Plutonium-Affäre 2001/2002 Südpfalz - WAK (Karlsruhe)

Prospektor · 23. September 2023, 21:01

Habe eben das Forum durchsucht und festgestellt, dass es zu diesem alten, aber durchaus bemerkenswerten Fall noch keine ausführlichere Info gibt (Norbert hat es einmal nebenbei bei einem Beitrag über das JRC erwähnt).

Es geht hierbei um Plutonium aus der Wiederaufbereitsungsanlage Karlsruhe (beim KIT), das von einem Mitarbeiter einer Fachfirma illegal entwendet wurde (Glasröhrchen + Wischtücher). Mir sind keine genauen Aktivitäten bekannt, es muss aber so viel gewesen sein, dass nicht nur Fahrzeuge, das Wohnhaus in der Südpfalz und angrenzende Bereiche deutlich kontaminiert waren, sondern z.B. bereits das Waschen von Kleidern in der Waschmaschine des Mitarbeiters ausreichte, um die Kleidung deutlich zu kontaminieren.

Heraus und ins Rollen kam das Ganze übrigens durch einen medizinischen Routinecheck nach StrlSchV. Geendet ist es nicht nur mit aufwändiger Dekontamination, sondern auch einer Haftstrafe für den Verursacher.

Eine spannende Zusammenfassung gibt es hier zu lesen:

https://lfu.rlp.de/fileadmin/lfu/plutonium02.pdf

DG0MG · 23. September 2023, 21:28

Auweia!

Da liest man andauernd die Berichte der IAEA über Unfälle irgendwo auf der Welt, dabei ist sowas hier auch schon passiert. Hatte ich noch nie davon gehört, danke fürs Posten!

Was mir in dem Bericht noch fehlt, ist ein wenig Information über

die Motivation des Täters, Plutonium besitzen zu wollen und es deshalb zu schmuggeln
der Grund für die ausgedehnte Kontamination - irgendwas muss doch undicht gewesen sein?
Messwerte oder wenigstens eine Bewertung (wenig/mittel/viel) der Kontamination an den einzelnen Einrichtungsgegenständen oder Teilen der Wohnung.
die Strafe, die dafür verhängt wurde

Radium · 23. September 2023, 21:38

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28Was mir in dem Bericht noch fehlt, ist ein wenig Information über
die Motivation des Täters, Plutonium besitzen zu wollen und es deshalb zu schmuggeln
der Grund für die ausgedehnte Kontamination - irgendwas muss doch undicht gewesen sein?

Da hat aber einer Scheiße gebaut

Also bei so einer massiven Kontamination, das muss man erst einmal schaffen, der hat doch mit Radioaktiven Stoffen gearbeitet, warum hat der dann nicht aufgepasst, das nichts kontaminiert wird?
Gruß Fiete
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DG0MG · 23. September 2023, 21:46

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28der Grund für die ausgedehnte Kontamination - irgendwas muss doch undicht gewesen sein?

Hm, im Artikel vom STERN gibts dazu zumindest eine Theorie: https://www.stern.de/politik/deutschland/kriminalitaet-plutonium-affaere--kripo-denkt-an-mordversuch-3376102.html

"»Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass er ihr von dem Stoff etwas ins Essen tat«"

DG0MG · 23. September 2023, 21:53

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28die Strafe, die dafür verhängt wurde

2005 schreibt die TAZ: https://taz.de/Steuerzahler-bereinigen-Plutoniumklau/!628442/

"Der Mann, der nach einer Haftstrafe inzwischen wieder auf freiem Fuß ist, .."

