Auch interessant - Uranwürfel aus Nazi-Versuchsreaktoren

Begonnen von Reinhold, 17. September 2019, 14:46

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NoLi

Im Atomkeller in Haigerloch befinden sich in einer Vitrine zwei Original-Uran-Würfel der ehemaligen Versuchsanlage:



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Gruß
Norbert

Floppyk

Mich würde da mal interessieren, ob diese Uranwürfel aus angereichertem Uran bestanden. M.W. hatten erst später die USA die Technik zur Anreicherung.

DL3HRT

ZitatMich würde da mal interessieren, ob diese Uranwürfel aus angereichertem Uran bestanden. M.W. hatten erst später die USA die Technik zur Anreicherung.
Diese Würfel bestanden nicht aus angereichertem Uran. Gleichwohl gab es auch in Deutschland Forschungen zur Anreicherung, nur konnte man (noch) keine großen Mengen angereichertes Uran herstellen. Man geht davon aus, dass Ende 1944 einige 100 Gramm schwach angereichertes Uran zur Verfügung standen. Unterlagen, aus denen man die hergestellten Mengen entnehmen kann, sind leider noch nicht entdeckt worden.

Quelle: Karlsch, "Hitlers Bombe"

NoLi

Die Uranwürfel bestanden und bestehen aus Uran in der natürlichen Isotopenzusammensetzung, also metallisches Natururan. Im Deutschen Reich fanden keine Versuche zur Urananreicherung statt, sondern es wurde in Norwegen durch Isotopenanreichung Schweres Wasser (Deuterium) erzeugt, welches aus kernphysikalischen Gründen zu Kernspaltungen mit Natururan unbedingt erforderlich war. Später wußte man, dass reiner Kohlenstoff (Graphit) die gleichen kernphysikalischen Eigenschaften wie Schweres Wasser besitzt (daher waren die ersten Reaktoren in den USA. Großbritanien, Frankreich, Russland mit viele Tonnen schweren Graphitkernen ausgestattet). Auch nach 1945 fanden keine entsprechenden Versuche in der Bundesrepublik statt, weil die westlichen Aliierten bis 1955 sämtliche Versuche auf den kerntechnischen Gebieten untersagt hatten.

DL3HRT

Zitat..Im Deutschen Reich fanden keine Versuche zur Urananreicherung statt...
Es fanden Mitte der 1940er Jahre schon Versuche zur Urananreicherung statt, die aber in der Regel nicht über den Labormaßstab hinausgingen. Auch war der Grad der Anreicherung nicht sehr hoch.

Dafür gibt es sogar handfeste Beweise: siehe hier

NoLi

Interessant!
Weil die im Labormaßstab erzeugten Mengen unbedeutend waren, ist darüber kaum was bekannt. Und die wenigen Unterlagen darüber hatten die Amis wohl lange unter Verschluß.
Man lernt nie aus...

Floppyk

Man stelle sich das mal vor. Atom für Atom auf die Waage legen und mit der Pinzette entsprechend verteilen. Hinzu kommen noch die Verunreinigungen gemäß der Zerfallsreihe.
Eine Schweinearbeit, sag ich dir.

NoLi

Ein Artikel aus dem FOCUS vom 27.06.2020:

>>Rätsel um radioaktiven Würfel gelöst. Als Physiker anonymes Paket öffnen, halten sie Uran aus Hitlers Atomtests in der Hand.<<

https://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/raetsel-um-radioaktiven-wuerfel-geloest-ein-mysterioeses-geschenk-aus-hitlers-atomversuchen_id_11469793.html

Zitat: "Im Zuge der Recherchen klärte sich auch zumindest zum Teil die Frage, was mit all diesen Uranwürfeln nach dem Krieg passierte. In Deutschland hatte sich ein Schwarzmarkt mit den Würfeln entwickelt und immer wieder waren den Amerikanern zu völlig irrationalen Preisen solche Würfel angeboten worden. Da sie den Kauf ablehnten, schlugen die Sowjets zu – ein Großteil dieser Würfel dürfte in die Sowjetunion gewandert sein. Dort allerdings verlieren sich ihre Spuren.
Einige wenige landeten aber doch in den USA, und zwar auf privatem Weg."

