Gamma-ODL Referenzpunkte in Deutschland

Begonnen von opengeiger.de, 15. April 2023, 15:49

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Es besteht ja doch wohl der Bedarf, dass ganz grundsätzlich Geräte in der Citizen Science Community in irgendeiner Form "kalibriert" werden können und damit einigermaßen ,,qualitätsgesicherte" Messdaten liefern. Nachdem Noli das Thema für die Beta- Flächenstrahlung im Zusammenhang mit dem Notfallschutz angegangen hat, möchte ich gerne in diesem Thread hier die Idee von Referenzmesspunkten für die Gamma-ODL verfolgen. Die Idee ist, dass wir in der Community in großen Städten oder in der Nähe bekannter Ausflugorte, wo sich auch ein Kurztrip aus anderen Gründen hin lohnt, Gamma-ODL Referenzpunkte listen, an denen jeder die ODL messen und seine Ergebnisse posten kann. Der Ort sollte geographisch möglichst genau definiert und öffentlich für jeden frei zugänglich sein. Die Gamma-ODL dort sollte möglichst hoch und in einem gewissen räumlichen Umfeld konstant sein. Ebenso sollte die dort messbare ODL auch zeitlich konstant sein, d.h. unerwartete Sanierungen oder sonstige zeitabhängige Variationen sollten ausgeschlossen sein. Also ein altes, bisher nicht saniertes Wismut Gelände wäre vermutlich nicht so gut geeignet. Die Messung sollte 1m über dem Boden gemacht werden (Gonadenhöhe) und der Messwert sollte aus mindestens 100counts gemittelt sein. Mit den Messdaten sollte das Messgerät, mit dem gemessen wurde, angegeben werden, ob und wie es kalibriert wurde. Als Messdaten sollte die ODL in uSv/h sowie die Zählrate in cps genannt, sowie die Mittelungszeit angegeben werden. Wenn das Messgerät rückführbar auf nationale Standards kalibriert war, sollte das natürlich speziell vermerkt werden. Derjenige, der einen Referenzpunkt benennt, sollte in der Nähe wohnen und auch ab und an vorbeischauen können, ob alles noch so ist wie zum Zeitpunkt der Nennung.

Wenn wir nun auf diese Weise an den Referenzpunkten eine zunehmende Anzahl an Messungen durch viele ,,Besucher" bekommen, dann sollte sich der Medianwert zunehmend an den wahren Wert annähern. Wenn es einen Messwert von einem rückführbar kalibrierten Messgerät geben sollte, ist das natürlich erstmal die beste Referenz, weitere Messungen sind aber dennoch hilfreich um die Streuung und den Offset unkalibrierter Geräte zu sehen.
 
Nun ist noch die Frage, wie häufig werden solche Referenzpunkte besucht und wie schnell konvergieren die Werte dann? Aber genau das wäre ja mal spannend zu sehen. Das hängt natürlich auch von der sonstigen Attraktivität ab. Also ich denke das wäre doch ein weiteres, nettes Citizen Science Projekt in der Community, oder was meint ihr? Wer hat Verbesserungsvorschläge?

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Ich will natürlich auch gleichmal mit einem Referenzpunkt ins Rennen gehen. Er ist in meiner Heimatstadt in Stuttgart zu finden. Es ist die in einschlägigen Kreisen zwischenzeitlich gut bekannte Kapelle im beliebten Höhenpark Killesberg, ganz in der Nähe der Milchbar. Dieser Freizeitpark ist der größte in Stuttgart mit einem bekannten Aussichtsturm und vielen Attraktionen für Familien. Es gibt eine kleine Eisenbahn, einen Streichelzoo, einen kleinen Jahrmarkt, Kindertheater, einen sehr großen Spielplatz, das berühmte Tal der Rosen, Cafes und Kneipen. Und er wird auch immer von städtischen Gärtnern schön bepflanzt. Bei der Milchbar, so ziemlich am höchsten Punkt, bei N48.806383 E9.170617 steht nun schon seit der Reichsgartenschau im Jahre 1939 eine Friedhofskapelle eines städtebaulichen Musterfriedhofs. Und sie ist aus einem ziemlich mit Uran imprägnierten weißen Sandstein gebaut. Daher kann man im halboffenen Innern ziemlich konstant eine Gamma-ODL zwischen 0.7uSv/h und 1uSv/h messen. Recht viel für den öffentlichen Raum. Allerdings steht die Kapelle unter Denkmalschutz. Und nachdem sich die Besucher dort nicht allzu lange aufhalten, wird sie wohl auch nicht abgesperrt oder mit anderem Mauerwerk neu aufgebaut werden. Als präzisen ODL-Referenzpunkt habe ich den Mittelpunkt der Apsis definiert, der leicht zu finden ist (siehe Skizze). Ich habe dort folgende Werte gemessen (Mittelungszeit jeweils 10min):

