Gefährlichkeit glühstrumpfstaub

Begonnen von Gast123, 24. Juli 2021, 16:17

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Gast123

Vielen Dank für die Antwort. Ok dann bin ich ja beruhigt. Jetzt mal nur für mein Verständnis, von dem Staub geht ja sowohl Alpha als auch Beta Strahlung aus. Für den Fall der Fälle das an den Klamotten oder im Wohnbereich noch winzige Partikel sind, würde von ihnen so wie ich verstanden habe auch keine Gefahr ausgehen, außer man würde genau diesen Partikel einatmen (was wahrscheinlich auch zu wenig wäre). Geht denn von solch kleinen Rückständen auch Betastrahlung aus?

Curium

Hallo Gast,
die Zerfallsreihe von Thorium enthält Alpha, Beta und Gamma Strahler, aber nochmal, die Menge ist wohl vernachlässigbar.
Immerhin finden im  menschlichen Körper 9000 Zerfälle pro Sekunde statt und wir sind ständiger Strahlung von unten (terrestrisch)
und von oben (Höhenstrahlung)ausgesetzt, eine Banane enthält radioaktives Kalium,Flugpersonal ist erheblicher Höhenstrahlung ausgesetzt, usw. also kein Grund für eine Strahlenphobie.
Sie sollten sich mit dem Thema weiter beschäftigen, umso mehr wird Ihre Angst schwinden.
Liebe Grüsse

Gast123

Genau das ist das Problem, ich wurde zudem direkt verunsichert von Leuten die genauso wenig Ahnung haben. Es ist ja auch schwer so eine Situation ins Verhältnis zu setzen, da man ja normalerweise nicht mit dem Thema konfrontiert wird.

NoLi

Zitat von: Gast123 am 28. Juli 2021, 15:41
Genau das ist das Problem, ich wurde zudem direkt verunsichert von Leuten die genauso wenig Ahnung haben. Es ist ja auch schwer so eine Situation ins Verhältnis zu setzen, da man ja normalerweise nicht mit dem Thema konfrontiert wird.
Um so wichtiger sind Quellen vertrauenswürdiger, wissenschaftlich fundierter Informationen!

Nicht jeder "Geigerzählerbesitzer" ist automatisch ein Strahlenschutzfachmann (z.B. der "Bachelor of Science (BSc), Studiengang Sicherheitswesen, Studienrichtung Strahlenschutz" beinhaltet ein mehrjähriges Studium) oder besitzt wenigstens einige grundlegende Kenntnisse, wie dieses Beispiel zeigt:

https://www.staz.de/region/augsburg-stadt/blaulicht/strahlenalarm-augsburg-kurioser-einsatz-feuerwehr-endet-tragisch-id71187.html

>>>  Augsburg-Innenstadt
| Rubrik:
Blaulicht
19.05.2016
Strahlenalarm in Augsburg: Ein kurioser Einsatz der Feuerwehr endet tragisch

Eine kuriose Mitteilung verschickte die Augsburger Feuerwehr am Donnerstagabend. Der integrierten Leitstelle sei kurz vor 15 Uhr mittgeteilt worden, dass ein Bewohner in der Eichlerstraße erhöhte Messwerte mit einem "privat gekauften Strahlenschutzmessgerät" gemessen habe, heißt es in der Pressemeldung. Die Berufsfeuerwehr Augsburg und die Freiwillige Feuerwehr aus Haunstetten seien sofort mit spezieller Strahlenschutzausrüstung und Strahlenschutzmessgeräten ausgerückt.

Die betreffende Wohnung sei mit Strahlenschutzanzügen und Strahlenschutzmessgeräten genau kontrolliert worden. In einem Bereich der Wohnung wurde jedoch lediglich eine extrem geringfügige, leichte Erhöhung der Nullrate gemessen. Bei der Nullrate, so erklärt die Feuerwehr, werde von der natürlichen Umgebungsstrahlung gesprochen. Diese sei also beispielsweise in Augsburg geringer als im Bayerischen Wald. "Früher verwendete farbige Fließen oder auch Schlacke im Fehlboden (frühere Deckenkonstruktion) können die Nullrate erhöhen - ist aber harmlos und nicht gefährlich", schreibt die Feuerwehr. "Keine Gefahr!", lautet der Vorletzte Absatz der Meldung.

