Halde Stolzenberg

Begonnen von d-etfa, 24. März 2025, 19:22

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

d-etfa

Die Halde Stolzenberg ist seit Jahren ein interessantes Forschungsobjekt, mit dem ich mich in mehreren Projekten und Vorträgen beschäftigt habe. Dabei fielen mir an einigen Stellen relativ hohe Werte (über 1µSv/h) auf, die ich beobachtet, erforscht und künstlerisch bearbeitet habe. In verschiedenen Bildungskontexten (Studierende aus Regensburg, Bauhaus Uni Weimar, Gestaltungsschule Gera) haben wir diesen Ort besucht, um über die Wahrnehmung, das Auftreten und die Unsichtbarkeit von radioaktiver Niedrigstrahlung zu sprechen und zu arbeiten. Grund- dafür ist seine gute Erreichbarkeit  die Abwesenheit einer Kennzeichnung als Uranbergbauhinterlassenschaft, die, potentielle Einschränkungen in der Nutzung transparent machen sollte, aber aktuell nicht tut.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

50.8662249106428, 12.228598594665527

Es handelt sich um einen ehemaligen Tagebau, der von 1956-1960 betrieben wurde und in dem rund 100t Uran gefördert wurden (die Quellen variieren). 1974-77 wurde der Tagebau mit Abraum, der im Betrieb der Halde Beerwalde anfiel, verfüllt. 1977-79 wurde die Halde konturiert und mit 1m Erde abgedeckt. Sie befindet sich in unmittelbar zwischen Autobahn A4 und der Zugstrecke Glauchau-Göttingen.                                                                                                                   

Das Objekt ist als Nr. 62 im Altlastenkataster Thüringens erfasst, d.h. es war/ist nicht im Sanierungsauftrag der Wismut GmbH. Das Gelände ist hügelig, ein Rundweg führt um und durch die Halde, welcher deutliche Auswaschungen, Geotextilien und darunter liegende Gesteinsschichten erkennen lässt. Der Baumbestand ist heute ein Mischwald mit überwiegend Eichen, Linden, Birken und Pappeln - es wachsen Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren. Im nördlichen Bereich gab es einen sehr dichten Lärchenbestand, der jedoch Mitte der 2010er Jahre gerodet wurde. Ortsunkundige finden keinen Hinweis darauf, dass es sich bei dem Waldstück um eine Uranabraumhalde handelt. Ein Wanderweg ,,Revitalisierungspfad" führt am östlichen Rand über die Halde direkt zur Raststätte Löchichau.

Am unteren Kreuzweg hatte ich bisher einen ,,Hotspot" ausgemacht - mit besagten Werten um 1µSv/h. Darüber hatte ich auch im Kirchlichen Umweltkreis Ronneburg berichtet - eine Zeit ohne viel Interesse. Dann tauchten neue Unterlagen aus den 50er Jahren auf: bestehend aus einer groben Karte ohne Maßstab, aber mit deutlich erhöhten Messwerten, allerdings noch unterhalb des Kreuzweges in Richtung Bahndamm. Anhand markanter Punkte habe ich die Karte über osm gelegt und das fragliche Gebiet mit den erhöhten Messwerten eingegrenzt. Mit dem RadiaCode habe ich das Gebiet abgeschritten und konnte weitere deutlich erhöhte Werte messen. Sie decken sich nicht ganz mit den Hotspots aus den 1950er Jahren, sind aber in ähnlicher Position. Die These, dass es sich um von Waggons gefallenes Material handeln könnte, erscheint mir nicht sehr plausibel. Ich meine, es könnte sich, wie vielleicht im Ronneburger Wald, um im Prozess abgelagertes Material oder dessen Auswaschungen handeln.

Ein ausführlicher Artikel im Ronneburger Strahlentelex zu diesem Thema folgt. Über Hinweise zur Nutzungsgeschichte des Tagebaus und der späteren Halde würden wir uns sehr freuen.