Radiacode-101, beim Kauf werkseitig kalibriert
ODL-Referenzpunkt: 1.1uSv/h
Zählrate Referenzpunkt: 61cps
ODL grüne Wiese: 0.15uSv/h
Zählrate grüne Wiese: 7cps


Gammascout mit eingeschwenktem Gamma-Fenster, beim Kauf werkseitig kalibriert
ODL-Referenzpunkt: 0.7uSv/h
Zählrate Referenzpunkt: 1.179cps
ODL grüne Wiese: 0.122uSv/h
Zählrate grüne Wiese: 0.363cps


Inspector (von SEInt'l), beim Kauf werkseitig kalibriert
ODL-Referenzpunkt: 0.7uSv/h
Zählrate Referenzpunkt: 3.9cps
ODL grüne Wiese: 0.14uSv/h
Zählrate grüne Wiese: 0.66cps


Henri

Hallo Bernd,

ich finde es ziemlich schick, dass die Bevölkerung in solche Sachen mehr eingebunden werden soll! Einen besseren Weg, vorbereitenden Notfallschutz zu betreiben und gleichzeitig Ängste vor Radioaktivität abzubauen, wenn sie ungerechtfertigt sind, kann ich mir eigentlich kaum vorstellen.  :yahoo:


Ein bißchen erinnert es mich aber an das Feinstaub-Messnetz: da jedeR mitmachen können soll, darf die Hardware nicht zu teuer sein. Diese hat dann aber ihre Limitierungen (bei den Feinstaubsensoren Fehlanzeigen bei kondensierender Luftfeuchtigkeit). Außerdem das Problem unerkannter falscher Montage, ungeeigneter Anbringungsorte usw.
Man muss die Grenzen kennen und respektieren, um die ermittelten Werte richtig einzuordnen. Aus den Feinstaub-Werten ist ja trotz der Limitierungen einiges an Erkenntnis zu gewinnen.

Bei Radioaktivität ist das nicht anders. Genau wie die Feinstaub-Sensoren eine gewisse Serienstreuung haben, ist das auch bei Strahlenmessgeräten so. Beim Feinstaub verzichtet man im Citizen-Netz auf die Kalibrierung und setzt darauf, dass es sich in der Masse schon wegmitteln werde. Man kann nun überlegen, ob das nicht auch im Bereich der Radioaktivität ein akzeptabler Weg wäre.

Die meisten Messgeräte für Dosisleistung werden auf Cs-137 oder Co-60 kalibriert.

Und eine Ortsdosisleistung ist eigentlich nur auf dem Meer oder tieferen Seen halbwegs konstant, wegen des Radons. Dort hat man vor allem die kosmische Komponente, auf die die Geräte aber sehr unterschiedlich ansprechen. Wir machen hier im Forum ja gerne Ausflüge zu den ODL-Sonden des BfS und vergleichen unsere Messwerte. Aber wir vergleichen nur den natürlichen Hintergrund. Bei einer Freisetzung von Spaltprodukten kann unser Geigerzähler ganz anders reagieren als die Mess-Sonde. Denn auch diese wird mit Cs-137 kalibriert.

Es spielt ja immer die Energieabhängigkeit und die Messgeometrie eine Rolle. Ist das Citizen-Messgerät energiekompensiert oder nicht? Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Bei nicht kompensierten Geräten müsste man eine Tabelle der Energieabhängigkeit erstellen. Dafür bräuchte es eine Vielzahl Referenzstrahler mit bekanntem Nuklid und bekannter Aktivität, die dann in größeren Städten allgemein zugänglich ausgehängt werden. Schwer vorzustellen.

Was möchte man unter welchen Bedingungen messen? Im Katastrophenfall die Oberflächenkontamination mit Betastrahlern? Oder das Cs-137 im Pilzragout? Die Dosisleistung von winzigen Kernbrennstoff-Fragmenten, die man in Tschernobyl ja anscheinend in der Umwelt finden kann?

Und letztendlich: kann man dem Citizen zutrauen, den Betaabsorber vor das Zählrohr zu schieben, wenn er Gammastrahlung in gemischten Strahlenfeldern messen möchte?  Das haben ja selbst die Experten  :umnik2:  einer großen weltweit agierenden Umwelt-Organisation schon mal vergessen.

Damit Werte vergleichbar werden, bräuchte man also so was wie standardisierte Mess-Hardware (der Weg, den SafeCast oder auch Boehri's MultiGeiger gegangen ist). Anhand von mit professionellen Methoden ermittelten Messwerten könnte man die Abweichungen der Ciziten-Daten dann später rechnerisch korrigieren.

Hat man keine standardisierte Hardware, mittelt sich vielleicht etwas heraus, wenn man mit vielen verschiedenen Geräten misst. In ländlichen Regionen wird es davon nicht viele geben (mit Glück eine einzelne Person), da sind die Messwerte dann sehr fragwürdig. Zumindest wenn man nicht weiß, mit was und wie gemessen wurde. In Großstädten dürfte es so viele geben, dass man alle Werte, die nicht mit der "standardisierten" Hardware gemessen wurden, bequemerweise verwerfen kann. Dann kann man sich aber fragen, welchen Sinn nicht-standardisierte Hardware dann noch hätte.

Oder man löst sich ganz einfach, wie bei den Feinstaubsensoren, vom Gedanken einer exakten Kalibrierung. Für die SBM-20 sind die Zählraten bei bekannter Dosisleistung von  Cs-137 ja im Datenblatt veröffentlicht. Man kann diese auch einfach als korrekt ansehen und lediglich "vorschreiben", dass zur Messwertermittelung ein ausreichender Beta-Absorber verwendet werden sollte.

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Daten-Schnittstelle: wie bekommt man die Messdaten überhaupt ins Netz (hat das Messgerät einen entsprechenden Ausgang?), wer betreibt den Server, wer wertet die Daten aus? Denn es soll am Ende ja nicht so sein, dass das BfS seine Sonden abbaut und die Angelegenheit den Bürgern überlässt, von denen jeder 1000ste einen China-Geigerzähler fragwürdiger Qualität in der Schublade liegen hat. Zusammen mit der reinen Messwert-Übertragung sollten deshalb vielleicht auch Informationen über das verwendete Gerät übermittelt werden. Wurde dieses dann z.B. von der Behörde vorab charakterisiert, kann man die Messwerte dann korrekturrechnen.


Na ja, das Thema ist extrem spannend, da sollte man auf jeden Fall noch mal gründlich drüber nachdenken!

Viele Grüße!

Henri

Peter-1

Verrückte Idee !

Angenommen ein Pilzkenner kennt eine Region mit noch schön strahlenden Maronen. Er sammelt dort eine reichliche Menge und trocknet dann die Frischware sehr sehr stark. Man könnte auch Veraschung sagen.  ;D
Das Pulver ist dann getrocknetes Pilzextrakt - also ein Lebensmittel. Lebensmittel darf man per Post überall in Deutschland verschicken.
Ein im Forum gut ausgerüsteter Fachmann stellt dann die Aktivität von Cs137 fest und so wäre ein Prüfstrahler entstanden, welcher von Forumsmitglieder zu Forumsmitglieder verschickt werden könnte. Ein Cs137 Lebensmittel-Prüfstrahler  ;D
Jetzt bin ich gespannt mit welchen Paragraphen ich erschlagen werde. :unknw:
Peter

P.S. Hundsbühler Erde habe ich vor 1 Jahr ganz legal gekauft. Ein schöner Strahler mit seinen Folgeprodukten.
Gruß  Peter

opengeiger.de

Zitat von: Henri am 15. April 2023, 17:00Hallo Bernd,

ich finde es ziemlich schick, dass die Bevölkerung in solche Sachen mehr eingebunden werden soll! Einen besseren Weg, vorbereitenden Notfallschutz zu betreiben und gleichzeitig Ängste vor Radioaktivität abzubauen, wenn sie ungerechtfertigt sind, kann ich mir eigentlich kaum vorstellen.  :yahoo:


Ein bisschen erinnert es mich aber an das Feinstaub-Messnetz: da jeder mitmachen können soll, darf die Hardware nicht zu teuer sein. Diese hat dann aber ihre Limitierungen (bei den Feinstaubsensoren Fehlanzeigen bei kondensierender Luftfeuchtigkeit). Außerdem das Problem unerkannter falscher Montage, ungeeigneter Anbringungsorte usw. ...


