Kalium

Begonnen von opengeiger.de, 03. September 2024, 16:16

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Irgendwie treibt mich die Idee dieser Schularbeit um, welche die Themenstellung hat, zu zeigen, dass man mit dem modernen ,,Geigerzähler", gemeint ist beispielsweise der Radiacode, die Lichtgeschwindigkeit messen kann. Das alte Thorium ist sicher eine Lösung, aber hinsichtlich der didaktischen Wertigkeit war ich doch noch nicht so ganz zufrieden. Jetzt kam mir aber eine vereinfachende Idee, die nah am Thorium dran ist, aber nicht ganz so sehr in die Tiefe geht, weil es nicht erforderlich ist Positronen und ihre Vernichtungsstrahung zu diskutieren. Das wäre schon ein wenig heftig. Es reicht nämlich auch, nur die Compton-Streuung als theoretischen Background zu diskutieren und die tritt ja beim Radiacode besonders deutlich auf. Hier also mein Vorschlag, der auf der Messung eines Kalium-Spektrums beruht. Das geht ja ganz einfach z.B. mit ein paar Tütchen Müller's Pottasche (https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,232.0.html) oder etwas Kalidünger aus dem Gartenmarkt. Und da es hier bisher noch keinen dedizierten Thread für den Stoff Kalium gibt, fang ich mal einen an, vielleicht kommt ja noch was dazu, auch wenn es nicht ganz so spannend ist wie das Thorium. Dafür ist es als Salz oder Oxid recht kinderfreundlich.  :D

Wenn es also z.B. in einer GFS oder Facharbeit der Kursstufe am Gymnasium darum geht, zu zeigen, dass es eine einfache Möglichkeit gibt, mit einem modernen ,,Geigerzähler" wie dem Radiacode die Lichtgeschwindigkeit mit einer ungefährlichen NORM-Quelle nachzuweisen, dann genügt es völlig ein Kalium-40 Spektrum aus handelsüblichen stark Kalium-haltigen Substanzen aufzunehmen. Als Quelle eignet sich z.B. Kaliumcarbonat (Pottasche) in Form von Backtriebmittel (30g Tütchen) oder ein reiner Kaliumdünger (Kaliumoxid). Hat man ein Spektrum für ausreichende Zeit aufgenommen, und zwar so, so dass der Photopeak des K40 bei 1461keV trotz des kleinen CsI-Detektorkristalls und der geringen Detektoreffizienz statistisch sicher zu sehen ist (Messzeit im Bereich von einem oder mehreren Tagen) dann liegt der theoretische Schwerpunkt im Verständnis der Compton-Streuung und der richtigen Deutung des Spektrums.

Auf Grund der Tatsache nämlich, dass der Detektorkristall so klein ist (1cm^3) tritt beim Radiacode in recht deutlicher Weise eine Compton-Streuung auf. Diese Compton-Streuung erzeugt im Gamma-Spektrum eine deutlich sichtbare Kante bei 1243keV. Diese Energie hängt im Beispiel des K40 aber ausschließlich von der Energie der Photonenstrahlung des K40-Isotops im natürlichen Kalium (Egamma = 1461keV) und von der Einstein'schen Energie-Massen-Relation m0e*c^2 = 511keV für das in Ruhe befindliche Compton-Elektron ab. Daher kann man die Lichtgeschwindigkeit direkt aus der Lage der Compton-Kante am Beispiel des K40 berechnen. Dafür kann folgende Beziehung zwischen der Lichtgeschwindigkeit und den im Spektrum messbaren Größen Egamma und Ec hergeleitet werden:


c = sqrt(2*Egamma*(Egamma/Ec-1)/m0e)


Darin ist Egamma=1461keV die Energie des Photopeaks beim K-40, Ec=1243keV die Lage der Compton-Kante beim K-40 und m0e die Ruhemasse des Elektrons.

In der Praxis sieht das Spektrum des Radiacode an einem Kalidünger so aus:
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@NoLi So kann man jetzt auch das Kalium im Background erkennen. Man erkennt es also beim Radiacode eher am Compton-Tal als an einem Photopeak. Auch eine Erkenntnis!

Theoretisch müsste die Energieverteilung der Compton-gestreuten Elektronen im Detektor so aussehen (berechnet nach den Formeln von Klein-Nishina /1/ Seiten186-187), blau die Compton-Streuung rot der Photopeak:
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Entzerrt man das real gemessene Spektrum mit der inversen Detektoreffizienz des kleinen Kristalls, dann wird der Zusammenhang sehr deutlich erkennbar (der Peak zu Beginn des Spektrums stammt von der Röntgenfluoreszenz des Bleis in der Messkammer):
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Setzt man nun den aus dem Spektrum gemessenen Wert von Ec=1246keV und Egamma= 1461keV in die obige Gleichung ein, ergibt sich c=2.98e+08m/s.  :yahoo:



/1/ Hanno Krieger; Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes; Springer Verlag¸ https://doi.org/10.1007/978-3-8348-2238-3
/2/ Fortgeschrittenenpraktikum für Bachelorstudenten der Physik ¨Versuch T2
Gammaspektroskopie und Compton-Streuung
RWTH-Aachen Februar 2015
https://institut2a.physik.rwth-aachen.de/de/teaching/praktikum/Anleitungen/T02_Deutsch.pdf


Also, wer hat einen Sprössling, der seine Note in Physik noch etwas aufpimpen möchte oder eine Anregung für die Berufswahl bzw. fürs Studium braucht?  ;)

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So hier habe ich nun noch ein Beispiel für Pottasche als Alternative zum Kalidünger aus dem Gartencenter. Im Prinzip ist das zunächst mal etwas langweilig, aber wenn man etwas genauer hinschaut, dann entdeckt man doch noch was.

So sieht also das RC-101 Spektrum maximal gerade gekippt aus:
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Und ein bisschen reingezoomt in den Compton-Streubereich:
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Für die Messung habe ich 3 Päckchen Pottasche oben auf den Radiacode gepackt und 3 darunter. Da sich die Päckchen etwas verformen lassen, war das auch fast eine Marinelli-Geometrie, wie beim Kalidünger. Ich habe auch einen Plastik-Überzieher benutzt, das müsste die Betas nochmal etwas dämpfen. So komme ich dann auf 100nSv/h in der Bleiburg, das ist für eine Kaliumprobe gar nicht so schlecht.

Also zunächst sieht das Spektrum ja ganz gleich aus wie der Kalidünger, man sieht den Photopeak bei 1461keV und die massive Compton-Streuung im Detektor, die wohlgemerkt von den gestreuten Compton-Elektronen herrührt und nicht von den geschwächten Photonen, die den kleinen Kristall schnell wieder verlassen. Der Compton-Berg ist von der Fläche der Counts her, die drunter liegen, deutlich größer als der Photopeak. Das ist das große Problem für eine Aktivitätsbestimmung mit dem Radiacode. Die Comptonkante liegt wieder bei 1243keV.

Einen Annihilationspeak sieht man nicht, genauso wenig wie einen Escape-Peak. Die Paarbildung wird sich so knapp über 1022keV wohl in Grenzen halten und die Compton-Streuung wird als Streumechanismus dominieren. Besonders bei einem Lebensmittel schaut man allerdings schon genauer hin. Da fällt dieser ein kleiner Peak auf, kurz bevor es mit der XRF bei niedrigen Energien wieder hochgeht, weil der kleine Detektorkristall dort seine maximale Effizienz hat. Entzerrt man das Spektrum mit der inversen DRF des RC-102, dann kommt er deutlich kleiner raus, aber er ist immer noch deutlich sichtbar. Bei rund 200keV denkt man auch schnell an eine leichte Kontamination durch Th-nat. wegen des Pb212. Aber eine Kontrolle des Background zeigt, dass es zumindest mal nicht aus der Kammer kommt. Was sich dagegen nun vielmehr aufdrängt, ist der Gedanke an eine Compton-Streuung im Blei, wenn wir schon mal bei dem Herrn Compton sind.
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Es müsste ja so sein, dass die Compton-Streuung nicht nur auf den Detektor beschränkt bleibt, wenn ich die Pottasche-Päckchen, in die der Radiacode eingewickelt ist, einfach so aufs Blei in der Bleikammer lege. Die K40 Photonen gehen genauso ins Blei und werden dort Compton-gestreut. Nur mit einem kleinen Unterschied. Hier werden die Compton-Elektronen absorbiert und sind damit für den Detektor nicht sichtbar. Was jetzt dagegen sichtbar wird, sind die durch die Streuung geschwächten Gamma-Photonen des K40. Und denen fehlt jetzt genau die Energie, welche in den gestreuten Compton-Elektronen im Blei verbleiben ist, die wir sonst von der Absorption in dem Detektorkristall her kennen. Das aber bedeutet, dass wir im Kristall nun die gestreuten und geschwächten Photonen sehen und die müssen die inverse Energieverteilung der gestreuten Elektronen im Blei haben. Denn wenn die Compton-Elektronenverteilung ihr Maximum an der Comptonkante bei 1243keV hat, dann haben die gestreuten Photonen aus dem Blei ihr Maximum bei 1461keV-1243keV=218keV und das Plateau des Photonen-Streuspektrums aus dem Blei erstreckt sich dann bis zum Photopeak. Das heißt aber dieser Peak bei 218keV ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Rückstreupeak der Compton-gestreuten Photonen aus dem Blei. So passt dann auch schön zur Beschreibung in https://institut2a.physik.rwth-aachen.de/de/teaching/praktikum/Anleitungen/T02_Deutsch.pdf :
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Wenn dem so wäre, dann hätten wir damit den Rückstreupeak des K40 in einer Bleikammer auch mal gesehen. Es sei denn es kommen jetzt Gegenstimmen zu meiner Vermutung.

An dieser Stelle will ich auch noch auf die ,,Spectrum Isotopes Library" von Radiacode hinweisen, kennt ihr die schon? 
 
https://www.radiacode.com/de/spectrum-isotopes-library

Das K40 Spektrum dort ist allerdings recht rudimentär. Leider hab ich noch nicht rausgefunden, woran man in dieser Library erkennen kann, mit welchem Kristalltyp (CsI oder GAGG) gemessen wurde. Also so ein schönes Ra-226 Spektrum bekomme ich mit meinem RC-101 nicht hin, selbst mit der schönsten alten Uhr mit Leuchtzeigern nicht. Oder haben die vielleicht schon einen größeren Kristall in der Planung und es ist eine Sneak-Preview?