KIT Campus Nord (Karlsruhe)

Begonnen von Prospektor, 02. Mai 2021, 10:31

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Janni

Henri, du hast richtig geraten. Es sind immer diese blöden Tantalkondendatoren. Die haben auf einmal einen Kurzschluss und dann rauchen die Widerstände ab.  :( Den Kondensatoren sieht man das äußerlich vor allen Dingen gar nicht an. Ich hab die zwei defekten Tantalkondensatoren jetzt gegen Elkos ausgetauscht. Es sind allerdings nicht die von den NIM Modulen abgeraucht, sondern die von dem Netzteil in dem Baugruppenträger. Da gibt es ja 6, 12 und 24 Volt und das jeweils plus/minus. Beide (plus und minus) 24 Volt waren bisher das Problem. Alle präventiv auszutauschen hatte ich auch schon überlegt, aber das ist ganz schön mühsam... Jetzt habe ich die Hoffnung, dass die anderen mit kleineren Spannungen vielleicht halten, und die in den Modulen hoffentlich auch...

Hier sind noch mal Bilder von den verkohlten und ausgetauschten Bauteilen und sonst so von meinem Aufbau.  :)

Eine quantitative Bestimmung kann ich leider nicht machen. Dafür müsste ich eine Effizienzkalibrierung machen, in der die Geometrie der Probe berücksichtigt wird, und dafür fehlt mir das Softwaremodul. Ich glaube zumindest, dass ich das extra installieren müsste und das hab ich nicht. Mein Programm ist Genie 2000, falls das jemand kennt. Vielleicht kennt sich auch jemand besser aus als ich, ich weiß längst nicht mit allem Bescheid, bin immer noch am Lernen.  :D

Das mit den alten Computern kenne ich auch. Ich hab auch einen alten Windows XP Computer als Messcomputer, weil ich ein altes Genie 2000 habe, da fehlt mir für neueres Windows ein Treiber und außerdem brauche ich eine parallele Schnittstelle für den Dongle. Ich meine eine richtige, so ein USB Adapter funktioniert da nicht. Mein Computer hat aber immerhin USB Anschlüsse, so kann ich dann einfach Screenshots von den Spektren machen und die auf einen USB Stick kopieren.  :))

Prospektor

Zitat von: Janni am 14. Mai 2021, 21:30
So, nach einigen technischen Schwierigkeiten (mein HPGe Detektor ist nicht mehr der jüngste und manchmal eine Diva  :D) konnte ich jetzt endlich ein Spektrum machen.  ;D

Danke Prospektor nochmal für die interessante Bodenprobe!  :)

Es ist 580g Erde und ich hab es einfach in der Tüte gelassen und oben auf den Marinelli Becher gepackt. Der Marinelli Becher ist so groß, der wäre eh nicht ganz ausgefüllt und oben ist es direkt über dem Eintrittsfenster des Detektors.

Der Cs-137 Peak ist auf jeden Fall sehr deutlich und auch schon nach sehr kurzer Messzeit. Americium ist auch eindeutig.

Ich hab jetzt eine Stunde lang den Nulleffekt gemessen und dann eine Stunde die Probe. Ich hab keine gute Bleiburg und der Untergrund ist bei mir daher recht hoch, aber ich kann in der Software das Untergrundspektrum abziehen. Im Bild ist also nur das zu sehen, was in der Probe ist.

Super, vielen Dank Janni für Dein HPGe-Spektum! Ich denke es zeigt deutlich, dass wir mit den NaI(Tl)-Messungen richtig lagen und keine wesentlichen Isotope übersehen haben.
Bezüglich der Bestimmung der Aktivität: Da werden wir die kommenden Tage mehr von DL3HRT erfahren.

Außerdem waren wir vergangene Woche bei einem Besuch am KIT auf recht kurzfristige Einladung der dortigen Abteilung SUM. Wir hatten die Möglichkeit ausführlich über die ganze Angelegenheit zu sprechen, haben eine Laborführung bekommen und eine Probe von uns wurde parallel im akkreditierten Labor mittels Gamma-Spektrometrie vermessen. Das Ergebnis der Messung möchte ich an der Stelle noch nicht vorweg nehmen, werde das aber inkl. weiteren Details zum Besuch die Tage hier noch ausführen.


