Block IV - Pressearbeit 1986

[DG0MG]

Am 14. Mai 1986 - fast 3 Wochen nach dem Unglück - gab es die erste öffentliche Stellungnahme der sowjetischen Regierung. Michail Gorbatschow ging in einer 25minütigen Rede im sowjetischen Fernsehen auf den "außerordentlichen und gefährlichen Charakter der Geschehnisse" vor Ort ein. Hier textliche Auszüge:

• https://www.swr.de/swr2/wissen/archivradio/broadcastcontrib-swr-29702.html

Der US-Sender ABC News bringt einige Ausschnitte:

Der mit der Sowjetunion befreundete, sozialistische Bruderstaat DDR zeigte in seiner allabendlichen Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera" nichtmal einen kurzen Ausschnitt aus der Rede des sowjetischen Generalsekretärs, sondern begnügte sich mit einem 4minütigen, relativ nichtssagenden Kommentar:

• https://www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/video-13738.html

[DL3HRT]

Das ND widmet sich heute Gorbatschows Ansprache. Neue Fakten gibt es nur sehr wenige. Als Ursache für für die Havarie wird ein Leistungsanstieg mit nachfolgendem Dampfaustritt und Wasserstoffexplosion angegeben. Immerhin ist von fast 300 strahlenkranken Personen die Rede.

Die Hälfte des Textes widmet sich dem Thema "nukleare Abrüstung" und hat mit dem eigentlichen Thema nicht viel zu tun.

[NoLi]

15. Mai 1986 in der BRD

Empfehlung der Strahlenschutzkommission (15.05.86):
https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/1986/1986_07.pdf?__blob=publicationFile


Empfehlung der Strahlenschutzkommission (07.05.86):
https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/1986/1986_06.pdf?__blob=publicationFile

Gruß
Norbert

[DL3HRT]

Mit dem heutigen Tage endet im Wesentlichen die Berichterstattung zu Tschernobyl in den DDR-Zeitungen. Von nichtssagenden Halbsätzen abgesehen, gibt es erst wieder Ende Juli berichtenswerte Informationen. Das Thema wurde konsequent totgeschwiegen. Das Thema war damit von offizieller Seite "erledigt".

[NoLi]

" Tschernobyl und die DDR: Fakten und Verschleierungen –Auswirkungen bis heute? "

https://library.fes.de/pdf-files/bueros/sachsen-anhalt/03272.pdf

Gruß
Norbert

[DL3HRT]

Ganz aktuell: Ukraine veröffentlicht Geheimdokumente zu Tschernobyl

Da bin ich gespannt, was in nächster Zeit an neuen Informationen veröffentlicht wird.

[DG0MG]

Hier ist noch eine recht ausführliche Originalmeldung vom 29. April 1986, aus Österreich vom ORF, Sendung "Zeit im Bild":

Bei 5:27 auch aktuelle Aufnahmen aus dem KKW Forsmark in Schweden, in dem "gestern" (also am Montag, dem 28. April 1986) erstmals erhöhte Radioaktivität gemessen wurde. Dort hielt man das zuerst für einen Fehler im "eigenen Haus", konnte aber keine Quelle finden.

Ebenfalls in diese Geschichte passt ein Galileo-Beitrag, der den damals in Forsmark beschäftigten Ingenieur Clifford Robinson porträtiert. Auch hier wird der 28.4.1986 als Datum der ersten Detektion von ungewöhnlichen Strahlungswerten erwähnt.

Im Wikipedia-Eintrag zum KKW Forsmark wird der 27. April genannt - ohne das zu belegen.

[NoLi]

Zum GALILEO-Video:

Ein typischer "Privatsender-Beitrag" in reißerischer Aufmachung so a la B..D-Zeitung! Und mit einem SUPER-HERO Image!

Gott sei Dank scheint der "Original C. Robinson" in den Interview-Szenen vernünftiger zu sein...

Gruß
Norbert

[DG0MG]

Der MDR hat offenbar einen weiteren Beitrag aus dem DDR-Fernseharchiv ausgegraben, den kannte ich noch nicht:

Geschönte Berichterstattung
22. April 1987 - "Kein Fall der Strahlenkrankheit"

Ein Jahr nach der Katastrophe besuchten Reporter des DDR-Fernsehens Menschen von Tschernobyl. Die Betroffenen leben in neuen Siedlungen, über Gesundheitsschäden klagen sie nicht.
Mi 22.04.1987 22:00Uhr 05:36 min

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/umwelt/video-128438_zc-4dc7e1a5_zs-9a8c3e24.html

[DG0MG]

Am 2. Mai 1986 hat das "Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz" (SAAS) Luftmessungen veröffentlicht, die bei einigen hundert Millibequerel pro Kubikmeter lagen. Ein Nebensatz erwähnt, dass man sich jetzt mit der Messung der ABGELAGERTEN Radioaktivität befasse. Die AKTUELLE KAMERA zitiert die West-Aussage des Bundesinnenministeriums, dass keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe.
Interessant die Aussage, dass die höchsten Werte in München, Regensburg und in Berlin (WEST!) gemessen wurden. Daher stammt der zynische Witz in der Bevölkerung, dass der antifaschistische Schutzwall ja doch zu etwas gut gewesen sei.

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/umwelt/video-128432_zc-4dc7e1a5_zs-9a8c3e24.html

[NoLi]

In diesem Bericht des Deutsch-Schweizerischen Fachverbandes für Strahlenschutz sind sehr umfangreich die gemessenen Umweltradioaktivitäten der ehemaligen BRD von April bis Oktober 1986 aufgeführt.
Nix da mit Milli-Becquerel/m³ Ende April/Anfang Mai...

https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/90_Archiv/FS-Pub-Archiv-final/FS-86-39-AKU.pdf

Norbert

[DG0MG]

Nix da mit Milli-Becquerel/m³ Ende April/Anfang Mai...

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Was ist denn Bq * h / m³ für eine Einheit? Hab ich ja noch nie gehört. Welche Rolle spielt die Stunde bei Zerfällen pro Sekunde?

Da die Nachrichtenmeldung mBq/m³ angibt, sind die Zahlenwerte erstmal nicht vergleichbar.

Ich gehe nicht davon aus, dass die Werte plump gefälscht waren. Die Nachrichten waren damals eher so, wie das, was man heute ein "überspezifisches Dementi" nennt. Man hätte Dosisleistungen z.B. in Mikrosievert/Sekunde angegeben oder in Sievert pro Stunde, damit möglichst kleine Werte rauskommen. Aber dass sie grob FALSCH (wie die Wahlergebnisse) waren, glaube ich nicht.

[NoLi]

...
Was ist denn Bq * h / m³ für eine Einheit? Hab ich ja noch nie gehört. Welche Rolle spielt die Stunde bei Zerfällen pro Sekunde?
...

Eine Angabe der Aktivitätskonzentration pro m³ (Bq/m³) über einen Zeitraum von 1 Stunde.

Norbert

[DG0MG]

Das hieße, man muss die West-Zahlen durch 3600 teilen, um sie mit den Ost-Zahlen zu vergleichen?

Wenn die Stunde explizit in der Einheit auftaucht, kann das doch nicht nur eine Mittelung des Messwertes über eine Stunde bedeuten.

[NoLi]

Wie genau die dargestellten Werte ermittelt wurden, weiß ich nicht. Aber ich denke, es wurden Luftfilter jeweils eine Stunde bestaubt (weil ja die Konzentrationen im Laufe des Tages schwankten) und ausgewertet.
Ich denke auch, dass die Angaben in der Grafik gemessene Höchstwerte darstellen.

Norbert