Jodtabletten (war: 'Prof. T. und der Tritiummord')

Begonnen von pangeiger, 20. November 2019, 12:25

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DG0MG

Zitat von: DG0MG am 31. August 2022, 10:35"Wachschutz für Sachsens Jodtabletten-Lager"

Während man in Sachsen vor einem dreiviertel Jahr noch Geld für einen Wachschutz des zentralen Jodtabletten-Lagers in die Hand genommen hat, ist man offenbar inzwischen auch auf dezentrale Lagerung umgeschwenkt, schrieb am Samstag die "Freie Presse":

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Dem Artikel ist zu entnehmen, dass die dezentrale Lagerung unterschiedlich und nicht überall gleich gehandhabt wird. Der Vogtlandkreis lagert zentral (vielleicht in Plauen?), LK Zwickau und Erzgebirgskreis geben schonmal an die Städte und Gemeinden aus. Für die ist das Problem komplett neu, sie müssen sich erstmal damit befassen. Es muss schließlich garantiert werden, dass im Ernstfall jemand da ist, der die Tabletten auch ausgibt.

Näher dran an der Bevölkerung sind sie jetzt - das ist gut. Aber diese etwas unkoordinierte Abwälzung  der Verantwortlichkeiten scheint mir auch nicht das Optimum.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

283Nh

Iodblockade:

Es muss hier jeder unter Abwägung der Pros und Cons uns potentiellem gesundheitlichen Nutzen selber entscheiden.

Es sei nur festgestellt, dass wenn es "ernst wird" oder ernst zu werden scheint ( Medienzirkus), wie seinerzeit nach Fukshima, Kaliumiodid Lannacher in Apotheken kaum zu bekommen ist

Andererseits ist Kaliumiodid preiswert im Laborbedarfshandel erhältlich, jeder möge zur Anwendung zur Schilddrüsenblockade in der englischsprachigen Wikipedia mal SSKI nachschlagen

NoLi

Oder kräftige Müsli mit Jod-S11-Körnchen: ;D


(Ist natürlich nur Blödsinn... ;)  )

Norbert

Henri

Zitat von: 283Nh am 06. August 2023, 18:00Andererseits ist Kaliumiodid preiswert im Laborbedarfshandel erhältlich

Ich habe mal gehört, dass Leute, die zu viel davon bestellen, gerne mal Besuch zu Hause bekommen. Anscheinend wird das Zeug auch irgendwie in Drogenküchen verwendet.

Wir leben in einer tendentiell überalternden Gesellschaft. So mancher ist für eine Iodblockade im Ernstfall einfach schon zu alt, das Risiko wird zu hoch und der Nutzen zu gering. Aber wenn man Kinder im Haus hat, könnte man sich überlegen, zu Hause was vorrätig zu halten, wenn man grenznah (vor allem Westgrenze) wohnt und ein sehr vorsichtiger Mensch ist.

Ohne explizite behördliche Anordnung sollte man sich aber hüten, eine Iodblockade durchzuführen. Denn das Risiko, dass man die Iodeinnahme nicht überlebt, liegt nicht nahe bei Null.

Lennart

Man sollte auch nicht vergessen, wie gut sich Schilddrüsenkrebs therapieren lässt. Das sollte man in die persönliche Risikobewertung mit einfließen lassen...

NoLi

Zitat von: Henri am 06. August 2023, 22:52...
Ohne explizite behördliche Anordnung sollte man sich aber hüten, eine Iodblockade durchzuführen. Denn das Risiko, dass man die Iodeinnahme nicht überlebt, liegt nicht nahe bei Null.

Genau aus diesem Hauptgrund sind die Lannacher Iod-Tabletten nicht prophylaktisch an Einwohner ausgegeben worden, sondern werden nur auf behördlicher Anweisung aus Zentrallagern in die notwendigen Gebieten an vorbereitete Stellen geliefert.

Norbert

NoLi

Zitat von: Lennart am 06. August 2023, 23:03Man sollte auch nicht vergessen, wie gut sich Schilddrüsenkrebs therapieren lässt. Das sollte man in die persönliche Risikobewertung mit einfließen lassen...
Ja, mit hoher Dosis radioaktivem Iod-131 (ca. 4.000 MBq)... 8)

Norbert

283Nh

Zitat von: NoLi am 06. August 2023, 23:06
Zitat von: Henri am 06. August 2023, 22:52...
Ohne explizite behördliche Anordnung sollte man sich aber hüten, eine Iodblockade durchzuführen. Denn das Risiko, dass man die Iodeinnahme nicht überlebt, liegt nicht nahe bei Null.

Genau aus diesem Hauptgrund sind die Lannacher Iod-Tabletten nicht prophylaktisch an Einwohner ausgegeben worden, sondern werden nur auf behördlicher Anweisung aus Zentrallagern in die notwendigen Gebieten an vorbereitete Stellen geliefert.

