Radioaktive Stoffe in Nähe von Atomkraftwerken

Begonnen von Jan, 15. Juni 2023, 10:53

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Jan

Hallo an Alle,

jedes Atomkraftwerk gibt, wenn auch gering, radioaktive Stoffe in die Umwelt ab.

Ich bin immernoch bei Baumaterialien... Wenn in der Nähe eines AKW's Sande und Gesteine abgebaut werden, dann können doch diese radioaktiven Stoffe, evtl. sogar angereichert,  dadurch in die Baumaterialien gelangen.

Kann jemand dazu etwas sagen?

DL8BCN

Atomkraftwerke geben im Betrieb m.W.nach hauptsächlich radioaktive Edelgase , z.B Xenon ab.
Diese werden mit dem Wind stark verdünnt und sind somit schon nach kurzer Zeit nicht mehr messbar.
Radioaktiver ,,Staub" wird meiner Meinung nach gar nicht emittiert.
Auch keine kleinen Mengen.
Also kann Baumaterial auch in der Nähe von Atomkraftwerken nicht kontaminiert werden.
Und beim Rückbau wird alles dekontaminiert und freigemessen, oder sicher eingelagert.


Jan

Und was ist mit Störfällen die ja über die Zeit des Betriebs immer mal wieder vorgekommen sind? Diese ausgetretenen radioaktiven Nuklide sind doch in den Böden abgelagert und werden meines Wissens nach auch nicht abgebaut. Gerade Lehm und solche feinen Böden reichern radioaktive Stoffe ja besonders an.

Und radioaktive Stoffe aus AKW's, sind das natürliche radioaktive Stoffe oder sind das welche die in natürlichen Gesteinen nicht vorkommen?

Lennart

Nimm mir bitte die Aussage nicht krumm, aber wenn du um jeden Preis die Hintergrundstrahlung in deinem Haus minimieren willst, dann solltest du vielleicht aus Sachsen wegziehen. Ein schönes Holzhaus in Norddeutschland könnte deine ODL halbieren.

Jan

Zitat von: Lennart am 15. Juni 2023, 11:57Nimm mir bitte die Aussage nicht krumm, aber wenn du um jeden Preis die Hintergrundstrahlung in deinem Haus minimieren willst, dann solltest du vielleicht aus Sachsen wegziehen. Ein schönes Holzhaus in Norddeutschland könnte deine ODL halbieren.

Nein, nehme ich Dir nicht krumm...

Bei Radioaktivitäten die aus natürlichen Quellen stammen habe ich mich einigermaßen beruhigt.

Aber jetzt habe ich erfahren, dass die Betonsteine, die sich als Schornstein durch das ganze Haus ziehen werden, nur 10 km entfernt von dem AKW an der Isar hergestellt werden. Das bedeutet natürlich, dass die verwendeten Sande und Gesteine ebenfalls ganz in der Nähe des AKW's abgebaut werden.

Und, das macht mir Angst, das gebe ich zu. Ich habe noch kleinere Kinder und wenn die direkt neben diesen Betonsteinen spielen, schlafen... Da bekomme ich Kopfkino!

Henri

Dann kann ich Dich jetzt noch zusätzlich beunruhigen, denn gerade Kohlekraftwerke setzen größere Mengen Radionuklide in die Umwelt frei:

https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/2008_11_BUNDhintergrund_Radioaktivitaet_aus_Kohlekraftwerken.pdf

Und auch wenn man mit Holz heizt, ist das so eine Sache. Ich erinnere mich an einen Menschen in Schweden, der Jahre nach dem Tschernobyl-Unfall nicht geringe Mengen Cs-137 in Brennholz aus seiner Region nachweisen konnte.

Ach übrigens, in jeder Sekunde fliegen durch jeden cm2  Deiner Körperoberfläche Millionen Neutrinos.

Pro Sekunde erzeugt die natürliche Hintergrundstrahlung etwa 2-3 Millionen Zelltreffer in Deinem Körper. [1]

Im Jahr wird im Mittel jede einzelne Zelle Deines Körpers 2-3 Mal getroffen. [1]

In Deinem Körper zerfallen pro Sekunde 5.200 Kalium-40 Atome und setzen dabei jeweils ein Betateilchen und ein Antineutrino (Antimaterie) frei. [2]


Und trotzdem leben Du und ich und Deine Kinder, und manche Menschen werden über 100 Jahre alt.

Bei letzteren ist oft das "Geheimrezept", dass sie sich nicht so viele Sorgen machen.


Viele Grüße!

Henri



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[1] Braune Schrift  S. 29

[2] https://www.umweltanalysen.com/radioaktivitaet/kalium-40/

Jan

Vielen lieben Dank Henri für diese schockierenden Zahlen. Aber diese beruhigen mich eher! Da kann ich nicht viel dagegen tun, Schicksal quasi. Und ich habe es damit auf eine stattliche Ü40 geschafft und mein Umfeld ist auch recht fit.

Aber, da komme ich wieder zu meinen Ängsten. Emissionen aus einem AKW sind ja nicht natürlichen Ursprungs. Und, ich könnte all meine Kräfte zusammennehmen und versuchen herauszufinden wo andere Hersteller Sand & Co. abbauen und diese Betonsteine kaufen.

Das Umfeld eines Braunkohlekraftwerkes kommt mir mit seinen radioaktiven Emissionen recht natürlich vor, da diese ja natürliche Vorkommen verbrennen und somit auch nur sowieso in der Umwelt vorkommende radioaktive Stoffe emittieren. Bei einem AKW sieht das doch anders aus, oder?

Henri

Zitat von: Jan am 15. Juni 2023, 12:18Und, das macht mir Angst, das gebe ich zu. Ich habe noch kleinere Kinder und wenn die direkt neben diesen Betonsteinen spielen, schlafen... Da bekomme ich Kopfkino!

Hmmm... für mich wirkt das so, als wäre nicht die Radioaktivität das Problem, sondern Dein Kopfkino. Dafür gibt es keine technischen Lösungen. Ich denke, Du  musst es irgendwie schaffen, da etwas loszulassen.

Mit Radioaktivität im Niedrigdosisbereich ist es so: jede Dosiserhöhung erhöht das Krebsrisiko (die "Hormesis-Fans" sind jetzt bitte mal still  :D  ). Das ist wie beim Lottospielen. Ich kaufe zwei Lose statt einem Los und verdoppele damit meine Gewinnchance. Nur: wie hoch ist die mit einem Los? Und wie hoch mit zwei Losen? Und macht der Unterschied zwischen beiden in der Praxis überhaupt einen Unterschied?

Nur weil etwas theoretisch sein kann (obwohl es extrem unwahrscheinlich ist), bleibt es trotzdem extrem unwahrscheinlich. Klar, irgend jemand gewinnt immer beim Lotto, aber Du kannst nicht davon ausgehen, dass Du jemals in Deinem Leben den Jackpot machst, selbst wenn Du 10 Lose kaufst.

Ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung, Rauchen, riskantes Verhalten im Strassenverkehr, Stress, das sind die Dinge, auf die es wirklich ankommt. Nicht auf die paar Bq Cs-137 in den selbstgesammelten Waldpilzen.

DL8BCN

Hallo, ich muss meine  Aussage weiter oben wohl korrigieren.
Es ist wohl kein Xenon, was in Luft getragen wird, sondern Krypton-85 und Tritium und andere.
Siehe hier die Grafik vom BfS:
https://www.bfs.de/SharedDocs/Bilder/BfS/DE/ion/umwelt/kkw-abwasser-fortluft-aktivitaet.jpg;jsessionid=5A589CA5D8A234F3025C4E2FE02E3AD0.2_cid382?__blob=poster&v=16
@ Jan: Du brauchst auch gar nicht zu unterscheiden, ob die Radioaktivität natürlichen Ursprungs ist, oder aus AKW's stammt. Ab bestimmten Grenzwerten muss man mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen.

Henri

Zitat von: Jan am 15. Juni 2023, 12:44Bei einem AKW sieht das doch anders aus, oder?

Dem Betateilchen oder Gammaquant sieht man es nicht an, ob es "aus der Natur" oder aus dem AKW stammt.

Verschiedene (radioaktive) chemische Substanzen verbleiben unterschiedlich lange an unterschiedlichen Stellen im Körper und wirken dort. Das muss man individuell nach der entsprechenden Substanz beurteilen. Und man muss die Substanz in den Körper aufnehmen.

Deine Kinder werden doch nicht anfangen, die Steine Deines Hauses zu zermahlen und in ihr Essen zu steuen, oder? Wie soll denn da Inkorporation überhaupt stattfinden können? Und direkt von den Steinen ausgehende Strahlung kannst Du ja messen. Da ist es egal, ob sie aus natürlichen Quellen kommt oder aus künstlichen. Siehe erster Satz.

DG0MG

Zitat von: Jan am 15. Juni 2023, 10:53Ich bin immernoch bei Baumaterialien... Wenn in der Nähe eines AKW's Sande und Gesteine abgebaut werden, dann können doch diese radioaktiven Stoffe, evtl. sogar angereichert,  dadurch in die Baumaterialien gelangen.

Selbst, wenn dem so wäre, musst Du Dir mal vorstellen, wie Baumaterialien abgebaut werden (z.B. Sand): Man macht ein großes Loch (Sandgrube) und baggert dann WAAGERECHT einen Hang weg. Das gewonnene Material war Millionen Jahre (oder so) einige bis viele Meter unter der Erdoberfläche. Der Fallout von z.B. Tschernobyl liegt aber nur in den oberen Zentimetern, im Mutterboden, der vor dem Sandabbau sowieso erstmal weggeräumt wird.

Ich bin sicher, wenn man jeweils eine Tonne Sand, einmal aus der Nähe eines KKW und einmal von weiter entfernt vor ein Labor kippt, ist anhand der Radioaktivität nicht herauszufinden, was woher kommt.


