Alpha-Zähler AZ-2 (Wismut WTZ)

Begonnen von DG0MG, 13. Juli 2022, 19:43

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DG0MG

In einer MDR-Dokumentation über Radon war mir vor einiger Zeit ein bis dahin unbekanntes Gerät mit "DDR-Flair" aufgefallen:

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Der "Alpha-Zähler AZ-2", entwickelt und hergestellt im Wissenschaftlich-technischen Zentrum der WISMUT in Chemnitz/Grüna. Er wurde (und wird) eingesetzt, um die Radonkonzentration an untertägigen Arbeitsplätzen (z.B. bei der Verwahrung oder Instandhaltung von stillgelegtem Bergbau) benutzt.

"AZ-2" - EIN GERÄT ZUR BESTIMMUNG DER POTENTIELLEN ALPHAENERGIE-KONZENTRATION DER RADONFOLGEPRODUKTE"


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DG0MG

#1
Zu dem gezeigten "Alpha-Zähler AZ-2" hab ich etwas gefunden. Er wird bereits in [1] von 1990 beschrieben - wie bereits vermutet, damals vom WTZ der Wismut entwickelt.


""AZ-2" - EIN GERÄT ZUR BESTIMMUNG DER POTENTIELLEN ALPHAENERGIE-KONZENTRATION DER RADONFOLGEPRODUKTE
L. Hambeck, H. Lutze, H.-J. Richter, M. Riedel
Wissenschaftlich-Technisches Zentrum der Wismut AG; Grüna/Sa.

An der Gesamtstrahlenbelastung des Menschen hat die innere Strahlenbelastung infolge Inhalation von Radon und insbesondere dessen kurzlebigen Folgeprodukten Po-218, Pb-214, 8i-214, Po-214 einen entscheidenden Anteil. Ihre Bestimmung ist die Grundvoraussetzung für eine quantitative Bewertung der Strahlungssituation und für die Einleitung von Schutzmaßnahmen.

Mit dem ALPHA-ZÄHLER "AZ-2" wird die zu untersuchende Luft durch ein Filter gesaugt; die darin befindlichen an Aerosole angelagerten Radonfolgeprodukte werden auf dem Filter abgeschieden. Die von Po-218 und und Po-214 emittierten Alpha-Teilchen werden mit einem Halbleiterdetektor registriert. Die Zahl der Alpha-Teilchen ist ein Maß für die potentielle Alphaenergie-Konzentration Cpot.1 Bei Kenntnis des radioaktiven Gleichgewichtsverhältnisses zwischen Radon und seinen Folgeprodukten ist die Berechnung der äquivalenten Radon-Konzentration möglich.

Im ALPHA-ZÄHLER "AZ-2" sind drei Automatikprogramme realisiert, wobei jeweils die Probenahme bei gleichzeitiger Messung der Gesamt-Alpha-Filteraktivität, anschließend eine Pause und danach eine weitere Messung aufeinander folgen. Die Zeiten für die Probenahme und für die Messung nach der Pause betragen in den Programmen I, 11 und 111 entsprechend 4, 8 bzw. 12 Minuten; die Pause beträgt stets 4 Minuten.

1Potentielle Alphaenergie: gesamte freiwerdende Alphaenergie eines beliebigen Gemisches von kurzlebigen Radonfolgeprodukten, bei deren vollständigen Umwandlung bis zum Pb-210

Im Vergleich mit anderen Meßprogrammen läßt sich damit der Meßfehler minimieren und der Anwendungsbereich des ALPHA-ZÄHLER's "AZ-2" erweitern (s. Tab.).

Tabelle: Meßbereiche, Meßzeiten und Meßfehler des "AZ-2"

Programm                                I          II        III
Cpot in µJ/m3 (MeV/cm3)            >0,6 ( >4)  >0,2 ( >1) >0,03 (>0,2)
Gesamtmeßzeit in min                    12          20          28
methodischer Fehler in %              <17        <15        <12
statistischer Fehler in %                6          8          10
bei Cpot in µJ/m3 (MeV/cm3)          3 ( 20)    0,6 ( 4)    0,16 ( 1)

Durch Verlängerung der Probenahme und/oder Meßzeit im Bereich >1 Stunde (im Handbetrieb mit externer Zeitnahme) wird eine untere Nachweisgrenze von 3 nJ/m3 ( 20 keV/cm3) erreicht. Eine erste Abschätzung der potentiellen Alphaenergie der Folgeprodukte des Radons für Ubersichtszwecke ist bereits nach vier Minuten möglich.

Seine hohe Nachweisempfindlichkeit, verbunden mit einer regulierbaren Luftprobenahme (sowohl im Gerät integriert als auch mittels Schlauch außerhalb des Gerätes möglich) sowie den 3 Automatikprogrammen bzw. der beliebig wählbaren Probenahme- und/oder Meßzeiten, gestatten einen vielfältigen Einsatz des ALPHA-ZÄHLER's "AZ-2" z.B. im Bergbau, Bauwesen, Umweltschutz, in der Wasserwirtschaft.

