Leuchtturm auf Sachalin (Kap Aniva) und Radionuklidbatterien (RTGs)

Begonnen von Lutathera-177, 01. November 2020, 01:34

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Lutathera-177

Bei Galileo lief vor kurzem ein kleiner Beitrag über einen alten Leuchtturm der sich wohl zur Touristenattraktion entwickelt halt.

Mit einem Schlauchboot kann man sich rausfahren lassen auf einen Felsen mitten Meer. Dort steht ein Leuchtturm den die Japaner bauten als die Insel noch ihnen gehörte. Später bauten die Sovjets ihn für ihre Zwecke um und setzten eine Radionuklidbatterie ein um das ganze mit Strom zu versorgen.

Der Galileo-Reporter hat sich einen Geigerzähler mitgenommen und gemessen. Im ehemaligen "Reaktorraum" liest er davon ab und Kommentiert: "0,13 - 0,14 [uSv] das ist minimal über dem Grenzwert aber ich glaub wenn man sich ne halbe Stunde lang aufhält ist das nicht supergefährlich ... hoff ich" Ich glaube da können wir im Entwarnung geben. Da ist nichts  :))

Eine andere Touristin ist auch nicht sonderlich besorgt als er ihr denn Messwert unter die Nase hält.



Der Soeks 112 hat ein SBM 20-1 Zählrohr drin und ist dabei nur wenig größer als das Zählrohr selbst. Ich fand das Design und das er so kompakt ist immer ganz ansprechend, viele assoziieren das Teil aber wohl mit einem Schwangerschaftstest  :D
Form und Farbe sind auch auffällig ähnlich dem Japanischen "Air Counter S", den es schon vor dem Soeks 112 gab und im Zeitraum um Fukushima sehr beliebt war. Technisch ist der aber ganz anders, ich glaube er funktioniert mit einer Photodiode?


Was mir in dem Beitrag nicht ganz klar wurde ist wo die Batterie denn nun hin ist. Offensichtlich ist sie nicht mehr da. Der Reporter fragt ob sie gestohlen wurde, der Guide weiß nicht so recht.

DG0MG

#1
Interessante Geschichte.
Was haben die nur mit "viel Quecksilber"? Eine Quecksilberdampflampe vielleicht?
Der "Reaktorraum" ist natürlich ganz oben  ;D

Wenn sie wenigstens einmal die richtigen Begriffe verwendet hätten: Radioisotopenbatterie, Radionuklidbatterie, Radioisotopengenerator, Isotopenbatterie, Atombatterie und die Tatsache erwähnen würden, dass sowas auch in Satelliten, Raumsonden und früher sogar in Herzschrittmachern verwendet wurde ..
Aber nein: "Reaktor".  :-\

Diese Stromerzeuger heißen RTG:

Radioisotope
Thermoelectric
Generator

Sie erzeugen Strom mittels eines Thermoelements, das durch einen radioaktiven Strahler beheizt wird.

In [1] steht (übersetzt):
"Die radioaktive Halbwertszeit des 90Sr-Isotops beträgt 29,1 Jahre. Zum Zeitpunkt ihrer Herstellung enthält RHS-90 30 bis 180 Kilocuries 90Sr. Das Niveau der Gammastrahlung erreicht 400 bis 800 R/h in einer Entfernung von 0,5 Metern und 100 bis 200 R/h in einer Entfernung von einem Meter von der RHS-90. Es dauert nicht weniger als 900 bis 1000 Jahre, bis RHS ein sicheres Radioaktivitätsniveau erreichen."

2 Sv/h in 1 Meter Entfernung!

Daher auch die große "Radioaktiv!"-Schrift an der Wand außen: Solange das Ding noch da war, war es nicht ungefährlich den Leuchtturm zu betreten. Es ist die Frage: Es werden Aufenthaltsräume eines Leuchtturmwärters gezeigt. War nun die "Nuklidbatterie" wirklich "oben", wie im Film gesagt oder war sie unten und die Aufenthaltsräume mit etwas Abstand und Betondecken nach oben damit weniger gefährdet? Ich glaube eher letzteres. Als die beiden den Leuchtturm betreten, sieht man mMn Teile eines Akkus.

