Darf es etwas Radon sein? Der Radon-Mess-Thread

Begonnen von katze, 03. Januar 2020, 00:35

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katze

In dem Thread hier über Uranglas https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,146.msg1797.html#msg1797 kam das Thema Radon vor, es ging um ein Uranglasspektrum, aufgenommen mit einem nur rudimentär abgeschirmten Gammaspektroskop.
Also vom Themengebiet eher 2 Paar Stiefel, deshalb hier nun ein neuer Thread zu Radonmessungen, Experimenten, Vergleichen, usw.

Ein paar grundlegende Fakten zu Radon finden sich in der wikipedia, aber das nur am Rande:
https://de.wikipedia.org/wiki/Radon
https://de.wikipedia.org/wiki/Radonbelastung

In obengenanntem Thread geht es kurz um die Messung von Radon und Radonfolgeprodukten. Dazu der Beitrag von NoLi:
Zitat..einen Staubsauger nehmen, das Düsenrohr/die Düse entfernen und über die Öffnung ein Papiertaschentuch oder einen Kaffeefilter dichtsitzend mit Hilfe eines Gummis drüber spannen. Den Luftstrom so einregeln, dass der Filter nicht zerstört/eingesaugt wird. Jetzt kannst Du die an Staub gebundenen Radon-Folgeprodukte auf dem Filter anreichern, die Sammelzeit sollte mindestens eine halbe Stunde betragen (wegen Einstellung des radioaktiven Gleichgewichts der gesammelten Folgeprodukte). Unmittelbar, oder nach einer bestimmten kurzen Zeit, mit Hilfe eines betaempfindlichen Zählrohres die Aktivität des Filters messen (Halbwertszeit der Folgeprodukte ~ 50 min!); hierfür eignet sich der GammaScout auch sehr gut.
Dies sind zwar keine quantitative Analysen (es fehlen z.B. Angaben über Gleichgewichtsfaktoren), aber mit gleichen Probenahme-Einstellungen und Messzeiten kannst Du vergleichende Messergebnisse an Proben aus verschiedenen Räumen und dem Aussenbereich bekommen.
Für quantitative Radon-Messungen empfehle ich Dir das RadonEye der koreanischen Firma FTLAB. Dieses Gerät schnitt bei unseren Tests in einer Radon-Kammer mit Vergleich mit dem professionellen Alpha-Guard überraschend gut ab und kostet zwischen 250 und 300 €.

Übrigens eignen sich für die Luftstaubsammlungen besonders gut Glasfaserfilter, weil bei diesen Filtern Feinstaub bis 1µm Partikelgröße und mit ihnen die staubgebundenen Radon-Folgeprodukte zu über 99% abgeschieden werden.

Diesen Staubsaugertest habe ich heute mit einem 0815 Staubsauger (dessen Luftstrom aber immerhin regulierbar ist) durchgeführt, also mal 30min im Zimmer Luft durch ein Papier-Taschentuch eingesaugt, ohne dass der Filter Schaden nimmt, danach Messung an dem Taschentuch mit einem Gammascout im Modus "beta+gamma".

Anfänglich liegen bei mir die Messwerte bei rund 0.6cps, spätestens nach einigen Stunden ergibt sich wieder der "Normalmesswert" mit 0.4cps.

Ok, nun packt mal eure Geigerzähler aus, macht den Staubsauger startklar und postet dann hier eure Messwerte ;)

Es gibt zig Faktoren (Niederschlag, Position im Gebäude, Baumaterial, etc) die auch einen Einfluss auf das Messergebnis haben können, aber dazu mehr, evtl, falls dieser Thread nicht untergeht.

LG, katze

NoLi

Hmmm, vielleicht war das Papiertaschentuch doch nicht das optimale Filtermedium (je nachdem, wie dicht die Zellulose verwoben ist, gibt es entscheidende Filterungsqualitäten).
Eine (wahrscheinlich) bessere Methode ist die Messung des Feinststaubfilters des Motorfilters; ich vermute, dass dieser Filter wesentlich dichter verwoben ist und wahrscheinlich aus Glasfasermaterial besteht. Wichtig ist dabei, während des Sammeln keinen Staubbeutel im Gerät zu haben. Und man kann das Gerät mit voller Drehzahl und damit vollem Durchsatz sammeln lassen. Ein Videobeispiel hier:




Hier noch ein Beispiel mit Wolle anstelle Staubbeutel:



Gruß
Norbert

Floppyk

Nette Videos zur alten Problematik. Dennoch ist im ersten Video ein sachlicher Fehler. Radon ist schwerer als Luft und steigt nicht aus dem Boden aufwärts. Aber das ist auch das Problem. Denn es sammelt deswegen bevorzugt in tiefer gelegenen Kellerräumen. Wäre es leichter als Luft, könnte es sich auch nicht in Räumen nennenswert ansammeln.