Das Ende der Geschichte liest sich folgendermaßen: "Auf der Anfahrt wurde von einem Feuerwehrfahrzeug ein neun Monate alter, kleiner Hund überfahren. Der Hund riss sich vermutlich los und rannte genau in diesem Moment über die Straße und kam unter das Feuerwehrauto."  <<<

Gruß
Norbert


   




Henri

Noch mal ein paar schöne Zahlen aus dem leider mittlerweile vergriffenen Büchlein "Radioaktivität, Röntgenstrahlen und Gesundheit" des  Bayrischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz:

Allein durch die natürliche Hintergrundstrahlung gibt es pro Sekunde (!) im Körper eines 70kg-Menschen 2-3 Millionen Zelltreffer!
Also, 2-3 Millionen Treffer pro Sekunde klingt nach sehr viel. Allerdings hat jedes Gramm Mensch auch 1 Milliarde Zellen!

Das bedeutet, jede einzelne Körperzelle wird im statistischen Mittel 1-2 Mal im Jahr getroffen.

Bei den allermeisten Treffern wird das ionisiert, was am meisten da ist: das Wasser. Das bildet dann "freie Radikale", die sehr reaktionsfreudig sind und mit den Zellbestandteilen des Körpers reagieren. In der Regel passiert dabei nichts. Gelegentlich geht auch mal was kaputt. Wenn der Schaden groß ist, stirbt die Zelle und wird abgebaut.

Nun muss man aber auch sehen, dass auch ganz ohne Strahleneinwirkung im Zellstoffwechsel "freie Radikale" entstehen. Dies sind pro Zelle (!) pro Tag (!) 1 Million Schäden! Die werden immer munter fleißig wegrepariert.

Ein Unterschied ist allerdings, dass radioaktive Strahlung etwa 100.000 Mal leichter Doppelstrangbrüche der DNA erzeugt als die "freien Radikale" aus dem Zellstoffwechsel.

Um einen DNA Einzelstrang zu reparieren, braucht die Zelle ca. 25 Minuten. Hat es einen Doppelstrangbruch gegeben, dauert es mehrere Stunden. Hierbei kommt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,000000000001% pro repariertem Basenpaar zu einem Fehler.

Dieser Fehler kann nun an einer unwichtigen Stelle sitzen, und davon gibt es viele, dann ist er egal. Oder er führt dazu, dass der Zellstoffwechsel nicht mehr funktionieren kann. Dann stirbt die Zelle und wird abgebaut. Oder es kommt zu einer Fehlfunktion, bei der der Zellstoffwechsel ausser Kontrolle gerät. Dann kann Krebs entstehen. Aber hoch ist die Wahrscheinlichkeit erst mal nicht.

Viele Grüße!

Henri








Gast123

Das sind ja mal eine Menge zahlen :) Gegen die natürliche Strahlung kann man natürlich nichts machen, bzw. auch nicht was in der Nahrung natürlich vorhanden ist. Was ja auch nicht das Problem sein sollte, bzw gibt es sogar eine Studie wo erhöhte Strahlungswerte positiv auf die Gesundheit wirken.  Sind denn die Substanzen aus dem alten Glühstrumpf auch natürlich in der Außenluft zu finden ?

NoLi

Zitat von: Gast123 am 29. Juli 2021, 20:55
...Sind denn die Substanzen aus dem alten Glühstrumpf auch natürlich in der Außenluft zu finden ?
Nein, natürlich nicht, aber genau so wenig wie Uran und Kalium-40; teilweise ausgenommen allerdings Kohlenstoff-14.
Der Zelle ist es aber sch..ßegal (sorry :blush:), ob der Strahlungstreffer von einer "internen" Strahlenquelle oder von außerhalb des Körpers (terrestrische und kosmische Strahlung), von natürlicher oder künstlicher Herkunft stammt: die Wirkung auf sie ist gleich!!
Und was die Hormesis angeht: gereizte Zellen sorgen für ein dauerhaft gut funktionierendes Zellreparatur- und Immunsystem, was sich wiederum für den Schutz des gesamten Organismus positiv auswirkt (so ne Art radiologische Kneipp-Kur). Fairerweise: dies ist allerdings aber auch in der Fachwelt sehr umstritten.

Gruß
Norbert

Gast123

Achso, ich dachte es gibt da auch eine Art Hintergrund Belastung. Das heißt das einzig radioaktive was man als natürliche Quelle einatmen kann ist Radon oder ?
Radon ist ja gasförmig so wie ich das verstanden habe, falls aber etwas Partikelförmiges eingeatmet wird, hat die Lunge die Chance diese Partikel wieder abzusondern bzw. auszuscheiden?