"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Raddet

Zitat von: Jan am 15. Juni 2023, 12:44Das Umfeld eines Braunkohlekraftwerkes kommt mir mit seinen radioaktiven Emissionen recht natürlich vor,

Kohlekraftwerke sind hinsichtlich der Strahlenbelastung um eine Größenordnung schlimmer als jedes Atomkraftwerk.

Zitat von: Jan am 15. Juni 2023, 12:44Bei einem AKW sieht das doch anders aus, oder?

Ehrlich gesagt sehe ich keinen Unterschied.

NoLi

Zitat von: Henri am 15. Juni 2023, 12:25...
In Deinem Körper zerfallen pro Sekunde 5.200 Kalium-40 Atome und setzen dabei jeweils ein Betateilchen und ein Antineutrino (Antimaterie) frei. [2]
...
Und die etwa 4.000 Kohlenstoff-14 Atome, welche auch noch jede Sekunde im menschlichen Körper zerfallen, und jedes davon ein Betateilchen emittiert?!  >:(  :punish:

Norbert

Jan

Ist es so, dass die radioaktiven Stoffe im Mutterboden lagern? Diese Stoffe werden doch durch Regen weiter nach unten transportiert und gerade Ton/Lehm speichert doch radiaktive Nuklide durch die feine Struktur. Und Ton/Lehm ist ja Ausgangsstoff vieler Baustoffe.

Und Emissionen aus AKW's die nicht in der Natur vorkommen, was sind denn das für welche?

Ich weiß von:

Jod-131 --> kurze HWZ --> für Baustoffe uninteressant

radioaktives Cäsium --> lange HWZ --> warum nicht relevant für Strahlung?

Strontium --> ?

Tritium --> ?

Und da wird ja noch jede Menge mehr emittiert!

Radeye

Emittiert werden im Normalbetrieb, wenn überhaupt, geringste Mengen sehr flüchtiger Nuklide wie Krypton, Xenon- oder Iodisotope (gasförmig, bzw. sublimierbar). Die verteilen sich ratzfatz in der Umgebungsluft und verdünnen sich, bei den geringen Mengen, schnell unterhalb der Nachweisgrenze. Zusätzlich haben die meisten dieser Isotope (Kr-85 mal ausgenommen), auch relativ kurze Halbwertszeiten. Die ursprünglich emittierte Menge ist also bereits äußerst gering, und diese geringe Menge ist auch innerhalb kürzester- bis kurzer Zeit zerfallen, bzw. hat sich in der Umgebungsluft bis ins nicht mehr Messbare verdünnt.

Damit schwerer flüchtige Nuklie wie Caesium- oder Strontiumisotope frei werden bzw. sich in der Umgebung verteilen oder abregnen können, braucht es einen katastrophalen Störfall mit Hitzeentwicklung/Thermik.

Generell spielt es für die Wirkung auf den Körper überhaupt keine Rolle, ob das Radionuklid natürlichen oder künstlichen Ursprungs ist. Die Strahlung des in der Natur vorkommenden Urans und seiner Tochternuklide ist also nicht weniger schädlich, nur weil es in der Natur vorkommt ;)

Was nämlich tatsächlich gefährlich ist - und das ganz besonders in Sachsen, ist das Uran-Zerfallsprodukt Radon, welches sich sehr gerne in Kellerräumen durch das Mauerwerk hindurch ansammelt. Oder es wurde direkt Granithaltiges Baumaterial verwenden. Oder draußen vor dem Haus ist altes Kopfsteinpflaster verlegt. Wird das eingeatmet, und zerfällt mit seiner kurzen Halbwertszeit in der Lunge weiter zum nächsten Tochternuklid, kann das über Jahre hinweg Krebs verursachen.

Ähnlich verhält es sich auch mit den Emissionen von Kohlekraftwerken. Die Kohle kommt ja tief aus dem Boden - die Strahlung der Radionuklide, die in geringen Mengen mit enthalten sind, gelangt gar nicht bis an die Oberfläche. Deshalb ist das, solange die Kohle unter der Erde liegt, nicht relevant. Relevant wird es aber, sobald die Kohle verbrannt wird, und die Abgase in die Umgebungsluft gelangen.

Weiterhin hast du in der Bausubstanz fast jedes Gebäudes auch Kalium-40 enthalten, welches eines der natürlich vorkommenden Kaliumisotope darstellt. Deshalb ist die gemessene Ortsdosisleistung innerhalb von Gebäuden auch meistens minimal höher, als draußen auf der "grünen Wiese".

Zigarettenrauch enthält übrigens ebenfalls geringe Menge an Radionukliden aus der Uran-Zerfallsreihe. Natürlich noch neben dem ganzen Aromatenkrempel, der da sonst noch so drin ist ;D

Zusammengefasst lässt sich sagen dass du dir, was die Strahlenbelastung angeht, wenn überhaupt, dann in erster Linie um Radon im Keller gedanken machen solltest.

Gruß,
Radeye