Abschirmwirkung von Wasser

Begonnen von DG0MG, 17. Juli 2021, 15:38

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DG0MG

Im russischen Forum hat jemand um seine Bleiabschirmung noch zusätzlich Wasserflaschen gestapelt, um die Nullrate weiter zu senken.


Bei Wikipedia ist die Halbwertsdicke für Wasser bei 600 keV mit 77 mm angegeben, Blei mit ~5 mm. Also 77 mm Wasser schirmen so gut, wie 5 mm Blei. Das wollte ich auch mal probieren. Bevor ich Wasserflaschen um einen Geigerzähler stapele, wollte ich eher ein komplettes Gerät im Wasser versenken, die Regentonne mit 300 Liter Volumen bot sich an.

Als Gerät kommt natürlich der RadiaCode-101 zum Einsatz: Batteriebetrieben, klein und mit Loggingfunktion.

Ich brauchte also erstmal ein WIRKLICH wasserdichtes Gehäuse für den RadiaCode. Nach einiger Suche bei diesen verschließbaren Strandbeuteln für Handys bin ich auf XXL-PETLinge gekommen. Also diese Rohlinge, aus denen PET-Flaschen geblasen werden. Die großen werden dann z.B. zu diesen 5-Liter-Kanistern, in denen destilliertes Wasser verkauft wird.

Die großen PET-Linge haben einen Innendurchmesser von 40 mm - der RadiaCode passt bequem hinein.

Mit einem Stückchen Ziegel beschwert habe ich den RadiaCode in einem Rhythmus von etwa 10 Minuten mehrmals unter Wasser getaucht und wieder herausgenommen. Die Regentonne hat ca. 70 cm Durchmesser und war fast voll, das Messgerät hatte also im Wasser in alle Richtungen mindestens 30 cm Wasser, also etwa 4 Halbwertsdicken.

Wie man im Diagramm sieht, ist der Rhythmus des Untertauchens deutlich am Absinken der Impulsrate zu sehen, außerhalb sind es etwa 10 ips, im "besten" Fall sinkt es auf 6,5 ips ab. Das hat mich ehrlich gesagt etwas enttäuscht, ich hätte mehr erwartet - also eine größere, deutlichere Abschirmwirkung.

Während der Messung hats wieder geregnet, einen gewissen Einfluss auf den Versuch kann das auch gehabt haben.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Delgi_500

Hallo DG0MG,

bin neu hier und schnupper mich grade mal so durch...

Sehr schöner Versuch und coole Idee einen "PETling" dazu zu verwenden (Bist du Geocacher?[uups unzulässige Frage]).
Das mit dem Wasser ist an und für sich eine sehr gute Idee: direkt Ionisierende
Partikel erstmal "zart" abbremsen ohne dabei gleich wieder hochenergetische Bremsstrahlung zu erzeugen.
(Besonders bei harter Beta-Strahlung sehr ausgeprägt).

Tjo, aber die "Höhenstrahlung" pfeift da halt trotzdem lustig :)) durch alles durch...
(Selbst wenn man unter die Erde geht und "altes" Abschirm-Blei aus historischen Schiffswracks zum Abschirmen nimmt)

Einen technischen Kniff kenne ich da noch: Antikoinzidenz - Methode mit einem 2ten gut geschirmten
Detektor in direkter räumlicher Nähe: Wenn im "nackten" Detektor und dem geschirmten "gleichzeitig"
ein Zählereignis auftritt -> dann wars mit hoher Wahrscheinlichkeit ein high Energy Teil von "janz weit draussen"
und die Elektronik kann das ausblenden...
(Von z.B. VALVO gabs dafür sogar spezielle Röhren: 18518)

Aber vielleicht kennst du das ja schon alles, k.A. ich wollte keinesfalls Schulmeisterlich rüberkommen...

Grüssle


DG0MG

Zitat von: Delgi_500 am 17. Juli 2021, 22:16
Tjo, aber die "Höhenstrahlung" pfeift da halt trotzdem lustig :)) durch alles durch...
(Selbst wenn man unter die Erde geht und "altes" Abschirm-Blei aus historischen Schiffswracks zum Abschirmen nimmt)

Ich hatte ja hier schonmal mit einer Bleiburg eines LB200 experimentiert, diese 9 mm Blei (~2 Halbwertsdicken) senkten den Hintergrund auf etwas über 1 ips! Daher die Erwartung, dass das mit 4 HWD Wasser ähnlich aussieht. Ist aber nicht.