NoLi

Vom Atomgewicht her gesehen stimmt die Aussage schon, Radon ist schwerer als Stickstoff und Sauerstoff. Aber es ist ein Edelgas, und wir haben Diffusion und Konvektion durch Luftdruckschwankungen und Wind. Auch enthalten Wandbaumaterialien spuren von Radium (besonders Rotschlammziegel und Naturstein), somit diffundiert auch aus deren Oberfläche ebenso Radon, wenn auch gegenüber dem Erdboden in untergeordneter Rolle; es sei denn, man wohnt in einem alten Haus in, laut §121 StrlSchG, "Gebieten".

Gruß
Norbert

Floppyk

Edelgas heißt ja nur, dass es mit anderen Elementen keine chemische Verbindung einhergeht.
Das hat aber nichts mit seinem spezifischem Gewicht zu tun. Es ist schwerer als Luft uns sammelt sich am Boden, insbesondere im Keller, wo es dann auch mit einfachem Lüften schwer aus dem Raum zu bringen ist. Deswegen muss man das schon aktiv in Bodennähe absaugen.

Mich würde aber mal interessieren, ob man mit der Filtermethode im Staubsauger nicht eher die nachfolgenden Zerfallsprodukte, bzw. Anhaftungen davon an anderen Staubpatrikeln misst, die dann im Gewebe hängenbleiben. Radon als Gas sollte doch recht ungehindert durch den Filter marschieren können, oder?

Prospektor

Korrekt, Radon ist das dichteste Gas in elementarer Form und deshalb in einem geschlossenen System eher unten zu finden. Dennoch ist es tatsächlich verhältnismäßig mobil und breitet sich erstaunlich schnell aus. Dass im Keller i.d.R. höhere Konzentrationen gefunden werden hängt auch damit zusammen, dass die Durchlüftung dort sehr viel schlechter ist, als in den höheren Stockwerken. Zudem dringt es eben hier aufgrund mangelnder Abdichtung oft aus dem Erdreich in die Gebäude ein. Sind in den oberen Stockwerken allerdings auch Rn-exhalierende Materialien verbaut, so kommt man auch dort schnell auf zu hohe Konzentrationen, vor allem bei schlechter Durchlüftung.

Und ja: die am Staub anhaftende Radioaktivität kommt ausschließlich von den Rn-Töchtern. Es handelt sich hierbei um geladene Atome, welche sich sehr rasch an Aerosole/Staub/etc. anhaften und dann als solche im Filter landen. Rn selbst geht nicht nur durch den Filter (selbst auf atomarer/molekularer Ebene gibt es hier so gut wie keine Wechselwirkung), sondern kann sogar dünne Kunststofffolien durchdringen. Es ist echt fieses Zeug  ;D

katze

Den Zerfall des Rn222 in seine Töchter kann man hier gut überblicken:
https://www.bfs.de/SharedDocs/Bilder/BfS/DE/ion/umwelt/radon-grafik-zerfallsreihe.jpg?__blob=poster&v=2
So ergibt sich auch die "HWZ" von ca. 50min.

Ich war mit meiner Gammascout-Messung komplett unzufrieden, deshalb habe ich die Messung heute noch mal mit dem GMC-320+ wiederholt, da sieht das viel realistischer aus. Warum das beim Gammascout so komplett schiefging, muss ich noch herausfinden; wäre interessant wie das bei jmd anderem aussieht.

NoLi

Was für einen Zählrohrtyp hat denn der GMC-320+ ?
War das Zählrohr im geschlossenen Gehäuse oder "nackt" zum Filter?

Gruß
Norbert

Geo-Johnny

Zitat von: NoLi am 03. Januar 2020, 17:33
Was für einen Zählrohrtyp hat denn der GMC-320+ ?

Das chinesische M4011 Zählrohr. Sehr ähnlich dem SBM-20.

M4011-Datenblatt
GMC320+V5 & GMC500+ & BR-6[br]M4011; SI-3BG; SBT-9; LND712; SBM-20

NoLi

Somit hat das "nackte" Zählrohr eine Glasoberfläche von ca. 23 cm²; wenn die Strahlung von einer Seite kommt, eine "aktive" Oberfläche von max. 23/2 cm², also ca. 11,5 cm².

