Das Openmess-Projekt

Begonnen von opengeiger.de, 03. Januar 2024, 14:07

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DL8BCN

Echt schlimm, wie lange Zeit die Ämter für die kleinsten Dinge benötigen.
Mein zuständiges Finanzamt ist gerade zum Amt mit der zweitlängsten Bearbeitungszeit im Bundesgebiet bestimmt worden🙈
Dabei wird der ,,Wasserkopf" immer größer🤔

opengeiger.de

Im Augenblick bin ich der Meinung, dass es im Citizen Science Bereich für genaue Gamma-ODL-Messungen keine andere vernünftige Möglichkeit gibt, selbstgebaute Geräte, wie die hier vorgestellte OM01-Sonde, zu kalibrieren, als das Gerät an Orte mitzunehmen, wo man die ODL aus irgendeinem Grund relativ genau kennt. Das kann dadurch zustande kommen, dass an solchen ,,Referenzorten" eine Behörde den ODL-Wert amtlich festgestellt hat (BfS-Sonde, Wismut-Fläche) oder dass man dort entweder selbst oder jemand anderes mit einem kalibrierten oder gar geeichten und auch geeigneten Gerät die Gamma-ODL bestimmt hat und den Messwert mitgeteilt hat.

Nun brauchen wir aber noch einen Kalibrieralgorithmus, der uns die Kalibrierkoeffizienten liefert. Normalerweise ist das bei einem Zählrohr nur ein Kalibrierparameter a in cpm/(uSv/h), weil eine Proportionalität zwischen ODL und Zählrate unterstellt wird und angenommen wird, dass ohne Strahlung von außen auch kein Zählimpuls entsteht. Beim VacuTec 70031A wissen wir aber, dass das Zählrohr auch ohne äußere Strahlung 16 Zählimpulse pro Minute erzeugt, so hat das die PTB in ihrem Felsenkeller mit aufwändigen Mitteln festgestellt. Das aber bedeutet, wenn wir immer noch eine Proportionalität unterstellen, der Zusammenhang zwischen Zählrate und ODL mit Zählrate = a*ODL+b approximiert werden muss und b eben die Eigenrate als konstanter Offset ist. Die PTB hat nun die Kalibrierkoeffizienten als Mittelwerte über viele Rohre des Typs 70031A bestimmt und den Wert a mit 968 cpm/(uSv/h) festgestellt und b mit 16 cpm. Das kann man nun im ersten Anlauf als Grob-Kalibration für ein Selbstbaugerät, welches ein 70031A Zählrohr verwendet, benutzen. Dabei sind jetzt a und b die Kalibrierkoeffizienten. Um nun an einer Stelle die Gamma-ODL zu bestimmen, misst man die Zählrate ZR und rechnet dann ODL = (ZR-b)/a = (ZR-16cpm)/968(cpm/(uSv/h)). Soweit so gut.

Nun haben wir aber das Problem, dass der Konversionskoeffizient a und die Eigenrate b über die verschiedenen Zählrohre streuen können. Die PTB hat diese Streuung angegeben, aber nur für Zählrohre, die sie für ,,in Spec" vorher ausgewählt hat. Wir könnten allerdings auch eines bei Ebay gekauft haben, das nicht innerhalb der PTB Specs liegt. Also haben wir einen guten Grund selbst zu kalibrieren und brauchen einen geeigneten Kalibrier-Algorithmus dafür. In solchen Fällen kenne ich aus dem ,,echten Leben" die Methode, viele Messungen an unterschiedlichen Orten zu machen und so Datenpaare ZR(i), ODL(i) zu bilden, wobei i = 1...N ist und N die Zahl der besuchten Orte ist. Ferner sollte man dabei darauf achten, dass der Bereich, in dem die Kalibration gültig sein soll, gleichmäßig mit Datenpaaren abgedeckt ist. Dann wird mit Hilfe der Regressionsrechnung eine Regressionsgerade (in Excel Trendkurve genannt) in die Punktewolke gefittet. Diese Gerade approximiert daher den wahren Zusammenhang ZR = f(ODL), so wie er auch im Datenblatt des Zählrohrs zu finden ist, im Werte-Bereich der Datenpaare mit einer Geraden, im Sinne der kleinsten Fehlerquadrate. Natürlich gibt es auch noch andere ,,Curve-Fitting" Algorithmen als die Regressionsrechnung. Aber das ist der Einfachste und man lernt das in etlichen technischen Studiengängen und es wird auch ausführlich im Internet gezeigt, wie diese Rechnung geht. Und er ist in MS Excel als lineare Trendkurve eingebaut.

