeigt werden kann.

2.)Wenn es andere Strahler mit bekannter Energie sind z.b. Cobalt etc. ,dann kann ich dem Ranger das "mitteilen" und die  Kalibrierung darauf ändern und die Messung wie oben beim CS137 durchführen und auch davon ausgehen,dass auch die Energie wieder stimmt .
Ich Weiß auch nicht, ob das alles nur für Gammastrahlung stimmt oder auch Alpha- und Beta :unknw:

3.)Da beim Messen aber oft ein Energiemix vorliegt stimmt  beim Umschaltung von CPS in Sievert die Energiemenge nicht !!!

Meine Vermutung:
Ich habe gedacht,dass energiekompensierte Zählrohre (wie das auch immer technisch umsetzbar sein kann :unknw:) hier eine korrekte bzw. annähernd korrekte Energiemessung in einem breiten Energiebereich ermöglichen und dies auch OHNE zu wissen, welche "Strahler hier strahlen"!

Wenn ich mir jedoch die Datei und Diagramme(s.anhang) vom  Automess und den verschiedenen verbauten energiekompensierten Zählrohren anschaue, dann denke ich,dass es eigentlich keinen Unterschied zu meinem Ranger mit nicht kompensiertem Zählteller gibt.
Auch beim Automess ist auf CS137 kalibriert und höhere bzw. niedrigere Energien(wenn man weiß welche das sind)müßen mit einem Faktor multipliziert werden ,um ein korrektes Energie-Ergebnis zu erhalten.

Sollte ich das alles richtig interpretiert haben,dann frage ich mich
"Wo und Was" ist der  Vorteil von den wesentlich teureren Geräten mit energiekompensierten Zählrohren zu den Geräten  ohne Kompensation???

Vielen Dank und liebe Grüße
Dieter

Henri

Hallo Dieter,

Energiekompensation funktioniert nur, wenn Du ein reines Gamma-Strahlenfeld hast oder Dein Detektor nur für Gammastrahlung empfindlich ist. Denn ein Betateilchen löst mit viel höherer Wahrscheinlichkeit einen Zählimpuls aus als ein Gammaquant.

Bei GM-Zählrohren lösen Gammaquanten mit niedriger Energie häufiger einen Zählrohrimpuls aus als welche mit höherer Energie. Sie werden energiekompensiert, indem man sie mit einer Abschirmung umgibt, die einen Teil der niedrigenergetischen Quanten ausfiltert und dadurch die Empfindlichkeiten angleicht. Allerdings hat diese Technik ihre Grenzen, man bekommt keine vollständig gleichmäßige Empfindlichkeitskurve.

Sinn ist tatsächlich, sich weniger Gedanken darum machen zu müssen, was eigentlich strahlt. Das ist oft ja gar nicht bekannt, oder man hat verschiedenes, das gleichzeitig strahlt. Deshalb ist so ein Automess energiekompensiert. Ob Du nun Cs-137 misst oder Uranerz, die ungefähre Größenordnung stimmt (im Rahmen der Vorgabe des Eichgesetzes). Aber wenn Du natürlich weißt, was da strahlt, kannst Du zusätzlich das Korrekturdiagramm verwenden und damit ein genaueres Ergebnis bekommen.

Durch die Abschirmung ist das Zählrohr natürlich nur für Gammastrahlung empfindlich, und auch weniger empfindlich als eines ohne Abschirmung. Pancake-Zählrohre oder Endfenster-Zählrohre wie in Deinem Ranger sind nie energiekompensiert, da sie dem Kontaminationsnachweis dienen und man hier "maximal viel" einfangen möchte. Wenn das Gerät eine (Äquivalent-)Dosisleistung anzeigt, gilt diese nur für das Nuklid, mit dem sie bestimmt wurde. Natürlich kann man auch hier Korrekturtabellen nutzen, aber man braucht halt zwingend die Info, um was für ein Nuklid es sich handelt, das da strahlt. Sonst können die Abweichungen erheblich sein. Bei einem energiekompensierten Zählrohr ist diese Information nicht erforderlich.

Einen wesentlich größeren Einfluss als die Energieabhängigkeit hat oft die Messgeometrie. Deine "µSv/h" Anzeige gilt nur bei Punktstrahlern, dh. in einem homogenen Strahlenfeld.

Oft wird vergessen, dass Strahlenmessgeräte "Spezialisten" sind. Mit dem Automess weist man keine Kontaminationen nach, mit dem Ranger bestimmt man keine Dosisleistung. Die Hersteller erwecken aber trotzdem gern den Anschein, dadurch kann man mehr verkaufen. Die "µSv/h" Anzeige Deines Rangers ist ziemlich wertlos, wenn Du nicht weißt, was Du tust (Betastrahlung ausfiltern) oder keinen reinen Cs-137 Strahler hast, der zudem noch so stark sein muss, dass er weit genug vom Zählrohr entfernt sein kann, um als punktförmig betrachtet werden zu können. Die kannst Du also getrost ignorieren. Ein zweiter weit verbreiteter Irrtum ist, dass man denkt, auf 3 Stellen hinter dem Komma messen zu müssen. Wird auf den Displays ja auch angezeigt, da verkaufsfördernd. Es gibt aber so viele Faktoren, die das Messergebnis beeinflussen, dass es oft schon gut ist, wenn die Dekade stimmt. Angaben wie "misst auf +/-20% genau" gelten nur unter reproduzierbaren Laborbedingungen. Für das Gerät im Feld gilt das zwar auch, aber wenn 1µSv/h angezeigt wird, kann es sein, dass die Füße gerade 100µSv/h abbekommen und der Kopf nur 100 nSv/h. Das Gerät misst nur eine physikalische Größe, wie sie am Ort vorherrscht, an dem sich das Zählrohr befindet. Über die Geometrie des Strahlenfeldes weiß es nichts. Das muss der Anwender selber ausmessen, durch Änderung der Position des Messgeräts und Interpretation z.B. der Änderung der Zählrate bei Änderung des Abstands zur Quelle. Was wir aber eigentlich unbewußt vom Gerät erwarten, ist eine Aussage über die biologische Wirkung der Strahlung. Und da macht es einen riesigen Unterschied, ob die Hände 100 mSv abbekommen oder die Keimzellen.

Energiekompensation ist nur eine Stellschraube von vielen. Wichtig(er) ist, das Messgerät richtig zu handhaben und die Ergebnisse richtig zu interpretieren.


Na, ein bißchen klarer geworden?

Viele Grüße!

Henri


sh4711

Zitat von: Henri am 26. August 2021, 17:31
Pancake-Zählrohre oder Endfenster-Zählrohre wie in Deinem Ranger sind nie energiekompensiert,
https://www.lndinc.com/products/geiger-mueller-tubes/7129/

Muss man aber mit umgehen koennen. Wir habens mal gemessen - die EK ist, wenn
man vorn zumacht und von der Seite kommt, relativ gut (-20 bis +35% im Bereich 35
mit 1300 keV).

Maroi

Servus Henri,
Vielen Dank für die fundierte und auch verständliche Erklärung
  :)
Liebe Grüße aus Kärnten