Die Fensterfläche des LND-712 im Gamma-Scout beträgt ca. 0,7 cm².

Jetzt müsste man zum Vergleich noch wissen, wieviel cm² die gesamten Schlitze des Gehäuses oberhalb des Zählrohres vom GMC-320+ aufweisen.

Gruß
Norbert

katze

Stimmt, verzeiht, das hatte ich gar nicht dazugeschrieben: Ich hatte das Gehäuse des GMC offen, das Taschentuch in direktem Kontakt zum Zählrohr.

In dem Gehäuse des GMC-320+ sind 10 Schlitze über eine Gesamtlänge von 74mm, jeder etwa 1.5mm breit und grob geschätzt 8mm hoch, das ergäbe ein Fläche von 120mm² über die das Zählrohr "offen liegt".

Die Messung an dem GS habe ich übrigens heute noch einmal wiederholt, es bleibt dabei, eine wirklich nennenswerte Erhöhung der Zählrate ist nicht zu bemerken. Ich würde ja fast behaupten, dass mein Gammascout kaputt ist, verglichen mit dem Video von "gesund_leben" (das erste der oben von NoLi verlinkten Viddies) ist das ja ein Unterschied wie Tag und Nacht! Allerdings stimmen die in dem "Pottasche-Thread" https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,232.0.html ermittelten Werte des Gammascout ja recht gut, und ein Petromax Glühstrumpf bringt etwa 7µSv/h auf der Anzeige.

LG, katze

DL3HRT

Radon ist ein sehr komplexes Thema. Ich wollte ohnehin etwas zu dem Thema schreiben, bin aber noch beim Sammeln von Messwerten.

Wer neu in das Thema einsteigt, dem kann ich das Radon-Handbuch des BfS empfehlen.

Ich habe seit knapp 3 Monaten zwei "RadonEye" im Einsatz. Ein Gerät steht im Keller und ein Gerät im Zimmer unserer Tochter. Wir wohnen in einer Doppelhaushälfte. Das Haus wurde um 1920 gebaut. Es ist teilunterkellert, wobei es sich um einen Erdkeller handelt. Der Keller hat keine Bodenplatte, so dass der gewachsene Lehmboden freiliegt. Es gibt zwei eine kleine Lüftungsöffnung vom Keller nach drauße. Er ist ebenfalls über eine Lüftungsöffnung mit dem Hausflur verbunden. Die Messwerte im Keller haben mich anfangs erschreckt, sind aber bei den Gegebenheiten völlig normal. Schließlich kann das Radon problemlos über den Lehmboden in den Keller gelangen. Das Monatsmittel liegt bei 480 Bq/m3. Das liegt deutlich über dem Richtwert von max. 300 Bq/m3. Da der Keller unbewohnt ist geht von der erhöhten Radonkonzentration keine Gefahr aus.

Ich habe die Messkurve angehängt. Wie man sieht ändert sich die Radonkonzentration ständig und auch in großem Maßstab. Dabei hat seit Beginn der Messungen niemand den Keller betreten. Ursachen für die Veränderung der Radonkonzentration sind Temperaturschwankungen, Luftdruckunterschiede, Wind etc. Manche Sachen konnte ich dem Wetter eindeutig zuordnen, andere nicht.

Noch einmal: Die Messbedingungen haben sich während des gesamten Zeitraums nicht geändert! Die Messkurve zeigt auch, wie schwierig interpretierbar Radonmessungen sind, wenn sie nur über einen kurzen Zeitraum durchgeführt werden.
Noch verrückter wird es bei den Messungen im Kinderzimmer. Dieses wird regelmäßig gelüftet, was man anhand der Messwerte auch sehr gut sehen kann. Der Mittelwert liegt hier bei 150 Bq/m3. Diesen Wert kann man tolerieren.

Noch eine Bemerkung zum "RadonEye": Die Messwerte werden im Intervall von 1 Stunde abgespeichert. Das Gerät bestimmt alle 10 Minuten einen neuen Messwert. Allerdings erfolgt eine Messwertglättung über die letzte Stunde. So schön wie es in der Werbung klingt "Messwert im 10  Minuten Intervall" ist es in der Praxis halt nicht, da man auch noch die Messwerte der letzten Stunde "mitschleppt". Man kann anhand der Impulsanzeige sofort sehen, wenn gelüftet wird. Ehe sich das im angezeigten Messwert niederschlägt dauert es aber (zu) lange.

