Erzeugung und Detektion schneller Neutronen

Begonnen von stoppi, 20. November 2019, 12:58

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Henri

Sag mal Stoppi,

hast Du eigentlich Dein Paraffin schon mal so gemessen, ohne die Quelle? Dann könntest Du sicher gehen, dass die Erhöhung der Zählrate nicht von Verunreinigungen im Paraffin stammen. Bin ehrlich gesagt etwas erstaunt über die Erhöhung, weil ja alleine schon durch die ungünstige Geometrie eigentlich kaum was bei Deinem Zählrohr ankommen dürfte.

Viele Grüße,

Henri

stoppi

Das habe ich mir auch schon gedacht, Henri. Habe schon den geigerzähler hergerichtet gehabt für morgen, um genau das zu überprüfen.
Die Geometrie finde ich jetzt nicht so ungünstig. Das polonium wird auf seiner ganzen Länge komplett vom Beryllium abgedeckt. Dann kommen gleich das Paraffin und der geigerzähler, der dann parallel zu den poloniumstreifen ausgerichtet ist.
Was mich sehr verunsichert ist der Verdacht, dass die entstandenen Protonen es womöglich niemals bis ins Innere des geigerzählers schaffen sollten. Dem widerspricht aber der Umstand, dass mit dem Glimmerfenster ausgerichtet zur Neutronen/Protonenquelle die zählrate nicht wächst sondern sinkt. Dabei könnte dies ja unter Umständen die einzige Möglichkeit für die Protonen sein, ins innere des zählrohrs zu gelangen...
Ich werde demnächst auch einen Versuch mit einer simplen ionisationskammer + Picoamperemeter starten, wo ich die eintrittsöffnung der Kammer dann mit der wachsscheibe abdecke. Dann befinden sich die entstandenen Protonen gleich innerhalb der ionisationskammer...

NoLi

Ich könnte mir eine n/Gamma-Reaktion vorstellen...weiß aber momentan nicht, mit welcher Reaktion :unknw:
Paraffin besteht im Wesentlichen aus Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff... :unknw: :unknw:

Gruß
Norbert

stoppi

Um sicher zu gehen, dass nicht das Paraffin alleine (zum Beispiel angeregt durch kosmische Strahlung) "strahlt", habe ich heute die Zählrate mit Geigerzähler + Paraffin ermittelt.

Ergebnis: Geigerzähler + Paraffin ohne Polonium und ohne Beryllium ......... 27.43 cpm

Zum Vergleich: Geigerzähler alleine ........ 27.56 cpm

Demnach kommt die Steigerung von Messung 12 zu Messung 13 (ca. +5 cpm) eindeutig vom Beryllium und demnach können es nur Neutronen gewesen sein.  :yahoo:

stoppi

So, die Messungen mit dem Plastikszintillator BC412 + photomultiplier sind auch im Kasten. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, habe ich insgesamt 7 Messungen a 10 min durchgeführt und zwar immer abwechselnd ohne und mit Beryllium. Die Zählraten mit Beryllium waren im Schnitt um ca. 9 cps höher.

Somit konnte ich die Neutronen eindeutig mit dem Szintillator nachweisen...  :yahoo:

stoppi

Um den Messreihe mit dem Geigerzähler + Paraffin zu vervollständigen, habe ich heute noch einmal 2 Stunden mit Polonium und mit Paraffin, aber ohne Beryllium gemessen.

Ergebnisse:

Messung 12: mit Polonium, ohne Paraffin, ohne Beryllium: 29.73 cpm
Messung 15: mit Polonium, mit Paraffin, ohne Beryllium:  31.13 cpm
Messung 13: mit Polonium, mit Paraffin, mit Beryllium: 34.65 cpm

Resümee:

* Mit Paraffin aber ohne Neutronen steigt die Zählrate um rund 1.5 cpm an. Grund wird wohl die Comptonstreuung der Gammastrahlen am Paraffin sein, sodass mehr Gammaquanten in den Geigerzähler gelangen, die sonst ohne Paraffin vorbeigehen würden.

* Bei gleicher Anordnung des Paraffins steigt die Zählrate durch das Beryllium um ca. 3.5 cpm. Daher müssen (hoffentlich) Neutronen bei dem Versuch eine Rolle spielen.


stoppi

Habe den Versuch zum Nachweis von Neutronen nun auch mit einer Ionisationskammer + Pikoamperemeter durchgeführt. J. Chadwick hat ja scheinbar diesen Aufbau bei der Entdeckung des Neutrons gewählt, obwohl auf einem Bild nicht ionization chamber sonder cloud chamber (http://ne.phys.kyushu-u.ac.jp/seminar/MicroWorld3_E/3Part1_E/3P13_E/DiscoverNeutron_E.htm) steht.

Mit den reinen Alphastrahlen des Poloniums erziele ich Spannungen um die 2.3V, was einer Stromstärke von 2.3 nA entspricht. Postiere ich nun Paraffin vor der Ionisationskammer, so erhalte ich mit und ohne Beryllium, also mit und ohne Neutronen eigentlich idente Resultate und zwar leider 0.0V. Dies deckt sich aber mit folgenden Überlegungen:

500 µCi Polonium entsprechen 18.5 Millionen Alphateilchen pro Sekunde. Diese erzeugen also mit der Ionisationskammer 2.3V. Pro µCi entstehen ca. 3 Neutronen/sek, also in meinem Fall 1500 Neutronen/sek. Wenn ich nun davon ausgehe, dass nur 1% der entstandenen Neutronen ein Proton aus dem Paraffin stößt, welches dann die Ionisationskammer durchquert, so sind dies nur noch 15 Protonen/sek. Umgemünzt auf eine Spannung wären dies 0.002 mV, also hoffnungslos wenig in meinem Fall.