       
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen. 
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.                                             


DL3HRT

#1
Ich hatte mit @d-etfa wegen der Halde Stolzenberg telefoniert und war am 19. Februar kurz dort. Ich hatte nicht viel Zeit aber mit dem RadiaCode-103 konnte ich die Hotspots an den entsprechenden Stellen deutlich ausmachen.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Vom geparkten Auto führte ein Weg in Richtung des Bahndamms. Hinter diesem befinden sich die Hotspots.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Wenn man dem Weg folgt, gelangt man nach kurzer Zeit an eine Eisenbahnunterführung.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Nach der Unterführung wendet man sich dann nach links entlang des Bahndamms.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Zuerst dachte ich auch, dass das Schottermaterial des Bahndamms aktiv ist, aber die aktivsten Stellen befinden sich etwas abseits vom Bahndamm zwischen Bäumen und Gestrüpp. Zuweit weg, als dass es mit dem Bahndamm zu tun haben könnte.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Für eine ausführliche Untersuchung der Halde hatte ich leider keine Zeit. Es könnte sich aber durchaus lohnen, die Wege zu untersuchen. Für deren Bau soll Wismutschotter zum Einsatz gekommen sein.

DG0MG

Vielen Dank für die Vorstellung eines neuen "Ortes"!  ;)  Da kann man ja bei nächster Gelegenheit auch mal hinschauen.

Zitat von: d-etfa am 24. März 2025, 19:22Es handelt sich um einen ehemaligen Tagebau, der von 1956-1960 betrieben wurde

Auch wenn das nichts groß ändert, in der "Chronik der Wismut", Kapitel 2.2.14.0.1 steht einerseits:
Aufschluss Sept. 1954, Betrieb bis 1957:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Weiter hinten, in Kapitel 2.2.14.6 Seite 4 steht dann tatsächlich die andere Angabe:

"Tagebau Stolzenberg
Der Tagebau Stolzenberg wurde in den Jahren 1956 bis 1960 südlich der Bundesautobahn A 4 in Höhe
der Ortslage Stolzenberg auf einer Fläche von 7,0 ha mit den Abmessungen 350 m x 140 m aufgefahren.
Die maximale Teufe lag bei 264 m NN (ca. 30 m unter der Rasensohle). Das Volumen des
Tagebaus wird mit 900 Tm³ angegeben. Die Urangewinnung betrug 92,0 t.
In den Jahren 1974 bis 1977 wurde der Tagebau mit Haufwerk aus der Teufe der Schächte in Beerwalde
verkippt und mit Kulturboden abgedeckt.
Die Halde Stolzenberg wurde im Rahmen der Wiederurbarmachung 1977 bis 1979 teilweise profiliert.
Die Böschungen wurden auf 1:2,5 abgeflacht.
Bis auf die neu angelegten Wege wurde die gesamte Halde mit Kulturboden (Lößlehm) aus dem Vorfeld
der Lkw-Halde des Bergwerkes Beerwalde abgedeckt. Die Haldenabdeckung beträgt 1,0 m. Die
ca. 16 ha große Halde (einschließlich Haldenvorfeld) wird forstwirtschaftlich genutzt.
"

Zitat von: d-etfa am 24. März 2025, 19:22Das Objekt ist als Nr. 62 im Altlastenkataster Thüringens erfasst, d.h. es war/ist nicht im Sanierungsauftrag der Wismut GmbH.

Warum eigentlich nicht?
Weil die Fläche schon zu DDR-Zeiten als "saniert" den örtlichen Behörden übergeben wurde?
Ich war bisher der Meinung, dass die zeitliche "Grenze" für den Sanierungsauftrag der Übergang zwischen SAG WISMUT zu SDAG WISMUT war, also ab 1954. Das ist aber dann offenbar nicht so.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Zitat von: DG0MG am 25. März 2025, 09:49Warum eigentlich nicht?
Weil die Fläche schon zu DDR-Zeiten als "saniert" den örtlichen Behörden übergeben wurde?
Genau das dürfte der Grund sein. Die Halde gilt seit 1979 als (nach dem damaligen Regeln) saniert.