In [2] steht:
"Bis zum Jahr 2012 wurden die 1007 russischen Radioisotopengeneratoren mit Hilfe von Frankreich, Norwegen, Kanada, Frankreich und den USA eingesammelt. Die Radioisotopengeneratoren wurden daraufhin bei DalRAO in der Nähe von Wladiwostok und bei RosRAO bei Moskau eingelagert. Die restlichen noch vorhandenen Radioisotopengeneratoren sollen in den kommenden Jahren ebenfalls eingesammelt werden, so dass ab dem Jahr 2025 keine RTGs mehr auf russischem Territorium vorhanden sind. Drei russische Radioisotopengeneratoren gelten in der Arktis als vermisst."

Zumindest ein Teil der RTG wurden also mit internationaler Hilfe geborgen.


[1] https://web.archive.org/web/20130619061043/http://bellona.no/bellona.org/english_import_area/international/russia/navy/northern_fleet/incidents/31772
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Radionuklidbatterie#Erde_2
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

pangeiger

Moin,
die Radionuklidbatterie (kein Reaktor :() wurde offensichtlich vom Militär entfernt - samt dem thermoelektrischen Wandler. Interessant wäre, welches Radionuklid die Russen hier eingesetzt haben. Vermutlich 90Sr, einen klassischen Betastrahler s. Wiki.

Interessanter als der Spielzeug-GZ wäre eine Untersuchung mit einem Kontaminationsmonitor gewesen.

Gruß
Peter

Lutathera-177


NoLi

Zitat von: Lutathera-177 am 03. November 2020, 12:28
Aufnahmen von der Bergung einer solchen abhanden gekommenen Batterie:

"Abhanden gekommen" klingt nett: das Ding wurde geklaut und aus Unkenntnis unfachmännisch demontiert. Und in dieser Unkenntnis liegt das primäre Gefahrenpotential.

Gruß
Norbert

DG0MG

Schön gefunden! (.. also das Video)

Das ist aber auch eine unwirtliche Gegend, wo die rumhantieren ..

Etwas verwirrt haben mich die Bilder von der Behandlung von Strahlenschäden am Ende des Filmes, das hat nicht zu den vorher gesehenen Bildern gepasst. Aber in dem IAEA-Dokument stehts:

"2001 Georgia
In December 2001, three woodsmen found two heat-emanating
ceramic objects near their campsite in the remote Inguri river valley
of Georgia. Two of the woodsmen involved in the accident carried the
containers on their backs and experienced nausea, vomiting, and dizziness
within hours of exposure. The third carried the source attached
to a wire. At a hospital in Tbilisi, Georgia, the woodsmen were diagnosed
with radiation sickness and severe radiation burns, and at least
two of the three were in serious condition. A Georgian team recovered
the sources in early 2002 with the assistance of the IAEA. They were
the unshielded, ceramic sources of two Soviet-era RTGs each containing
about 30,000 Ci of Strontium-90. Two of the victims were treated in
hospitals in Paris and Moscow for many months before recovering from
severe radiation burns
"

Deshalb die erheblichen Rückenverbrennungen, die Waldarbeiter haben die Dinger getragen und später wurden die Strahler bei der im Video gezeigten Aktion wieder eingesammelt.

Man sieht ja zu Beginn, wie dick der Transportbehälter ist - aus Beton und/oder Blei? Nachdem die beiden Strahler sich darin befinden, kommt bei 8:20 min der Mann mit der orangenen Kapuze und einem Teletector und sagt mMn "40 µSv/h" bei Messung an der Außenseite des Behälters.
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Zugpferd

und wie immer ist die Praxis dann anders als in der Übung. zum Schluss muss die Zange ran...
Bis die Pfeife pfeift... Das Ding scheint schwerer zu sein als bei der Übung :)
Und auf einmal ist es im Eimer... vorher soll er noch in diese Richtung rennen...

Ich hab das Video auch vor einigen Jahren gesehen. Ich war der Meinung das man damals sah das die Teile sogar dampften beim Kontakt mit Schnee, das hab ich diesmal gar nicht gesehen...


Er sagt eindeutig 27cm Blei
und ja der Teletector Mann sagt 40µSv per hour direkt am Container

Ich möchte da ungerne Rennen und noch weniger den Eimer auf dem LKW in Empfang nehmen...

Zugpferd

#7
hier gibts Ausschnitte wo es so dampft...
sicherlich sehenswert wenn man die seltsame Sprache versteht...


DG0MG

Es dampfte auch im vorherigen Video beim zweiten Strahler, bei 7:30 min.

Hier noch ein Video (in einer verständlicheren Sprache), das die Hintergründe erklärt, warum der RTG überhaupt dort in der Gegend war - für die Stromversorgung einer Funkrelaisstation für die Kraftwerke.
Die verwendeten Filmausschnitte aus dem IAEA-Film sind von besserer Qualität, den Film muss es also insgesamt besser geben.

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Zugpferd

Zitat von: DG0MG am 03. November 2020, 20:02
Es dampfte auch im vorherigen Video beim zweiten Strahler, bei 7:30 min.
Du hast Recht DG0MG, hatte ich beim ersten Mal gucken nicht wahrgenommen.


sh4711

Zitat von: Zugpferd am 03. November 2020, 19:52
sicherlich sehenswert wenn man die seltsame Sprache versteht...


Bei 11:38 und 12:00 redens sogar deutsch. Frag mich, von was die Ausschnitte sind...

DG0MG

Zitat von: Lutathera-177 am 01. November 2020, 01:34
Bei Galileo lief vor kurzem ein kleiner Beitrag über einen alten Leuchtturm der sich wohl zur Touristenattraktion entwickelt halt.

Die Seite Travelbook berichtet nun auch darüber. Offenbar will man noch viel mehr Leutre dorthinhaben  ;)


" Lange wurde die Lampe mechanisch betrieben, musste alle drei Stunden vom Personal des Leuchtturms immer wieder aufgezogen werden, doch in den 1990er Jahren entschied man sich schließlich, auf einen automatischen Betrieb umzustellen. Und zwar einen, der durch einen Atomreaktor gespeist wurde."
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NoLi

Zitat "Dennoch sei ein Besuch hier aber gefährlich, denn der Turm sei radioaktiv verseucht, es gäbe immer noch Strahlung."

Da müsste dann wohl der "Reaktor"-RTG undicht gewesen sein. Was ich mir bei der Konstruktion kaum vorstellen kann, es sei denn, man hätte mit brachialer Gewalt daran "gearbeitet". Dies dürften dann aber die "Arbeiter" kaum überlebt haben und müssten vor ihrem evtl. Gang über den Jordan zumindest durch Gesundheitsschäden aufgefallen sein (siehe den Fall der Holzfäller in Georgien).

Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 19. November 2020, 21:45
Zitat "Dennoch sei ein Besuch hier aber gefährlich, denn der Turm sei radioaktiv verseucht, es gäbe immer noch Strahlung."

Gemessen wird die wohl niemand haben, genau wie der Reporter. Das wird eine "urban legend" sein, weil außen am Leuchtturm "осторожно радиоактивно" ("ostoroshno radioaktivno" - "Vorsicht radioaktiv") steht. Das macht einen Besuch natürlich gleich viel spannender und jeder der dort war, wird sich an diese Schrift erinnern. Dabei war diese Warnung eben nicht zu Unrecht außen dran, als der RTG noch da war: Wenn die wirklich so eine derartig hohe DL produzieren, wie in Beitrag #2 zitiert, dann ist die Warnung mehr als angebracht.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Vor wenigen Tagen brachte auch der yt-Kanal "plainly difficult" (der sich häufig mit Strahlungsunfällen beschäftigt) ebenfalls einen Bericht über den Unfall mit den RTG-Strahlern in Lia, Gerorgien:

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!