Ich experimentiere derzeit mit dem nackten Sensor des RadonEye und einem ESP32 Mikrocontroller. Da kann ich jederzeit die aktuelle Zahl der registrierten Impulse auslesen und den Messwert wesentlich schneller anpassen. Ich werde zu gegebener Zeit über die Ergebnisse berichten. Auf jeden Fall werden ich den Sensor mit einem Temperatur-/Feuchte-/Luftdrucksensor verbinden um den Verlauf der Messwerte besser zu verstehen.






NoLi

@Katze

An deinem GammaScout düfte es nicht liegen. Ich denke, der große Unterschied zwischen Video-Messung und Deiner Messung liegt auch im Luftdurchsatz des Filters. Je größer dieser ist, desto mehr Radon-Folgeprodukte werden abgeschieden. Im Video läuft der Sauger offensichtlich Full Power. Bei einem Taschentuch dürfte dieser Durchsatz nicht so hoch sein, sonst wäre das Tuch sehr schnell im Rohr verschwunden oder zumindest im Einsaugbereich durchlöchert.
Ferner ist, wie schon erwähnt, das Filtermaterial für die Feinstaubanreicherung wesentlich. Ich denke, für ein Taschentuch dürfte die Zellulose nicht allzu dicht verwoben sein, somit wäre der Abscheidegrad nicht so gut. Und was nicht drauf bleibt, sondern durch geht, kann auch nicht gemessen werden.
Wichtig wäre auch noch, dass vor der Probenahme einige Zeit (ein paar Stunden) nicht gelüftet wurde. Die Radon-Folgeprodukte müssen sich erst aus dem Radon aufbauen und an Staubteilchen heften können (hier ist ein Raucherhaushalt eindeutig im Vorteil... :D).

Probiere es doch mal, wie im Video, nur mit dem Motorstaubfilter ohne Staubsaugerbeutel aus. Sollten auch hier keine deutlichen Impulserhöhungen wie im Video rauskommen, dann Glückwunsch: Du hast kein Radon-Problem! :yahoo:

Hast Du es, zum Vergleich, mal im Keller probiert?

Und ruhig den Sauger mal eine dreiviertel bis eine Stunde laufen lassen, damit sich die abgeschiedenen Folgeprodukte auch zum Gleichgewicht aufbauen können. Wir machen dies bei unseren quantitativen Luftradioaktivitätsmesspraktika so (allerdings mit Industriestaubsammler, runden Glasfaserfiltern 20 cm Durchmesser und Messung der Impulsraten (Alpha und Beta getrennt) mit gasgespülten 20cm-Proportionalzähler in Bleiburg mit 5 cm Blei).

Gruß
Norbert

DL3HRT

Vor längerer Zeit habe ich einen Versuch durchgeführt, die Radonexhalation von Superphosphat-Dünger mit dem Gammaspektrometer zu erfassen. Dazu habe ich mehrere Räucherkohlekompretten für 3 Wochen auf den Dünger gelegt. Zwischen Dünger und Kohlekompretten befand sich eine Lage Küchenrolle, damit die Kohlekompretten nicht mit dem Dünger kontaminiert wurden.

Die anschließenden Messungen im Gammaspektrometer zeigten deutlich die Tochternuklide Blei-214 und Bismut-214. Wie zu erwarten ist bei die Radium-226 Linie nicht zu sehen.  Das darf sie auch nicht, da sich das Ra-226 im Dünger und nicht in den Kohlekompretten befindet. Die Kohlekompretten haben lediglich das Radon-222 gebunden.  Pb-214 und Bi-214 sind durch den Zerfall des Rn-222 entstanden. Man kann in den Spektren sehr schön sehen, wie die Aktivität allmählich geringer wird. Die Abnahme passt gut zur Halbwertszeit des Rn-222 von 3.8 Tagen.

Na-22

Ich bin kürzlich auf eine interessante Veröffentlichung gestoßen:
http://www.westmeier.com/wp-content/uploads/2017/01/Alphas_with_open_GMcounter.pdf

Da wird die Radonkonzentration in der Luft mit zwei Pancake-Detektoren bestimmt. Das Besondere ist, dass keine spezielle Messkammer benötigt wird. Im Beispiel wird mit zwei Inspector Radiation Alert von S.E. International Inc. gearbeitet.