DG0MG

Hier mal ein Screenshot aus der Schummerungskarte des Thüringen Viewer , hier sieht man gut die Form der Halde:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Aus der Entfernung ist die Halde ein ganz schöner Hügel, den ich - obwohl schon häufiger vorbeigefahren - bisher nicht sonderlich für voll genommen habe.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Zitat von: d-etfa am 24. März 2025, 19:22Das Gelände ist hügelig, ein Rundweg führt um und durch die Halde, welcher deutliche Auswaschungen, Geotextilien und darunter liegende Gesteinsschichten erkennen lässt.

@DL3HRT und ich waren heute mal dort und sind alle Wege, die das Haldengelände durchziehen, abgelaufen. Einige sind benutzt, andere zugewachsen, ein kleines Stück überhaupt nicht mehr als Weg erkennbar.
Auffällig ist, dass zu einem großen Prozentsatz die Wege eine höhere Ortsdosisleistung aufweisen, als das unmittelbar daneben liegende Haldengelände. Das lässt natürlich annehmen, dass die Wege mit anderem Material unterschottert sind, das einen höheren Urangehalt besitzt, als das restliche Haldenmaterial.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen. Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Wie auf dem Schummerungsbild schon zu erahnen, sind die Hänge teilweise ganz schön steil:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen. Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Wie von @d-etfa festgestellt, ist aber eine beträchtliche Anomalie außerhalb der Wege im südlichen, flachen Bereich, nördlich der Bahnlinie zu finden. >1 µSv/h in Gürtelhöhe auf größeren Flächen, Ein Maximum von fast 3 µSv/h auf der Grasnarbe, mit ein wenig Graben waren im Loch 5 µSv/h zu messen:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen. Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Das ausgegrabene Material war feinkörnig, keine größeren Brocken. Ob das jetzt z.B. Tailings sind, lässt sich schwer sagen.
Von dieser Fläche, die vom Baumbestand recht "wild" aussieht, führt ein dickes Entwässerungsrohr unter dem Bahndamm hindurch nach Süden. Da hab ich leider kein Foto gemacht. Es ist anzunehmen, dass über diesen Weg auch Material weggeschwemmt wird.

Es gibt im Geoportal Thüringen leider nur zwei Luftbildflüge, die auch noch 30 Jahre auseinanderliegen. Einmal 1953, da ist vom Tagebau noch nichts zu sehen:

Bild 195310_08014_pan
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

und dann 1983, da sieht man die "sanierte" noch unbewaldete Halde:

198304_0057_pan
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Hier nochmal ein Ausschnitt der Stelle mit der erhöhten Dosiseistung, der Pfeil zeigt auf den Wasserdurchlass unter der Bahn.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Da bleibt mir nur noch, das Spektrogramm der Bodenprobe nachreichen. Das bietet natürlich keine Überraschungen, denn außer der Uran-Radium-Reihe war nichts weiter zu erwarten.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Ich frage einen Bekannten, ob er das Material auf seinen Schwermetallgehalt (Arsen, Cadmium, Blei etc.) untersuchen kann. Vielleicht lassen sich daraus Schlüsse zum Material ableiten.

