Protactiniumgenerator

Begonnen von stoppi, 12. April 2022, 17:34

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stoppi

Hallo!

Was wäre Radioaktivität in der Schule ohne radioaktiven Zerfall bzw. Halbwertszeit. Für das Physiklabor muss man allerdings erst einmal ein Nuklid mit geringer Halbwertszeit finden, denn wer von den Schülern will schon Überstunden machen und etwa 4.47 Milliarden Jahre wie beim Uran-238 warten...

Mit ihren sehr kurzen Halbwertszeiten von 55.6 sek und 70 sek eignen sich Radon-220 und Protactinium-234 eben genau für solche Versuche in der Schule. Das Rn-220 ist ein Alphastrahler mit einer Energie von 6,405 MeV. Radon-220 ist ein Zerfallsprodukt des Radium-224 in der Thorium-Reihe. Ich verwende im Labor daher thorierte Glühstrümpfe in einem Glasgefäß, dessen Luft ich dann mit einer Spritze absauge und in die einfache Ionisationskammer injiziere. Diese habe ich mehrfach gebastelt, damit die damit arbeitenden Schülergruppen schön klein bleiben.

Mit einem Voltmeter wird dann die Ausgangsspannung in Abhängigkeit von der Zeit aufgenommen. Das funktioniert eigentlich sehr gut und zuverlässig.

Nun habe ich mir vor längerer Zeit schon 2 g Uranylnitrat für den Protactiniumgenerator besorgt. Diesen habe ich nun in den letzten Tagen "gebastelt". Man benötigt neben dem Uranylnitrat noch Wasser, konzentrierte Salzsäure (meine hatte eine Konzentration von 30-33%) und Methylisobutylketon oder Isoamylacetat. Die 2 g Uranylnitrat reichen für 30 ml fertige Lösung.

Protactinium ist ein radioaktives Zerfallsprodukt des Urans und findet sich in der Natur in Form der beiden Isotope Pa-231 und Pa-234, wobei das Isotop Pa-234 in zwei unterschiedlichen Energiezuständen auftreten kann. Protactinium Pa-231, ein Alphastrahler, entsteht beim Zerfall von U-235 (siehe Uran-Actinium-Reihe), das betastrahlende Protactinium Pa-234 beim Zerfall von U-238 (siehe Uran-Radium-Reihe).

Vor der Messung muss man die Lösung sehr gut durchschütteln, damit sich (nur) das Pa-234 im Methylisobutylketon löst. Durch dessen geringere Dichte schwimmt dieses und damit auch das gelöste Pa-234 über der Salzsäure. Da man die Lösung während der Messung in Ruhe lässt, gibt es keinen Nachschub an Pa-234 im Methylisobutylketon und die Zählrate nimmt schön mit einer Halbwertszeit von 70 sek ab.

Die Messung habe ich bereits durchgeführt, die Messwerte bzw. die Zerfallskurve liefere ich dann morgen nach...  ;)

Henri

Richtig cool finde ich auch die Bestimmung der HWZ von K-40 im Schülerversuch:

https://www.radioaktivitaet-zum-anfassen.com/app/download/5816668151/experiment-kalium-40-HWZ.pdf

Da denkt man ja zuerst auch: wie soll das gehen?  :unknw:

Dein Generator und die "K-40 Methode" sind ja zwei verschiedene Herangehensweisen an die selbe Problemstellung und deshalb parallel betrachtet sehr schön aufschlussreich, finde ich.

Viele Grüße!

Henri

Peter-1

Hallo stoppi,

das klingt ja wirklich gut! Ein ganz tolles Experiment. Was mich nun interessieren würde ist ein Gammaspektrum. Das Pa 234 hat doch brauchbare Linien (theoretisch).
Bis auf das Lösungsmittel wäre es auch kein Problem für mich. Ist das Zeug teuer ?

Schöne Vorostergrüße
Peter
Gruß  Peter

NoLi

Hallo Stoppi,

auch ich finde die Versuche mit Pa-234 und Rn-220 sehr einfach und aussagekräftig.

Allerdings gab es dieses schon als fertige Präparate für Schulversuche zur Radioaktivität im Lehrmittelbedarfshandel. Diese Angebote mussten aber auf Grund von Verschärfungen der Strahlenschutzverordnung und der Vorgaben über Sicherheit im Unterricht eingestellt und in den Schulen diesbezügliche vorhandene Exemplare als radioaktiver Abfall entsorgt werden, weil sie als "offene radioaktive Stoffe" zählen, deren Umgang mit Schülern absolut verboten ist (auch in Schülerlaboren außerhalb von Schulen)! Behördliche Ausnahmegenehmigungen außerhalb der Schulen (z.B. in Schülerlabore) kann es u.U geben, wenn ausschliesslich Schüler ab/über 18 Jahren daran teilnehmen.
Und bei "gebärfähigen Frauen" muß sichergestellt sein, dass keine Schwangerschaft vorliegt oder verdächtig ist!

Also Vorsicht.

Gruß
Norbert

stoppi

Danke für die Kommentare und Hinweise...

Hier nun die beiden Zerfallskurven: Einmal für eine vertikale Ausrichtung des Geiger-Müller-Zählrohrs und dann bei horizontaler Ausrichtung. Die typische Zerfallskurve tritt in beiden Fällen schön zutage und die Halbwertszeit von 70 Sekunden kann experimentell bestätigt werden.