Nun würde ich mir also gar nicht die Mühe machen, so wie die PTB, die terrestrische Strahlung und die kosmische Strahlung zu trennen und eine dicke Bleiburg zu bauen, um die Eigenrate b zu bestimmen. Wenn man die Regressionsmethode nutzt, purzelt b als Ergebnis ja aus der Rechnung raus. Nun hab ich damit allerdings schon etwas experimentiert und etliche Fehlerrechnungen angestellt. Dazu habe ich u. U. angenommen, das 1000 Leute ein Gerät haben mit einem 70031A Zählrohr (Wunschdenken  :D ), das die mittleren Kalibrierkoeffizienten der PTB hat (968cpm/(uSv/h)/16cpm), ohne es zu wissen. Diese Leute besuchen jetzt eine Anzahl von Referenzpunkten (zwischen 10 und 200 Stück), wobei sie nun aber die ODL am Ref-Punkt nicht genau, sondern nur mit einer überlagerten Streuung von 50nSv/h (Gauß-verteilter Fehler) erfahren. Nun sollen sie ihr Zählrohr nach der Regressionsmethode kalibrieren und mit dieser Kalibration die ODL an einem Ort mit 1uSv/h wahrer ODL nachmessen. Simuliert ist nun das Ergebnis dieser Messung von 1uSv/h mit ihrer fehlerbehafteten Kalibration in Abhängigkeit der Zahl an Ref-Punkten, die sie zum Kalibrieren benutzt haben. Das ist zwar alles ein wenig theoretisch, aber nur so kann man eine Monte-Carlo Simulation eben machen. Das Ergebnis für einen Ort mit einer wahren ODL von 1uSv/h und fehlerbehafteter Kalibration sieht so aus:
 
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und für einen Ort mit 0.1uSv/h wahrer ODL sieht es so aus:

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Das bedeutet, der Algorithmus funktioniert ganz gut, allerdings nur, wenn man genug Ref-Punkte für die Cal verwendet. Wenn man weniger als 10 Ref-Punkte verwendet, dann wird das Ergebnis schnell schlecht. Aber so ist das im richtigen Leben auch. Wenn ein Wahlforschungsinstitut nur 10 Leute als repräsentative Stichprobe befragt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose stimmt, auch recht gering und eher Glück.

Interessant ist auch der Blick auf die Kalibrierparameter, wie die sich entwickeln. Man sieht bei so einer Simulation, dass man die Eigenrate des Zählrohrs auch fix auf 16cpm setzen kann, das verändert das Ergebnis zwischen 0.1 und 5uSv/h nur unwesentlich.

Der Konversionskoeffizient ist das, was wichtig ist, und der entwickelt sich über der Streuung der ODLs an den Referenzorten so, wobei der Besuch von 10, 30, 50, 70 und 90 Referenzpunkten simuliert ist:

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Das heißt, bei einem Besuch von ,,nur" 10 Referenzpunkten ist der mittlere Konversionskoeffizient noch ziemlich ab vom PTB-Wert mit 968cpm/(uSv/h). Bei 30 Orten ist das Ergebnis dann schon ganz gut.

Also ist die Quintessenz die: Wir brauchen möglichst viele Referenzpunkte!
Aber zum Trost habe ich mal einen Thermo FH40G-L neben die OM-01 Sonde auf meinen Schreibtisch gelegt. Jetzt kann man die mittleren PTB-Parameter nehmen und nachrechnen. Vielleicht ist's nur ein glücklicher Zufall!

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Da Einzelwerte natürlich Schall und Rauch sind, muss ich jetzt noch viele, viele weitere Messungen machen  :wacko: .

Peter-1

Ich stehe ganz am Anfang und bin froh dass es noch Firmen gibt die auch Privatleute beliefert.  :yahoo:  Jetzt kann ich beginnen die Endkappen für mein Schutzrohr zu drehen und dann das ZR mit GA500 zusammenzupacken. Eine erste Auswerteschaltung im Kästchen ist schon fertig. (Ähnlich Theremino-Vorschlag.) Zusammen mit SBT10A läuft die Schaltung sehr gut. Über den Theremino Master funktioniert es auch mit einem PC.
Mit dieser Anzeige kommt man nicht in Versuchung nach den letzten 5 Stellen zu suchen  :D
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Die Drehbank ruft  ;)
Peter
Gruß  Peter

Radium

Moin,
Was ist das für ein Gerät? Ist da das СБТ-10 А auf der Rückseite eingebaut? Das sieht selbst gemacht aus. Welche Elektronik ist da drin?
Geigerzähler: DP-66, FH 40 TV, IT-65, Szintillationszähler: RAM-63,

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Zitat von: Peter-1 am 18. Januar 2024, 17:10Ich stehe ganz am Anfang und bin froh dass es noch Firmen gibt die auch Privatleute beliefert.  :yahoo: 

Gratuliere, Du bist bestimmt auch der erste Owner, der ein solches Rohr privat bestellt hat und nun fabrikneu in Betrieb nehmen kann. Wo ist aber jetzt die Herausforderung  :rofl: ?

opengeiger.de

Heute kam bei mir jetzt das Zählrohr-Treibermodul von rhelectronics aus Israel an, das ich noch vor Weihnachten bestellt hatte. Es kostete 50$ und jetzt wollte der Postbeamte auch noch 17Euro Zollgebühren  :padonak: .

Das ist im Vergleich zum Theremino Board ein stolzer Preis. Das Modul besteht aus 2 aufeinander gesteckten Platinen, eine für die Hochspannungserzeugung und die zweite für die Signalauskopplung und den Zählimpulsverstärker, der hier mit einem 74HC140 (hex schmitt trigger line driver) gemacht ist. Die Hochspannungserzeugung ist deutlich aufwändiger gemacht als beim Theremino Board. Interessant ist die sehr kleine Spule. Vermutlich läuft der Boost-Konverter auf einer deutlich höheren Frequenz. Unschön ist die Lackierung beider Platinen, die auch nicht ganz vollständig ist. Man wird daher etwas kratzen müssen, wenn man daran messen will. Ein Schaltplan oder eine Beschreibung ist der Sendung nicht beigelegt. Die Performance ist so vom Anschauen schwer abschätzbar, die muss man rausmessen. Das werde ich bei Gelegenheit tun.

DG0MG

Zitat von: opengeiger.de am 18. Januar 2024, 20:41Interessant ist die sehr kleine Spule. Vermutlich läuft der Boost-Konverter auf einer deutlich höheren Frequenz.

Ist das wirklich nur eine Spule oder vielleicht ein Trafo? Es sieht zumindest so aus, als ob es nicht nur 2 Lötpads um das Bauteil sind.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NuclearPhoenix

Wenn er das wirklich alles per Hand lötet, dann wundert es mich nicht, dass das so verhältnismäßig teuer ist :)

Das mit der Lackierung ist in dem Fall jetzt tatsächlich ziemlich schade. Das wird sicher unschön die herunterzukratzen.

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 18. Januar 2024, 20:39Gratuliere, Du bist bestimmt auch der erste Owner, der ein solches Rohr privat bestellt hat und nun fabrikneu in Betrieb nehmen kann. Wo ist aber jetzt die Herausforderung  :rofl: ?
Dass diese brandneue Zählrohr aus aktueller Produktion eine Qualitätskontrolle nach aktuellem Standard durchlaufen haben müsste (mit Zertifikat) und mit Sicherheit keine eventuelle versteigerte Ausschussware via Privatvermarkter darstellt, somit eigentlich ein mit den derzeit aktiven Sonden vergleichbares Ergebnis liefern sollte, und dies nachzuweisen wäre.

Norbert

Radiohörer

...Beifang aus meinen Anfangszeiten: vielleicht hilft das Bildchen etwas ;D

opengeiger.de

Zitat von: Radiohörer am 18. Januar 2024, 22:59...Beifang aus meinen Anfangszeiten: vielleicht hilft das Bildchen etwas ;D
Sehr interessantes aber leider bissle unscharfes Bild! Aber was heisst den "aus den Anfangszeiten"?

opengeiger.de

Zitat von: NoLi link=msg=27334Dass diese brandneue Zählrohr aus aktueller Produktion eine Qualitätskontrolle nach aktuellem Standard durchlaufen haben müsste (mit Zertifikat) und mit Sicherheit keine eventuelle versteigerte Ausschussware via Privatvermarkter darstellt, somit eigentlich ein mit den derzeit aktiven Sonden vergleichbares Ergebnis liefern sollte, und dies nachzuweisen wäre.

Norbert

@NoLi Da hast Du natürlich völlig recht! Vielleicht lässt sich @Peter-1 dazu bewegen eine digitale Auswerteeinheit anzuschliessen mit Datenaufzeichnung?

Aber @NoLi, wie wärs denn mit Dir? Kitzelt es Dich nicht so ein 70031A Zählrohr zu charakterisieren?  ;)  ;)  ;) Unterstützung für die Elektronik bekommst Du! Schließlich haben Baden und Württemberg doch ganz gut zusammengearbeitet in den letzten Jahren :D


opengeiger.de

Zitat von: DG0MG am 18. Januar 2024, 21:45Ist das wirklich nur eine Spule oder vielleicht ein Trafo? Es sieht zumindest so aus, als ob es nicht nur 2 Lötpads um das Bauteil sind.

Ich hab mal mit einem bissle besseren Mikroskop auf das Zählrohr-Treibermodul von rhelectronics.store draufgeschaut. Also das Modul verwendet offensichtlich eine Flyback Schaltung für die Hochspannungsgenerierung. Das Bauteil ist ein SMD Trafo wie man sieht.

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Bei der Gelegenheit hab ich noch ein hochaufgelöstes Bild von der HV Platine gemacht. Hier Inline als komprimiertes Bild, im Anhang als zip in der vollen Auflösung. Jetzt können die reverse engineers mal loslegen...  ;D

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Radiohörer

Zitat von: opengeiger.de am 19. Januar 2024, 06:02
Zitat von: Radiohörer am 18. Januar 2024, 22:59...Beifang aus meinen Anfangszeiten: vielleicht hilft das Bildchen etwas ;D
Sehr interessantes aber leider bissle unscharfes Bild! Aber was heisst den "aus den Anfangszeiten"?
...das Bild ist von 2017, aber die Webseite existiert nicht mehr. Wie so viele interessante Seiten >:(
Da der Speicherplatz auf Festplatten spätestens 2k relativ günstig wurde und ich manche Beschreibungen und Infos schon ein paar Monate später nicht mehr fand, bin ich dann dazu übergegangen, interessante Seiten auszudrucken bzw. zu speichern.

"aus den Anfangszeiten" meint mein wieder erwachtes Interesse nach einer EMV-Messung mit Thermo an Radioaktivem und deren Messmöglichkeit...



DG0MG

Zitat von: opengeiger.de am 19. Januar 2024, 08:49Das Bauteil ist ein SMD Trafo wie man sieht.

Das Mikroskopfoto ist eine prima Bestätigung für meine Vermutung. Dieses Bauteil allein wird nicht ganz billig sein gegenüber einer "normalen" Induktivität. Das hat aber den Vorteil, dass man weder eine Vervielfacherschaltung braucht, noch muss der Treibertransistor die volle Zielspannung aushalten.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!