DL3HRT

Wir haben uns gestern gefragt wo sich denn der eigentliche Tagebau Stolzenberg befunden hat, dabei standen wir direkt davor :D . Ich habe @DG0MG noch gefragt, wozu denn die vielen Schächte auf dem Feld gut sind...
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

In den "Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft", Band 77 von 1995 kann man dazu ab Seite 336 lesen:

ZitatBei dem Objekt Stolzenberg handelt es sich um einen Tagebau vergleichsweise geringer
Größe aus der Zeit vor 1960. Die Halden wurden damals, in der Frühzeit der Wismut-Tätigkeit,
planlos direkt neben dem Tagebau (hier westlich davon) angelegt. Der Boden,
es handelte sich um Ackerland, wurde einfach von den Abraummassen überschüttet.
Restloch und Halden blieben nach Beendigung der Gewinnungsarbeiten mehr als 10
Jahre lang so liegen, wie sie verlassen wurden. Erst 1972 wurde ein erstes
Bodengeologisches Gutachten zur Wiederurbarmachung angefordert.

Während dieser Zeit lief die Planung und Projektierung des Schachtes Beerwalde, in nur
etwa 1 km Entfernung von dem Objekt Stolzenberg. Dort war ab 1974 mit dem Anfallen
großer Massen (der Schacht-Teufmassen) zu rechnen. Die Agitation des Gutachters,
diese Teufmassen nicht in Beerwalde aufzuhalden, sondern sie in das Restloch
Stolzenberg zu verbringen, hatte schließlich Erfolg: Das Restloch wurde mit diesen
Massen flurgleich aufgefüllt.

Gleichzeitig konnte durchgesetzt werden, dass von der Aufstandsfläche der späteren
Halde Heerwalde der "Kulturboden" in seiner ganzen Mächtigkeit (i. allg. > 2 m)
abgetragen wurde. Aus seiner Masse wurde als erstes Objekt die Wiederurbarmachung
1978/79 in Stolzenberg bestritten: Der Lösslehm, als agronomisch wertvollerer oberer
Teil für den aufgefüllten Tagebau, das Schiefer-Verwitterungssubstrat für das vorher
durch Raupen-Schiebearbeit profilierte Haldenareal.

Das ,,Bodengeologische Abnahmegutachten" vom 22.05.1979 konnte ordnungsgemäße
Durchführung gemäß dem "Vorfeldgutachten" feststellen.

Die deutsche Projektleitung der Wismut und der Gutachter konnten damals mit Recht
darauf stolz sein, dieses Vorhaben gegenüber der sowjetischen Leitung durchgebracht zu
haben. Diese hatte die höheren Kosten als Argument gegen den Transport der Massen
nach Stolzenberg ins Feld geführt.

Heute ist die mit 1 m Lösslehm überzogene etwa 8 ha große Fläche des aufgefüllten
ehemaligen Tagebaues voll in die ackerbauliche Bodennutzung integriert; die
ursprüngliche Bergbaunutzung ist nicht mehr erkennbar.


In dem 1 m mächtig aufgebrachten Schieferwitterungssubstrat (± toniger Lehm mit
wechselndem Skelettanteil, i. D. um 50 Vol.-%) ist die Aufforstung (vorwiegend mit
Lärchen) als gut gelungen zu bewerten.

Der Tagebau befand sich also östlich der Halde. Es dürfte sich also um große Teile des Ackers handeln. Die vorhandenen Straßen deuten seine Kontur an.
Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

DG0MG

Auf der Seite https://blog.burg-posterstein.de/2020/04/14/der-uranbergbau-in-sachsen-und-thueringen/ ist ein Foto des Tagebaues in den 60er Jahren zu sehen.

Das erscheint mir etwas groß, aber die Beschreibung ist eindeutig.
"Tagebau Stolzenberg, nähe Autobahnabfahrt A 4, Ronneburg, 1960er Jahre
©Foto Ernst Bräunlich, Archiv Museum Burg Posterstein
"
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Auf dem Foto ist die Halde nicht zu sehen. Schwer zu sagen, aus welcher Richtung es aufgenommen wurde. Im ersten Moment scheint es so, als ob in Richtung Sonne fotografiert wurde. Gehe ich allerdings nach dem Schattenwurf am linken Hang, so scheint die Sonne leicht von links.