Hmm, die Amerikaner hatten also überhaupt kein Interesse am deutschen Uran...und nur einige wenige Würfel fanden den Weg durch Privatleute (!) in die USA.
Und ach ja, kein Wort im FOCUS-Artikel über die "ALSOS"-US-Spezialgruppe  https://de.wikipedia.org/wiki/Alsos-Mission  , deren einzige Aufgabe es war, die Uranwürfel sicher zu stellen und die vorhandenen Experimentiereinrichtungen zu eliminieren.

Was soll man von solch einer "journalistisch/wissenschaftlichen Erkenntnis" halten... :unknw:

Gruß
Norbert

DL3HRT

ZitatHmm, die Amerikaner hatten also überhaupt kein Interesse am deutschen Uran...und nur einige wenige Würfel fanden den Weg durch Privatleute (!) in die USA.
Und ach ja, kein Wort im FOCUS-Artikel über die "ALSOS"-US-Spezialgruppe  https://de.wikipedia.org/wiki/Alsos-Mission , deren einzige Aufgabe es war, die Uranwürfel sicher zu stellen und die vorhandenen Experimentiereinrichtungen zu eliminieren.
Die Amerikaner hatten in der Tat kein Interesse am deutschen Uran. Sie hatte selbst mehr als genug davon, zumindest genug für ihre Brutreaktoren und die erste Uranbombe. Samuel Goudsmit, der wissenschaftliche Leiter der ALSOS-Mission hat einen der Würfel sogar als Briefbeschwerer verwendet :-)

Die Aufgabe der "ALSOS"-Mission war mitnichten die Sicherstellung der Uranwürfel und die Zerstörung der Experimentiereinrichtungen. ALSOS hatte nur eine einzige Aufgabe, nämlich herauszufinden, wieweit das deutsche Atomprogramm gediehen war und welche Ergebnisse erreicht wurden. Dazu gehörte vor allem das Finden und Festsetzen der wichtigen Leute. Die Amerikaner hatten panische Angst davor, dass die Deutschen genausoweit waren wie sie oder möglicherweise sogar noch weiter. Dass man dafür gesorgt hat, dass aufgefundene Sachen nicht den Weg in die Sowjetunion fanden ist natürlich klar. Damit hatte ALSOS aber überhaupt nichts zu tun.

Empfehlenswert ist die Lektüre von Samuel Goudsmits Buch "ALSOS - The failure of German science" von 1947. Er beschreibt dort die Arbeit und Vorgehensweise von ALSOS und streut auch einige interessante Anekdoten ein. Das Buch ist reicht preiswert antiquarisch erhältlich, allerdings nur in Englisch. Mit einigen  seiner Schlussfolgerungen kann ich beim besten Willen nicht mitgehen aber das Buch an sich ist lesenswert.

DG0MG

Es gab da zwischenzeitlich noch eine Geschichte zu den Würfeln:


"Vor sechs Jahren erhielt der US-Physiker Timothy Koeth von der University of Maryland ein originelles Geburtstagsgeschenk. Es handelte sich um einen kleinen Würfel mit einer Kantenlänge von fünf Zentimetern, der erstaunlich schwer war. Das Ding, das 2,4 Kilogramm wog, war in braune Papierservietten eingewickelt. Darin fand sich ein Zettel mit einer Angabe zur Herkunft des Objekts: "Aus Deutschland mitgenommen, vom Atomreaktor, den Hitler bauen wollte."

Dieses Geschenk war für Koeth der Ausgangspunkt für spannende wissenschaftshistorische Recherchen. Die wichtigsten Erkenntnisse hat er nun gemeinsam mit der Doktorandin Miriam Hiebert im Fachblatt "Physics Today" zusammengefasst. Und auch wenn das deutsche Uranprojekt im Zweiten Weltkrieg längst gut erforscht ist, so konnten die beiden doch ein paar überraschende neue Fakten herausfinden.
"

Über diese Forschungen von Timothy Koeth hat National Geographic eine Dokumentation gemacht, die wohl auf SKY lief. Leider ist die nicht frei verfügbar, nur diverse Trailer:



"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!