Radiumfarbe, Leuchtfarbe

Begonnen von DG0MG, 08. August 2019, 18:00

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Na-22

Jetzt packen wohl alle ihre 6150AD aus  :D.
Hätte ich auch so einen Kompass würde ich mitmachen  ;D.

DL3HRT

Ich konnte heute eine F-58 Kompass mit dem FH40F2 untersuchen. Eine höhere Dosisleistung als 1,4 µSv/h war nicht messbar. Es ist schon erstaunlich, wie groß die Unterschiede sind. Die "58" steht für das Jahr, in dem das Modell auf den Markt gebracht wurde. Allzulange wurde es in dieser Form nicht gebaut. Alle drei hier vorgestellten Kompasse stammen folglich aus einem Zeitraum von maximal 2-3 Jahren. Vermutlich hat man es damals mit der Rezeptur nicht so genau genommen, denn anders kann ich mir diese eklatanten Unterschiede nicht erklären.
Hier noch die Messwerte mit den betaempfindlichen Zählrohren:
SBM-20: ca. 8 ips
SBM-19: ca. 27 ips

Also auch da ist nicht allzuviel zu messen.

NoLi

Ich denke, diese sehr unterschiedlichen Radiumgehalte rühren aus den breiten Einsatzbereichen des F58 und damit verbundenen verschieden geforderten Leuchtdichten her.
Die NVA wird andere Anforderungen als die VOPO, die STASI andere als die Kampfgruppen und Wehrkundler, Jäger und Wanderer gehabt haben.

Gruß
Norbert

DG0MG

Zitat von: DL3HRT am 19. Juni 2020, 19:46
Ich konnte heute eine F-58 Kompass mit dem FH40F2 untersuchen. Vermutlich hat man es damals mit der Rezeptur nicht so genau genommen, denn anders kann ich mir diese eklatanten Unterschiede nicht erklären.

Ist die Nummer auf dem Boden dieselbe gewesen? (Bild 4 in Beitrag #8)
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

ZitatIst die Nummer auf dem Boden dieselbe gewesen? (Bild 4 in Beitrag #8)
Die Nummer ist gleich, allerdings gibt es eine Abweichung beim Logo. Das ist ohne Schriftzug dargestellt. Vielleicht eine Version für den Export? Wobei der Name "Freiberger" eigentlich international bekannt und anerkannt war.

DG0MG

Hieer gibts mal eine Übersicht der Kompasse aus Freiberg:


Freiberger Präzisionsmechanik: Marschkompasse F52, F58, F65, F70, F73

Einen F73 habe ich seit ~ 40 Jahren in Besitz, auch ausschließlich dieser Typ ist mir in GST und NVA begegnet (was natürlich nichts heisst).
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Gerade eben habe ich das Gammaspektrum meines F58 aufgezeichnet. Man sieht sehr schön Radium-226 sowie die Tochternuklide Blei-214 und Bismut-214.

DL3HRT

Wie unterschiedlich die Aktivität ähnlicher Objekte sein kann, zeigt folgender Vergleich. Ich habe die Dosisleistung zweier Schalter aus einem russischen Schützenpanzer gemessen. An der Spitze des Schalthebels befindet sich eine Glasperle mit Radiumleuchtfarbe. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass die Leuchtfarbe abriebfest eingeschlossen ist und somit keine Kontamination der Finger stattfinden kann. Der andere Vorteil ist, dass man den Schalter praktisch als Punktquelle betrachten kann, was die Auswertung von Messergebnissen erleichtert.


Ein Schalter ist in Polnisch beschriftet und der andere Schalter in Russisch. Da sie beide vom gleichen Fahrzeugtyp stammen, haben sie vermutlich auch den gleichen Hersteller. Es war im Warschauer Vertrag teilweise üblich, dass die russische Militärtechnik in der Sprache des jeweiligen Landes beschriftet war.

Die Fotos zeigen die mit dem FH40F2 gemessene Gamma-Dosisleistung, wenn der Schalter direkt auf des Gehäuse des Messgeräts aufgesetzt wird. Das Dosisleistungsverhältnis beträgt gerundet 1:8. Das hätte ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet.

Ich glaube nicht, dass das so gewollt ist. Vielmehr müssen wir hier den menschlichen Faktor und in gewissem Maße auch den Zufall bemühen. Die Farbe wurde oft per Hand aufgetragen. Schon da gibt es Unterschiede (Fläche, Dicke der Farbschicht). Auch beim Ansetzen der Farbe kann es zu großen Unterschieden kommen. Die verwendete Menge an Radiumsalz ist so gering, dass sich kleinste Abweichungen vom "Rezept" schon deutlich auswirken. Dann spielt es sicher auch eine Rolle, ob das Radium in der Farbe homogen verteilt bleibt oder sich bei längerem Stehen vieleicht entmischt.

Das könnte auch die unterschiedlichen Dosisleistungen bei den F58 Kompassen erklären. Was meint ihr dazu?

DG0MG

Ich denke, die Erklärung ist anders. Meine Theorie: Die weniger aktiven sind jünger.

Im Ostblock wurden Produkte - egal welcher Art - über einen viel längeren Zeitraum produziert, als heutzutage. Egal, ob es eine Handbohrmaschine, ein Eierbecher oder ein Druckbleistift war. Beispiel: Voriges Jahr habe ich im Zuluftkanal eines in den 70er Jahren in der DDR gebauten sowjetischen Bunkers einen Luftstromschalter gefunden - ein Kollege hat das zugehörige russische Datenblatt herausgesucht, den Schalter gibt es unverändert immer noch.

Eventuell hat innerhalb des längeren Produktionszeitraumes doch mal jemand gesagt: "nehmt mal bissl weniger von dem Zeuchs .."

Für die Schalter (nicht für die Kompasse) kommt vielleicht eine weitere Besonderheit zum Tragen: Das gleiche Produkt wurde oftmals (besonders und gerade in der SU) in verschiedenen Betrieben produziert. Vielleicht hat man an verschiedenen Orten unterschiedliche Rezepturen für die Leuchtfarbe verwendet? Oder anders: Die Leuchtfarbe war sicher auch wieder ein Zulieferartikel. Wie schon in Beitrag #4 beschrieben, wurde die Leuchtfarbe in Leuchtstufen entsprechend dem Radiumgehalt eingeteilt. z.B. könnte der Zulieferer einfach das "ganz starke Zeug" aus dem Programm genommen haben, so wie aktuell thorierte Schweißelektroden (orange) nur noch schwer zu bekommen sind. Dann wurde eben ersatzweise die noch lieferbare schwächere Radiumfarbe verwendet.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Zitat von: NoLi am 03. Juni 2020, 21:40
Aha, ein Freiberger Marschkompass F58 der ehemaligen NVA.

Ich stelle gerade fest, es gab auch noch einen Marschkompass F52:


Der wird ja dann früher hergestellt worden sein und deshalb nicht weniger Radiumfarbe enthalten?

Ich hatte erst gedacht, dass die hier gezeigten inkl. meinen dann vielleicht F52 waren, aber bei diesem hier steht das F52 auf der Mitte der Kompasskala, das ist bei den anderen nicht so.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 21. Juni 2020, 11:26
Ich denke, die Erklärung ist anders. Meine Theorie: Die weniger aktiven sind jünger.
Dies stimmt auch. Ab ca. 1970 wurden russische (und DDR) Leuchtfarben ohne radioaktive Zusätze verwendet, weil die Leuchtanregungen (zumindest im Luftfahrtbereich) durch ein UV- oder IR-Lämpchen (es gab beide Versionen) im Cockpit erfolgten. Aber auch die Einsatzbereiche bestimmten die Leuchtdichte und damit den Radionuklidgehalt. Die radiumreichsten Leuchtfarben fanden in den 1950er/frühe 1960er Jahre Anwendung, besonders in militärischen Bereichen (insbesondere auch in den USA, Kanada, Frankreich und GB). Gamma-Dosisleistungen von 150 bis 300 µSv/h am Skalenfenster sind keine Seltenheit (z.B. Fluglageanzeiger mit Flüssiglibelle). Auch hier gilt: Militäranzeiger sind deutlich radioaktiver als baugleiche oder bauähnliche zivil verwendete Produkte.

Gruß
Norbert


NoLi

Zitat von: DG0MG am 08. Juli 2020, 19:11

Ich stelle gerade fest, es gab auch noch einen Marschkompass F52:
Dieser abgebildete Kompass scheint keine radioaktive Leuchtfarbe zu enthalten (das gab es u.a. bei den Freibergern auch). Die Nordpfeilmarkierungen sind weiße Farbe, und auch die Markierungen der beweglichen und festen Skalierungen deuten stark auf weiße Farbe hin.
Der F52 müsste ab 1952 und bis zur Ablösung durch den F58 bis 1958 hergestellt worden sein; in dieser Zeit gab es nur Dauerleuchtfarben mit Radium. Wenn aber Radium im Spiel wäre, würden die Leuchtmarkierungen durch im Laufe der Jahrzehnte erfolgte Strahlungsschädigung eine bräunliche Verfärbung aufweisen.

Gruß
Norbert

NoLi

Zitat von: DL3HRT am 21. Juni 2020, 10:26
Wie unterschiedlich die Aktivität ähnlicher Objekte sein kann, zeigt folgender Vergleich. Ich habe die Dosisleistung zweier Schalter aus einem russischen Schützenpanzer gemessen. An der Spitze des Schalthebels befindet sich eine Glasperle mit Radiumleuchtfarbe.
Im Technikmuseum Speyer steht eine Antonov AN-22   https://speyer.technik-museum.de/en/antonov-an-22   . Am Aufgang der Wendeltreppe im Flugzeuginneren zur runden "Aussichtskuppel" der Maschine befindet sich ein Schaltfeld mit mehreren Schalthebeln der benannten Art. Gamma-Dosisleistung an den Hebelchen ca. 20 µSv/h... nix abgesperrt, keine Kennzeichnung. Das Cockpit ist leider nicht zugänglich (verschlossene Gittertür).

Gruß
Norbert

DG0MG

#28
In der "PROTAR", der "schweizerischen Monatsschrift für den Luftschutz in der Zivilbevölkerung", im Heft 9 vom Juli 1939(!) findet sich ein interessanter Artikel zu Leuchtfarben, sowohl radioaktiven, wie auch der Nachleuchtfarben und beider Varianten Anwendungsgebiete:


Es wird der Zusammenhang erwähnt, dass je "stärker" eine radioaktive Leuchtfarbe zu Beginn ist (je mehr Radiumsalz also enthalten ist), umso schneller sich der Leuchtstoff (das Zinksulfid) verbraucht. "Starke" Leuchtfarben würden also nach bereits wenigen Jahren nur noch weniger hell leuchten, als "schwache" Farben, bei denen das Altern des Leuchtstoffes dementsprechend langsamer vonstatten geht. Auch werden mehrmals die Kosten erwähnt, man hat sich also schon gut überlegt, wo man Radiumfarbe eingesetzt hat.

Was ändert sich aber nun genau durch die Strahlung im Zinksulfid, dass dessen Leuchtkraft mit der Zeit nachlässt?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

Turbo-Tom

Bei mir hat sich mittlerweile auch ein Kompass aus östlichen Gefilden eingefunden, dieser ist ein russischer Armbandkopass, wahrscheinlich auch militärisch. Leuchten tut nix mehr (wie bei den anderen ähnlichen hier vorgestellten Exemplaren), aber knistern tut's mächtig, für die paar Kleckse Leuchtfarbe...

Mein SOEKS (1x SBM-20)zeigt ca. 7.5µSv/h an, wenn die Hauptleuchtmarken linear und parallel zum Zählrohr ausgerichtet sind.

Mein selbstgebauter SBT-10A Zähler zeigt rund 5200 "counts per minute" bzw. 8.4µSv/h mit dem derzeit eingestellten Skalierungsfaktor von 384 Imp./µR (137Cs).