Zitat von: Henri am 09. Mai 2021, 15:20

Es gibt ja 2 Möglichkeiten (oder übersehe ich was?): entweder ist isoliertes Am-241 freigesetzt worden, ohne sonstige Transurane. Oder es ist (zusätzlich ) Pu-241 freigesetzt worden, aus dem dann wegen der kurzen Halbwertszeit von 14 Jahren seit der Freisetzung mutmaßlich in den 1960er bis 1980er Jahren, also immerhin 3-4 HWZ, (zusätzliches) Am-241 nachgewachsen ist.

Wenn man unterstellt, dass in den zurückliegenden Studien korrekt gemessen nur geringe Mengen Am-241 festgestellt wurden, dass wegen des hohen Aufwands nicht gezielt nach Pu-241 gesucht wurde, dass seit den 1980er Jahren keine weiteren Freisezungen erfolgten, und dass nun aber deutlich erhöhte Aktivitäten an Am-241 feststellbar sind, kann dieses ja nur aus Pu-241 nachgewachsen sein. Das würde aber bedeuten, dass die Pu-241 Kontamination nicht unerheblich sein kann. Wir könnten höchstens mal Modellrechnungen anstellen, wenn wir das Am-241 quantitativ bestimmt haben, aber das war's dann leider schon für uns.


Ich wußte übrigens noch gar nicht, dass man sich die Aktivitäten der Granitauskleidung von Flussbetten in Erdproben gebunden mit ins Labor nehmen kann... :unknw:

Man kann sich dem Thema Plutonium mit Fakten aus dem Hause KfK nähern. Hier gibt es interessante Dokumente, speziell auch zu Pu-241. In KfK 3531 (Quelle: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/270018529/3812546 ) heißt es:

,,Pu-241 ist ein ß-Strahler, mit der maximalen ß-Energie Emax = 20 keV und einer Halbwertszeit von 14,7 a. Nach [1] enthält abgebrannter Brennstoff, mit einem Abbrand von 34.000 MWd/t Schwermetall, nach einem Jahr Kühlzeit 3.070 Ci Pu-238, 323 Ci Pu-239, 485 Ci Pu-240 und 103.000 Ci Pu-241. Die Strahlenbelastung durch Pu-241 selbst ist trotz der langen biologischen Halbwertszeit der Pu-Isotope, wegen der ß-Strahlung, der niedrigen Emax und der relativ zu anderen Pu-Isotopen kurzen physikalischen Halbwertszeit von untergeordneter Bedeutung. Pu-241 zerfällt in den a-Strahler Am-241, welcher eine Halbwertszeit von 433 a hat. Die Aktivität von Am-241 erreicht im Plutonium des Brennstoffes oder im freigesetzten Plutonium nach 7 Jahrzehnten einen Maximalwert. In einer Tonne des abgebrannten Brennstoffes würden nach dieser Aufbauphase ca. 3.300 Ci Am-241 vorliegen. Da die Radiotoxizität von Am-241 wesentlich höher ist als die von Pu-241, und Americium in der Umwelt mobiler ist als Plutonium, ist die Erfassung des mit Abluft und Abwasser freigesetzten Pu-241 und die Messung der akkumulierten Konzentrationen in der Umwelt notwendig."

Damit hat man schon mal einige Anhaltspunkte, wie man von einer bekannten Am-241 Aktivität beispielhaft und grob auf eine initiale Freisetzung von Kernbrennstoff rückrechnen kann. Dies gilt natürlich nur unter der Annahme, dass tatsächlich die ganze Suppe ausgetreten ist und diese auch repräsentativ ist (z.B. kürzere Verweilzeiten des Brennstoffs in Forschungsreaktoren etc.). Im Dokument gibt es auch noch weitere Ausführungen zum Verhältnis der Pu-Isotope untereinander.

Eine weitere interessante Passage ist die folgende (es geht ja im Dokument um Pu-241 in Bodenproben):

,,Die Ausnahme stellt eine Bodenprobe dar, welche 1000 m vom WAK-Kamin in der 0 - 5 cm-Schicht des Bodens genommen wurde. Mit 35 pCi Pu-241/g liegt der erhaltene Meßwert um zwei Größenordnungen über den anderen Meßwerten. Auch die Konzentrationen von Pu-239+240 und vor allem von Pu-238 sind erhöht. Eine Nachmessung der Probe bestätigte die gefundenen Daten. Rechnet man die Plutoniumaktivitäten in Massenanteile um, so liegt je nach dem Anteil des Pu-240 an der Summe von Pu-239+240 der Massenanteil des Pu-241 zwischen 45 und 75 % des Gesamtplutoniums. Da in unseren Laboratorien Plutonium dieser Zusammensetzung nie vorhanden war, muß eine Kontamination dieser Probe mit einem heißen Teilchen mit hohem Pu-241-Gehalt angenommen werden."