NoLi · 23. September 2023, 22:18

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28...
Was mir in dem Bericht noch fehlt, ist ein wenig Information über
die Motivation des Täters, Plutonium besitzen zu wollen und es deshalb zu schmuggeln
der Grund für die ausgedehnte Kontamination - irgendwas muss doch undicht gewesen sein?
Messwerte oder wenigstens eine Bewertung (wenig/mittel/viel) der Kontamination an den einzelnen Einrichtungsgegenständen oder Teilen der Wohnung.
die Strafe, die dafür verhängt wurde

Da kann ich ein wenig beitragen

zu 1.: Herr M. wollte auf die Möglichkeit der Entwendung radioaktiver Stoffe aus der Anlage hinweisen (dies die offizielle Aussage von ihm). Inoffiziell wurde auch die STERN Artikelaussage nicht verworfen.
zu 2.: es handelte sich um Plaste-Röhrchen mit Flüssigkeit und stark kontaminierte Putzlumpen (Herr M. war über eine Fremdfirma u.a. für die Dekontamination der Heißen Zellen tätig). Die Röhrchen waren teilweise defekt/undicht.
zu 3.: da weiß ich leider auch nichts genaues...die Alpha-Aktivität eines gering gefüllten Staubsaugerbeutels von Herrn M.`s Wohnung soll im einige MBq-Bereich gelegen haben.
zu 4.: Herr M. bekam für seine Tat eine Haftstrafe von 5 Jahren, wurde aber "wegen guter Führung" nach 4 Jahren (Info nicht gesichert!) entlassen.

Frau E. war darüber unwissentlich und besaß nach der Aktion nichts mehr, nicht mal mehr die Kleider auf dem Leib. Diese mussten wir bei der Eingangskontrolle zur Personen-Erstdekontamination im regionalen Strahlenschutzzentrum einziehen, einschliesslich der mitgeführten Wertgegenstande, Geld und Ausweispapiere (alles kontaminiert). Zur teilweisen Dekorporation der inkorporierten Radionuklide wurden regelmäßige DTPA-Infusionen verabreicht (Bindung und Ausleitung von Radionuklide aus dem Kreislaufsystem); diese Maßnahmen sind sehr belastend, zu den DTPA-Infusionen mussten parallel Infusionen mit lebensnotwendigen Elektrolyten erfolgen. Ihre 50-Jahres-Folgedosis wurde zu ca. 5 Sv berechnet.

Norbert

Henri · 24. September 2023, 00:13

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Kontaminationen großflächig verteilen. Ein unglaubliches Glück, dass niemand das in der Landschaft "entsorgte" Röhrchen gefunden hatte und die in einen Altkleidercontainer geworfenen Wischtücher noch nicht verarbeitet worden waren, bis Frau E. ihr Geständnis ablegte.

Ein bißchen erinnert dieser Vorfall an das Ereignis in Goiânia, wo am Ende ja ein großer Teil der Stadt kontaminiert war und 7 Gebäude abgerissen werden mussten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Goi%C3%A2nia-Unfall
https://www.iaea.org/publications/3684/the-radiological-accident-in-goiania

NoLi · 24. September 2023, 10:23

Zitat von: Henri am 24. September 2023, 00:13Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Kontaminationen großflächig verteilen. Ein unglaubliches Glück, dass niemand das in der Landschaft "entsorgte" Röhrchen gefunden hatte und die in einen Altkleidercontainer geworfenen Wischtücher noch nicht verarbeitet worden waren, bis Frau E. ihr Geständnis ablegte.
...

Frau E., Lebensgefährtin von Herrn M., war unschuldig und unbeteiligt, wußte bis zu seinem Anruf überhaupt nichts davon und ist die materiell und gesundheitlich Hauptgeschädigte.
Es soll auch eine anschließende Trennung des Paares gegeben haben...

Norbert

Henri · 25. September 2023, 00:27

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28Was mir in dem Bericht noch fehlt, ist ein wenig Information über
(...)
die Strafe, die dafür verhängt wurde

4 1/2 Jahre waren es wohl:

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/prozesse-viereinhalb-jahre-haft-fuer-karlsruher-plutoniumdieb-160886.html

Hmmm, auf dem Foto trägt der Justizbeamte Handschuhe?

"Als Konsequenz aus der Sicherheitspanne hatte die Wiederaufarbeitungsanlage für 25 Millionen Euro nachgerüstet werden müssen."

Was wurde denn dafür gekauft?

Henri · 25. September 2023, 00:32

Zitat von: NoLi am 24. September 2023, 10:23Frau E., Lebensgefährtin von Herrn M., war unschuldig und unbeteiligt, wußte bis zu seinem Anruf überhaupt nichts davon und ist die materiell und gesundheitlich Hauptgeschädigte.
Es soll auch eine anschließende Trennung des Paares gegeben haben...

Norbert

"Eine Frau aus Landau erhält von den Betreibern der stillgelegten Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe (WAK) Schadenersatz. Die "Rheinpfalz" vermeldet, dass die mittlerweile 52-Jährige drei Jahre nach dem Aufsehen erregenden Plutoniumdiebstahl aus der WAK eine fünfstellige Summe erhält. Sie war die Lebensgefährtin des Mannes, der den radioaktiven Abfall aus der WAK geschmuggelt hatte. Die Frau war damals von dem Plutonium verseucht worden. Dadurch trägt sie seither ein erhöhtes Krebsrisiko."

https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/plutonium-skandal-art-29448

Henri · 25. September 2023, 00:34

Zitat von: Henri am 25. September 2023, 00:27Was wurde denn dafür gekauft?

Ah:

"Inzwischen sind die Zugänge zur Wiederaufbereitungsanlage mit Kameras, neuen Monitoren und Kleinteilschleusen nachgerüstet worden."

https://www.ka-news.de/region/karlsruhe/langjaehrige-haft-fuer-plutoniumdieb-art-20764

Für 25 Millionen Euro??

Henri · 25. September 2023, 00:46

Zitat von: DG0MG am 23. September 2023, 21:28Was mir in dem Bericht noch fehlt, ist ein wenig Information über
die Motivation des Täters, Plutonium besitzen zu wollen und es deshalb zu schmuggeln
der Grund für die ausgedehnte Kontamination - irgendwas muss doch undicht gewesen sein?
Messwerte oder wenigstens eine Bewertung (wenig/mittel/viel) der Kontamination an den einzelnen Einrichtungsgegenständen oder Teilen der Wohnung.
die Strafe, die dafür verhängt wurde

Kermit · 25. September 2023, 15:26

Zitat von: Henri am 25. September 2023, 00:27Hmmm, auf dem Foto trägt der Justizbeamte Handschuhe?

Das ist bei Justizbeamten üblich, zumindest im Umgang mit den "betreuten" Personen.

Der Grund ist banal und hat nix mit Radioaktivität zu tun, keine Kontamination von "wer weiß was" und keine Fingerabdrücke, die irgendwer durch Tricks von den Beamten "kopieren" könnte. Wenn Personen viel Zeit haben kommen diese auf sehr "kreative" Ideen.

DG0MG · 25. September 2023, 16:11

Zitat von: Henri am 25. September 2023, 00:46Hier steht noch deutlich mehr, u.a. wie Herr M. die Sachen aus der Anlage schaffen konnte:

https://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-um/intern/Dateien/Dokumente/3_Umwelt/Kernenergie/Berichte/Anlagen/Sonstige/WAK/Abschlussbericht_zum_WAK-Nachsorgefall.pdf

Ein lesenswerter Bericht!
Insbesondere ist unklar, was Herr M. mit dem Handtuch veranstaltet hat - der Bericht beschränkt sich auf die Formulierung "manipuliert". Da nur Nylongeflecht übrig ist, vielleicht in einer Säure gebadet, um das Material herauszulösen?

DG0MG · 20. Januar 2024, 19:49

Zitat von: Prospektor am 23. September 2023, 21:01Eine spannende Zusammenfassung gibt es hier zu lesen: https://lfu.rlp.de/fileadmin/lfu/plutonium02.pdf

Interessant, dass dieser Link ein Vierteljahr später tot ist. archive.org hat ihn auch nicht archiviert.
Wer hat das Dokument noch?