Ja, klar alles berechtigte Einwände! Ich war damals ausgerechnet derjenige, der den Bock mit der Feuchte bei den SDS011 Feinstaub-Sensoren gefunden und nachgewiesen hat. Und da war ich dann auch unter denen, die damals auf die Luftdaten.info Leute gezeigt haben und sagte, so kann man doch keinen zuverlässigen Feinstaub-Messkoten bauen. Und es waren immerhin schon 1000 Messknoten aufgestellt. Trotzdem haben die Macher weitere 5000 aufgestellt und die Einwände zuerst mal ignoriert. Aber eben genau deswegen, weil sich Hinz und Kunz keinen Palas Fidas mit Trockenstrecke leisten konnten, so wie wir an der Uni. Und heut zu Tage toleriert man halt, dass die Messdaten dieses wohl größten Citizen Science Netzwerks bei Nebel etwas verrücktspielen. Trotzdem muss ich nun auch sagen, war diese Kritik falsch. Es hat nämlich einfach was, so eine hohe Messknoten-Dichte zur Verfügung zu haben und aus jedem Kaff Messdaten zu bekommen, denn die Landesumweltämter und Unis haben ja nur wenige von den teuren Messtationen und das auch nur in großen Städten. Und mit den paar Messtationen hat man einfach keinen gescheiten Überblick, was gerade wo abgeht. Das muss man einfach im Vergleich heute zugeben.

Und so war das auch in Japan als Fukushima passierte. Was konnten die Bürger tun, nachdem die Katastrophe passiert war? Irgendwoher einen Geigerzähler besorgen, egal welchen, egal wie er aussah (in Japan war alles ausverkauft), und dann so viel wie möglich am Tag mit dem Geigerzähler und dem GPS am Auto rumfahren und schauen wo es mehr tickt als normal. So ist Safecast entstanden (damals hieß es noch Pachube). Es war sicher ein Problem, dass da anfangs zig verschiedene Geräte unterwegs waren, und sie waren bestimmt auch äußerst kunstvoll und individuell an den Autos befestigt. Energiekompensation oder nicht, das war völlig egal. Man war froh, dass man wenigstens grob ein Bild davon bekam, wie die Wolke sich ausgebreitet hatte und wo das Zeug runterkam. Die Behörden hatten durchaus noch ein paar ODL-Sonden am Laufen, aber da hieß es halt "momentan keine Daten verfügbar", man wollte schließlich die Bevölkerung nicht beunruhigen. Und dann gabs die ,,Radiation Brain Moms", also Mütter, die mit Crowd-Funding irgendwo im Internet ein HPGe-Gamma-Spektroskopie Gerät erstehen konnten um die Babynahrung zu messen. Rückführbar kalibriert war da sicher auch kein Einziges der Geräte.

Also ich denk im Notfall relativiert sich das schnell mit der Qualitätssicherung von Messdaten. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass man jede Anstrengung im Citizen Science Bereich diesbezüglich unterlassen sollte. Aber Weißbücher werden selten in Krisenzeiten geschrieben. Und ich habe manchmal den Eindruck, dass so manche Entscheidungsträger eher eine Art Kompetenzverlust fürchten, wenn sie so sehr mit dem Finger auf die Feinheiten und die möglichen Fehler zeigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute, die da jetzt noch in der Gegend um Saporischschja versuchen ne Radioaktivitäts-Messstation am Laufen zu halten, alles sauber kalibriert haben, wenn man die russische Artillerie schon in der Ferne böllern hört. Das BfS und bestimmt auch die IAEA sind dagegen sehr, sehr dankbar, dass die Bastler aus der Ukraine noch irgendwelche Daten senden. Man sieht daran, low-cost und selbst-gebastelt heißt nicht immer wertlos. Der Radiacode hat am Anfang auch nur 150Euro gekostet. Und jetzt schau mal, ob Du nen Automess mit GPS-Modul und Datenlogger bekommst.  Sch... gibt's einfach nicht! How come? Eine deutsche Vorzeigefirma für Präzisionsinstrumente hat die Digitalisierung verschlafen, oder wie? Ich möchte nicht wissen, was ein der 8150AD neu kostet. Für jede Mikrocontroller-Plattform gibt's GPS und Datenlogger für unter 50Euro. Also, ist schon richtig, dass man versucht die Präzision und Qualität hochzuhalten, dort wo es nötig ist, das aber als Argument zu verwenden, dass Citizen Science gar nicht geht, das stellt dann selbst einen Fachmann in Frage. Meinst Du nicht auch?