Auch das Dokument KfK 3510 (Quelle: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/270018527/3812544 )  ist interessant, hier heißt es:

,,Die Plutoniumemissionen aus der WAK und der FERAB

In den Tabellen 3, 4 und 5 sind die Emissionen der Isotope Pu-238, Pu-239+240 und Pu-241 mit der Abluft der FERAB von 1979, 1980 und 1981 wiedergegeben. [...] Im Mai 1980 ereignete sich in der WAK ein Störfall mit Aktivitätsfreisetzung in und aus der Anlage. Die hohen Pu-241-Emissionen zwischen Mai und Juli dürften im direkten Zusammenhang mit den Dekontaminationsarbeiten stehen."


Darunter sind dann die Tabellen, aus denen ersichtlich ist, dass in der Spitze allein aus der WAK 27 μCi Pu-238, 37 μCi Pu-239/Pu-240 und 7700 μCi Pu-241 pro Monat abgeleitet wurden. Aus der Verbrennungsanlage FERAB kommen im selben Monat (Mai 1980) nochmal 26 μCi Pu-238, 19 μCi Pu-239/Pu-240 und 2080 μCi Pu-241 dazu.
Das nur mal als Anhaltspunkt zum Thema Pu-241.

Der genannte Störfall ist tatsächlich in so fern erwähnenswert, als dass er unserer Recherche nach durchaus als (Mit-)Verursacher der starken Kontamination des Hirschgrabens in Frage kommt. Wir sichten dazu aktuell noch weitere Quellen, in Kürze dann mehr.

Grüße

opengeiger.de

Hallo Freunde des Forums,

Ich habs nun endlich auch mal geschafft, mich an dieser Stelle im Forum zu Wort zu melden. Dies hat jetzt aber auch einen einfachen Grund: Ich will mich nämlich vor allem bedanken für die erstklassigen Beiträge zu diesem speziellen Fall. Es war für diese Sache unglaublich hilfreich, dass hier doch etliche sehr kompetente Leute ebenfalls nachgemessen haben und dabei sehr deutlich wurde, dass eben neben dem Cäsium doch auch ganz deutlich das Americium zu finden ist. Und das kann nun nicht einfach dem Tschernobyl-Unfall oder den Kernwaffentests zugeschrieben werden. Aber mittlerweile ist das ja auch offiziell geklärt und sowohl vom KIT wie vom UM bestätigt, Prospektor hat das ja bereits gepostet. Ich denke, die Mitarbeit, auch ganz speziell hier aus dem Forum heraus hat deutlich gezeigt, wie beachtlich doch die Messfähigkeit der Citizen Scientist Community sein kann, und dass man damit bereits schon sehr brauchbare nukleare Forensik betreiben kann. Ich möchte deswegen auch diese Community dazu ermuntern, ebenfalls mit ,,offenen Augen" durch die Gegend zu gehen, so dass die schönen Geräte, welche im Keller stehen, auch zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt werden, denn nicht jeder in der Bevölkerung hat schließlich die Gelegenheit und das Geld und die Ausbildung und..., so etwas ganz nebenbei als Hobby  zu machen. Vielleicht entsteht dann auch mal die Rubrik ,,nukleare Forensik" hier im Forum oder aus der sonstigen Citizen Science Community heraus, das wäre nämlich schon auch ein wertvoller Kontrapunkt zu den professionellen Einrichtungen, die sich das als neuartige Vision schon längst auf die Fahne geschrieben haben.

An der Stelle möchte ich aber noch eine Sache weitergeben, die wir bei unserer Aktion gelernt haben: Wenn man Kenntnis von einer möglichen unzulässigen Exposition im strahlenschutzrechtlichen Sinne hat, dann besteht eine Anzeigepflicht bei den Behörden. Für die Master-Studentin der Umwelttechnik, die sich neben dem Studium aus Spaß oder zum Lernen einen Geigerzähler gebaut hat, kann man noch nicht notwendigerweise eine strahlenschutzrechtliche Kenntnis unterstellen, wer aber in seinem Hauptjob mit einer Prüfung seine Fachkenntnis in einem Bereich des Strahlenschutzes nachgewiesen hat, dem könnte man durchaus unterstellen, dass er ausreichend Kenntnis hat, dass er so etwas einschätzen kann, mit allen juristischen Folgen.

Und noch eines möchte ich in diesem Zusammenhang aus meiner ganz persönlicher Erfahrung heraus weitergeben: Es hatte einen bestimmten Grund, das im ersten Bericht über die Location drin stand, dass unserer Meinung nach von der Location keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht. Und es hatte auch einen bestimmten Grund, dass von uns keine Information an die Presse ging. Bei früheren Funden dieser Art habe ich nämlich leider auch etwas unerwartet erfahren müssen, wie schnell manche Leute in der Bevölkerung so massive Ängste aus einer entsprechenden Meldung heraus entwickeln können, dass eine langwierige psychotherapeutische Behandlung nötig wird, um das dann wieder in den Griff zu bekommen. Das heißt, man muss sich im Klaren sein, wenn so eine Nachricht unkontrolliert unter die Bevölkerung kommt - und wir haben ja in Deutschland für die Medien ein Recht zur ungehinderten Ausübung ihrer Tätigkeit - dass man mit einer unpassenden Formulierung etlichen Menschen einen nicht ganz unerheblichen Schaden zufügen kann. Dem muss man dann den Vorteil gegenüberstellen, dass die Wahrheit zu einem bestimmten Vorfall auch wirklich an den Tag kommt. Da heißt es dann eben Abwägen, das muss jeder für sich persönlich machen, der nach einem Fund zu dem Eindruck kommt: da liegt etwas, was da nicht hingehört, aber es gefährdet aller Wahrscheinlichkeit nach auch niemanden. Wir haben hier am KIT Campus Nord nun vermutlich das Glück, dass es sich um eine Altlast von vor etwa 40 Jahren handelt. Das bedeutet, die Wahrheit dazu, wenn sie dann vollends ans Licht kommt, betrifft vor allem das, was wir aus der Vergangenheit lernen sollten. Das treibt mich auch an, daran weiter zu forschen. Ich werde deswegen diese Sache auch hin und wieder hier im Forum weiterverfolgen, ansonsten wendet Euch an Prospektor, wir stehen in engem Kontakt zueinander und er wird hier die Infos dann auch einspeisen. Grüße Bernd von opengeiger.de

DL3HRT

Ich habe gerade die Analyseergebnisse erhalten und stelle sie hier zur Diskussion:

       
  • Probemenge: 969 g im 1 Liter Marinellibecher
  • HPGe-Detektor
  • Messzeit: 400000 Sekunden!!!
  • K-40: 458 Bq/kg (Unsicherheit: 4,1%)
  • Co-60: 0,141 Bq/kg (Unsicherheit: 9,4%)
  • Cs-137: 3130 Bq/kg (Unsicherheit: 6,0%)
  • Am-241: 392 Bq/kg (Unsicherheit: 10,1%)

Janni

Sehr interessant das alles.  :)

Eine Besichtigung beim KIT würde ich auch gerne mal mitmachen. Ich war da sogar schon mal, allerdings nur in der Kantine.  :D

Co-60 hab ich in meinem Spektrum nicht gefunden. Allerdings hab ich ja auch nicht ansatzweise so lange gemessen.  :D Es ist ja im Verhältnis auch nur ganz wenig. Jetzt bin ich aber neugierig, ob ich das bei so einer langen Messzeit auch finde. Ich werde das noch mal ausprobieren.  ;D

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 17. Mai 2021, 10:59
Hallo Freunde des Forums,

