Szintillatorempfindlichkeit auf PMTs und SiPMs

Begonnen von Flipflop, 16. September 2023, 18:43

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Flipflop

Interessant, ich verstehe zwar nicht alles aber der Radiacode gefällt mir trotzdem. Müsste denn der Kristall einfach grösser sein oder aus anderem Material? So im Idealfall möchte man Kalium und Thorium gut messen können. Bis 3MeV? Für den Hausgebrauch und wenn es günstig sein soll also selber Bauen.

NoLi

Zitat von: Flipflop am 16. September 2023, 18:43Interessant, ich verstehe zwar nicht alles aber der Radiacode gefällt mir trotzdem. Müsste denn der Kristall einfach grösser sein oder aus anderem Material?
Beides. Ein talliumaktivierter Natriumiodid NaI(Tl) ist deutlich empfindlicher als ein talliumaktivierter Cäsiumiodid CsI(Tl).
Es wäre mal interessant zu vergleichen, was der RAYSID mit seinem deutlich größeren CsI(Tl) im Bergwerk Merkers anzeigt.

Norbert

Lennart

Zitat von: NoLi am 16. September 2023, 19:13Es wäre mal interessant zu vergleichen, was der RAYSID mit seinem deutlich größeren CsI(Tl) im Bergwerk Merkers anzeigt.

Ich habe schon häufiger Gestein mit hohem Kaliumgehalt z.B. im Oberharz gefunden, dort stieg die Impulsrate auf teilweise 100 CPS und man sah den Peak bei ~ 1.461 keV im Suchmodus. Die DL wurde mit ~ 0,3 μSv/h angegeben.

opengeiger.de

Es hat mich ja schon erstaunt, wie deutlich und brauchbar genau der RC-101 im Kalibergwerk Merkers auf das Kalium reagiert hat. Wenn man sich so den Kalium-Photopeak nach einer 12h Kali-Dünger Messung anschaut, kann man es fast nicht glauben, dass die Displayanzeige von einem K-40 Photopeak herrührt. Ich will daher mal eine These in den Raum werfen, wie die Displayanzeige doch einigermaßen genau werden könnte, ganz ohne dass das Gerät den Photopeak sieht. Vielleicht gibt es ja ein paar Experten, die vor allem mit den kleinen kristallen Erfahrung haben und hier zur Diskussion beitragen könnten.

Man macht normalerweise die Kristalle groß, damit die Photonen auch bei hohen Energien trotz Mehrfachstreuung alle Energie abgeben, was dann genauso UV-Licht in der Intensität des Photopeaks liefert und die Pulse bei niedrigeren Energien aus Compton-gestreuten Photonen sind bei großen Kristallen weit weniger relevant.  Wenn man aber nen sehr kleinen Kristall hat, dann müssten z.B. Kalium Photonen relativ viel Compton-Streuung erfahren und die meisten verlassen den Kristall, bevor sie alle Energie abgegeben haben. D.h. die Energie die in Compton-Streupulsen steckt ist relativ gross und breit zu niederen Energien hin gestreut, verglichen zu dem was im K-40 Photopeak an Energie steckt. Das Compton-Gebirge recht aber doch ganz weit runter zu den tiefen Energien. D.h. die 0.3uSv/h die der RC-101 im Kali-Bergwerk im Spektrum aufintegriert hat, könnte auch weitestgehend aus Compton-Streupulsen bei niedereren Energien stammen und gar nicht aus dem Photopeak. Ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich nicht dochmal versucht habe ein Spektrum zu starten oder ein Wasserfall Diagramm aufzunehmen.  :'( Aber ja, so ists halt, der Nächste dann!

Aber was meint ihr zu dieser Theorie? Könnte das erklären warum der RC-101 relativ gut reagiert? :scratch_one-s_head:

etalon

Zitat von: NoLi am 16. September 2023, 19:13...
Ein talliumaktivierter Natriumiodid NaI(Tl) ist deutlich empfindlicher als ein talliumaktivierter Cäsiumiodid CsI(Tl).
...

Wie kommst du denn darauf? Das stimmt weder von der Photonenausbeute/MeV her, noch von der Kristalldichte und den beteiligten Kernladungszahlen als Maß für die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit von Gammaquanten...

Zitat von: opengeiger.de am 16. September 2023, 22:12...
Man macht normalerweise die Kristalle groß, damit die Photonen auch bei hohen Energien trotz Mehrfachstreuung alle Energie abgeben, was dann genauso UV-Licht in der Intensität des Photopeaks liefert und die Pulse bei niedrigeren Energien aus Compton-gestreuten Photonen sind bei großen Kristallen weit weniger relevant.  Wenn man aber nen sehr kleinen Kristall hat, dann müssten z.B. Kalium Photonen relativ viel Compton-Streuung erfahren und die meisten verlassen den Kristall, bevor sie alle Energie abgegeben haben. D.h. die Energie die in Compton-Streupulsen steckt ist relativ gross und breit zu niederen Energien hin gestreut, verglichen zu dem was im K-40 Photopeak an Energie steckt. Das Compton-Gebirge recht aber doch ganz weit runter zu den tiefen Energien. D.h. die 0.3uSv/h die der RC-101 im Kali-Bergwerk im Spektrum aufintegriert hat, könnte auch weitestgehend aus Compton-Streupulsen bei niedereren Energien stammen und gar nicht aus dem Photopeak.
...

Das ist definitiv genau so, wie du es beschreibst.

Flipflop

Hier noch eine Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 die sich mit Szintillationsdetektoren beschäftigt hat. Für mich so ab Seite 11.

https://tdpac.hiskp.uni-bonn.de/diplomarbeiten/Diplomarbeit-Riccardo-Valentini-2005.pdf

NoLi

"In Kristallen, die mit Thallium auf einem Teil der Natrium-Positionen dotiert sind (NaI:Tl+), entstehen durch ionisierende Strahlung Photonen und können so als Szintillationsdetektor eingesetzt werden, traditionell in der Nuklearmedizin, Geophysik, Kernphysik usw. NaI:Tl+ ist das am weitesten verbreitete Szintillationsmaterial, da es das meiste Licht produziert."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Natriumiodid)

"Eine wichtige Anwendung von Cäsiumiodid - Kristallen, welche Szintillatoren wird elektromagnetische Kalorimetrie in experimenteller Physik. Reines CsI ist ein schnelles und dichtes Szintillationsmaterial mit relativ geringer Lichtausbeute, das mit dem Abkühlen signifikant zunimmt."
(https://de.wikibrief.org/wiki/Caesium_iodide)


https://www.radiation-dosimetry.org/de/was-ist-szintillationsmaterial-arten-von-szintillatoren-definition/
CsI(Tl)Szintillatoren weisen demnach auch eine leichte Hygroskopizität auf, so dass die Detektoren vor Wasserkontakt unbedingt und höherer Luftfeuchtigkeit möglichst geschützt werden müssen. Hoffentlich wurde dies bei der Konstruktion von RadiaCode + Co berücksichtigt. Der Kristall beim RADEX OBSIDIAN befindet sich z.B. in einem schwarzen Schrumpfschlauch... :umnik2:

Norbert



etalon

Tja, Wikipedia ist ja oft eine hilfreiche Einrichtung, aber halt nicht immer.
Diese Märchen resultieren oftmals noch aus Zeiten, in denen man Szintillatoren nur mit PMTs betreiben konnte. Da die emittierte Wellenlänge von CsI(Tl) ihren Peak bei rund 550 nm hat und die meisten PMTs ihre Peakempfindlichkeit im nahen UV haben, ist die Gesamtempfindlichkeit eines CsI(Tl) Detektors mit PMTs hinter den NaI(Tl) Detektoren zurück. Mit den heutigen SiPMs mit ihrer angepassten Peakempfindlichkeit ist das aber absolut Geschichte! Der Vorteil von NaI(Tl) gegenüber CsI(Tl) ist hauptsächlich in der Emissionszeit für die Photonen (Relaxationszeit) zu finden. Da hat NaI(Tl) die Nase vorne. Alle anderen Features lassen heutzutage eher zu CsI(Tl) tendieren.

Auch wenn die Entwicklung im Bereich der Szintillatordetektoren bei weitem nicht mehr so rasant voranschreitet wie vor ein paar Jahrzehnten, ist es trotzdem Sinnvoll, ihr gelegentlich zu folgen. Das schafft oft neue Erkenntnisse und relativiert alte, mantraartig kursierende Aussagen zuweilen  ;)  ;D

Ist ein ähnlicher Entwicklungssprung wie seinerzeit von Ge(Li) zu HPGe. Und auch neue Szintillatormaterialien wie z.B. SrI lassen sich erfolgversprechend an...

https://www.gammadata.se/assets/Uploads/NaITl-Data-Sheet.pdf

https://www.gammadata.se/assets/Uploads/CsITl-and-Na-data-sheet.pdf

NoLi

Die Photoelektronenausbeute eines CsI beträgt nach  https://www.gammadata.se/assets/Uploads/CsITl-and-Na-data-sheet.pdf :

Zitate:

"Photoelectron yield [% of
NaI(Tl)] (for γ-rays)
[a] 45
(b) 85"


und weiter

"CsI(Na) –
As shown in Figure 1, the emission maximum
of CsI(Na) peaks at 420nm and is well matched
to the photocathode sensitivity of a bialkali
photomultiplier. The photoelectron yield for
γ-rays amounts to 85% of NaI(Tl). The decay time
of CsI(Na) at 630ns is less than that of CsI(Tl)."