NoLi

Zitat von: Gast123 am 29. Juli 2021, 22:39
Achso, ich dachte es gibt da auch eine Art Hintergrund Belastung. Das heißt das einzig radioaktive was man als natürliche Quelle einatmen kann ist Radon oder ?
Radon ist ja gasförmig so wie ich das verstanden habe, falls aber etwas Partikelförmiges eingeatmet wird, hat die Lunge die Chance diese Partikel wieder abzusondern bzw. auszuscheiden?
Jein!
Radon-222 und Radon-220 sind die natürlichen Hauptstrahlungsemittenten für eine Lungenexposition (geringe bis sehr geringe Rollen spielen noch Tritium H-3 und Kohlenstoff-14 C-14).
Die Radonisotope sind Edelgase und werden zum Teil aus der Lunge wieder ausgeatmet, zum Teil gehen sie über die Alveolen in den Blutkreislauf über. Beide Radonisotope zerfallen in metallische radioaktive Folgeprodukte, welche wiederum  a) teilweise in den Lungenverästelungen stecken bleiben, teilweise aber über die Flimmerhärchen der Bronchien hochgeschafft und dann verschluckt werden,  b) direkt im Blutkreislauf in Zielorgane deponiert werden und dort zerfallen (oder sich, wie im Fall des Radonfolgeproduktes Blei-210, bei Dauerexposition mit der Zeit in den Knochen anreichern).

Größere Partikel, wie sie bei einem Glühstrumpfbruch entstehen, werden beim unvorsichtigen Einatmen überwiegend im Bronchialbereich abgelagert und dann über die benannte Flimmerhärchenfunktion verschluckt, um anschließend via Schließmuskel den Körper wieder zu verlassen. Grund: urprüngliches im unbenutzten Glühstrumpf vorhandenes Thoriumnitrat (sehr gut wasserlöslich) wird durch das Einbrennen zu Thoriumoxid (sehr schlecht wasserlöslich) und kann dadurch nicht durch den Magen/Darm resorbiert werden.

Weitere interne Strahlenexpositionen entstehen durch die nahrungstechnische Aufnahme natürlicher (und in geringer Menge künstlicher) radioaktiver Stoffe, hier sind Kalium-40 K-40 und Kohlenstoff-14 C-14 insbesondere zu benennen.
Soviel zur Hintergrundbelastung "interne Strahlenexpositionen".

Daneben haben wir als Hintergrundbelastung auch eine natürliche externe Strahlenexposition zu benennen, welche  a) durch radioaktive Stoffe im Erdboden (Uran, Thorium, Kalium)  b) durch die kosmische Strahlung (Sonnen, Neutronensterne, Schwarze Löcher, etc.) verursacht werden. Während die kosmische Strahlung in den hauptsächlich bewohnten Gebieten kaum große Unterschiede aufwiest, kann die terrestrische Strahlung dort in Größenordnungen schwanken.

Eine weitere Quelle natürlicher, wenn auch anthropogen gemachter, Strahlenexposition stellt unser Baumaterial für Wohn- und Arbeitstätten dar. Hier finden externe (durch Radioaktivitätsgehalt) und interne (durch Radonexhalation) Strahlenexpositionen sehr unterschiedlicher Größenordnungen statt.

Gruß
Norbert

Nupupa

Zitat von: Henri am 29. Juli 2021, 19:50
Noch mal ein paar schöne Zahlen aus dem leider mittlerweile vergriffenen Büchlein "Radioaktivität, Röntgenstrahlen und Gesundheit" des  Bayrischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: ...

Hier ist das Büchlein zumindest digital noch zu finden: https://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za976/strlschtz/Grundlagen/braune_schrift.pdf

Gast123

Vielen vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Für mich bedeutet es kurz gefasst, dass man sich vor den meisten Strahlungsarten nicht schützen kann, bzw. es auch gar nicht muss. In meinem Fall kann ich davon ausgehen, dass ich wenn ich überhaupt etwas eingeatmet habe, es wahrscheinlich von der Lunge wieder rausgefiltert, bzw ausgeschieden wurde.
Auch wenn man täglich unausweichlich Radon einatmet, war meine Vorstellung etwas strahlendes für ewig in der Lunge zu haben, nicht besonders angenehm, aber diese Bedenken kann ich ja ablegen.
Danke

NoLi

Zitat von: Gast123 am 30. Juli 2021, 14:44
Vielen vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Für mich bedeutet es kurz gefasst, dass man sich vor den meisten Strahlungsarten nicht schützen kann, bzw. es auch gar nicht muss. In meinem Fall kann ich davon ausgehen, dass ich wenn ich überhaupt etwas eingeatmet habe, es wahrscheinlich von der Lunge wieder rausgefiltert, bzw ausgeschieden wurde.
Auch wenn man täglich unausweichlich Radon einatmet, war meine Vorstellung etwas strahlendes für ewig in der Lunge zu haben, nicht besonders angenehm, aber diese Bedenken kann ich ja ablegen.
Danke
Der Selbstreinigungsmechanismus der Lunge ist schon eine sinnvolle Angelegenheit, denn sonst wäre deine Lunge in kurzer Zeit voller Staub!

