Röntgenstrahlung Bildröhren

Begonnen von DL8BCN, 15. April 2023, 18:16

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etalon

Ich bin etwas verwundert, was hier an Röntgenemissionen bei Bildröhren erwartet wird, und zwar sowohl, was die Beschleunigungsspannung betrifft, als auch was das Targetmaterial betrifft. Da kommt einfach nicht viel bei rum, und wenn, dann sehr niederenergetisch. Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn man mit Standardmessgeräten nicht viel misst.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Hauptsächlich maßgebend für den Erfolg sind die dem Szintillator (und dazu gehört auch eine Bildverstärkerfolie) vorgelagerten Strukturen.

Aus diesem Grund schrieb ich oben von Mylarfolie (natürlich aluminiumbeschichtet, muss ja lichtdicht sein). Da gibt es auch sehr dünne, wie sie z.B. bei Alpha-Großflächenzählrohren mit Dünnschichtszintillatoren verwendet werden. Mit sowas würde ich mal experimentell ins Rennen gehen. Oder extrem dünne Berylliumfolie, aber die liegt meistens noch viel weniger irgend wo rum...
 ;)

Ein anderer Ansatz wäre vllt ein Plattenkondensator mit Luftdielektrikum. Den Aufladen und vor die Röhre bringen und schauen, wie schnell er sich entlädt, da die Röntgenquanten ja die Luft dazwischen ionisieren. Der ist auf jeden Fall nicht Lichtempfindlich, wenn nicht gerade kurzwellige UV-Strahlung emittiert wird...

opengeiger.de

Zitat von: etalon am 25. April 2023, 16:09Oder extrem dünne Berylliumfolie, aber die liegt meistens noch viel weniger irgend wo rum...
 ;)


Ich hab mal eine Nacht vorsorglich im Krankenhaus verbringen dürfen, weil ein Doktorand die Werkstatt angewiesen hatte, an dem Berylliumfenster seiner Röntgenanlage etwas abzufräsen, weil es da immer wieder Überschläge gab - aber ohne was über das Material zu sagen. Der Mechaniker wollte nachfragen, warum sein Fräser nicht vorwärtskam, aber der Chef war dann am Telefon. Die Folge war eine vollständige Evakuierung der Abteilung und der Werkstatt.  :scare:  Also Vorsicht mit Beryllium!!!

etalon

Zitat von: opengeiger.de am 25. April 2023, 16:25
Zitat von: etalon am 25. April 2023, 16:09Oder extrem dünne Berylliumfolie, aber die liegt meistens noch viel weniger irgend wo rum...
 ;)


Ich hab mal eine Nacht vorsorglich im Krankenhaus verbringen dürfen, weil ein Doktorand die Werkstatt angewiesen hatte, an dem Berylliumfenster seiner Röntgenanlage etwas abzufräsen, weil es da immer wieder Überschläge gab - aber ohne was über das Material zu sagen. Der Mechaniker wollte nachfragen, warum sein Fräser nicht vorwärtskam, aber der Chef war dann am Telefon. Die Folge war eine vollständige Evakuierung der Abteilung und der Werkstatt.  :scare:  Also Vorsicht mit Beryllium!!!

Du sollst es ja auch nicht spanabhebend bearbeiten...  :D  :D
Sowas gibts auch schon fertig...

Oder man macht tatsächlich einen Messaufbau mit einer (oder mehreren) kleinen, alten Bildröhre, und beschichtet die Mattscheibe außen mit einer dünnen Aluminium- oder Kohlenstoffschicht, so dass sie lichtdicht ist. Dann kann man das Ganze in eine Dunkelkammer einbauen und den Szintillator samt PMT ohne weitere Abschirmung vor der Bildröhre platzieren. Ist zugegeben etwas Aufwand, aber wir wollen doch citizen science, oder?  ;D

DL8BCN

Man könnte meine ursprüngliche Frage auch umdrehen:
Welche Messtechnik benötigt man, um die unerwünschte Rest- Röntgenstrahlung einer Bildröhre nachzuweisen?
Da wäre es vermutlich bei einem alten Röhrenfernseher mit Farb–Bildröhre am einfachsten, weil da die Beschleunigungsspannung am höchsten ist. Zumindest im Vergleich zum S/W-TV und erst recht zu meiner kleinen Oszi-Röhre mit nur 13 kV Nachbeschleunigung.