NoLi

Verarschte Pilze und Hundbühler Erde sind zwar für den Einzelnen brauchbare Hilfsmittel zur Überprüfung seines Equipments, aber leider nicht in konstanter Aktivität und Aktivitäätskonzentration für jeden Teilnehmer einer solchen Aktion in der BRD verfügbar.

Gerade bei der Dosisleistung gibt es jede Menge kommerzielle Meßgerätetypen, die nur einen Dosisleistungswert anzeigen. Aber was zeigen sie an? Hier finde ich eine Standort-Vergleichsmessung mit einer in Wohnortnähe befindlichen BfS-Messsonde brauchbar; sie wird nur ein wenig Zeit kosten.
Beispiel: über einen Zeitraum von 30 Minuten wird jede 30 Sekunden der momentan vom Prüfling angezeigte Messwert notiert und von den angefallenen 60 Messwerten der Mittelwert gebildet, dieser dann mit dem in der BfS-Homepage angezeigten aktuellen Sondenwerte verglichen. Daraus kann man schon eine mögliche Abweichungsgröße vom amtlichen Wert ermitteln.

Eine weitere Frage wäre die Langzeitkonstanz meines Dosisleistungsmeßgerätes.
Hierzu würde ich Kaliumchlorid oder Kaliumkarbonat in größerer Menge, z.B. 5 kg, verwenden und ausschließlich den Gammaanteil verwenden.
Hier ein Beispiel von A. Meier, DESY-Schülerlabor Hamburg: https://bildungsserver.hamburg.de/resource/blob/383910/a6520399109c97c8ac02d1bd0fb8baa1/experimente-mit-beta-strahlung-data.pdf
Zitat  "Ab einer Aluminiummächtigkeit von etwa 6 kg m -2 , entsprechend einer Schichtdicke von
etwa 2,2 mm, werden nur noch Impulse einer zweiten Strahlungskomponente registriert (etwa 300 Imp./5 Min.), die durch zusätzliche Aluminiumschichte nur schwach verringert wird. Dies ist die γ-Strahlung des Kalium-40."

Im Anzeigemodus µSv/h eines Dosisleistungsmeßgerätes muß somit eine geringe Erhöhung der Umgebungsdosisleistung signalisiert werden. Macht man diese Prozedur als Sollwert/Istwertvergleich regelmäßig (z.B. jährlich), könnte man eine schleichende Veränderung der Geräteempfindlichkeit mit der Zeit erkennen.

Wichtig: Meßgeräte mit Dosisleistungsanzeigen µSv/h sind AUSSCHLIESSLICH auf GAMMA-Strahlung kalibriert!!


Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe BBK schreibt für die Wartung von Strahlenmessgeräten des Bundes folgendes vor:  https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/CBRN/messtechnik/wartung-strahlenmessger%C3%A4te.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Hier wird auf die regelmäßige Funktionsprüfung (ohne Prüfstrahler) mit Hilfe der natürlichen Untergrundstrahlung (Nulleffekt) hingewiesen.

Norbert
 






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Zitat von: NoLi am 15. April 2023, 20:59Verarschte Pilze und Hundbühler Erde sind zwar für den Einzelnen brauchbare Hilfsmittel zur Überprüfung seines


Verarschte Pilze, was meinst Du da für ein Hilfsmittel ???  :))

opengeiger.de

Zitat von: NoLi am 15. April 2023, 20:59Hier finde ich eine Standort-Vergleichsmessung mit einer in Wohnortnähe befindlichen BfS-Messsonde brauchbar; sie wird nur ein wenig Zeit kosten.


Aber das Problem ist doch, dass die BfS-Messsonde im Normalfall nur die Hintergrundstrahlung anzeigt? Oder willst Du das BfS ärgern? Ich kenne jemand, der ging mal mit  seiner Frau, die gerade ein Schilddrüsen-Szintigramm bekommen hatte eine Messsonde besuchen ... Das ist glaube ich sogar verboten und auch nicht unbedingt für jeden reproduzierbar  :-\

NoLi

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 21:17Verarschte Pilze, was meinst Du da für ein Hilfsmittel ???  :))
Ups... ;D

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 21:22...
Aber das Problem ist doch, dass die BfS-Messsonde im Normalfall nur die Hintergrundstrahlung anzeigt? Oder willst Du das BfS ärgern? Ich kenne jemand, der ging mal mit  seiner Frau, die gerade ein Schilddrüsen-Szintigramm bekommen hatte eine Messsonde besuchen ... Das ist glaube ich sogar verboten und auch nicht unbedingt für jeden reproduzierbar  :-\
Die BfS-Sonde soll doch nicht mit Kalium-40 "gekitzelt" werden. Denn auch die normale Hintergrundstrahlung stellt einen Messwert dar, mit deren Hilfe man die Genauigkeit seines eigenen Strahlenmessgerätes überprüfen kann (selbst das BBK weist darauf hin, siehe BBK-Link).
Will man zusätzlich ein legales -aber leider recht schwaches- definiertes und überall verfügbares Gammastrahlungsfeld zur Konstanzkontrolle einer Dosisleistungsanzeige µSv/h benutzen, bleibt nur die Option Kaliumchlorid und Kaliumcarbonat im kg-Maßstab mit 2 mm Alu-Betaabsorber (siehe Arthur Meier, DESY-Schülerlabor).

Norbert

DG0MG

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 15:52Als präzisen ODL-Referenzpunkt habe ich den Mittelpunkt der Apsis definiert, der leicht zu finden ist (siehe Skizze). Ich habe dort folgende Werte gemessen

Radiacode-101, beim Kauf werkseitig kalibriert
Gammascout mit eingeschwenktem Gamma-Fenster
Inspector (von SEInt'l), beim Kauf werkseitig kalibriert

Hier müsste man vielleicht erstmal organisieren, dass jemand mit einem professionellen, geeichten, empfindlichen, natürlich energiekompensierten Gerät misst. Also z.B. mit einer AUTOMESS-b-Sonde. Erfahrungsgemäß zeigt das dann weniger an:

[Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Sonst "kalbriert" alles auf Uran/Radium und wenn dann wirklich mal Cäsium kommt, zeigt das Gerät dann zu wenig an.

Beim RadiaCode-101 bitte immer angeben, ob der Messwert mit Energiekompensation (neue Firmware) zustande kam, oder nicht.
Mein Bild ist älter ==> ohne Energiekompensation auf dem Sportplatz Kleinnaundorf.

Wir hatten voriges Jahr die Möglichkeit, auf einer 819-nSv/h-Fläche zu probieren: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1161.0.html
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

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Zitat von: NoLi am 15. April 2023, 22:00Die BfS-Sonde soll doch nicht mit Kalium-40 "gekitzelt" werden. Denn auch die normale Hintergrundstrahlung stellt einen Messwert dar, mit deren Hilfe man die Genauigkeit seines eigenen Strahlenmessgerätes überprüfen kann (selbst das BBK weist darauf hin, siehe BBK-Link).
Will man zusätzlich ein legales -aber leider recht schwaches- definiertes und überall verfügbares Gammastrahlungsfeld zur Konstanzkontrolle einer Dosisleistungsanzeige µSv/h benutzen, bleibt nur die Option Kaliumchlorid und Kaliumcarbonat im kg-Maßstab mit 2 mm Alu-Betaabsorber (siehe Arthur Meier, DESY-Schülerlabor).

Norbert

Naja, als Elektroniker baue ich ja so allerlei Messgeräte selbst, und da gehört das Kalibrieren eigentlich immer dazu. Die meisten Messgeräte sind dabei heutzutage so aufgebaut, man hat einen Sensor zur Umwandlung physikalisch/elektrisch-analog dann einen Verstärker, der gerade so viel verstärkt, dass der darauffolgende analog-digital Wandler für den gewünschten maximalen physikalischen Wert etwa 90% der Vollaussteuerung erreicht. Den Rest macht man dann digital, das ist heute immer einfacher als analog. Und genau so ist das in der Regel doch auch bei einem moderneren Strahlungsmessgerät gelöst. Nun hat man aber das Problem, dass die meisten Sensoren ein Eigenrauschen zeigen, ganz unabhängig vom physikalischen Signal. Dazu kommt noch das Rauschen des Vorverstärkers und des Analog-Digital Wandlers dazu. Ganz schön sieht man das bei der Gamma-Spektroskopie. Wenn man da den Kristall wegnimmt und nur den Photomultiplier mit dem Verstärker im lichtdichten Gehäuse laufen lässt, dann sieht man am Ausgang der Soundkarte, die oft als Analog-Digital Wandler benutzt wird (Theremino- und PRA-Software zur Auswertung) ein munteres Rauschen und das sieht aus wie viele kleine Zählpulse bei niederer Energie. Wenn man dann den unteren Schwellwert genügend absenkt, dann bekommt man ne tolle Zählrate, je nach Bauart der Anlage bis zu mehreren 10keV. Wenn die Anlage nicht so sehr rauscharm gebaut ist, dann bekommt man Zählpulse bis hoch zu 80keV oder so ähnlich. Setzt man nun den Kristall auf und legt nen Rauchmelder davor, dann hebt sich der Peak bei 59keV schon noch deutlich aus dem Rauschen raus. Nimmt man aber 500g von der berühmten Hirschgraben Erde, dann sieht man bei so einer Anlage das Americium in der Erde nicht mehr, weil die niedere echte Zählrate im elektronischen Rauschen versinkt.

Ganz das gleiche hat man aber auch bei einem Zählrohr- oder Szintillationszähler. Da gibt es schon mal Zählrohre oder Szintillationskristalle, die aus einem Material sind, das selbst tickt. Je nachdem wie der Komparator eingestellt ist nimmt der auch das Rauschen des Photomultipliers bzw. des Pulsverstärkers mit, denn man will ja auch möglichst alle strahlungsinduzierten Pulse registrieren, auch die schwächeren. Und daher bekommt man meist auch ganz ohne Strahlung eine gewisse Zählrate. Nur, das kann man in der Regel schwer testen. Man könnte vielleicht den Zähler mit Batterie und Datenlogger in einem druckdichten Gefäß tief im Meer versenken um die Strahlung von außen zu unterbinden. In jedem Fall wird aber auch bei einem guten Zähler Strahlung Null nicht Zählrate Null bedeuten. Das gleich gilt genauso für die Halbleiter Detektoren wie die BPW34 oder die teureren professionellen.

So und wie kalibrierst Du das nun ordentlich mit nur einem Punkt auf der Kalibrierkurve? Also die einfachste Art der Kalibrierung ist doch die Kalibriergerade durch zwei Punkte, die Dir den Offset und die Sensitivität gibt. Der nächste Schritt ist vielleicht die Regressionsgerade durch mehrere Messpunkte, und der nächste Schritt die Regressionskurve, wenn der Zusammenhang nicht-linear ist. Aber es ist ganz selten, dass man dabei mit Sicherheit annehmen kann, dass so eine Kalibrierkurve durch Null geht und daher ein Kalibrierpunkt völlig ausreichend ist. Von daher würde ich mich nicht darauf verlassen wollen, dass in der Nähe einer Messsonde, die 0.1uSv/h anzeigt, die Zählrate meines zum Beispiel selbstgebauten Messgeräts 0.1uSv/h bedeutet und ich dann den Granitbelag auf dem nahegelegenen Marktplatz auf 0.1uSv/h genau messen kann. Das gilt vor allem für die selbstgebauten Szintillationszähler, bei denen die gebrauchten Photomultiplier aus dem Internet oft erheblich rauschen. Und manchmal ist auch einfach der Komparator nicht optimal eingestellt. Wenn ich aber einen legalen ODL-Referenzpunkt habe mit 0.7uSv/h und dann noch den Wert neben einer ungestörten BfS-Messsonde, dann kann ich mit einer einfachen Kalibriergeraden den Offset und die Sensitivität bestimmen und dann stehen doch die Chancen nicht so schlecht, dass ich den Granit richtig messe. Oder sehe ich da was falsch?

