Beurteilung von Messergebnissen

Begonnen von Reinhold, 16. Oktober 2019, 11:36

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

Reinhold

Ich habe mit einer Uraninitstufe folgende Messergebnisse ermittelt:

Messgerät Radex RD 1008 im Meassure-Modus       
mit geöffneten Pancake Zählrohr      
Probe Uraninit ca, 7 x 4 x 2 cm      
      
                              Gamma   Beta
                              µSv/h        1/cm²*Minute
direkte Messung           57      >999
Abschirmung mit      
4mm Alu                      45      >999
Eine 10 mm Kachel      19      >999
Zwei 10 mm Kacheln    18      >999
Drei 10 mm Kacheln     16      >999
Vier 10 mm Kacheln     13      >999
Granitplatte 7,5 cm      9        660

Fragen:
Wie beurteilen die Experten hier diese Messergebnisse?
Die Flussrate ist anscheinend zu hoch für das Messgerät.
Gibt es eine Möglichkeit trozdem die Flussrate ohne Abschirmung zu bestimmen?
Die Betastrahlung scheint sehr energiereich zu sein, da sie selbst durch eine 7,5 cm Granitplatte noch hoch ist.

emanator

Hallo Reinhold,

bei offenem ZR sind die µSv/h Messwerte nix wert....

Das ZR / die Anzeige sind auf typische Zählraten eines Gammastrahlers (i.d.R. Cs137 oder Co60) ab geglichen.

Obwohl der Wichtungsfaktor bei Betastrahlung gleich ist wie bei Gammastrahlung (=1) stimmt die Anzeige nicht (Energiebereich der Strahlung ist ja ein anderer).

Deine Messwerte mit Abschirmmaterialien sollten die tatsächliche Gamma-DL in etwa treffen (Beta ist schon bei 4mm Alu oder einer Kachel komplett abgeschirmt) trotz offenem ZR.

Jetzt weisst Du auch warum Du durch den Granit noch etwas misst.. das ist reine Gammastrahlung.

Die Flussrate ist ohne Abschirmung aus dem gleichen Grund so hoch. Der hohe Gammaanteil produziert soviel Impulse, das der Anzeigebereich bei der Teilchenflussdichte nicht ausreicht. Nur Beta in Imp messen kannst Du nicht (kann aber kein einfaches Messgerät... )

Reinhold

Vielen Dank emanator für deine Beurteilung der Messwerte.

Ich bin auch noch auf eine andere Fehlerquelle gestoßen. Die beiden ZR sind ja in einem Abstand von ca. 7 cm nebeneinander angeordnet.
Das Betafenster misst Gamma und Beta und das Gammafenster nur Gamma. Intern wird über einen Algorithmus vom Messwert des Betafensters der Messwert des Gammafensters abgezogen. Wenn ich nun von einer relativ kleinen Probe mit dem Betafenster messe. Dann erreicht das Gammafenster wegen der größeren Entfernung nur ein kleinerer Strahlenanteil und der Betawert wird zu hoch ausgegeben.

Ich habe mir nun ein Gestell mit vier Füßen gebaut auf das ich in 50 cm Höhe den Zähler lege. Mit Holzklötzchen vermindere ich den Abstand der Probe von 50 cm in 5 cm-Schritten. Daraus kann ich die Strahlung in Abhängigkeit von der Entfernung ermitteln und daraus einen Graphen ermitteln. Das Ergebnis werde ich demnächst hier anfügen.

Reinhold

Ich habe nun bei verschiedenen Abständen folgende Messergebnisse erhalten:Strahlung einer Uraninitprobe in Abhängigkeit von der Entfernung
Messgerät Radex RD 1008 im Meassure-Modus       
Probe: Uraninit ca, 7 x 4 x 2 cm      
Der Abstand wurde durch Unterlegen von Holzklötzchen      
Von 4,8 cm Stärke von 50 auf 2 cm kontinuierlich verringert.      
      
Abstand   Gamma   Beta
   µSv/h   1/cm² * Minute
50,0   0,88   141
45,2   1,08   176
40,4   1,21   224
35,6   1,41   301
30,8   1,67   382
26,0   2,38   529
21,2   3,52   757
16,4   5,56   >999
11,6   8,53   >999
6,8   17,8   >999
2,0   54,8   >999

Daraus hat mir ein Freund folgenden Graph ermittelt:
Da mein Gerät nur bis 9999 1/cm² * Minute anzeigt kann man jetzt mit der Graphik auch Werte über 9999 bei kurzen Messentfernungen in etwa ablesen.

NoLi

Hallo Reinhold.
Am einfachsten einen Beta-Absorber (z.B. 4mm Alu, 2mm Cu, 10mm Plexi)in der Mindestgröße des Beta-Fensters besorgen und mittig ein Loch bohren, welches z.B. ein Zehntel der Messfläche des Beta-Fensters hat. Wenn Du diesen vor das Betazählrohr positionierst, hast Du die Betaempfindlichkeit auf 10% reduziert und damit deine Beta-Messmöglichkeiten um den Faktor 10 erweitert (Anzeigewert x10).
Gruß
Norbert

Reinhold

Vielen Dank Norbert für diesen wervollen Hinweis.