Norbert

Ich finde das spannend. Deutschland scheint eine "Null-Risiko-Gesellschaft" zu sein, bei der jeder jeder Lebensriskiko dem Staat überlasen möchte - wo bleibt die Freiheit?

Andere Länder in EU geben die Tabletten freizügig aus und auch in Deutschland ist Kaliumiodid Lannacher  rezeptfrei in Apotheken erhältlich - nur nicht gerade wenn - wie damals Fukushima und für die Älteren vielleicht noch bekannt anno dunnemals  Tchernobbyl - der grosse (und dies wie dort für Deutschland medizinisch komplett unsinnige) Run entsteht

Wie wäre es, wenn jeder sein Leben selber in die Hand nimmt?

Beispiel Kaliumiodid / SSKI. Einzeldosis 130 mg. 50g im Laborbedarf gekauft würde für das Dorf reichen, ist eine Menge die auch keine staatliche Behörde als Precursorsubstanz für Drogen interessiert(oder für was man das Zeug sonst noch eventuell zweckentfremden kann)

Ich habe die Chemikalie, werde sie vermutlich nie nehmen müssen, ich weiss auch dass - gesunde Schilddrüse - meine Risiken trotz  > 50a sehr gering sind. Anschaffungspreis einmalig so rund 5 Euro - manche Leute geben hunderte von Euros pro Jahr(!) für im Ernstfall völlig nutzlose Versicherungen aus

Henri

Zitat von: 283Nh am 20. August 2023, 21:24Ich finde das spannend. Deutschland scheint eine "Null-Risiko-Gesellschaft" zu sein, bei der jeder jeder Lebensriskiko dem Staat überlasen möchte - wo bleibt die Freiheit?

Andere Länder in EU geben die Tabletten freizügig aus und auch in Deutschland ist Kaliumiodid Lannacher  rezeptfrei in Apotheken erhältlich - nur nicht gerade wenn - wie damals Fukushima und für die Älteren vielleicht noch bekannt anno dunnemals  Tchernobbyl - der grosse (und dies wie dort für Deutschland medizinisch komplett unsinnige) Run entsteht

Wie wäre es, wenn jeder sein Leben selber in die Hand nimmt?


Das sehe ich komplett anders.

Man kann viele Substanzen "rezeptfrei" kaufen, die einem erheblichen körperlichen Schaden zufügen können. Chlorhaltigen WC-Reiniger z.B.

Bei diesem sagt einem aber der "gesunde Menschenverstand", dass man damit vorsichtig sein sollen.
Kaliumiodid-Tabletten sind ein Medikament, abgepackt in der für die Einnahme vorgesehenen Dosierung. Das wirkt deutlich harmloser.

Ich denke, dass 95% der Bevölkerung nicht in der Lage sind, im Katastrophenfall Nutzen und Risiko angemessen gegeneinander abwägen zu können. Bei Fukushima haben die Leute iodiertes Speisesalz gegessen...
In so einer Situation hat man eine gefährlicher Mischung aus unzureichendem Wissen, nicht ausreichenden Informationen zur Gesamt-Lage, und Panik. Man möchte handeln und sich schützen, kann es aber nicht. Also nimmt man "zur Beruhigung" die Tabletten ein, obwohl diese eigentlich kontraindiziert wären, und wenn man Pech hat, stirbt man daran. Obwohl man vielleicht überhaupt keinen gefährlichen Radioiod-Konzentrationen ausgesetzt worden wäre.

Außerdem ist der Zeitpunkt der Einnahme sehr wichtig, denn die Iodblockade funktioniert genau 1 Mal. Nimmt man es zu spät ein, funktioniert die Blockade nicht. Aber nimmt man es zu früh ein, beginnt die Schilddrüse möglicherweise schon wieder Iod aufzunehmen, wenn die radioaktive Wolke einen erreicht.

In den Krisenstäben sitzen Leute, die die Expertise und die nötigen Informationen zu Freisetzung, Freisetzungsrichtung, erwartbaren Dosen usw. haben, um die Risiken-Nutzen-Abwägung faktenbasiert durchführen zu können. Warum sollte man das (mit gesundem Menschenverstand) ignorieren?

Natürlich kannst Du die Tabletten auch auf eigene Verantwortung einnehmen, wenn Dir danach ist und wenn Du denkst, dass Du die Entscheidung für Dich treffen kannst. Das Kaliumiodid ist frei verkäuflich, niemand hindert Dich daran. Genauso wenig wie am Rauchen, übermäßigem Alkoholkonsum oder zu schnellem Auto fahren.

Nur anderen Leuten sollte man nicht empfehlen, das genau so zu handhaben. Die meisten Unfälle geschehen aus dem Gefühl heraus, eine Sache zu beherrschen und eine Situation korrekt einschätzen zu können, obwohl das in Wirklichkeit nicht der Fall ist.