PS: Zudem ist dies ja alles etwas ,,brotlose Kunst" , weil es hat heutzutage ja fast niemand mehr, außer uns Nerds noch Röhrenmonitore...
Ist halt für die Wissenschaft :yahoo:

Peter-1

Nur noch zur Abrundung. Wie soll aus Glas unterhalb von 6 keV noch Strahlung austreten?
Gruß  Peter

opengeiger.de

Bevor wir uns nun die Haare raufen und komplexe Bastelaufbauten wagen, könnten wir ja auch einfach mal in der vermutlich größten Kernforschungsbibliothek Deutschlands nachlesen. Dort hat man sich schließlich für alles interessiert was tickt.

Titel: "Untersuchung der Röntgen-Störstrahlung von Bildschirmgeräten"
https://publikationen.bibliothek.kit.edu/270021613/3812930

Dort hat man auch, so wie Etalon es erwähnt hat, ein Berylliumfenster verwendet. Man hat es dann aber vielleicht, wie es dort nicht so ganz unüblich war, eher mit Atemschutz passend gemacht und nicht einfach so dran rumgeschmirgelt, wie an dem renommierten Physikinstitut in Stuttgart.

Kermit

Die Untersuchung aus dem KIT ist sehr interessant :)

Die Zusammenfassung sagt ja alles aus, schade ist es trotzdem  ;) , ich hatte mich auf einen schönen "Drahtverhau" mit "wilden" Messwerten gefreut  ;)

Was aber schön ist, das hier im Forum in sehr kurzer Zeit eine Menge Informationen zusammengekommen sind, die man allein eben nicht so fix findet  :)

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 25. April 2023, 19:28...
Titel: "Untersuchung der Röntgen-Störstrahlung von Bildschirmgeräten"
https://publikationen.bibliothek.kit.edu/270021613/3812930
...
Interessant dieser Abschnitt (Zitat):

"1.3 überblick über frühere Untersuchungen
Als die NCRP-Empfehlung herausgegeben wurde, waren in den USA
bereits mehr als 100 Millionen Schwarz/Weiß- und Farb-Fernseh-
- 6 -
empfänger verkauft worden, die meisten davon von General Elec-
tric (GR72). Bei einem beträchtlichen Teil der Farb-Fernsehem-
pfänger wurde der NCRP-Grenzwert erheblich überschritten (RE67).
Für diese Uberschreitungen war in nahezu allen Fällen der Zei-
lentransformator verantwortlich (HA64). Entsprechende Messungen
des Public Health Service aus dem Jahr 1967 zeigten, daß bei 124
von insgesamt 185 untersuchten Zeilentransformatoren der NCRP-
Grenzwert nicht eingehalten wurde (GR72). In einem Fall war die
Röntgen-Emission des Zeilentransformators so groß, daß in der
Umgebung des Fernsehempfängers Ortsdosisleistungen von bis zu
832 mSv/h gemessen wurden (RE67). Daraufhin wurde noch im glei-
chen Jahr ein umfangreiches Reparaturprogramm gestartet, bei dem
General Electric zusammen mit dem Public Health Service an
110 000 Farbfernsehgeräten den Zeilentransformator auswechselte
und die Hochspannung nachjustierte (TSB68).
Von diesem Reparaturprogramm wurde allerdings nur ein relativ
geringer Teil der Geräte erfaßt. Dies geht aus zahlreichen in
der Folgezeit durchgeführten Untersuchungen hervor. Die wohl
umfangreichste Untersuchung fand in Suffalk County, New York,
statt. Hier wurden von Juli 1967 bis Dezember 1969 insgesamt
6482 Farb-Fernsehempfänger überprüft (BE70). Die Geräte stammten
von 40 amerikanischen, japanischen und europäischen Herstellern.
Insgesamt lagen 16,2 % aller Geräte über dem NCRP-Grenzwert,
wobei Dosisleistungen bis zu 1,5 mSv/h gemessen wurden. Stati-
stisch signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen
Marken konnten nicht festgestellt werden. Ursache für die Uber-
schreitungen war generell der Zeilentransformator. In einigen
Fällen kam eine überhöhte Bildröhrenspannung hinzu.
Mitte 1969 führte der Public Health Service eine Untersuchung an
den damals im Handel befindlichen Farb-Fernsehempfängern von 23
verschiedenen Herstellern durch. Hier ergaben sich sogar bei
29 % der 263 untersuchten Geräte Uberschreitungen des NCRP-
Grenzwertes (GR72). Bei weiteren Untersuchungen in Suffalk
County, New York (BE71), Washington, D.C. (TSB68) und Pennsyl-
vania (LA71) wurden bei 11 %, 6 % bzw. 2 %der untersuchten Ge-
räte Grenzwertüberschreitungen festgestellt.
- 7 -
Bedingt durch die Einführung von Halbleiterbauelementen ging die
Anzahl der Grenzwertüberschreitungen nach 1970 rasch zurück. So
konnte beispielsweise die PTB Braunschweig zwischen 1973 und
1980 bei keinem von insgesamt 634 untersuchten Farb-Fernsehern-
pfängern eine Überschreitung des NCRP-Grenzwertes feststellen
(RE83)."