Ich habs nun endlich auch mal geschafft, mich an dieser Stelle im Forum zu Wort zu melden. Dies hat jetzt aber auch einen einfachen Grund: Ich will mich nämlich vor allem bedanken für die erstklassigen Beiträge zu diesem speziellen Fall. Es war für diese Sache unglaublich hilfreich, dass hier doch etliche sehr kompetente Leute ebenfalls nachgemessen haben und dabei sehr deutlich wurde, dass eben neben dem Cäsium doch auch ganz deutlich das Americium zu finden ist. Und das kann nun nicht einfach dem Tschernobyl-Unfall oder den Kernwaffentests zugeschrieben werden. Aber mittlerweile ist das ja auch offiziell geklärt und sowohl vom KIT wie vom UM bestätigt, Prospektor hat das ja bereits gepostet. Ich denke, die Mitarbeit, auch ganz speziell hier aus dem Forum heraus hat deutlich gezeigt, wie beachtlich doch die Messfähigkeit der Citizen Scientist Community sein kann, und dass man damit bereits schon sehr brauchbare nukleare Forensik betreiben kann. Ich möchte deswegen auch diese Community dazu ermuntern, ebenfalls mit ,,offenen Augen" durch die Gegend zu gehen, so dass die schönen Geräte, welche im Keller stehen, auch zum Wohle der Gesellschaft eingesetzt werden, denn nicht jeder in der Bevölkerung hat schließlich die Gelegenheit und das Geld und die Ausbildung und..., so etwas ganz nebenbei als Hobby  zu machen. Vielleicht entsteht dann auch mal die Rubrik ,,nukleare Forensik" hier im Forum oder aus der sonstigen Citizen Science Community heraus, das wäre nämlich schon auch ein wertvoller Kontrapunkt zu den professionellen Einrichtungen, die sich das als neuartige Vision schon längst auf die Fahne geschrieben haben.

An der Stelle möchte ich aber noch eine Sache weitergeben, die wir bei unserer Aktion gelernt haben: Wenn man Kenntnis von einer möglichen unzulässigen Exposition im strahlenschutzrechtlichen Sinne hat, dann besteht eine Anzeigepflicht bei den Behörden. Für die Master-Studentin der Umwelttechnik, die sich neben dem Studium aus Spaß oder zum Lernen einen Geigerzähler gebaut hat, kann man noch nicht notwendigerweise eine strahlenschutzrechtliche Kenntnis unterstellen, wer aber in seinem Hauptjob mit einer Prüfung seine Fachkenntnis in einem Bereich des Strahlenschutzes nachgewiesen hat, dem könnte man durchaus unterstellen, dass er ausreichend Kenntnis hat, dass er so etwas einschätzen kann, mit allen juristischen Folgen.

Und noch eines möchte ich in diesem Zusammenhang aus meiner ganz persönlicher Erfahrung heraus weitergeben: Es hatte einen bestimmten Grund, das im ersten Bericht über die Location drin stand, dass unserer Meinung nach von der Location keine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht. Und es hatte auch einen bestimmten Grund, dass von uns keine Information an die Presse ging. Bei früheren Funden dieser Art habe ich nämlich leider auch etwas unerwartet erfahren müssen, wie schnell manche Leute in der Bevölkerung so massive Ängste aus einer entsprechenden Meldung heraus entwickeln können, dass eine langwierige psychotherapeutische Behandlung nötig wird, um das dann wieder in den Griff zu bekommen. Das heißt, man muss sich im Klaren sein, wenn so eine Nachricht unkontrolliert unter die Bevölkerung kommt - und wir haben ja in Deutschland für die Medien ein Recht zur ungehinderten Ausübung ihrer Tätigkeit - dass man mit einer unpassenden Formulierung etlichen Menschen einen nicht ganz unerheblichen Schaden zufügen kann. Dem muss man dann den Vorteil gegenüberstellen, dass die Wahrheit zu einem bestimmten Vorfall auch wirklich an den Tag kommt. Da heißt es dann eben Abwägen, das muss jeder für sich persönlich machen, der nach einem Fund zu dem Eindruck kommt: da liegt etwas, was da nicht hingehört, aber es gefährdet aller Wahrscheinlichkeit nach auch niemanden. Wir haben hier am KIT Campus Nord nun vermutlich das Glück, dass es sich um eine Altlast von vor etwa 40 Jahren handelt. Das bedeutet, die Wahrheit dazu, wenn sie dann vollends ans Licht kommt, betrifft vor allem das, was wir aus der Vergangenheit lernen sollten. Das treibt mich auch an, daran weiter zu forschen. Ich werde deswegen diese Sache auch hin und wieder hier im Forum weiterverfolgen, ansonsten wendet Euch an Prospektor, wir stehen in engem Kontakt zueinander und er wird hier die Infos dann auch einspeisen. Grüße Bernd von opengeiger.de


Hallo Bernd,

schön, dass Du zu uns gefunden hast! Ich finde Deine Webseite ziemlich klasse, eigentlich alles daran. Gut, das jetzt endlich mal nachdrücklich sagen zu können :) Alles, was man dort lesen kann, ist gut aufbereitet und mit viel Hintergrundwissen angereichert. Ich habe da schon sehr viel für mich rausgezogen!


Was die Geschichte mit dem KIT angeht: nur weil eine Altlast irgendwo schon 40 Jahre lang unsaniert rumliegt, heißt das ja nicht, dass keine Gefährdung besteht. Die entscheidenden Analysenergebnisse - nämlich in welchen Größenordnungen dort Plutoniumisotope zu finden sind - habe ich bislang noch nicht gesehen und verstehe deshalb auch noch nicht so recht, wie da Entwarnung gegeben werden kann und die Sache vom Tisch sei. Wenn ich es richtig überblicke (ich komme aus einer ganz anderen Gegend), ist der Bereich des Hirschgrabens ziemlich weit ab vom Schuss. Deshalb wurde da vermutlich noch kein Handlungsbedarf gesehen: weil eh nur selten Leute dorthin kommen und sich dann auch nur kurz dort aufhalten.

Aus dem gleichen Grund schätze ich auch das Risiko als gering ein, dass eine ausführliche Presseberichterstattung irgend jemanden traumatisieren könnte. Ich bin der Meinung, dass die Menschen schon erfahren sollten, wenn sie sich gefährden. Nur so kann man sich eigenverantwortlich überlegen, ob man das Risiko für sich selber akzeptiert oder doch lieber woanders spazieren geht.
Die Sache erinnert mich ein wenig an einen älteren Beitrag, der hier mal gepostet wurde, über Funde von weißem Phosphor an der Ostsee, der fälschlicherweise für Bernstein gehalten wird. Obwohl es dort in jeder Saison  Unfälle gibt, die lebenslange Folgeschäden und manchmal sogar den Tod hervorrufen, haben die Behörden kein großes Interesse, den Strand zu sperren - die ganze Region lebt ja vom Tourismus, der wäre dann zu Ende. Was man davon halten soll, da muss jeder mit sich selbst ins Gewissen gehen.

Ich finde, diese Geschichte mit dem KIT hat vor allem gezeigt, dass "Citizen Science" seine Grenzen hat. Dass man nämlich manche notwendigen Analysen halt nicht selber ausführen kann. Das hat die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch ja auch am eigenen Leibe erfahren müssen. Da wurden selbst der offiziell eingesetzten Untersuchungskommission so viele Knüppel zwischen die Beine geschmissen, dass sie am Ende ihre Arbeit niedergelegt hat.

Das KIT ist einer der ganz großen Innovationsträger in der BRD. Da fließen Unmenge an Steuergeldern rein, und nicht alles, für das diese verwendet werden, ist möglicherweise so sinnvoll, wie es einem verkauft wird. Eine negative Publicity, die dem Ansehen in der Öffentlichkeit schadet, kann dort niemand gebrauchen. Und entsprechend war auch die Reaktion, soweit ich sie mitbekommen habe: das BMU misst dort, wo es nichts zu messen gibt; die Pressemeldung ist inhaltlich widersprüchlich und verharmlosend; und nun heißt es, das Zeug liegt da ja schon seit 40 Jahren rum (ist das überhaupt bewiesen, dass es kein neuer Eintrag ist bzw. da noch irgend eine Verseuchung nach und nach vom Gelände in den Hirschgraben sickert?)   

Dass am KIT auch derzeit noch Experimente mit Strahlenquellen erfolgen, die bei einer Freisetzung verheerende Folgen hätte, sieht man z.B. hier:

https://www.mpp.mpg.de/forschung/astroteilchenphysik-und-kosmologie/katrin-experiment-bestimmung-der-neutrinomasse

In den gigantischen Tank hat man so ziemlich alles an Tritium gefüllt, was irgendwie in Europa aufzutreiben war...

Viele Grüße!

Henri

Prospektor

Zitat von: DL3HRT am 17. Mai 2021, 14:51
Ich habe gerade die Analyseergebnisse erhalten und stelle sie hier zur Diskussion:

       
  • Probemenge: 969 g im 1 Liter Marinellibecher
  • HPGe-Detektor
  • Messzeit: 400000 Sekunden!!!
  • K-40: 458 Bq/kg (Unsicherheit: 4,1%)
  • Co-60: 0,141 Bq/kg (Unsicherheit: 9,4%)
  • Cs-137: 3130 Bq/kg (Unsicherheit: 6,0%)
  • Am-241: 392 Bq/kg (Unsicherheit: 10,1%)

Vielen Dank für die Ergebnisse und Deine Mühe (bzw. die des Messenden)!
Die Werte decken sich von der Größenordnung her recht gut mit denen, die von meiner Probe im KIT-Labor ermittelt wurden (s.u.). Dazu ist zu sagen, dass die Messzeit hier nicht so lange war (ich schätze 1-2 h) und kein Marinelli-Becher verwendet wurde (man hat uns auch erklärt wieso: speziell für Am-241 ist das wegen der seitlichen Abschirmung des HPGe nicht vorteilhaft und man ,,verliert" relative Intensität).

       
  • Probemenge: 681 g in 1 L PE-Flasche
  • K-40: 444 Bq/kg (Unsicherheit: 12,1%)
  • Cs-137: 3800 Bq/kg (Unsicherheit: 11,2%)
  • Am-241: 487 Bq/kg (Unsicherheit: 11,3%)
       
+ geringe Mengen Pb-212, Pb-214, Bi-214, Tl-208 und Ac-228


Aufgrund von laufenden Messungen konnte ich die Proben insgesamt nicht poolen, d.h. meine Probe (s. Video) wurde nicht mit der Gesamtprobe, welche ich für den Versand gezogen habe, gemischt. Da sie allerdings von derselben Stelle stammen (Abstand evtl. 10-15 cm), sollte sich dieser Effekt in Grenzen halten. Zu Abweichungen könnte es eher dadurch kommen, dass man keine homogene Verteilung mit der Tiefe hat und unter Umständen nur dünnere Schichten stark kontaminiert sind.

Interessanterweise wurde in meiner Probe kein Co-60 gefunden, was aber an der Erkennungsgrenze von 0,8 Bq/kg liegen wird.

Zitat von: Janni am 17. Mai 2021, 16:00
Co-60 hab ich in meinem Spektrum nicht gefunden. Allerdings hab ich ja auch nicht ansatzweise so lange gemessen.  :D Es ist ja im Verhältnis auch nur ganz wenig. Jetzt bin ich aber neugierig, ob ich das bei so einer langen Messzeit auch finde. Ich werde das noch mal ausprobieren.  ;D

Janni, ich meine auch in Deinem Spektrum minimale Ansätze der beiden Co-60 Peaks zu sehen (+ die anderen charakteristischen von Bi-214)  :)
Da Co-60 früher schon im Hirschgraben nachgewiesen wurde, ist der Fund aber durchaus plausibel. Rechnet man unter Annahme von 40 a seit Freisetzung und der gefundenen Aktivität zurück, dann landet man ohne Einbeziehung von Diffusion/Verteilung/etc. bei grob 25-30 Bq/kg Co-60.


Wir haben also 3-4 kBq/kg Cs-137 und 400-500 Bq/kg Am-241 im Boden. Was meint ihr nun zu diesen Werten?

Henri

Zitat von: Prospektor am 17. Mai 2021, 19:04

Wir haben also 3-4 kBq/kg Cs-137 und 400-500 Bq/kg Am-241 im Boden. Was meint ihr nun zu diesen Werten?

Also, ich wage jetzt einfach mal die sehr steile Hypothese (die Realität sieht sicher anders aus, aber es vereinfacht die Betrachtung, da wir ja bislang keine zusätzlichen Messdaten haben), dass das gesamte Am-241 aus vor 40 Jahren freigesetztem Pu-241 herausgewachsen sei, und dass die Freisetzung auf einmal erfolgte (also später nichts mehr hinzugekommen ist) und alles nach der Freisetzung am selben Ort verblieben ist (also nichts weggeschwemmt wurde).

Ich habe den Mittelwert aus beiden Messungen gebildet (also 450 Bq/kg) und das mal durch den Nuklidkalkulator gedreht. Vorausgesetzt, die Mathe von dem Programm stimmt (es ist schon etwas älter, und wir haben ja eine wesentlich kürzere Halbwertszeit der Mutter (Pu-241, 14.7a) als der Tochter (Am-241, 433a), weshalb sich kein säkulares Gleichgewicht mehr einstellt),

- muss die um 1980 herum freigesetzte Menge an Pu-241 etwa 16,5 kBq/kg betragen haben. Das sind 4,359 ng (Nano-Gramm) pro Kilogramm Erde.

- beträgt dann der aktuelle Gehalt an Pu-241 im Jahre 2021 noch 2,39 kBq/kg, das sind 0,63 ng/kg.

Von der reinen Masse her ist das natürlich nicht viel und tatsächlich in der Größenordnung, wo man von "Spuren" reden kann. Weiter interpretiere ich das mal nicht.
Ich hoffe sehr, dass mir keine Kommastelle verrutscht ist. Für das Programm musste ich alles nach Pico-Curie umrechnen...

Viele Grüße!

Henri

DL3HRT

Hier die letzte Seite des Prüfberichts. Die Co-60 Aktivität ist zwar gering aber deutlich über der Nachweisgrenze.

Janni

Ich hab das gerade noch mal geprüft, aber in meinem Spektrum sind tatsächlich nicht die Co-60 Linien. Die kleinen Peaks da in der Gegend sind die von Bi-214. Aber ich messe jetzt mal drei Stunden anstatt einer. Bin mal gespannt auf den Vergleich. Heute wird aber nur noch der Nulleffekt fertig, den brauche ich ja erstmal als drei Stunden Messung für die Referenz. Morgen messe ich dann nochmal die Probe und werde berichten.  :)

opengeiger.de

Ich habe in der  Zwischenzeit auch etwas Literatur- und Archivrecherche zu möglichen Ursachen betrieben. Dieses Ergebnis will ich Euch nicht vorenthalten. Das KIT kennt sie schon. Dabei habe ich in verschiedenen Quellen eine hohe Koinzidenz für einen Störfall gefunden, der sich nachhaltig auf den Hirschgraben ausgewirkt haben müsste: den Auflöser Störfall in der WAK im Jahre 1980. Da kommen also auch meine ursprünglichen 40 Jahre her. Ich habe das Ergebnis zu diesem Störfall in einem kleinen Bericht mit Zusammenfassung dokumentiert. Das könnte Einiges erklären. Siehe Anhang. Allerdings gibt es seitens der Abteilung SUM gewisse Zweifel daran, weil nämlich die WAK ihr Regen- und Kühlwasser offensichtlich nur über Sandfang 6 eingespeist hat. Aber dort sichtet man gerade auch erst die Archive.

opengeiger.de

Also wenn man nur eine instabiles Tochternuklid hat, dann kann man die Gleichungen fürs Gleichgewicht ja gerade noch mit Hand lösen. Ich habe daher die Gleichungen aus dem Lehrbuch (Hanno Krüger, Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes) nun mal für den idealen Zerfall des Pu241 in das Am241 in den ersten 40 Jahren hingeschrieben und mit nem 15 Zeiler in Matlab (läuft auch unter Octave) geplottet. Bild siehe Anhang. Um nach 40 Jahren 488 Bq/kg Am241 zu bekommen, bräuchte man demnach zu Beginn 18000Bq/kg Pu241 unter Idealbedingen. Vielleicht rechnet es nochmal jemand nach, der demnächst ne Strahlenschutzprüfung machen muss  ;D

Hier das Matlab-Skript:
clear;
close('all');
t = 0:40;
A0 = 18000;
Th0 = 14.3;
Th1 = 432.6;
lam0 = log(2)/Th0;
lam1 = log(2)/Th1;
A0_t = A0*exp(-lam0*t);
A1_t = A0_t*lam1/(lam1-lam0).*(1-exp(-(lam1-lam0)*t));
figure;semilogy(t, A0_t);hold on;
semilogy(t, A1_t, 'r');hold off;
title('Am241 (rot) vs. Pu241 (blau)');
ylabel('A in Bq/kg');
xlabel('t in Jahren');


opengeiger.de

Im Anhang noch ein gezipptes Excel zum idealen Am241/Pu241 Gleichgewicht für MS-Office Freunde.

opengeiger.de

Hier noch das Ergebnis einer Gamma-Aktivitätsmessung einer Probe von Sandfang 6 mit einem Berthold LB-200 (NaI-Kristall mit 25mm Durchmesser x25mm Höhe): Aktivität (ohne K Korrektur): 1752Bq/kg, (Fehler 64Bq/kg)

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 18. Mai 2021, 08:56
Um nach 40 Jahren 488 Bq/kg Am241 zu bekommen, bräuchte man demnach zu Beginn 18000Bq/kg Pu241 unter Idealbedingen.

Das deckt sich dann ja prima mit meiner Software. Ich hatte ja mit 450 Bq/kg Am gerechnet und war auf 16,5 kBq/kg Pu gekommen.