Es spricht nichts dagegen, sich das Kaliumiodid zu besorgen und in die Hausapotheke zu legen. Aber die Einnahme sollte nur erfolgen, wenn man von den Behörden dazu aufgefordert wird.
Mit "Null-Risiko-Gesellschaft" hat das meiner Meinung nach überhaupt nichts zu tun.

DG0MG

Die Gemeinde Langenbernsdorf (Landkreis Zwickau) informiert ihre Bürger über das aktuelle Amtsblatt und einen gesonderten Flyer über die Verfahrensweise bei der Ausgabe von Jodtabletten:


Besonders interessant ist die Zielgruppe, denen man im Falle der Notwendigkeit nur Jodtabletten geben will:

"Die zur Verfügung stehenden Jodtabletten sind auf folgende besonders zu schützende, s.g. ,,vorrangig vulnerable Gruppen", bemessen:
• Ungeborene,
• Kinder,
• Jugendliche bis 18 Jahre sowie
• Schwangere und Stillende.
Für Personen außerhalb dieser Gruppe ist keine Ausgabe von Jodtabletten in genanntem Szenario ,,Unfall in einer kerntechnischen Anlage" vorgesehen, da die Kapazität der zur Verfügung stehenden Jodtabletten ansonsten nicht ausreichend wäre.
"

Also ein(e) 20jährige(r) bekommt schon keine Tablette mehr, weil nicht "vulnerabel" genug?
Das habe ich so bisher noch nicht gehört.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Peter-1

Sehr interessant. Also bekommt eine Schwangere 1 Packung und eine weitere für das ungeborene Kind  >:(
Haben wir schon den 1.April  :D
Gruß  Peter

NoLi

Mir entzieht sich der Sinn, warum der Bürgermeister der Gemeinde Langenbernsdorf in seinem Amtsblatt diese Meldung zum jetzigen Zeitpunkt bekannt gemacht hat! *)

Gemäß der "Allgemeine Verwaltungsvorschrift für einen Allgemeinen Notfallplan des Bundes nach § 98 des Strahlenschutzgesetzes (ANoPl-Bund)" vom 17. August 2023 wird nach Stilllegung aller deutschen Kernkraftwerke die Ausgabe von Jodtabletten nur bei einem ausländischen Reaktorunfall in einem Abstand bis 100 km von der deutschen Staatsgrenze angeordnet (Referenzszenario S2).

Zitate:
"Referenzszenario
S2 – Notfall in einem
Kernkraftwerk im grenz-
nahen Ausland (in bis zu
100 km Entfernung von
der deutschen Grenze)
"

"Vorzubereitende Maßnahmen
Evakuierung
bis 20 km(1,2)
Ausgabe von
Jodtabletten
bis 100 km(1,2)
Weitere Maßnah-
men
gemäß Tab. C.2.6
(Seite 253)(1)
"

Mir ist nicht bekannt, dass sich in einem Abstand von 100 km von Sachsen ein in Betrieb befindliches Kernkraftwerk befindet. Für die Ausgabe dieser Jodtabletten kommen nur die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen in Betracht.

Norbert

Edit:
*) Ok, weiter heißt es in dieser Verwaltungsvorschrift:

Zitat:
"Evakuierung
bis 20 km(1,2)
Aufenthalt in Ge-
bäuden
bis 100 km(1,2)
Ausgabe von
Jodtabletten an Kin-
der, Jugendliche
unter 18 Jahren und
Schwangere:
bis 300 km(1,2)
Weitere Maßnah-
men
gemäß Tab. C.2.6
(Seite 253)(1)
Vorbereitung von
Messungen und
Probenahmen
(gemäß Kapitel 13)
"

Damit liegt Temelin in dieser Reichweite (226 km Luftlinie)!
Man sollte halt alles lesen...es gilt aber nur für Personen bis 18 Jahren sowie für Schwangere. Für alle Anderen gibt es keine Tabletten, weil eine Schilddrüsendosis von > 250 mSv nicht erreicht werden kann. Für Personen unter 18 Jahren gilt ein Schilddrüsen-Referenzwert von 50 mSv.

Norbert

NoLi

Zitat von: Peter-1 am 14. März 2025, 18:22Sehr interessant. Also bekommt eine Schwangere 1 Packung und eine weitere für das ungeborene Kind  >:(
Haben wir schon den 1.April  :D
Nicht eine Packung!
Volljährige bis 45 Jahre: 2 Tabletten a 65 mg (also 130 mg).
Minderjährige: 1/4 bis 1 Tablette 65 mg (je nach Alter).

Norbert

DG0MG

Ja, Temelin kommt für Sachsen in Frage, wie schonmal in Beitrag #13 herausgearbeitet. Bis nach Langenbernsdorf (um beim Beispiel zu bleiben) sind es von dort 229 km, bis zum südlichsten sächsischen Ort (Schönberg) 186 km, bis nach Oberwiesenthal (Fichtelberg, höchster Berg Sachsens) 172 km.

Zum Vergleich: Von Westen aus sind es von Tihange 500 km und von Cattenom 460 km.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!