Auch das jederzeit und immer eingeatmete Radon mit seinen Folgeprodukten strahlt ständig in der Lunge, vom ersten bis zum letzten Atemzug...Radon war aber schon vor dem ersten Leben auf der Erde da...das Leben hat sich u.a. auch unter den Radon-Expositionen mit entsprechenden Schutzfunktionen entwickelt!
Überlege mal, was alles natürlichen Ursprungs (neben der Strahlung) unseren Körper angreift: Bakterien, Viren, Bazillen, (Schimmel)Pilze, Atemgifte (Ozon, Stickoxide, Schwefelverbindungen, Pyrolyseprodukte, Brandgase), Sonnenlicht (UV), schwermetallische Verbindungen in Quellwässer, Pflanzengifte, Botulinumtoxine (Verwesungsgifte),...

Gruß
Norbert

Henri

Zitat von: Gast123 am 30. Juli 2021, 14:44
In meinem Fall kann ich davon ausgehen, dass ich wenn ich überhaupt etwas eingeatmet habe, es wahrscheinlich von der Lunge wieder rausgefiltert, bzw ausgeschieden wurde.

Guter Punkt!

Vieles, was wir an Radionukliden aufnehmen, bleibt nämlich relativ kurz im Körper, z.B. Cs-137. Das scheiden wir einfach wieder aus. Nach 4 Monaten ist nur noch die Hälfte da.

Anderes steht im Gleichgewicht, hier speziell das Kalium-40. Davon scheiden wir genau so viel aus, wie wir aufnehmen, haben also immer die gleiche Menge in uns.

Manches bleibt allerdings auch für ewig im Körper, z.B. das Strontium-90, das anstatt von Calcium in die Knochen eingebaut wird. Vor so was sollte man sich hüten.

Ich habe jetzt nicht die biologische Halbwertszeit von Thorium im Kopf, aber auch das wird halt wieder ausgeschieden, wenn es in die Blutbahn gelangt. Oder vorher in der Lunge in einen Schleimtropfen eingepackt und dann ausgehustet.

Schöner Artikel hierzu:

https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/05_SSP/Probeartikel/Probeartikel_2017_2.pdf

NoLi

Zitat von: Henri am 30. Juli 2021, 16:29
Ich habe jetzt nicht die biologische Halbwertszeit von Thorium im Kopf, aber auch das wird halt wieder ausgeschieden, wenn es in die Blutbahn gelangt. Oder vorher in der Lunge in einen Schleimtropfen eingepackt und dann ausgehustet.
Hallo Henri.

Die biologische Halbwertszeit von Thorium liegt bei ca. 400 Jahren.

>>> Thorotrast wird heute nicht mehr verwendet, da Thorium als Alpha-Strahler eine sehr lange biologische Halbwertszeit von etwa 400 Jahre besitzt. Das radioaktive 232Th (Halbwertszeit: 1,4·1010 Jahre) wird deshalb in den Organen des retikuloendothelialen Systems zeitlebens gespeichert und führt zu einer chronischen Exposition durch α-Strahlung. <<<
Quelle  https://www.mta-r.de/blog/fallbeispiel-thorax-pa-mit-auffaelliger-verdichtung-im-oberen-linken-abdomen/

Bei den Thorotrast-Untersuchungen wurden aber auch sehr sehr sehr viel größere Thorium-Mengen, als in einem kompletten Glühstrumpf überhaupt vorhanden sind (Glühstrumpf ~ 300 mg), verwendet und intravenös gespritzt.

Gruß
Norbert

Gast123



Die biologische Halbwertszeit von Thorium liegt bei ca. 400 Jahren.

D.h es macht einen großen Unterschied was die Halbwertszeit angeht ob das Thorium gespritzt wird- ein Leben lang im Körper, verschluckt wird - kann vom Körper auch nicht gut aufgenommen werden und wird ausgeschieden so wie ich es verstanden habe, oder aber inhaliert wird- Selbstreinigung der Lunge und kann auch ausgeschieden werden.
Dann kann man ja froh sein,wenn man damals nicht so ein Kontrastmittel verabreicht bekommen hat.