Norbert

Peter-1

Am Zeilentrafo war die kleine Gleichrichterröhre DY86. Vielleicht habe ich noch so ein Röhrchen  :yahoo:
Aber ich bezweifle diese hohen Werte.
Gruß  Peter

Henri

Zitat von: Kermit am 25. April 2023, 19:46Die Untersuchung aus dem KIT ist sehr interessant :)

Ja! Vor allem die Erkenntnis, dass die teilweise doch sehr erheblichen Dosisleistungen bei sehr alten Geräten nicht von der Bildröhre, sondern von den damals noch in der Hochspannungserzeugung verwendeten Röhren generiert wurden. Das könnte für den einen oder anderen Bastler oder Antiquitätenliebhaber relevant sein. Ich weiß z.B. von einem Antiquitätenladen hier um die Ecke, der gerade einen uralten S/W Fernseher mit schickem Holzgehäuse im Schaufenster stehen hat. Abgesehen davon, dass die Bildröhren dieser Geräte noch keinen Implosionsschutz hatten (ein Umfallen oder Gegenstoßen kann zu schwersten Verletzungen durch die Glassplitter führen), sollte man auf einen Betrieb dieser Geräte also besser verzichten...

Bemerkenswert an der KFK-Untersuchung finde ich auch, dass diese wirklich schonungslos bis ganz zu Ende geführt wurde. Nach der Messung wußte man ja bereits, dass praktisch nichts an Strahlung festzustellen ist, hat aber dennoch einzelne Organdosen bestimmt anhand der durch Ergonomievorgaben an Bildschirmarbeitsplätzen bedingten Abstände...  :hi: 

Henri

Zitat von: Peter-1 am 25. April 2023, 23:02Am Zeilentrafo war die kleine Gleichrichterröhre DY86. Vielleicht habe ich noch so ein Röhrchen  :yahoo:
Aber ich bezweifle diese hohen Werte.

Im Geigerzähler-Bastelbuch von Thomas Rapp (Franzis Verlag, ISBN 978-3-7723-5377-2, vergriffen) nutzt dieser die Störstrahlung einer "kalt" (ohne Heizung) betriebenen Ballast-Triode PD 500 für seine Experimente. Diese diente ursprünglich der Hochspannungsstabilisierung in Farbfernsehern. Bei 42 kV Beschleunigungsspannung registriert er mit einem Endfenster-Zählrohr ZP1410 in 30 cm Abstand 132 cps (Nullrate: 0,4 cps).

etalon

Zitat von: NoLi am 25. April 2023, 21:41...daß in der
Umgebung des Fernsehempfängers Ortsdosisleistungen von bis zu
832 mSv/h gemessen wurden (RE67).
...
wobei Dosisleistungen bis zu 1,5 mSv/h gemessen wurden.
...

Ich bin ganz sicher kein Röhrenspezialist, wie manch anderer hier, und kenne auch diese explizite Röhre nicht. Aber ich weiß, dass die emittierte Röntgenstrahlung und damit die Dosisleistung proportional zum Röhrenstrom ist. Wenn ich mir dann ansehe, was für ein irrer Aufwand zur Kühlung von Röntgenröhren im Dauerbetrieb(!) nötig ist, und da sind die Röhren ja dafür ausgelegt, solch hohe Ströme bei entsprechender Beschleunigungsspannung zu verarbeiten, dann fällt es mir sehr schwer, solche Werte bei einem Fernseher nachzuvollziehen, noch dazu, da selbige in der ,,Umgebung" des Fernsehers gemessen wurden, noch nicht mal an der Röhre selbst.