Wenn man diese Betrachtung mal bei 1 MeV wiederholt, dann ist die HWD bei Wasser ~110 mm und Blei ~9 mm. Da hatte ich immer noch "mehr" Schirmung aus Wasser (~2.5 HWD) ggü. 1 HWD bei Blei.

Eine Erklärung könnte sein, dass das Regenwasser merklich Radon enthielt, obwohl man ja sagt, das spielt nur nach längeren Niederschlagspausen eine Rolle. Niederschlagspausen hatten wir aber nicht gerade - es hat ja andauernd mal geregnet. Abhilfe: Ich brauche 300 Liter länger abgestandenes Wasser ;D und muss den Versuch wiederholen.

Dann wäre noch nachzutragen, dass die Bluetooth-Verbindung bereits nach wenigen mm Wasserbedeckung abreisst. Die 2,5 GHz werden also ordentlich gedämpft.

Nein, ich bin kein Geocacher.
Obwohl ich einen Account habe - meine Fundzahl bewegt sich aber in fast 20 Jahren seit Anmeldung im einstelligen Bereich :)
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NoLi

Interessant wäre, das Gamma-Spektum im Wasserfass aufzunehmen und mit einem "Luft"-Spektrum zu vergleichen, um zu sehen, in welchem Energiebereich die "Wasser"photonen liegen.

Gruß
Norbert

Delgi_500

Ja, das ist eine gute Idee, rauszufinden was da eventuell schon/noch im Wasser drin ist.
Und: Ja geregnet hats leider mehr als genug.
Ich vermute mal daß du dein Regenfass auch nicht entschlammt/abgeschrubbelt hast (hätte ich auch nicht btw ;)).
Erfahrungsgemäß ist der "Kampf um die Nullrate" immer mühsam, da erzähl ich auch nix neues...

Hmm, der Hinweis auf das Bluetooth bringt mich noch auf einen anderen Gedanken (ist nur Mutmaßung):

-> Wäre auch ein Quereinfluss auf die Vref des ADCs oder die SiPM Supply denkbar, wenn der Blauzahn
versucht "mehr Schub" zu geben um rauszukommen?
Evtl. auch Rückreflektion der HF Bursts am umgebenden Wasser -> Energie ballert in den Signalkanal rein?
Müsste man halt irgendwie an das Rohsignal kommen...

Grüssle,
Oliver

NoLi

Zitat von: Delgi_500 am 18. Juli 2021, 11:09
Ja, das ist eine gute Idee, rauszufinden was da eventuell schon/noch im Wasser drin ist.
Und: Ja geregnet hats leider mehr als genug.
Ich vermute mal daß du dein Regenfass auch nicht entschlammt/abgeschrubbelt hast (hätte ich auch nicht btw ;)).
Erfahrungsgemäß ist der "Kampf um die Nullrate" immer mühsam, da erzähl ich auch nix neues...
Radon-Folgeprodukte im Wasserfaß kann man weitestgehend ausschliessen, weil die mittlere Halbwertszeit der relevanten Isotope Po-218, Pb-214, Bi-214 und Po-214 bei rund 50 Minuten liegt. Bei 1 Tag altem Wasser sind diese so gut wie komplett zerfallen.

Durch einen Vergleich der natürlichen Gamma-Spektren, bei gleicher Messzeit ohne und mit Wasser, kann man die Abschwächung in bestimmten Energiebereichen bestimmen.

Zitat von: DG0MG am 18. Juli 2021, 08:42
Dann wäre noch nachzutragen, dass die Bluetooth-Verbindung bereits nach wenigen mm Wasserbedeckung abreisst. Die 2,5 GHz werden also ordentlich gedämpft.
Da bleibt wohl nichts anderes übrig, als das Smartphone auch mit zu versenken... ;)

Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 18. Juli 2021, 16:08
Radon-Folgeprodukte im Wasserfaß kann man weitestgehend ausschliessen, weil die mittlere Halbwertszeit der relevanten Isotope Po-218, Pb-214, Bi-214 und Po-214 bei rund 50 Minuten liegt. Bei 1 Tag altem Wasser sind diese so gut wie komplett zerfallen.

Durch einen Vergleich der natürlichen Gamma-Spektren, bei gleicher Messzeit ohne und mit Wasser, kann man die Abschwächung in bestimmten Energiebereichen bestimmen.


Ich hab den Versuch heute abend (letzter Regen gestern) nochmal unter gleichen Bedingungen wiederholt, das Ergebnis ist dasselbe. Radon ist also nicht die Ursache.

Eine längere Messung des Spektrums werd ich auch jeden Fall machen.
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DG0MG

Ich habe jetzt zwei Spektren, das erste 24 Stunden *IN* der Regentonne, also unter Wasser und ein weiteres neben dem Regenfass liegend, ebenfalls 24h aufgenommen.

Ich kann mir allerdings daraus nichts nehmen, was den festgestellten Effekt (also der ggü der Erwartung zu geringen Asbschirmwirkung von Wasser) erklärt.
In beiden Screenshots ist der oberste Kanal ausgeblendet. Der macht aber das "Kraut auch nicht fett" - dort sind jeweils ~1000 Impulse aufgelaufen.
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NoLi

#8
Im Wasser liegt die 2 MeV-Linie bei ca. 12 cps, neben dem Wasser bei ungefähr 40 cps.
Die H2O-Halbwertsdicke für 2 MeV-Photonen beträgt 14 cm; die Abschirmwirkung deiner Wasserschicht um den Detektor würde demnach etwa 2 Halbwertsdicken (28 cm) entsprechen. Dies entspräche ca. dem Erwartungswert (Fassdurchmesser ca. 70 cm, Gerät mittig, Wasserschicht um Gerät ca. 30 - 35 cm).
Meine Vermutung:  da aber bei der Photonenschwächung im Wasser viele Compton-Photonen geringerer Energie entstehen, wird vermutlich die höhere Absorption niedriger energetischer Photonen, die von außen ins Fass dringen, durch die im Wasser erzeugten Compton-Photonen teilweise ausgeglichen, so dass die Summe aller Photonen (als Dosisleistungwert angezeigt) nicht die zu erwartende Intensitätsschwächung bringt. Gerade im Energiebereich < 1,0 MeV müsste eine deutlich geringere Intensität in Wasserfassmitte auftreten, wenn man nur die von aussen ins Wasserfass eindringenden Photonen hätte/betrachtet.

Halbwertsschichtdicke d1/2 für Gammastrahlung    
Eγ in MeV    in Millimeter    in Millimeter   in Millimeter   in Millimeter
        Luft(m) Blei  Wasser    Alu    Eisen   Graphit Beton  Bleiglas  Acryl
0,1    35    0,107    41    15,2    2,4    20,3          
0,2    44    0,62    51    21,1    6    25          
0,3    50    1,56    58    24,8    8    28,8          
0,4    56    2,65    65    27,8    9,4    32,4          
0,5    62    3,85    72    30,5    10,5    35,4    33    13    70
0,6    67    4,92    77    33    11,5    38,3          
0,8    76    6,9     88    37,7    13,2    44          
1       84      8,7    108    42    14,7    48    50    24    90
1,5   101    11,7    121    51    18,1    59          
2    121    13,4    141    60    20,8    69          
3    145    14,6    175    73    24,4    87          
4    174    14,7    204    83    26,7    101          
5    196    14,4    230    91    28,1    115    100    45    200
6    213    14,1    251    97    28,9    125          
8    242    13,4    286    106    29,7    144          
10    265    12,6    315    112    29,7    158
(aus WIKIPEDIA)

Gruß
Norbert      

DG0MG

Zitat von: NoLi am 20. Juli 2021, 22:58
Meine Vermutung:  da aber bei der Photonenschwächung im Wasser viele Compton-Photonen geringerer Energie entstehen, wird vermutlich die höhere Absorption niedriger energetischer Photonen, die von außen ins Fass dringen, durch die im Wasser erzeugten Compton-Photonen teilweise ausgeglichen, so dass die Summe aller Photonen (als Dosisleistungwert angezeigt) nicht die zu erwartende Intensitätsschwächung bringt.

Dann hilft wohl erstmal nur VIEL MEHR WASSER. Das ich nicht habe.
Vielleicht kommt ja irgendjemand mal in ein Tiefseeaquarium, wo man durch so einen Plexiglastunnel in einigen Meter Wassertiefe läuft. Dann mal nicht vergessen, den RadiaCode mitzunehmen!
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 04. August 2021, 15:45
Dann hilft wohl erstmal nur VIEL MEHR WASSER. Das ich nicht habe.
Vielleicht kommt ja irgendjemand mal in ein Tiefseeaquarium, wo man durch so einen Plexiglastunnel in einigen Meter Wassertiefe läuft. Dann mal nicht vergessen, den RadiaCode mitzunehmen!
Mag sein.
Umgekehrt: Auf der Nordsee zwischen dem Festland und Helgoland war die Dosisleistung deutlich geringer als am Strand...:ok:
Ich glaube, am optimalsten für den Versuch wäre ein U-Boot angebracht ;D

Gruß
Norbert