Die Vorzüge des ALPHA-ZÄHLER's "AZ-2" gegenüber anderen vergleichbaren Geräten:
- geringe Abmessungen (20 cm x 8 cm x 16 cm),
- geringe Masse (etwa 2,5 kg),
- geringer Stromverbrauch (2 Monozellen R 20 gewährleisten einen 8stündigen Dauerbetrieb der Pumpe),
- einfache Bedienung (2Knopfbedienung, Fehlbedienung ist ausgeschlossen, die Handhabung ist durch angelerntes Personal möglich.
"


[1] "GEMEINSAME JAHRESTAGUNG 1990, NACHTRAG ZUM TAGUNGSBAND", S. 20f : https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/90_Archiv/FS-Pub-Archiv-final/FS-90-60-T-Nachtrag%20(Gemeinsame_Jahrestagung_1990_Nachtrag_zum_Tagungsband-work_in_Progress).pdf



Also: Die pumpen Luft durch einen Filter und detektieren dann die Zerfälle des Radons mit einem Halbleitersensor. Wie das konstruktiv genau aussah, kann ich mir immer noch nicht so richtig vorstellen. Ist es nicht auch so, dass die Aktivität in dem Filter immer größer wird, je mehr ich Luft durchsauge? Misst man da in den genannten 12 Minuten nicht die absolut angesammelte Aktivität, sondern die Differenz zwischen Beginn und Ende, also die AktivitätsZUNAHME? Oder misst man in den 4 Minuten Pause die ABNAHME? Und muss man dann vielleicht auch mal regelmäßig einen Filter wechseln?
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DG0MG

Wie ist eigentlich die Relation zwischen der hier verwendeten Einheit "MeV/cm3" und Bq/m3 ?
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Radioquant98

Das Filter könnte ein Band auf einer Rolle sein, daß nach jeder Messung ein Stück weiter rückt. Damit wird ein Abschnitt Filtern und der weitergerückte Abschnitt gemessen.
Also so würde ich das bauen.

Viele Grüße
Bernd

Kermit

Zitat von: DG0MG am 16. Mai 2023, 14:51Wie ist eigentlich die Relation zwischen der hier verwendeten Einheit "MeV/cm3" und Bq/m3 ?

Ich bin mir nicht sicher, ob das so gedacht war bzw. ob das sinnvoll möglich ist...

Zitat von: DG0MG am 08. Juni 2021, 11:48Die Zahl der Alpha-Teilchen ist ein Maß für die potentielle Alphaenergie-Konzentration Cpot.1 Bei Kenntnis des radioaktiven Gleichgewichtsverhältnisses zwischen Radon und seinen Folgeprodukten ist die Berechnung der äquivalenten Radon-Konzentration möglich.


Das steht so im Text.

Joule ist eine Energie und lässt sich im MeV ausdrücken.

J/m3 lässt sich über die Dichte des Stoffes in J/kg umrechnen, damit hätte man eine Spezifische Energie (Abgeleitete SI-Einheit) bzw. hat eine Energie pro kg oder pro m3. Man könnte auch, siehe vorherigem Text, dann von einer Energie-Konzentration reden. Allerdings ist mir dieser Begriff noch nicht untergekommen.

Damit könnte eine Bewertung im Sinne einer "Dosis" bzw. von MAK-Werten vorgenommen worden sein.

Die Einheit Bq/m3 ist wahrscheinlich zeitlich später eingeführt worden.


DG0MG

Zitat von: DG0MG am 08. Juni 2021, 11:481Potentielle Alphaenergie: gesamte freiwerdende Alphaenergie eines beliebigen Gemisches von kurzlebigen Radonfolgeprodukten, bei deren vollständigen Umwandlung bis zum Pb-210

Also ich verstehe das so, dass die Energien der Alpha-Zerfälle von Radon und folgenden Isotopen in den verschiedenen Energien aufsummiert werden. Dann hätte man die Gesamt-Energie für einen einzelnen Zerfall. Multipliziert mit der Anzahl der Zerfälle in einem cm3 (also 1 Bq/cm3) ergibt die Energie pro cm3.

@Henri hatte gestern dieses Dokument verlinkt: https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/90_Archiv/FS-Pub-Archiv-final/FS-94-75-AKURA.pdf:

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MMn spielen die gelb markierten Energien bei der Rechnung eine Rolle?

Im Screeshot oben ist für das Messgerät zu lesen: Angezeigte Impulszahl * 0,05 = MeV/cm3
Die angezeigten 77 Impulse entsprächen also 3,85 MeV/cm3.