opengeiger.de

Zitat von: DG0MG am 16. April 2023, 08:11Wir hatten voriges Jahr die Möglichkeit, auf einer 819-nSv/h-Fläche zu probieren: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1161.0.html

Sind diese Referenzflächen der WISMUT bei Ronneburg frei zugäglich? Das wär ja genau das, was ich vorschlage zu suchen!

miles_teg

Zitat von: opengeiger.de am 15. April 2023, 20:56Eine deutsche Vorzeigefirma für Präzisionsinstrumente hat die Digitalisierung verschlafen, oder wie? Ich möchte nicht wissen, was ein der 8150AD neu kostet. Für jede Mikrocontroller-Plattform gibt's GPS und Datenlogger für unter 50Euro. Also, ist schon richtig, dass man versucht die Präzision und Qualität hochzuhalten, dort wo es nötig ist, das aber als Argument zu verwenden, dass Citizen Science gar nicht geht, das stellt dann selbst einen Fachmann in Frage.
Ohne hier ein völlig neues Fass aufmachen zu wollen: überrascht das jemanden? Das sieht man in Deutschland doch in fast jeder Branche. Und ein weiterer Aspekt: meiner Erfahrung nach ist der Strahlenschutz konservativ. Also die Strahlenschützer die ich kennengelernt habe, sind das zumindest. Was vielleicht auch mit dem Alter korreliert.  ;D  Und zum Teil kann ich das ja auch verstehen. Ein Automess 6150 oder Graetz X5 der 20 Jahre als ist, funktioniert mit großer Wahrscheinlichkeit immer noch. Und Leute mit Elektronikerfahrung können bestimmte Probleme (Elkos etc.) wahrscheinlich auch in 10 Jahren noch selber reparieren. Im Gegensatz dazu hat ein Gerät mit eingebautem Li-Ionenakku, Bluetooth und Android App ein Verfallsdatum quasi eingebaut. Spätestens wenn die App nicht mehr gepflegt wird, ist die Chance das was klemmt nach ein oder zwei neuen Android-Versionen recht hoch. Demgegenüber steht natürlich der Service (zum entsprechenden Preis) einer professionellen Firma. Automess hat sogar noch PMTs für den Szintomat auf Lager (wenn auch zu einem exorbitanten Preis).
Was ich damit ausdrücken will: vielleicht liegt das nicht nur an Automess. Die Firma wird schon ihre Kunden fragen was sie wollen. Und wenn da ein paar wichtige Kunden sagen "Ach nein, solcher Schickschnack interessiert uns nicht", dann kann ich mir schon vorstellen das dies die R&D Abteilung beeinflusst.


miles_teg

Zitat von: opengeiger.de am 16. April 2023, 09:03
Zitat von: DG0MG am 16. April 2023, 08:11Wir hatten voriges Jahr die Möglichkeit, auf einer 819-nSv/h-Fläche zu probieren: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,1161.0.html

Sind diese Referenzflächen der WISMUT bei Ronneburg frei zugäglich? Das wär ja genau das, was ich vorschlage zu suchen!
Nein, die sind eingezäunt.

NoLi

Zitat von: miles_teg am 17. April 2023, 09:05...
Was ich damit ausdrücken will: vielleicht liegt das nicht nur an Automess. Die Firma wird schon ihre Kunden fragen was sie wollen. Und wenn da ein paar wichtige Kunden sagen "Ach nein, solcher Schickschnack interessiert uns nicht", dann kann ich mir schon vorstellen das dies die R&D Abteilung beeinflusst.
Im Sinne der Nachhaltigkeit macht die beispielhaft benannte Fa. Automess alles richtig. Das Gerät soll Dosis, Dosisleistung und Impulse/Zeit messen, nicht mehr und nicht weniger. Wozu dann einen häufigeren Modellwechsel, nur weil eine App oder Software die Daten nicht mehr richtig verarbeiten kann? Oder das Design nicht mehr gefällt? Lieber etwas abgespeckter, dafür aber zuverlässig und langlebig!
Negative Beispiele dazu findet man in der Gruppe der Consumergeräten, vor allem bei den Chinesen und Inder.

Ein "Automess 8150" stellt wohl immer noch einen Prototyp dar, denn im Portfolio von Automess ist so ein Gerätetyp (noch) nicht.

Norbert