Heeresversuchsanstalt Kummersdorf, Gottow: "Uranmaschine"

Begonnen von wrdmstr inc., 20. September 2019, 23:41

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DG0MG

Hier sind noch ein paar ältere Bewegtbildeindrücke von minimax.video:

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Hält jemand die Zeitschrift "STRAHLENSCHUTZPRAXIS", vielleicht beruflich oder hat Zugang zu einer Fachbibliothek?

In STRAHLENSCHUTZPRAXIS 3/2000 gibts angeblich auf Seite 46-50 einen Artikel mit dem Titel "Der Uranverein" von Günter Nagel, dem Autor des Buches "Atomversuche in Deutschland".

Das ist dem Quellenverzeichnis in diesem Bericht zu entnehmen ([43] auf S. 218) :

Im Suchmittel der STRAHLENSCHUTZPRAXIS finde ich aber weder den Günter Nagel noch die Uranmaschine.


Weiterhin:
Das BfS hat in Gottow am 16. Februar und 21. März 2000 gemessen. Der Bericht muss in dem Buch "Atomversuche in Deutschland" abgedruckt sein. Findet jemand den Bericht als PDF? Ist mir leider nicht gelungen.
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DG0MG

Zitat von: DG0MG am 31. Mai 2020, 18:47
Das BfS hat in Gottow am 16. Februar und 21. März 2000 gemessen. Der Bericht muss in dem Buch "Atomversuche in Deutschland" abgedruckt sein. Findet jemand den Bericht als PDF? Ist mir leider nicht gelungen.

In diesem Bericht, abgedruckt in [1] steht:


  • ODL in 1m Höhe, höchster Messwert: 400 nSv/h
  • ODL nahe dem Erdboden: 1200 nSv/h

Etwas mehr als 1 µSv/h haben wir am Boden ebenfalls gemessen.

[1] Günter Nagel: "Atomversuche in Deutschland: Geheime Uranarbeiten in Gottow, Oranienburg und Stadtilm"
Heinrich-Jung-Verlagsgesellschaft, 2002, ISBN: 3930588595
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DL3HRT

Zitat[1] Günter Nagel: "Atomversuche in Deutschland: Geheime Uranarbeiten in Gottow, Oranienburg und Stadtilm"
Heinrich-Jung-Verlagsgesellschaft, 2002, ISBN: 3930588595
Genau das Buch habe ich mir "rein zufällig" vor 3 Tagen antiquarisch bestellt. Die meisten Angebote grenzen an Straßenräuberei, sprich es wird ein höherer Preis verlangt als das Buch ursprünglich gekostet hat. Ich hatte Glück mit einem sehr fairen Verkäufer. Sobald es eingetroffen ist gebe ich Bescheid.

Die höchste Dosisleistung die ich messen konnte war 1,4 µSv/h, direkt über einem Hotspot.

DL3HRT

#19
Da das Buch heute eingetroffen ist kann ich etwas Genaueres zu dem Messbericht des BfS schreiben. Die Messungen wurden am 18.1.2000 durchgeführt. Als Messgeräte kamen zum Einsatz:

       
  • Szintillationsmessgerät 6150AD-b zur Messung der Ortsdosisleistung (vor Ort)
  • Contamat FHT111M (vor Ort)
  • Gammaspektrometer mit HPGe-Detektor (im Labor)
Die ODL wurde wie oben angegeben bestimmt (höchste Werte ca. 0.4 µSv/h in 1m Höhe und 1,2 µSv/h an gleicher Stelle nahe dem Erdboden). Die Gammaspektrometrie ergab "Natururan", also Uran mit natürlichem Isotopenverhältnis. Der Anteil der Uran-235 Aktivität betrug 4.5%. Künstliche Radionuklide (abgesehen vom Caesium-137 aus Tschernobyl) wurden nicht beobachtet. Als höchste spezifische Aktivität wurden 290 Bq/g Uran-238 ermittelt.

Im Bereich der höchsten ODL wurde ein Bodenprofil bis in 40 cm Tiefe genommen. Die Aktivitätskonzentration nahm innerhalb 15 cm Tiefe auf weniger als 1% ab.

Das sind die im Buch abgedruckten Messergebnisse. Ich hätte ein paar Anmerkungen dazu, warte aber vorher die Analyse unserer Bodenprobe ab.