Henri

Zitat von: NoLi am 12. April 2022, 22:47
Diese Angebote mussten aber auf Grund von Verschärfungen der Strahlenschutzverordnung und der Vorgaben über Sicherheit im Unterricht eingestellt und in den Schulen diesbezügliche vorhandene Exemplare als radioaktiver Abfall entsorgt werden, weil sie als "offene radioaktive Stoffe" zählen, deren Umgang mit Schülern absolut verboten ist (auch in Schülerlaboren außerhalb von Schulen)!


Hmmm... Pottasche, KCl, Grasschnitt mit Tschernobyl-Cs137, Maronenröhrlinge aus dem bayrischen Wald, Wildschwein-Steak - alles offene radioaktive Stoffe... Ein Glück, dass es die Freigrenzen-Regelung gibt  ;)

Frage: die Freigrenze für U-238 beträgt ja 1 kBq. Könnte man den Versuch mit so einer geringen Menge noch sinnvoll machen?

Viele Grüße!

Henri

stoppi

Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann besitzt das U-238 in 1 g Uranylnitrat eine Aktivität von 7470 Bq. In meinem Protactiniumgenerator habe ich 2 g Uranylnitrat hineingegeben...  :blush:

Wie sieht es bei einer solch geringen Freigrenze aber mit Uranmineralien wie Autunit, Uranocircit etc. aus? Da haben doch wohl auch die meisten Stücke ein Gewicht von > 1g...

etalon

Zitat von: stoppi am 13. April 2022, 17:48
Wie sieht es bei einer solch geringen Freigrenze aber mit Uranmineralien wie Autunit, Uranocircit etc. aus? Da haben doch wohl auch die meisten Stücke ein Gewicht von > 1g...

Richtig, und haben aufgrund der Zerfallskette auch eine deutlich höhere Aktivität. Das Primärerz Uraninit hat so um die 157kBq/g. Allerdings sind diese natürlichen Ursprungs sowie unverarbeitet, und so lange sie nicht aufgrund ihrer Radioaktivität gesammelt werden, und solange sich für Dritte unter Annahme realistischer Expositionsszenarien keine Dosisbelastung von größer 1mSv/a ergibt, fallen sie nicht unter das Strahlenschutzrecht, und sind somit juristisch kein radioaktiver Stoff.

Grüße Markus

NoLi

Zitat von: stoppi am 13. April 2022, 17:48
Wenn ich mich nicht verrechnet habe, dann besitzt das U-238 in 1 g Uranylnitrat eine Aktivität von 7470 Bq. In meinem Protactiniumgenerator habe ich 2 g Uranylnitrat hineingegeben...  :blush:

Wie sieht es bei einer solch geringen Freigrenze aber mit Uranmineralien wie Autunit, Uranocircit etc. aus? Da haben doch wohl auch die meisten Stücke ein Gewicht von > 1g...

1 Gramm U-238 hat eine Aktivität von 12.400 Bq .
1 Gramm U-nat hat eine Aktivität von 25.000 Bq .

Eine "feste" Aktivitäts-Freigrenze für Uranmineralien und den Gebrauch in Lehr- und Ausbildungsveranstaltungen gibt es seit der derzeit gültigen Strahlenschutzverordnung vom 29.11.2018 nicht mehr. In der Anlage 3 Teil B (Genehmigungsfreier Umgang) Ziffer 8 wird die Dosisleistung in 10 cm Abstand von der berührbaren Oberfläche auf max. 1 µSv/h beschränkt, oder in Ziffer 9 für abgereichertes Uran in Form von Uranylverbindungen die maximale Menge auf max. 30 Gramm.

Norbert

Peter-1

Hallo stoppi,

was ist der Grund das U-salz in HCl aufzulösen und nicht in Wasser?
Gruß  Peter

stoppi

Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht, Peter. Ich bin nur nach den im Internet zugänglichen "Rezepten" gegangen...

Axton

Moin Peter,

Ich hätte eine mögliche Erklärung für deine Frage.

Uranylnitrat hat folgende Formel: UO2(NO3)2

Uran liegt hier sechswertig vor. Thorium und Protactinium kommen üblicherweise als vierwertige Ionen vor. Und die beiden können keine Salze bilden, welche ähnlich wie Uranylnitrat aufgebaut sind.

Ohne Salzsäure bestände folgendes Problem:
Das Thorium und Protactinium würden/könnten sowohl als unlösliches Dioxid als auch lösliches Nitrat vorliegen. Das Dioxid würde ausfallen und kann sich nicht in den organischen Lösungsmitteln (kurz org. Lömis) lösen.
Mit der Salzsäure verhindert man die Bildung des Dioxids. Denn Metalloxide lösen sich in Säuren und bilden oft gut lösliche Salze. Dieses könnte sich dann im org. Lömi lösen.

Ebenfalls ist es möglich, dass sich Protactinium(IV)-chlorid besser im org. Lömi löst als das Nitrat bzw selektiver.

So würde ich das mit meinem Chemie-Wissen erklären.

Peter-1

Hallo axton,

deine Erklärung klingt gut und es könnte tatsächlich so sein wie beschrieben.

Peter
Gruß  Peter