Der schlechte Atem der Erde...

Begonnen von Harald der Strahler, 29. September 2024, 17:44

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Harald der Strahler

Ich bin viel in der Natur unterwegs, dabei hängt oft mein Radiacode am Gürtel. Bei einer Wanderung fiel mir die leicht erhöhte Hintergrundstrahlung in einem kleinen Wäldchen in einem Tal auf. Der Radiacode zeigte um die 10 CPS an. Außerhalb des Waldes sind es nur ca. 4 CPS.
Bei genaueren Messungen stellte ich fest, dass die Strahlung vor allem in Gräben und Senken erhöht war. An dem Tag war es windstill und meine Vermutung war, dass es sich um Radon handeln könnte, da es eine für Gas relativ hohe Dichte hat. Außerdem war eine andere natürliche Quelle für die Strahlung unwahrscheinlich. Von der Geologie her besteht das Gestein im Boden aus Muschelkalk und das Tal ist mit Sedimenten aufgefüllt.
Da Radon am besten über seine Zerfallsprodukte nachzuweisen ist, habe ich auf einer meiner nächsten Exkursionen mein GMC 600+ (Pancake für Alphastrahlung) mitgenommen. Es war ein warmer Sommertag und ich saß mit einem Bierchen am Rand einer ca. 5m tiefen Doline im besagten Waldstückchen. Es war ein Naturschauspiel... der GMC 600+ zeigte um die 60 CPM an, aber immer, wenn ein leichter Luftzug von der Doline kam, fing er an zu rattern und zeigt über 100 CPM.

Harald der Strahler

Jetzt wollte ich es genau wissen. Bei meinem nächsten Besuch habe ich mein Radon Eye mit Powerbank mitgenommen und habe es auf dem Grund der Doline platziert. Nach 10 Minuten (1. Messung vollendet) kam ein wütendes Piepsen vom Radon Eye – über 2600 Bq/m3! (Für die, die sich mit Radon nicht so auskennen: Grenzwert in Gebäuden: 300 Bq/m3 (Deutschland); 100 Bq/m3 (WHO).)
Nach 20 Minuten waren es über 3000 Bq/m3. Nach 30 Minuten waren es über 3500 Bq/m3. An dieser Stelle habe ich die Messung abgebrochen, da ich Angst um die Kalibrierung meines Radon Eyes hatte. Wird das Gerät längere Zeit bei zu hohen Radonkonzentrationen betrieben, reichern sich die Radonzerfallsprodukte in der Ionisationskammer des Gerätes an (Zerfallsprodukte: Po 218 (3,1 min), Pb 214 (27 min); Bi 214 (20 min); Po 214 (164 uS). Nach 10 Halbwertszeiten sind die Produkte zu Pb 210 zerfallen mit einer Halbwertszeit von 22 Jahren. Wenn sich zu viel dieses Isotops gebildet hat, stimmt natürlich die Kalibrierung des Gerätes nicht mehr. Durch den kontinuierlichen Zerfall würde das Gerät eine zu hohe Radonkonzentration anzeigen.)
Also, wenn ihr euer Radonmessgerät kaputtmachen wollt, oder mit einer kostenlosen Radon-Kur liebäugelt, dann besucht das kleine Wäldchen: https://maps.google.com/maps?q=48.8343018,8.8789638
(Achtung, nicht direkt an der Straße parken. 150 m südöstlich zweigt ein Waldweg ab. Dort kann man parken und von hinten her an die Doline gelangen.)

opengeiger.de

Also Dein Radiacode dürfte ja nur auf die Gammastrahlung reagieren. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass es im schwäbischen Schichtstufenland vor allem im Keuper einige Sandsteine gibt, die deutlich mit Uran imprägniert sind. In Murrhart hat auch schon mal die Esso Erz GmbH nach Uran gebohrt und wurde sogar fündig. Nur gelohnt hats nicht zum Abbau.

Jetzt noch die Frage an @Harald der Strahler : Hats denn in dem Wäldchen wo ne Quelle, wo man Wasser zapfen kann? Wenn ja, lass eine leere Sprudelflasche voll laufen und kipp das Wasser zu Hause durch ein Glasfaserfilter (Macherey@Nagel) in nem Büchner Trichter. Danach das Filterpapier kurz auf die Herdplatte zum Trocknen und dann den Zähler drauf. Wenns tickt hast Du eine Radonquelle gefunden. Würd mich jetzt nicht wundern.  :) 

PS: der Boden sieht auch rötlich sandig aus: Buntsandstein?

Harald der Strahler

Zitat von: opengeiger.de am 29. September 2024, 21:12Jetzt noch die Frage an @Harald der Strahler : Hats denn in dem Wäldchen wo ne Quelle, wo man Wasser zapfen kann? Wenn ja, lass eine leere Sprudelflasche voll laufen und kipp das Wasser zu Hause durch ein Glasfaserfilter (Macherey@Nagel) in nem Büchner Trichter. Danach das Filterpapier kurz auf die Herdplatte zum Trocknen und dann den Zähler drauf. Wenns tickt hast Du eine Radonquelle gefunden. Würd mich jetzt nicht wundern. 

Leider nicht. Da muss es schon stark regnen und dann ist es nur Oberflächenwasser. Das Biotop in der Nähe kann auch nur wegen der Teichfolie überleben...
Das Gestein ist oberer Muschelkalk und der Buntsandstein fängt erst ein paar Kilometer weiter westlich an.

opengeiger.de

Du hast recht! Ich hab mal im LRGB Kartenviewer nachgeschaut, dort sind schon Muschelkalkformationen ausgewiesen moM und moTK und dann noch in der Nähe der Strasse lol also Lösslehm. Wenn man sich aber die Lithologie dazu anschaut, sind da auch noch Tonmergel eingelagert. Darin könnte ein gewisser Urangehalt vorliegen. Rötlich sieht das Gestein auf den Fotos doch aus. Stimmt der Farbeindruck?  Muschelkalk ist dagegen gelblich weiß. Von Uran im klassischen Muschelkalk habe ich bisher noch nichts gehört. Und irgendwoher müssen die kräftigen Radon-Schwaden ja her kommen. Von weit sicher nicht. Vielleicht schaue ich mir die Ecke mal an. Ist ja auch ein nette Wandergegend  :) 

Harald der Strahler

Ja, die Farbe auf den Fotos täuscht etwas. Der rote Farbton rührt hauptsächlich von den vielen Fichtennadeln her.
Wo das Uran / Radium herkommen soll ist mir auch ein Rätsel. Das Radon kann schon weite Strecken zurücklegen. In vielen Wäldern im Umkreis gibt es tiefe Dolinen, d.h. es gibt viele Klüfte und Spalten, die weit in die Tiefe reichen können.

Harald der Strahler

Dass der Radiacode eine höhere Zählrate anzeigt muss nicht unbedingt auf Uranvorkommen in unmittelbarer Nähe zurückzuführen sein. Wenn sehr viel Radon vorhanden ist, so gibt es auch viel Pb 214 (27 min) und Bi 214 (20 min) als Zerfallsprodukte. Beide sind Beta- Strahler, die der Radiacode trotz seiner geringen Empfindlichkeit auf Beta-Strahlung dedektiert. Ich muss mal bei Gelegenheit mit Betaabschirmung nochmals messen...

opengeiger.de

Also an das beliebige hin- und herfliessen der Radon-Schwaden kann ich noch nicht so recht glauben. Wenn wir mal die Zerfallsprodukte anschauen, die sich leicht detektieren lassen, dann ist das Ultra-Feinstaub, das ist also nach dem Anheften in der Größenordnung von Rauchpartikeln einer herkömmlichen Zigarette (nicht e-Zigarette). Jetzt kann man mal einem Raucher einer herkömmlichen Zigarette zuschauen, wie sich da eine Rauchschwade bewegt und wie sie in die saubere Luft diffundiert, nachdem sie genug abgekühlt ist und wie sie dann der Thermik der übrigen Luft folgt. Da müssten wir schon eine heftige Inversionswetterlage haben, dass der Rauch in einem Tal bleibt. Also ich glaube noch immer an was Geogenes. Aber es gibt doch Leute die gehen gerne mit dem Radiacode an die frische Luft. Daher habe ich mal gegoogelt und habe drei Gesteinsaufschlüsse in der Nähe gefunden:

1.)   Auf dem Betzenbuckel bei N 48.819254 E 8.843727 gibt es einen aufgelassenen Steinbruch
2.)   bei N 48.820222 E 8.907727 in der Nähe der Autobahnunterführung zwischen Perouse und Flacht gibt es wohl auch Reste eines Steinbruchs
3.)   und an der Leonbergerstraße am Ortseingang von Flacht unterhalb des Hartsmannsberg gibt es an der Straßenböschung einen Gesteinsaufschluss.

Dort könnte man vielleicht ohne Schirmung des Oberbodens vor allem mit dem Zählrohr (Beta) an der Oberfläche des Gesteins messen und schauen ob man da nichts findet.
Dann könnte man auch noch am Steinbruch und Schotterwerk der Firma Mertz am Geißberg schauen, der noch in Betrieb ist. Ob man nicht wo an das offene Gestein ran kann, oder ob die Laster da wo was verloren haben. Das ist zwar ein Muschelkalk-Steinbruch, aber wie schon gesagt, da hats auch immer wieder Tonmergelgestein dazwischen, was interessant sein könnte.

Dann habe ich bei N48.833887, E8.881886 auf einem Luftbild (unten) zwei kleine Seen ausgemacht. Haben die einen Zulauf? Dieses Wasser könnte man auch mal mit der schon beschriebenen Methode auf seinen Radongehalt testen. Auch Oberflächenwässer werden schließlich zur Prospektion benutzt. Also das sind doch einige interessante Spaziergänge, oder?  ;D

NoLi

Zitat von: Harald der Strahler am 30. September 2024, 19:26Dass der Radiacode eine höhere Zählrate anzeigt muss nicht unbedingt auf Uranvorkommen in unmittelbarer Nähe zurückzuführen sein. Wenn sehr viel Radon vorhanden ist, so gibt es auch viel Pb 214 (27 min) und Bi 214 (20 min) als Zerfallsprodukte. Beide sind Beta- Strahler, die der Radiacode trotz seiner geringen Empfindlichkeit auf Beta-Strahlung dedektiert. Ich muss mal bei Gelegenheit mit Betaabschirmung nochmals messen...
Pb-214 und Bi-214 sind auch ganz nette Gammastrahler mit einer ganzen Latte unterschiedlicher Photonenenergien.

Zitat von: Harald der Strahler am 30. September 2024, 19:18...
Wo das Uran / Radium herkommen soll ist mir auch ein Rätsel. Das Radon kann schon weite Strecken zurücklegen. In vielen Wäldern im Umkreis gibt es tiefe Dolinen, d.h. es gibt viele Klüfte und Spalten, die weit in die Tiefe reichen können.
Die Gesteinskarten zeigen meist die Oberflächengesteinsart an.
Ich denke, die Klüfte reichen schon in größere Tiefen, wo sich uranhaltige Gesteinsschichten befinden. Und wenn sich ein Tiefdruckgebiet nähert und der Luftdruck sinkt, quillt verstärkt Bodenluft mit Rn-222 aus den Klüften.

Norbert

Flipflop

Ist aus dem Jura und war mal Dort, habe nur Munitionsreste und mit dem RC 102 Cs 137 gefunden, allerdings hatte ich auch keine Zeit zum richtig suchen:

http://www.nucfilm.ch/rasoil.html

Harald der Strahler

Zitat von: opengeiger.de am 30. September 2024, 20:03Also an das beliebige hin- und herfliessen der Radon-Schwaden kann ich noch nicht so recht glauben. Wenn wir mal die Zerfallsprodukte anschauen, die sich leicht detektieren lassen, dann ist das Ultra-Feinstaub, das ist also nach dem Anheften in der Größenordnung von Rauchpartikeln einer herkömmlichen Zigarette (nicht e-Zigarette). Jetzt kann man mal einem Raucher einer herkömmlichen Zigarette zuschauen, wie sich da eine Rauchschwade bewegt und wie sie in die saubere Luft diffundiert, nachdem sie genug abgekühlt ist und wie sie dann der Thermik der übrigen Luft folgt. Da müssten wir schon eine heftige Inversionswetterlage haben, dass der Rauch in einem Tal bleibt. Also ich glaube noch immer an was Geogenes. Aber es gibt doch Leute die gehen gerne mit dem Radiacode an die frische Luft. Daher habe ich mal gegoogelt und habe drei Gesteinsaufschlüsse in der Nähe gefunden:

1.)   Auf dem Betzenbuckel bei N 48.819254 E 8.843727 gibt es einen aufgelassenen Steinbruch
2.)   bei N 48.820222 E 8.907727 in der Nähe der Autobahnunterführung zwischen Perouse und Flacht gibt es wohl auch Reste eines Steinbruchs
3.)   und an der Leonbergerstraße am Ortseingang von Flacht unterhalb des Hartsmannsberg gibt es an der Straßenböschung einen Gesteinsaufschluss.

Dort könnte man vielleicht ohne Schirmung des Oberbodens vor allem mit dem Zählrohr (Beta) an der Oberfläche des Gesteins messen und schauen ob man da nichts findet.
Dann könnte man auch noch am Steinbruch und Schotterwerk der Firma Mertz am Geißberg schauen, der noch in Betrieb ist. Ob man nicht wo an das offene Gestein ran kann, oder ob die Laster da wo was verloren haben. Das ist zwar ein Muschelkalk-Steinbruch, aber wie schon gesagt, da hats auch immer wieder Tonmergelgestein dazwischen, was interessant sein könnte.

Dann habe ich bei N48.833887, E8.881886 auf einem Luftbild (unten) zwei kleine Seen ausgemacht. Haben die einen Zulauf? Dieses Wasser könnte man auch mal mit der schon beschriebenen Methode auf seinen Radongehalt testen. Auch Oberflächenwässer werden schließlich zur Prospektion benutzt. Also das sind doch einige interessante Spaziergänge, oder?  ;D


Ich glaube auch, dass es geogen ist, aber nicht aus dem Muschelkalk, sondern wie NoLi schreibt, aus den tieferen Erdschichten emporsteigt. Unter der Erde können Radonkonzentrationen z.T. extrem hohe Werte erreichen. Nur ein Teil des Radons gelangt aber an die Oberfläche. Wenn allerdings sehr viele Klüfte und Höhlen den Boden durchziehen kann sich das Radon dort sammeln und z.B. bei Dolinen relativ leicht an die Oberfläche gelangen.
Die Teiche die du gezeigt hast sind, wie ich schon erwähnt habe, nur der Teichfolie zu verdanken. Das Wasser ist Regenwasser. Das ist auch verständlich, da es sich um ein Muschelkalkgebiet handelt, in dem das Wasser sofort versickert. Da das Waldstück in einem sehr flachen Tal liegt reicht dies nicht aus, dass das Wasser an die Oberfläche in Form einer Quelle oder eines Baches gelangt.
Radon / dessen Zerfallsprodukte im Wasser nachweisen, steht auch noch auf meiner To-Do-Liste. Allerdings fehlt mir noch das Filtermaterial.

Harald der Strahler

Zitat von: Flipflop am 01. Oktober 2024, 08:48Ist aus dem Jura und war mal Dort, habe nur Munitionsreste und mit dem RC 102 Cs 137 gefunden, allerdings hatte ich auch keine Zeit zum richtig suchen:

http://www.nucfilm.ch/rasoil.html
Interessanter Artikel. Ob der Muschelkalk um die Dolinen für die hohen Radongehalte verantwortlich sind muss sich noch herausstellen.

NoLi

Zitat von: Harald der Strahler am 01. Oktober 2024, 19:04...
Radon / dessen Zerfallsprodukte im Wasser nachweisen, steht auch noch auf meiner To-Do-Liste. Allerdings fehlt mir noch das Filtermaterial.
Wichtig ist: es muß ein GLASFASER-Filter sein!

Norbert

opengeiger.de

Das sind die richtigen. Dazu ein passenden Büchnertrichter und viel Geduld beim Durchgießen! Eventuell mit einem Kaffefilter die Schwebstoffe zuerst abfiltern, da das Glasfaserfilter schnell verstopfen kann.

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 01. Oktober 2024, 21:25Das sind die richtigen. Dazu ein passenden Büchnertrichter und viel Geduld beim Durchgießen! Eventuell mit einem Kaffefilter die Schwebstoffe zuerst abfiltern, da das Glasfaserfilter schnell verstopfen kann.
Kaffeefilter ist nicht so gut, auch der filtert leider einen geringen unbekannten Anteil der Radon-Folgeprodukte. Besser das Schwebstoffmaterial im Probenwasser erst absetzen lassen und dann dekantieren. Die Probenflasche muß randvoll gefüllt sein, damit kein Luftpolter vorhanden ist, in das Radon diffundieren kann. Damit sich in dem im Wasser gelösten Radon genügend Folgeprodukte bilden können, die Probe ein paar Tage stehen lassen.

Norbert