Ich würde mal vermuten, dass da mindestens drei Größenordnungen zu ,,optimistisch" angegeben wurden...  :unknw:  ;D

DL8BCN

Moin, das hat mich nun auch gewundert, daß ein Zeilentransformator Röntgenspannung generiert.
Das kann technisch nicht sein. Es ist alles eine Frage der Nachbeschleunigungsspannung.
Die war dann wohl ein wenig hoch :o
Es ist so, wie Peter schrieb die Gleichrichterröhre DY86, die sogar als kleine Röntgenröhre verwendet werden kann.
Das habe ich schon mal irgendwo gesehen.
Da hat jemand schon mal Experimente mit gemacht und veröffentlicht.
Vielleicht finde ich Seite noch wieder.
Das geht bei der Röhre, weil sie eine große offenliegende Anode hat.
Ich müsste so was auch noch in der Röhren Grabbelkiste liegen haben.
Schöne Diskussion hier!
Und nur weil ich gefragt hatte, was für eine komische Einheit auf meinem HAMEG steht!
Super :yahoo: 


DL8BCN

Hier noch mal ein Link zu einer Seite von Stoppi.
Wenn ich es richtig weiß, ist er hier auch Forenmitglied:
Daher wird er sicherlich nichts dagegen haben, wen der Link hier gepostet wird.
https://stoppi-homemade-physics.de/roentgen/

Und ja diese Angabe von 832 mSv/h kann man sich kaum vorstellen.
Da hätte es ja wirklich gesundheitliche Probleme ohne Ende geben können/müssen...
In dem Bericht aus Karlsruhe steht ja eher was von nSv/h , oder sogar unterhalb der Nachweisgrenze.
Vielleicht wurde da tatsächlich Milli mit Nano verwechselt ?
(So, wie bei meinem HM605-Oszi).

opengeiger.de

Naja, wenn Stoppi es schafft, in 5 Sekunden ein vernünftiges Röntgenbild einer Fernbedienung mit ner analogen Filmkassette zu erzeugen, dann muss seine Selbstbau-Röntgenanlage schon ordentlichen Output haben. Und ich denke das hat sich auch schnell, wenn die Hochspannung stimmt und man die Kathode ordentlich heizt. Man könnte da höchstens etwas in thermische Schwierigkeiten kommen, wenn man die Anode nicht speziell kühlt, aber 5 Sekunden, das könnte noch ohne Kühlung gehen.

Nun ist Stoppi ein Physik-Profi und weiß wohl was er tut. Er wird auch wissen, welche Durchdringungskraft Röntgenstrahlen mit 50keV haben und was man damit in empfindlichem Gewebe, zum Beispiel in der Augenlinse anrichten kann. Wenn er die Anleitung nun online stellt, dann werden einige Leser damit ordentlich was Lernen aber es bekommen dann auch Leser zu sehen, die den nötigen Background nicht haben aber es dennoch mal "probieren" wollen. Und der Disclaimer reizt ja manche mehr, als dass er abschreckt. Deswegen bin ich persönlich bei solchen Webseiten doch immer etwas skeptisch.  :unknw:

Glücklicherweise muss man die Hochspannungsversorgung aber zuerst ans Laufen bekommen, bevor man Röntgenstrahlung erzeugen kann. Und wenn der unvorsichtige Newbie von seiner selbstgebauten 50kV Kaskade dann erstmal so richtig eine gewischt bekommt, dann lässt er es vielleicht ganz bleiben. Vielleicht. Aber er könnte das auch als Erfolg und erst recht als Ansporn werten (stammtischtauglich) und dann wird's, wenn man das gewisse Hintergrundwissen nicht hat, eben doch ziemlich brenzlig, nicht nur für die eigenen Augenlinsen. Man kann jetzt sagen selber schuld, jeder muss wissen was er tut. Und wenn Eltern nicht auf ihre Jugendlichen aufpassen können, dann brauchen sie eben einen Denkzettel.  :rtfm:

Bei uns wollten vor einigen Jahren drei Jugendliche auf einem frisch besprayten Güterwagen ein Fotoshooting machen. Die Hochspannungsleitung hatte ,,nur" 15kV, dafür hatte die Spannungsquelle der Deutschen Bahn etwas weniger Innenwiderstand als Stoppis kleine Kaskade und oben auf dem Wagen war der Abstand zur Leitung nicht mehr so arg groß. Es gab also ein kleines Feuerwerk aber derjenige, der das Video gemacht hat, hat es überlebt und hatte somit ein echt ,,einmaliges" Video  :o . Er durfte es vermutlich aber nicht auf youTube posten, so nehme ich an, es kam nur unscharf beschrieben in der Presse. Also es geht auch anders. Man braucht nicht unbedingt ein selbstgebautes Röntgengerät, um spektakulären Unfug anzustellen. Aber sollte man dafür nun ne Anleitung ins Netz stellen dürfen? Ich weiß nicht. Was meint ihr? Ist vielleicht eher ne moralische Frage.  :unknw: