Jod-131-Wolke anzeigen?

Begonnen von Joachim, 07. Dezember 2024, 12:10

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Joachim

Auch wenn dieses Forum eher andere Themen behandelt:
Das Zeug heißt
"KALIUMIODID Lannacher 65 mg"
und ist tatsächlich aktuell noch frei verkäuflich, apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig.
Nur leider ist die Einnahme-Indikation / der Zeitpunkt schwierig.
Einnahme "nach Aufforderung durch Behörde oder Arzt".
Auf die Behörde kann man in Deutschland lange warten, da das Medikament gar nicht flächendeckend verfügbar ist (das kennen wir schon von Corona: Sind keine Masken da, dann werden auch keine empfohlen) und viele Ärzte (ich inklusive) keine Ahnung haben, weil sie (ich leider auch) zu wenig von Kernphysik verstehen.
Ich würde mich freuen, wenn jemand da eine einfache Empfehlung geben könnte...

Joachim

NoLi

Zitat von: Joachim am 10. Dezember 2024, 19:08...
Einnahme "nach Aufforderung durch Behörde oder Arzt".
Auf die Behörde kann man in Deutschland lange warten, da das Medikament gar nicht flächendeckend verfügbar ist (das kennen wir schon von Corona: Sind keine Masken da, dann werden auch keine empfohlen) und viele Ärzte (ich inklusive) keine Ahnung haben, weil sie (ich leider auch) zu wenig von Kernphysik verstehen.
Ich würde mich freuen, wenn jemand da eine einfache Empfehlung geben könnte...
...
Richtig erkannt: Einnahme nach Aufforderung durch die untere Katastrophenschutzbehörde (und diese bekommt ihre Weisungen entweder direkt aus dem Innenministerium und/oder dem Bundesamt für Bevölkerungs-und Katastrophenschutz BBK). Ansonsten kurz (max. wenige Stunden) vor Eintreffen einer J-131 haltigen Wolke. Ist die Wolke schon mal da, ist eine Einnahme nicht mehr so effektiv bis so gut wie unwirksam.
Es kommt halt darauf an, wie schnell die Schilddrüse das Jod der Tabletten in der Schilddrüse speichert und dieses gespeichert bleibt (das ist dein Fachgebiet ;D ). Solange die Schilddrüse jodgesättigt ist, ist auch ein Schutz gegeben.

Norbert

Joachim

Meines Wissens nach ist die Wirkung der Tabletten noch 80%, wenn man sie 2h nach der Wolke nimmt, weil die Aufnahme durch die Schilddrüse recht kangsam ist.
Am besten aber 2h vor der Wolke.
Wenn man aber auf sich allein gestellt ist, dann bei Verdacht aif Jod 131: Atemschutz mit Nuklearfilter und bei Nachweis von nennenswerter Jod 131 Dosis die Jodblockade mittels Kaliumjodid-Tabletten und 2 Stunden Maske auf lassen.
Dann wechsel auf Partikelfilter (FFP3) möglich.
Das ist meine Info.
Weiß einer was besseres?

Joachim

NoLi

Zitat von: Joachim am 10. Dezember 2024, 20:01...
Dann wechsel auf Partikelfilter (FFP3) möglich.
...
Das ganze klingt vernünftig. Und da das meiste J-131 nicht elementar, sondern an Feinstaub gebunden vorkommen wird, stellt auch die FFP3-Maske in Zusammenarbeit mit den Jodtabletten einen gewissen Schutz vor Aufnahme dar.

Norbert

Joachim

Wenn Du das sagst, Norbert, dann freut mich das!
Jetzt sind wir wieder am Abfang des Chats:
Ist das Gamma Spektrometer KC761B geeignet, mir zu sagen, ob eine Kalumjodid-Gabe wegen des gasförmigen Anteils an J-131 sinnvoll ist oder ob die FFP3-Maske reicht.
Ich würde nach Deiner Info Norbert sagen, dass ich im Spektrometer bei einem steigenden J-131-Pik am  Nuklearfilter die Kaliumjodid-Gabe empfehlen würde.
Wenn einer es besser weiß, dann lasse ich mich aber gerne belehren.

Joachim

NoLi

Joachim,

für weitere Infos empfehle ich Dir folgende Literatur:

https://dserver.bundestag.de/brd/2023/0393-23(neu).pdf
(insbesondere Tabelle C.2.2 , Seite 236 "Aufforderung zur Einnahme von Jodtabletten" und  Tab. C.2.4. , Seite 238 "Kriterien für die Angemessenheit von frühen Schutzmaßnahmen bei Notfällen, in denen nur wenige Informationen vorliegen und noch Stunden bis zur Freisetzung verbleiben" und Tab.C.2.5 , Seite 247 "Kriterien für die Angemessenheit von frühen Schutzmaßnahmen bei Notfällen, in denen nur wenige Informationen vorliegen und die Freisetzung unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen hat" ; auch Tab. C.2.9 , Seite 258 "Richtwerte für Kontrollmessungen mit ODL-Messgeräten an der Schilddrüse zur Ermittlung der Schilddrüsen-Äquivalentdosis")

https://www.base.bund.de/shareddocs/downloads/de/rsh/dosiskoeffizienten-teil2-2.pdf?__blob=publicationFile&v=2
(Seite 221 - 224)

Norbert

Joachim

Na ich hoffe Du hast das alles gelesen und kannst das Wichtigste in 2 Sätzen zusammenfassen?
Dafür brauche ich etwas länger. Ich schlafe bei dem Behörden-Deutsch immer ein... :wacko:

NoLi

Da verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, kann man dies mit zwei Sätzen nicht abhandeln...da musst Du schon durch ;D

Norbert

Joachim

...oh sorry, mein Display hat eben nur die Hälfte angezeigt.
Da hast die Seiten dazugeschrieben. Das habe ich eben nicht angezeigt bekommen.
Danke Dir!!!
Das lese ich mir mal gerne durch...

Joachim

Elektroniknerd

Zitat von: Joachim am 10. Dezember 2024, 20:56Ist das Gamma Spektrometer KC761B geeignet, mir zu sagen, ob eine Kalumjodid-Gabe wegen des gasförmigen Anteils an J-131 sinnvoll ist
Rechne es nach:
NoLi hat oben für 100nSv am Filter (das müsste der KC761 in 20...30 Minuten messen können(*)) 8kBq in der Maske abgeschätzt.
Für alles, was Empfindlicher sein soll, brauchst du eine Bleiburg zum messen (und die Messzeit mit dem KC761B geht dann eher in Richtung Stunden.)

Bei 2m³ Luft durch die Maske sind das 4kBq/m³ die man "grade noch" messen kann.
(Ein Mensch soll so 12m³ am Tag atmen, mit Aktivität kann das deutlich mehr werden. In Ruhe wären das also 4h Filternutzung.)

Im Wiki-Artikel zur Iodblockade ist der Dosiskoeffizient mit 3,89E-7 Sv/Bq  und der Eingreifrichtwert 250mSv (... für >18 Jahre alt und nicht Schwanger) angegeben.

Bei 100% Aufnahme-Effektivität (über die Lunge) wären das 0,250/3,9E-7 = 640kBq, die da sein dürfen, bevor die Iodblockade empfohlen wird.
Wenn man von 5 Belastungs-Tagen ausgeht, dann bekommt man 640kBq/(5Tg.*12m³)=rund 10kBq/m³ als Grenze für die Iodblockade, und die kann die Abschätzung mit dem KC761 her geben.

Die Werte für Kinder und Schwangere sind deutlich kleiner, da wird das nicht mehr klappen. 

Jetzt wäre dann noch interessant, was überhaupt in welcher Entfernung passieren muss, damit man solche Dosen überhaupt erreicht.


----
(*) ganz grobe Schätzung, der Radiocode ist eher etwas langsamer, der Raysid sollte das etwas schneller schaffen, nämlich eine "brauchbare" Statistik für den üblichen Hintergrund bei 364keV abzuliefern.
P.S.: Kleine Gemeinheit: Pb214 (kommt in der Uran/Radium/Radon-Zerfallskette vor) hat eine Linie bei 352keV, also ganz in der Nähe der 364keV des I131. Das Pb 214 sammelt sich im Filter natürlich auch an und zerfällt mit einer HWZ von 27Minuten - das muss man für empfindliche Messungen in der Bleiburg abwarten.

Elektroniknerd

Zitat von: NoLi am 10. Dezember 2024, 21:45insbesondere Tabelle ..., Seite [...]

Cool, das beantwortet ja die Frage, in welcher Entfernung da "Eingreifrichtwert-Dosen" erwartbar sind, bei rund 250km von Doel, Cattenom und Tihange bis Paderborn (Standort des TE) kommt das wohl nur für Schwangere und Kinder in Frage.

NoLi

Zitat von: Elektroniknerd am 10. Dezember 2024, 22:15...
Bei 2m³ Luft durch die Maske sind das 4kBq/m³ die man "grade noch" messen kann.
(Ein Mensch soll so 12m³ am Tag atmen, mit Aktivität kann das deutlich mehr werden. In Ruhe wären das also 4h Filternutzung.)
 ...
Kleiner Hinweis: der "Norm"Mensch hat bei normalen Tätigkeiten eine "Norm"Atemrate von 1,2 m³/h.

Norbert

Joachim

Danke Euch für Eure Infos - echt super!

Joachim

...Vielleicht noch mal für die Nur-Hobby-Physiker wie mich:
Das Pb214 bewirkt dann im Spektrometer einen so großen Pik, dass man den Pik von J-131  daneben nicht sehen kann?

Joachim

NoLi

Zitat von: Joachim am 11. Dezember 2024, 07:34...Vielleicht noch mal für die Nur-Hobby-Physiker wie mich:
Das Pb214 bewirkt dann im Spektrometer einen so großen Pik, dass man den Pik von J-131  daneben nicht sehen kann?
Nein, dies nicht, aber auf Grund der relativ großen Halbwertsbreite (FWHM) des CsJ-Detektors des KC761B werden diese beiden Peaks zu einem breiten Peak verschmolzen dargestellt.

Norbert