Ich interpretiere diese Angaben so, dass die Photoelektronenausbeute eines CsI(Tl)-Kristalls 45 % eines vergleichbaren NaI(Tl)-Kristalls beträgt, die eines CsI(Na)-Kristall 85 % eines vergleichbaren NaI(Tl)-Kristalls.

Norbert

etalon

Zitat von: NoLi am 17. September 2023, 20:54Die Photoelektronenausbeute eines CsI beträgt nach  https://www.gammadata.se/assets/Uploads/CsITl-and-Na-data-sheet.pdf :

Zitate:

"Photoelectron yield [% of
NaI(Tl)] (for γ-rays)
[a] 45
(b) 85"


und weiter

"CsI(Na) –
As shown in Figure 1, the emission maximum
of CsI(Na) peaks at 420nm and is well matched
to the photocathode sensitivity of a bialkali
photomultiplier. The photoelectron yield for
γ-rays amounts to 85% of NaI(Tl). The decay time
of CsI(Na) at 630ns is less than that of CsI(Tl)."


Ich interpretiere diese Angaben so, dass die Photoelektronenausbeute eines CsI(Tl)-Kristalls 45 % eines vergleichbaren NaI(Tl)-Kristalls beträgt, die eines CsI(Na)-Kristall 85 % eines vergleichbaren NaI(Tl)-Kristalls.

Norbert

Die Photoelektronenausbeute sagt nichts über die Empfindlichkeit eines Szintillatormaterials aus, da es hauptsächlich davon abhängt, wie gut die Effizienzen der Szintillatormaterialien und der SEVs matchen. Das was du zitiert hast stimmt, wenn du NaI(Tl) und CsI(Tl) auf den selben PMT(!!) klebst. Wenn du aber einen jeweils passenden SEV verwendest, was man beim Detektorbau für gewöhnlich ja macht, dann entscheidet über die intrinsische Empfindlichkeit des Szintillators sein light yield in Photonen/keV. Auch diese Angaben findest du auf den Datenblättern rechts unter ,,properties" gelistet.
Über die Wahrscheinlichkeit, dass das Photon überhaupt eine Wechselwirkung im Szintillator macht, entscheidet seine Dichte und Kernladungszahl Z. Auch das findest du unter ,,properties" gelistet. Damit sollte eigentlich klar werden, was ich oben versucht habe, rüber zu bringen...

Und bitte schmeiße nicht alle CsI-Variationen durcheinander. Die unterscheiden sich in ihren Eigenschaften wesentlich. Hier ging es bislang nur um NaI(Tl) vs CsI(Tl).

NoLi

Auf den CsI(Na) bin ich nur eingegangen, weil er im Datenblatt mit aufgeführt ist.

Norbert

etalon

Zitat von: NoLi am 17. September 2023, 21:42Auf den CsI(Na) bin ich nur eingegangen, weil er im Datenblatt mit aufgeführt ist.

Norbert

Hier sprichst du vom undotierten CsI, was ja auch ein Szintillator ist:

Zitat von: NoLi am 17. September 2023, 11:42...
"Eine wichtige Anwendung von Cäsiumiodid - Kristallen, welche Szintillatoren wird elektromagnetische Kalorimetrie in experimenteller Physik. Reines CsI ist ein schnelles und dichtes Szintillationsmaterial mit relativ geringer Lichtausbeute, das mit dem Abkühlen signifikant zunimmt."
(https://de.wikibrief.org/wiki/Caesium_iodide)
...

Daher meine Anmerkung, da vllt nicht jeder, der hier mitliest, um die Unterschiede weiß...

Aber egal. Ich habe meinen Punkt denke ich rübergebracht. Jetzt kann jeder für sich selber die Daten sortieren...  ;)  ;D

Flipflop

Na ja, die ganze Diskussion um die Kristalle begann ja mit meiner Frage ob ein anderer oder grösserer Kristall etwas an der Detektorleistung in Bezug Kalium 40 und Thorium ändern würde. Sicher im Preis. Ich bin ja gespannt was man in 10 Jahren als Kristall nimmt. Das ist dann vermutlich der Radiacode 105 :unknw:

NoLi

Zitat von: etalon am 17. September 2023, 21:52Aber egal. Ich habe meinen Punkt denke ich rübergebracht. Jetzt kann jeder für sich selber die Daten sortieren...  ;)  ;D
:good3:

Norbert