NoLi

Zitat von: DL3HRT am 03. Juni 2020, 16:59
Die ODL wurde wie oben angegeben bestimmt (höchste Werte ca. 0.4 µSv/h in 1m Höhe und 1,2 µSv/h an gleicher Stelle nahe dem Erdboden). Die Gammaspektrometrie ergab "Natururan", also Uran mit natürlichem Isotopenverhältnis. Der Anteil der Uran-235 Aktivität betrug 4.5%.

"Natur-Uran"?? :-\
Der Uran-235 Anteil im Natur-Uran beträgt 0,72% (oder weniger, wie bei den Naturreaktoren in Gabun).

Gruß
Norbert

DL3HRT

Zitat"Natur-Uran"??
Natürlich Natururan  :) . Das BfS hat nicht den Anteil des U-235 bestimmt sondern den prozentualen Anteil der U-235 Aktivität an der Gesamtaktivität. Und der liegt bei etwas unter 5%.

NoLi

290 Bq/kg Boden maximal...dies entspricht einer Menge von 11,6 mg Uran pro kg Boden.
Und dies soll eine Gamma-Dosisleistung von ~ 1,4 µSv/h erzeugen?
Hmmmm...

Gruß
Norbert

NoLi

Meine außen voll orange uranglasierte, kubische Art-deco Keramik-Schnapsbuddel (ca. 0,5 l Volumen; Karlsruher Majolika) aus den 1930er Jahren (= Natururan) hat eine spezifische Uranglasur von ca. 2,4 mg/cm².
Die Oberfläche beträgt etwa 421 cm²  -->  Uranbelegung ca. 1010 mg (Uran-Aktivität ca. 25200 Bq).
Das Gewicht beträgt 455 Gramm  -->  spezifische Uran-Aktivität ca. 56 Bq/g (entspräche 56000 Bq/kg).

Dosisleistungsmessung mit dem FH40F2 im Kontakt mit der Flasche erbrachte eine Netto-Gamma-Dosisleistung von 0,15 µSv/h.

Gruß
Norbert

DL3HRT

Zitat290 Bq/kg Boden maximal...dies entspricht einer Menge von 11,6 mg Uran pro kg Boden.
Entschuldigung, ich hatte mich vertippt. Es wurden 290 Bq/g gemessen, ich habe das im ursprünglichen Beitrag korrigiert. Das ist dann schon eine andere Größenordnung und erklärt sicherlich die Dosisleistung.

DL3HRT

Heute habe ich die Analyseergebnisse der Bodenprobe bekommen. Es wurden 282 g des Waldbodens in einem kommerziellen HPGe-Gammaspektrometer gemessen. Die Messzeit betrug 75000 Sekunden, also fast 21 Stunden.

Hier die Ergebnisse der spezifischen Aktivität in Bq/kg:

       
  • K-40:      668
  • Cs-137:     22,20
  • Ra-226:    758
  • Ac-227:    996
  • Ra-228:      8,17
  • Th-228:      8,00
  • U-235:    8998 (= 8,998 Bq/g)
  • U-238:  448000 (= 448 Bq/g)
Die Gamma-Gesamtaktivität beträgt damit ca. 460000 Bq/kg (460 Bq/g). Die U-238 Aktivität liegt mit 448 Bq/g über der vom BfS ermittelten von 290 Bq/g. Das habe ich aus dem Bauch heraus auch so erwartet, da die Beta-Zählrohre doch ganz ordentlich "ratterten". Der Anteil der U-235 Aktivität liegt bei ca. 2% der Gesamtaktivität des Urans. Das liegt etwas unter dem natürlichen Isotopenverhältnis und ist sicher der Messunsicherheit geschuldet. Caesium-137 liegt mit 22 Bq/kg sehr niedrig und dürfte auf Tschernobyl 1986 zurückzuführen sein.

Für mich lässt sich aus den Messwerten folgendes ableiten:

       
  • Es handelt sich um Natururan, also Uran mit natürlichem Isotopenverhältnis. Die Vermutung von Karlsch in seinem Buch "Hitlers Bombe", dass leicht angereichertes Uran zum Einsatz kam kann damit nicht bestätigt werden.
  • Die Radium-226 Aktivität ist verhältnismäßig gering. Sie beträgt 1,6 Promille der Uranaktivität. Das bestätigt, dass es sich bei der Bodenkontamination um ursprünglich chemisch reines Uran handelt.
  • Es wurden keine Spuren von Aktivierungs- oder Spaltprodukten gefunden. Damit wird die These eines laufenden Reaktors nicht bestätigt.
Unstrittig ist, dass die Gruppe um Kurt Diebner bei ihren Versuchen eine Neutronenvermehrung erzielt hat, mit jedem neuen Versuch etwas mehr. Der kritische Zustand wurde bei den Reaktorversuchen nicht erreicht. Das war auch gut so, denn es waren keine Schutzmechanismen (z.B. Steuerstäbe etc.) vorgesehen.

Die Frage, um welches Material es sich bei den aufgefunden Schlackesteinen handelt, ist noch in Klärung.

NoLi

#26
Entweder wurde beim Versuch G-1 mit Uranoxid "etwas gesauigelt", oder es hatte sich vielleicht Uranmetall entzündet, ist dabei oxidiert und hat die Kontaminationen verursacht (siehe auch El Al Flugzeugabsturz Amsterdam Schipol am 04.10.1992 mit brennenden Uranmetall-Ausgleichsgewichten und dadurch entstandenen größerflächigen Kontaminationen  https://de.wikipedia.org/wiki/El-Al-Flug_1862  ). Dies könnte auch die Schlackenbildung erklären.

Was eine selbsterhaltende Kettenreaktion anging, war es bei Heisenberg im "Haigerlocher Felsenkeller" ähnlich: er hatte eine Neutronenvermehrung um den Faktor 7 erreicht, dies war aber noch nicht ausreichend für eine Selbsterhaltung (war etwas zu wenig Uran). Hätten sich Diebner und Heisenberg zusammengetan und ihre beiden Uranmetallwürfelvorräte vereinigt, wäre es zu einem funktionierenden Reaktor gekommen  :yahoo: .
Aber die Wehrmacht mußte ja in Gottow unbedingt einen eigenen Weg gehen... :(

https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungsreaktor_Haigerloch
https://de.wikipedia.org/wiki/Atomkeller-Museum



Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 04. Juni 2020, 21:57
Entweder wurde beim Versuch G-1 mit Uranoxid

Grundsätzlich würde ich auch die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Bodenkontaminationen VERSCHIEDENE Ursachen haben. Die Schlacke vom Unfall also zu einem Zeitpunkt dazukam, als es eine vorherige Bodenkontamination schon gab. Schließlich hat man dort mehrere Jahre geforscht.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Die Bodenkontamination ist beträchtlich. Von der Urankonzentration her wäre das ein abbauwürdiges Vorkommen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass man z.B. bei G-1 Uranoxidpulver in diesem Ausmaß verschüttet hat. Ausschließen kann man das jedoch nicht.

Die Frage ist auch, ob die Schlacke bei dem angeblichen Unfall entstanden ist oder vielleicht erst später. Möglicherweise hat man versucht, die Anlage kurz vor Kriegsende gezielt zu vernichten. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, ob die Holzhütte auf dem Betontrog bei Kriegsende noch stand oder nicht. Die russische Armee soll zumindest den Reaktorbehälter noch vorgefunden und abtransportiert haben. Über den Zustand des Behälters habe ich keine Aussagen gefunden. Hätte es den Unfall in der beschriebenen Form gegeben, so dürfte eigentlich von einem Aluminiumbehälter nicht allzuviel übrig bleiben?

Wir werden uns leider auf Spekulationen beschränken müssen. Zeitzeugen gibt es keine mehr und falls nicht irgendwann ein neues Dokument aus russischen Archiven auftaucht, wird es auch kaum neue Erkenntnisse geben.


DL3HRT

Ich versuche einmal, die für die Bodenprobe gemessene Uran-238 Aktivität von 448 Bq/g zu veranschaulichen.

Die spezifische Aktivität von Uran-238 beträgt 12450 Bq/g. Der Messwert von 448 Bq/g entspricht daher einem Anteil von 0,036 g Uran-238 pro Gramm der Bodenprobe oder aber einem Anteil von 3,6%. Die Bodenprobe wog 282 g und enthält damit 10,15 g Uran-238.

Wir haben die Bodenprobe an einer der aktivsten Stellen genommen, so dass man daraus nicht zuverlässig auf den Urangehalt der gesamten Fläche schließen kann. Mehrere 100 g dürften es aber schon sein.

Ein Urangehalt von 3,6% entspricht 36000 ppm. Für eine Uranlagerstätte wären das Traumwerte. Im Ronneburger Revier lag der Urangehalt oft sogar unter 100 ppm.

Falls ich mich irgendwo verrechnet habe, so korrigiert mich bitte.