Karl-Heinz

Zitat von: emanator am 18. Oktober 2019, 14:22
bei offenem ZR sind die µSv/h Messwerte nix wert....

Obwohl der Wichtungsfaktor bei Betastrahlung gleich ist wie bei Gammastrahlung (=1) stimmt die Anzeige nicht (Energiebereich der Strahlung ist ja ein anderer).

Hallo.
Ich versuche mich auf dem Gebiet zu belesen, werde aber nicht so richtig schlau daraus.
Wie ist das denn zu verstehen?

Kannst Du bitte etwas genauer erklären wie sich die Messung von Gamma und Gamma+Beta unterscheidet?

MfG

SAL-87

#7
Hallo Karl-Heinz.

Ein Dosisleistungmessgerät, im normalen Sprachgebrauch Geigerzähler genannt, zeigt die Äquivalentdosis in Sv pro Zeiteinheit ( h für hour, Stunde ) an.
Da ein 1 Sv/h jedoch ziemlich viel ist, bewegen sich die üblicherweise gemessenen Werte eher im µSv/h Bereich.

1 Sv/h = 1000 mSv/h
1 mSv/h = 1000 µSv/h
In Deutschland beträgt die Hintergrundstrahlung üblicherweise zwischen 0,05 bis 0,25 µSv/h.



Diese Äquivalentdosis ist ein Wert, mit dem man die Auswirkungen der Strahlung auf den menschlichen Organismus größenordnungsmäßig ausdrücken kann.
Sie ergibt sich aus der Energiedosis ( D ) in Gewebe x einem von der Strahlungsqualität abhängigen Qualitätsfaktor ( Q ) in der Größe 1.
Also H = QxD

Diese Qualitätsfaktoren ( in dem von dir zitierten Posting Wichtungsfaktoren genannt ) wurden unter der Berücksichtigung strahlenbiologischer Erkenntnisse ( aus der Medizin, von den Versuchen und Untersuchungen der Amerikaner nach den Atombombenabwürfen an Strahlengeschädigten und aus den Erkenntnissen nach Strahlenunfällen ) festgelegt und dem linearen Bremsvermögen in Wasser zugeordnet. Also das Energieübertragungsvermögen der Strahlungsart in Wasser.

Für Gamma- und Röntgenstrahlung sowie für Betastrahlung gilt der Qualitätsfaktor 1. Und zwar unabhängig des Energiebereichs.
Für Alphastrahlung der Qualitätsfaktor 20.



Da Betastrahlung bei äußerer Einwirkung jedoch in der Regel nicht in der Lage ist, das Gewebe bis hin zu den Organen oder tieferem Gewebe zu durchdringen und überwiegend ihre Energie bereits in den Hautschichten abgibt, spielt sie bei der Äquivalentdosis keine Rolle.
Das Gleiche gilt für Alphastrahlung. Diese wird von den obersten, toten, Hautschichten bereits absorbiert.
Daher "stimmt" der abgelesene Wert auf deinem Dosisleistungsmessgerät nur, wenn das Zählrohr nur Photonenstrahlung, also Gamma- und Röntgenstrahlung registrieren kann.

Gelangen Alpha- und Betastrahler jedoch durch Einatmen oder durch Nahrungsaufnahme in den Körper und können das Gewebe sowie die Organe direkt bestrahlen, kann die schädliche Wirkung sehr stark sein. Besonders bei Alphastrahlung ( Qualitätsfaktor 20! ), da eine sehr dichte Ionisierung in einem kleineren Bereich stattfindet. 



Will man mit einem Endfensterzählrohr, welches Gamma-, Beta- und Alphastrahlung registrieren kann, einen bestimmten Gegenstand auf Kontamination überprüfen, so wird der Wert in Impulsen pro Sekunden ausgegeben. Sprich wie viele Impulse pro Sekunde das Zählrohr registriert. ( Dies ist jedoch bei Weitem nicht der tatsächliche Wert, da das Zählrohr nicht alle Impulse, also Zerfälle registrieren kann. )
Bei den meisten nicht professionellen "Geigerzählern", welche ein Endfensterzählrohr besitzen und somit auch sensibel für Alpha- und Betastrahlung sind, wird dies jedoch nicht berücksichtigt und weiterhin ein Wert in µSv/h ausgegeben. Es werden sozusagen die Impulse, welche durch Alpha- und Betastrahlung ausgelöst werden einfach in das Ergebnis der Äquivalentdosis mit einbezogen. Es wird also viel mehr angezeigt, als eigentlich sein dürfte.

freundliche Grüße
Marcel

SAL-87

Passend zur Wirkung der verschiedenen Strahlungsarten auf den Organismus ist mir noch ein Vergleich aus dem Schießsport eingefallen.
Anhand des Vergleichs zwischen einem Vollmantelgeschoss, welches aufs Thema bezogen Gammastrahlung repräsentiert und einem Hohlmantelgeschoss, das hier stellvertretend für die Wirkung von Alphastrahlung im Körper steht, lässt sich die Thematik bildlich gut veranschaulichen.



Die Gammastrahlung ist eine Wellenstrahlung. Wie Licht, Handystrahlung, usw. Sie durchdringt den Körper ohne dabei ihre gesamte Energie an diesen abzugeben ( i.d.R. ).




Alphastrahlung ist eine Teilchenstrahlung ( 2 Protonen + 2 Neutronen = ein Helium 4 Kern ). Diese gibt im Körper ihre gesamte Energie auf kleinstem Raum ab.





Karl-Heinz

Vielen Dank für Deine Ausführungen SAL-87!

Ich hatte mich immer davon irritieren lassen, dass bei der Berechnung der Äquivalentdosis Beta genauso wie Gamma gewichtet wird.

Erst eine direkte Suche nach Ortsdosisleistungsmessung bei Betastrahlung
hat mich auf die richtige Spur gebracht.

Ich habe eine PDF der Strahlenschutzkomission gefunden in der das gut beschrieben ist:

Zitat

Zur Bestimmung der Ortsdosisleistung  H  sind auch Dosimeter mit anderen Detektoren, z. B. mit Halbleiterdetektoren geeignet.
Dosimeter mit einem Geiger-Müller-Zählrohr sind zur Bestimmung der Ortsdosisleistung in einem gemischten  β-γ-Strahlenfeld ungeeignet.
Dosimeter mit Ionisationskammer messen die über das Volumen der Kammer gemittelte Dosisleistung. Bei Messungen in wenigen Zentimetern Abstand von der kontaminierten Oberfläche hängt das Meßergebnis infolge des Feldgradienten von der Größe der Ionisationskammer ab. Die Dosisleistung kann bei Verwendung einer großvolumigen Ionisationskammer (Kammervolumen ca. 500 cm3) in der Nähe einer kontaminierten Oberfläche um einen Faktor 5 bis 10 (in Extremfällen noch mehr) unterschätzt werden. Die Größe dieses Faktors hängt vom Abstand, von der Fläche der Kontamination und von der Energie der  β-Strahlung ab. Kleinvolumige Ionisationskammern sind daher zu bevorzugen.


NoLi

#10
Hallo Karl-Heinz.

Vergiss bei der Dosisleistungsmessung eines auch betaempfindlichen Geiger-Müller-Gerätes im Beta/Gamma-Mischstrahlenfeld den Strahlungswichtungsfaktor.
Die Anzeige des Gerätes gilt nur für ein reines Gammastrahlen-Feld. Gammstrahlung deswegen, weil diese im Gegensatz zur Betastrahlung im Körper überall, also auch in den tiefer innenliegenden Organen, durch Wechselwirkung mit dem Zellmaterial Schädigung, also Dosis, verursacht (Betastrahlung dagegen dringt von außen nur wenige mm in den Körper ein. Probiers mal mit dünnen rohen Schnitzel aus... ;D)

Um zu verstehen, wie die Dosisleistungsanzeige zustande kommt, müssen wir uns den Zählwirkungsgrad (neudeutsch Efficiency) des Beta/Gamma-Detektors ansehen. Dieser beträgt für die masselose, reine Gammastrahlung < 1%, d.h. von 100 einfallenden Gammaquanten macht nur < 1 Wechselwirkung mit dem Detektor und wird als Impuls registriert. Dagegen wechselwirkt jedes einfallende Betateilchen auf Grund seiner Masse mit dem Detektormedium und wird als Impuls gezählt.

Um nun zur Beurteilung eines Strahlenfeldes auf die gefährlichere Tiefendosis (Ganzkörperdosis) zu kommen, werden die Gammaimpulse des Zählrohres mit einem ermittelten und fest eingestellten Kalibrierfaktor ips/µSvh-1, Impulse pro Sekunde pro µSv pro Stunde, versehen und in Abhängigkeit der Impulsrate die daraus resultierende Dosisleistung errechnet und angezeigt (in der Regel wird dafür bei der Kalibrierung die 662 keV Gamma-Energielinie des Ba-137m, Tochter vom Cs-137, verwendet).
Kommt nun Betastrahlung (in gleicher Teilchenanzahl wie Gammaquanten!) in das Zählrohr, stimmt dieser Kalibrierfaktor wegen der höheren Wechselwirkung der Betateilchen mit dem Zählrohr nicht mehr, die Dosisleistungsanzeige wird u.U. um den Faktor > 100 überhöht angezeigt, weil das Zählrohr, und damit auch das Gerät, nicht zwischen Betastrahlung und Gammastrahlung unterscheiden kann und alle Impulse so bewertet als wären sie Gammastrahlung.

Kurzum: mit solchen Geräten wird Gammastrahlung quantitativ gemessen, Betastrahlung qualitativ nachgewiesen.

Gruß
Norbert

Karl-Heinz

Vielen Dank, das ist echt mal ne super Erklärung!

Die könnte man bei der Anfängerberatung anheften :good2: