Gamma-ODL Referenzstrecke „Königstraße in Stuttgart"

Begonnen von opengeiger.de, 12. Oktober 2023, 16:09

⏪ vorheriges - nächstes ⏩

opengeiger.de

So, nun will ich hier noch die Stuttgarter Königstrasse als Gamma-ODL Referenzstrecke definieren. Nicht jetzt weil die ODL auf der Königstrasse so was Besonderes wäre, sondern mit dem zusätzlichen Hintergedanken ein Beispiel zu geben, wie man mit ,,langgestreckten Flächen" umgehen kann, die vielleicht eine nicht ganz homogene Flächen-Aktivitätskonzentration der ursächlichen Quelle haben. Im Falle der Stuttgarter Königstrasse ist es ja so, dass sie einen Pflasterbelag aus Flossenbürger Granit hat, der für seine besondere Aktivität bekannt ist. Nun liegen da auf etlichen Metern Breite und etwa 1.1km  Länge ca. 10cm dicke und 30x30cm große Granitquader als Straßenbelag zwischen zwei Eingängen zu den beiden U-Bahn-Stationen Hauptbahnhof und Rotebühlplatz. Diese Eingänge lassen sich mit angemessener Genauigkeit spezifizieren. Der Granit ist meiner Meinung nach einigermaßen homogen in seiner Flächen-Aktivitätskonzentration, aber vor allen GM-Zählrohre mit niedriger Ansprech-Empfindlichkeit zappeln halt etwas rum und das Landesumweltamt hat damals doch etwas unterschiedliche Aktivitäten an den verschiedenen "Handmesspunkten" bestimmt. Daher bietet es sich nun an, den Mittelwert der Gamma-ODL in 1m Höhe über dem Pflaster entlang des Messwegs zwischen beiden U-Bahn-Haltestelleneingängen als Referenzwert zu verwenden. Für den Messweg benötigt man bei mittlerer Shopping-Gehgeschwindigkeit etwa 15min. Ich bin den Weg zweimal hin und zweimal wieder zurückgegangen, das war ziemlich genau eine Stunde. Das hat den Vorteil, dass man mit einer Stunde Messzeit auch die akkumulierte Dosis direkt als mittleren Messwert für die Gamma-ODL als Dosisleistung ablesen kann, wenn das Gerät sonst keine passende Mittelwertbildung ermöglicht (z.B. beim Joy-It JT-RAD01). Auch bei den 4 Traces, die der Radiacode pro Wegstück aufgezeichnet hat, sieht man eine deutliche Variation, aber ohne dass die Minima und Maxima der einzelnen Wegstücke gut korrelieren. Daher handelt es sich vermutlich eher um eine statistische Schwankung und nicht um etwas, was mit deutlicher, lokaler Inhomogenität zu tun hätte. Bei der niedrigen Dosisleistung (die allerdings doch deutlich über dem Hintergrund im Schlossgarten liegt), ist also selbst mit einem Szintillationszähler wie dem Radiacode eine Mittelung für einen guten Messwert notwendig.

Ich komme nun zu den angehängten Ergebnissen, wobei die Zählrohre doch erstaunlich nah am Mittelwert der ,,Handmessungen" des LUBW vom 27.10.2012 liegen. Soweit ich mich erinnere, wurden die Handmessungen damals vom LUBW mit einem Automess gemacht. Der Radiacode weicht allerdings doch etwas mehr nach unten ab. Dennoch, insgesamt passt das Ergebnis sehr gut zu den Ergebnissen vom Referenzpunkt in der Kapelle am Killesberg und ist sowohl eine gute Ergänzung zu Messungen in Stuttgart als auch ein gutes Beispiel für eine Referenzstrecke.

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Edited: Musste die Inspector Zählrate in der Tabelle noch mal ändern, ich hatte die cpm nicht in cps umgerechnet, danke fürs sorgsame lesen!  :good3:


Henri

Interessant, dass das billigste Gerät den amtlichen Durchschnittswert am besten trifft!  8) 

Zitat von: opengeiger.de am 12. Oktober 2023, 16:09Auch bei den 4 Traces, die der Radiacode pro Wegstück aufgezeichnet hat, sieht man eine deutliche Variation, aber ohne dass die Minima und Maxima der einzelnen Wegstücke gut korrelieren.

Das ist mir auch schon aufgefallen. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass das Gerät die Farbmarkierungen nicht im Search Modus aufzeichnet, sondern im Monitor Modus. Und hier entscheidet ein Algorithmus, ob das Strahlenfeld als konstant angenommen wird und weitere Messwerte zur Verbesserung der Meßstatistik verwendet werden, oder ob das Strahlenfeld sich ändert, und dann wird der Messwert neu initialisiert. Bei Deinem Track liegt die untere (blaue) Marke bei 0,14 und die obere (rote) bei 0,22 µSv/h. Bei so geringer Änderung startet der RC seine Messung nicht neu.

Ich mache meine Tracks lieber mit einem STE Radiation Pager (5 cm³ CsI(Tl) ), der seine Impulse an einen Arduino Datenlogger schickt. Dieser berechnet einen gleitenden Mittelwert über 3 Sekunden. Selbst bei aus dem fahrenden Auto heraus aufgezeichneten Tracks sieht man, dass die ODL sofort abfällt, wenn eine Brücke befahren wird, und die Tracks funktionieren reproduzierbar auch auf der Gegenfahrbahn beim Rückweg, solange der Fahrbahnaufbau bei beiden Spuren identisch ist.
Beim Radiacode sieht man beim Befahren der Brücke, dass die ODL langsam immer weiter absinkt und nach verlassen der Brücke langsam wieder ansteigt. Hat man allerdings durch eine Änderung des Fahrbahnbelags einen größeren Sprung in der ODL, reagiert der RC sofort.

Würde der RC den Search-Modus nehmen (also die Roh-Zählraten über einen kurzen Zeitraum), würde die Tracking-Funktion bei kleinen Änderungen besser funktionieren. Allerdings erreiche ich mit dem Radiation Pager bei 100 nSv/h einen Messfehler von ca. +/-30%, beim RC müsste man wegen des nur 1/5 so großen Kristalls über eine deutlich längere Zeit mitteln und würde dann möglicherweise eine genauso schlechte Ortsauflösung bekommen. Und der Radiation Pager bzw. der RC im Search Mode haben natürlich keine Energiekompensation.

Es sind halt unterschiedliche Aufgaben, Anomalien festzustellen, oder die ODL auf einer Wegstrecke möglichst präzise aufzuzeichnen. Da eine genaue Messung in Bewegung wenig Sinn macht, finde ich es sinnvoller, in Bewegung nur die Anomalien zu finden und dann stationär den genauen Wert zu bestimmen.


Tja, der RadiaCode mit dem Kristall des RaysID, das wäre schon was. Oder einfach mehr Fahrrad statt Auto fahren  ;)


opengeiger.de

Zitat von: Henri am 13. Oktober 2023, 00:04Interessant, dass das billigste Gerät den amtlichen Durchschnittswert am besten trifft!  8) 

Ich mache meine Tracks lieber mit einem STE Radiation Pager (5 cm³ CsI(Tl) ), der seine Impulse an einen Arduino Datenlogger schickt. Dieser berechnet einen gleitenden Mittelwert über 3 Sekunden. Selbst bei aus dem fahrenden Auto heraus aufgezeichneten Tracks sieht man, dass die ODL sofort abfällt, wenn eine Brücke befahren wird, und die Tracks funktionieren reproduzierbar auch auf der Gegenfahrbahn beim Rückweg, solange der Fahrbahnaufbau bei beiden Spuren identisch ist.


Hat Du nicht mal Lust mit Deinem STE Radiation Pager nach Stuttgart zu kommen?  ;)

opengeiger.de

Ich habe jetzt für die Referenzstrecke Königstrasse in Stuttgart auch mal den Log-File des Charts vom RC-101 ausgelesen und ausgewertet. Also, erstmal ist es ja schon ein gewisses Lotteriespiel, für den Export des csv's Start und Ende Zeitpunkte anzugeben, so dass er wirklich auch ein csv exportiert. Und mit der Uhr, die nur 12 Stunden hat, ist das selbst für nen englischsprachigen Nutzer, der AM und PM kennt, mühsam die Umschaltung hinzubekommen. Das gehört nochmal getestet und überarbeitet in der App. Aber mit viel Glück findet man passende Zahlen und dann klappts auch. Das nächste ist, das man sich über die wenigen Werte, die er im Log hat, etwas wundert. Da könnte Henri mit seiner Vermutung Recht haben. Hier das Ergebnis von 1 Stunde ,,Geiger-Bummeln" auf der Königstraße:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

doseMin: 0.123uSv/h doseMax: 0.223uSv/h
doseMean: 0.184uSv/h cpsMean: 15.9 meastime: 01:04:00

Man sieht dabei, dass es doch eine gewisse Streuung gibt. Es ist also die Frage wieviel Mittelung steckt den hinter einem Log-Punkt? Also ich denke die Mittelung im Spektrum ist immer noch der beste Weg zu einem guten Mittelwert zu kommen. Nur sollte man natürlich zu beginn das Spektrum auch zurücksetzen ;) . Was jetzt wie Henri sagt, auch noch etwas ins Auge fällt, ist dass ja der Joy-It z.B. mit dem LUBW-Mitterwert super zusammenpasst, der RC-101 aber nicht. Mit 0.18uSv/h auf der Königstraße liegt der RC-101 immer noch auffallend niedrig, während andere Kollegen ja berichten, bei höheren Dosisleistungen  aus Unat. liefert der RC-101 relativ genaue Werte. Das deutet etwas darauf hin, dass der RC-10x bei niedrigen DL's immer noch etwas Linearitätsprobleme hat.

Ich will hier für die GPS Nerds auch noch die GPS-Koords der Start- und Ende-Punkte der Strecke angeben, das hab im ersten Post vergessen:
Eingang U-Bahn Haltestelle Hauptbahnhof N48.782312 E9.181818
Eingang U-Bahn Haltestelle Rotebühlplatz N48.774271 E9.174427 

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 13. Oktober 2023, 08:52Hat Du nicht mal Lust mit Deinem STE Radiation Pager nach Stuttgart zu kommen?  ;)

Einen "Königsstrassen-Achter" drehe ich garantiert mal, wenn ich in der Gegend bin. Aber das gibt halt keine präzisen Messwerte. Man sieht nur sehr schnell, wo "Hot Spots" sind. Mit Deinem Schuhschachtel-Szinti dürfte das ja auch prima zu machen sein  :)

Peter-1

Hallo Bernd,

die geringere Anzeige des RC101 von 0,18 µSv/h gegen 0,23 µSv/h ist sehr ähnlich mit meiner Messung am 2.10. ganz nahe an einer ODL Meßstelle. ~22% zu geringe Anzeige. Wird sicher in einer nächsten FW wieder besser werden. Schade dass es keine Möglichkeit gibt einen "Forumsstrahler" mit 5 - 10 µSv/h als Referenz in Umlauf zu bringen.
Gruß  Peter

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 13. Oktober 2023, 08:53Das deutet etwas darauf hin, dass der RC-10x bei niedrigen DL's immer noch etwas Linearitätsprobleme hat.

Vielleicht hatte es bei der amtlichen Messungen recht zeitnah vorher geregnet, bei Deiner Messung war es längere Zeit trocken. Deshalb liegt der RC mit seinen (mittlerweile) niedrigeren Werten richtig, und der Joy-IT zu hoch?  :unknw: Außerdem ist da ja immer noch die unterschiedliche Empfindlichkeit für den kosmischen Anteil...

Bei der "amtlichen" Referenzflächen bei Ronneburg wird ja auch jedes Mal die große I-Kammer als Referenz aufgebaut. Da verlässt sich niemand darauf, dass der Wert vom Vorjahr noch stimmt...

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 13. Oktober 2023, 08:53Das nächste ist, das man sich über die wenigen Werte, die er im Log hat, etwas wundert.

Kann man das in der App nicht einstellen? Dass man eine bestimmte Entfernung zum letzten Markierungspunkt haben muss, bis ein neuer erstellt wird?

Henri

Zitat von: Henri am 13. Oktober 2023, 00:04Ich mache meine Tracks lieber mit einem STE Radiation Pager (5 cm³ CsI(Tl) ), der seine Impulse an einen Arduino Datenlogger schickt. Dieser berechnet einen gleitenden Mittelwert über 3 Sekunden. Selbst bei aus dem fahrenden Auto heraus aufgezeichneten Tracks sieht man, dass die ODL sofort abfällt, wenn eine Brücke befahren wird, und die Tracks funktionieren reproduzierbar auch auf der Gegenfahrbahn beim Rückweg, solange der Fahrbahnaufbau bei beiden Spuren identisch ist.


Hier habe ich noch mal einen bildlichen Vergleich eingestellt:

https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?msg=24702

Radiohörer

Zitat von: opengeiger.de am 13. Oktober 2023, 08:52Hat Du nicht mal Lust mit Deinem STE Radiation Pager nach Stuttgart zu kommen?  ;)
...würde zur Vervollständigung des Messgeräteparks bei Interesse meinen Raysid und PM1703 zur Verfügung stellen.

NoLi

Zitat von: Peter-1 am 13. Oktober 2023, 16:02...
Schade dass es keine Möglichkeit gibt einen "Forumsstrahler" mit 5 - 10 µSv/h als Referenz in Umlauf zu bringen.
Vielleicht eine Möglichkeit für Vergleichsmessungen wäre ein Forum-Mitgliedertreffen beim Radiometrischen Seminar am 22. März 2024 in Gießen (THM). Wenn jemand ein geeignetes U-MINERAL zur Anschauung der Struktur ( ;) ) mitbrächte, könnte man dieses sogar mit neuester ausgestellter Messtechnik der Strahlenmessfachfirmen vermessen...
"Die hauptsächlichen Merkmale des bewährten Formats sollen weiterhin bestehen bleiben: Es handelt sich um eine kostenfreie 1-tägige Veranstaltung mit einem Vortrags- und Diskussionsprogramm zu einem jeweils einschlägigen Thema mit begleitender Industrieausstellung.".
(https://www.fs-ev.org/fileadmin/user_upload/94_Der_FS/Veranstaltungen/Ankuendigungstext_2023.pdf)

Norbert


opengeiger.de

Zitat von: NoLi am 13. Oktober 2023, 20:10Vielleicht eine Möglichkeit für Vergleichsmessungen wäre ein Forum-Mitgliedertreffen beim Radiometrischen Seminar am 22. März 2024 in Gießen (THM). Wenn jemand ein geeignetes U-MINERAL zur Anschauung der Struktur ( ;) ) mitbrächte, könnte man dieses sogar mit neuester ausgestellter Messtechnik der Strahlenmessfachfirmen vermessen...

Keine schlechte Idee!  :good2:

Man könnte das wirklich mit nem Forum-Stammtisch  :drinks:  am Rande des Seminars verbinden! ;D

Wer hätte denn Interesse?

NoLi

Ich bin über 20 Jahre lang möglichst zweimal im Jahr zu den Seminaren zum Schloß THEUERN nach Kümmersbruck gepilgert und werde es auch nach Gießen tun, zumal die THM für mich 130 km näher liegt als Kümmersbruck.
Der Termin ist schon fest vorgemerkt. :yahoo:

Norbert

Peter-1

Die Idee finde ich toll, aber über 400 km ist nicht um die Ecke.
Und wenn die mitgebrachten Steinchen dann doch zu wild sind  >:(  dann gibts Probleme. Bei so einer Veranstaltung hätte ich große Sorge um mitgebrachte "Mineralien".
Wie ich erfahren habe, gibt es in meiner Großstadt bei der Feuerwehr keinen Strahlenschutz Beauftragten. Wenn ein Meßgerät nicht mehr funktioniert wird es eingeschickt. Ich hatte gehofft dass es dort eine Quelle zum kalibrieren gibt.
Gruß  Peter

Henri

Zitat von: opengeiger.de am 13. Oktober 2023, 21:04Man könnte das wirklich mit nem Forum-Stammtisch  :drinks:  am Rande des Seminars verbinden! ;D

:drinks: Und mit einem Becher Radon-Wasser anstoßen? :drinks:

;D

Für mich ist es leider auch zu weit. Für einen Tag lohnt sich die Fahrerei, die beiden Urlaubstage und die Übernachtungskosten nicht :(  Obwohl Gießen ja fast in der Mitte der Republik liegt und gut erreichbar ist.