Wie Chadwick bei seinem Versuch ausreichend Protonen erzeugen konnte, ist mir im Moment ein Rätsel. Zudem müsste er auch noch wie ich in der Lage gewesen sein, Ströme im pA-Bereich zu messen. Umso erstaunlicher sind seine Ergebnisse von vor 100 Jahren...

DL3HRT

ZitatWie Chadwick bei seinem Versuch ausreichend Protonen erzeugen konnte, ist mir im Moment ein Rätsel. Zudem müsste er auch noch wie ich in der Lage gewesen sein, Ströme im pA-Bereich zu messen. Umso erstaunlicher sind seine Ergebnisse von vor 100 Jahren...
Die Messung von Strömen im pA-Bereich und sogar darunter war damals kein Problem. Man hat das indirekt über Goldblatt-Elektrometer gemacht. Die Blättchen wurden aufgeladen und ihre Position notiert. Über eine Lupe wurde beobachtet, wie weit sich die Blättchen in einer vorgegebene Zeit bewegt haben und daraus der entsprechende Strom berechnet. Damit konnte man, bei entsprechend langer Messdauer, Ströme bis in den Bereich von 10-15 A messen.


Henri

Ganz interessante (wenn auch simple) Idee von Chadwick, seine Quelle zu evakuieren, um eine höhere Ausbeute zu erreichen...

Schade, dass nichts über die Aktivität der verwendeten Radiumquelle zu lesen ist. Aber wahrscheinlich galt damals einfach "viel hilft viel"...


Stoppi, bei Deiner Ionisationskammer gehst Du über ewig lange Anschlussleitungen mit Krokoklemmen in Deinen Verstärker. Bekommst Du da gar keine Störungen? Ich habe auch mal eine einfache Kaffeedosen I-Kammer gebaut, mit Darlington-Transistoren. Die waren direkt an der Kammerrückwand (ein Bein ragte durch ein Loch hinein und diente zur Befestigung des Drahts, damit keine Isolationsprobleme entstehen), und dann alles noch mit einer weiteren aufgelöteten Blechdose abgeschirmt. Und die Dose brauchte vorne ein enges Gitter, bzw. ich habe Alufolie genommen. Sonst hat die alles mögliche gemessen, nicht nur das, was ich wollte. Auch diese Variante war allerdings noch so anfällig, dass ich sie irgendwann entsorgt habe, weil es  mehr ein "proof of concept" war als dass man sinnvolle Werte ermitteln konnte...

Viele Grüße!

Henri

stoppi

ZitatGanz interessante (wenn auch simple) Idee von Chadwick, seine Quelle zu evakuieren, um eine höhere Ausbeute zu erreichen...

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich bei meiner Anordnung viele Alphateilchen verliere. Mein Berylliumstab liegt direkt auf den beiden Poloniumstreifen auf...

Also ohne radioaktive Quelle zeigte mir mein Multimeter stabile Werte um die 0-2mV an, was Strömen von 0-2pA entspricht. Bei Annäherung des Poloniums steigt dieser Wert auf rund 2V an und ist dann auch relativ stabil. Nur dann mit Beryllium und Paraffin war eben kein Anstieg des Stromes feststellbar.

Ich habe auch andere Ionisationskammern auch mit Transistoren zur Verstärkung und ja, die sind zum Teil sehr instabil was ihr Signal betrifft.

NoLi

Zitat von: Henri am 04. Februar 2021, 12:33
Schade, dass nichts über die Aktivität der verwendeten Radiumquelle zu lesen ist. Aber wahrscheinlich galt damals einfach "viel hilft viel"...
Henri

Polonium, Henri, Chadwick verwendete Polonium, nicht Radium :)

Und Chadwick hat nicht den Ionen-Strom, sondern offenbar die von Protonen ausgelösten Ionenimpulse der Ionisationskammer mit Hilfe eines Oszillographen gezählt.

Gruß
Norbert

Peter-1

Hallo stoppi,

es gibt doch heute ausgezeichnete Verstärker wie z.B. LMC 6482 mit 20 fA Eingangsstrom. Damit habe in letzter Zeit einiges gebaut.
Falls du an einer Berylliumscheibe 4 x 26mm Interesse hast so lass es wissen.
Gruß  Peter

stoppi

Vielen Dank Peter fürs Angebot, bin aber mit ausreichend beryllium versorgt. Und danke auch für den verstärker-Tipp. Mit meinem pikoamperemeter kann ich im Idealfall 100fA auflösen. Aber das dürfte bereits der natürliche strahlungshintergrund bewirken...

NoLi

Zitat von: Henri am 04. Februar 2021, 12:33
Schade, dass nichts über die Aktivität der verwendeten Radiumquelle zu lesen ist. Aber wahrscheinlich galt damals einfach "viel hilft viel"...

In diesem Artikel   https://en.wikipedia.org/wiki/James_Chadwick   wird erwähnt, dass James Chadwick von Lise Meitner ca. 0,5 µg Polonium ( = 2 mCi = 74 MBq) für seine Versuche bekommen hatte.

Gruß
Norbert