Das stimmt in der Größenordnung mit dieser Information zu Alpha-Konzentrations-Grenzwerten bei der Wismut zu DDR-Zeiten überein: https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/90_Archiv/FS-Pub-Archiv-final/FS-92-62-AKURA%20Strahlenexposition%20und%20trahleninduzierte%20erufskrankheiten%20im%20Ranbergbau%20am%20Beispiel%20Wismut.pdf Seite 8:

  • 4 MeV/cm3 Grenzwert für nicht beruflich strahlenexponiertes Personal
  • 40 MeV/cm3 Grenzwert für beruflich strahlenexponiertes Personal, gleichzeitig Warnwert (Auflage, Bewetterung in festgelegter Frist zu verbessern)
  • 120 MeV/cm3 Sperrwert für Arbeitsorte (nur Arbeiten zur Verbesserung der Situation erlaubt)
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Kermit

Eventuell hat es ja auch mit der Definition der Working Level Month (WLM) zu tun.

beim BfS ist zu lesen: (Zitat)

"Working Level Month (WLM) ist eine historische speziell für den Arbeitsschutz im Uranbergbau eingeführte Einheit. Sie erfasst die Strahlenexposition, die durch Radon und seine Zerfallsprodukte in der Atemluft entsteht. Ein Working Level (WL) ist definiert als beliebige Kombination von kurzlebigen Radon-Folgeprodukten in einem Liter Luft, deren Zerfall zu einer Emission von 130.000 Megaelektronenvolt (1,3 * 105 MeV) potentieller Alphaenergie pro Liter Luft führt. Ist eine Person 170 Stunden (einen Arbeitsmonat) lang einem WL ausgesetzt, resultiert eine Exposition von einem WLM."

hier steht noch mehr zu diesem Thema:

https://www.bfs.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/BfS/DE/2018/0116-uranbergarbeiterstudie.html

Die dort zitierte Studie liegt hinter einer "Bezahl-Schranke".
Ich versuche nächste Woche einmal, an den vollständigen Text zu kommen.
 

Kermit

Und irgendwo in den Tiefen des W3 stand auch noch das es sogar einen AZ-3 Alphazähler gegeben hat. Die Firma war wohl in Chemnitz ansässig, leider habe ich keine weiteren Ifos gefunden.

DG0MG

Ja, die hieß "Alpha-Kernstrahlungsmesstechnik", ich nehme an, dass das einer der Entwickler des AZ-2 war - die Namen stehen ja oben. Die Firma gibts aber schon länger nicht mehr, bereits 2009 hatte eine Abteilung der WISMUT die Wartung der Messgeräte in Morsleben von ihr übernommen: https://www.wismut.de/de/wismut-news.php?id=1116
Vielleicht ist da der Firmenbesitzer in den Ruhestand gegangen.

In einer Doktorarbeit der TU Darmstadt findet sich eine grobe Funktionsbeschreibung des AZ-3:
https://inis.iaea.org/collection/NCLCollectionStore/_Public/53/056/53056995.pdf (Seite 37)

"3.1.4 AZ-3
Mit dem AZ-3 (α-Kernstrahlungsmesstechnik, Chemnitz, Deutschland) können Radonzerfallsprodukte
in der Luft nachgewiesen und zwischen angehefteten und unangehefteten Tochternukliden unterschieden
werden. Das Gerät besteht aus einem Filtersystem mit einem Metallgitter und nachgeschaltetem
Glasfaserfilter. Bei dem in der Arbeit verwendeten Messprogramm wurde 4 min lang ein Luftstrom von
180 l/h = 3 l/min durch das Filtersystem gepumpt, sodass sich die unangehefteten Zerfallsprodukte am
Gitter und die angehefteten Zerfallsprodukte am Glasfaserfilter anlagern. Beide Filter wurden separat
ausgelesen und die auf ihnen befindliche PAEC, die durch den Zerfall der Zerfallsprodukte bis 210Pb in
einem definierten Volumen frei wird, vom AZ-3 für die unangehefteten cp,unatt und angehefteten cp,att
Zerfallsprodukte berechnet [141].
"

Interessant ist, dass sich von einem Messgerät, das 2021 noch an Universitäten verwendet und in Doktorarbeiten beschrieben wird, nicht mal ein Foto findet.

Zitat von: Kermit am 17. Mai 2023, 21:39Eventuell hat es ja auch mit der Definition der Working Level Month (WLM) zu tun.

Ja, das hat es.
Es steht in der Doktorarbeit auch eine Herleitung drin, das muss ich mal in Ruhe lesen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Kermit

Zitat von: DG0MG am 17. Mai 2023, 22:30Es steht in der Doktorarbeit auch eine Herleitung drin, das muss ich mal in Ruhe lesen.

Prima Literatur :)

Die Arbeit ist enorm umfangreich, und hat auch Dosismessungen und Verifikationen inklusive der Diskussion "dabei". Dafür braucht man einiges an Zeit :)

Von den über 150 zitierten Literaturstellen ganz zu schweigen  ;)

Ein schöne Fund  ;D