Radiumfarbe, Leuchtfarbe

Begonnen von DG0MG, 08. August 2019, 18:00

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Henri

Zitat von: Hannes am 24. März 2022, 06:28
Die Wände sind dicker als ich gedacht hatte. Ich habe sonst noch einen Mini Monitor 900 mit einem LND 7231, aber mit dem kann man keine Langzeitmessungen machen. Irgendwann habe ich bestimmt einen empfindlicheres Messgerät mit dem man auch längere Messungen machen kann.

Du könntest die Lautsprecher-Klicks abgreifen und über einen kleinen Kondensator in die Soundkarte einspeisen. Es gibt verschiedene Software, um über die Soundkarte Impulse zu zählen. Falls Du am MiniMonitor nicht rumbasteln möchtest, geht das sicherlich auch über ein Mikrofon, das man vor den Lautsprecher hält.

Mit dem Promethium habe ich wieder was dazugelernt, sehr schön!  :good2:

Viele Grüße!

Henri

NoLi

https://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Gut-gemeinte-Geschenke-aus-frueheren-Zeiten-werden-zum-Problem-Radioaktive-Uhren-an-der-Goldschmiede-_arid,1657160.html?fr=operanews

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Gut gemeinte Geschenke aus früheren Zeiten werden zum Problem: Radioaktive Uhren an der Goldschmiedeschule Pforzheim
Veröffentlicht: 04.01.2022
Pforzheim+ Aktualisiert: 04.01.2022 10:15 Uhr
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Pforzheim. Es mögen einige hundert Uhren sein, die in dem verschlossenen Raum in der Goldschmiede- mit Uhrmacherschule ihrer Zerlegung harren. Genau weiß es Schulleiter Michael Kiefer nicht. Niemand dürfe den verschlossenen Raum mehr betreten, der inzwischen auch über eine Lüftung verfüge. Die kleinen Problem-Uhren für das Handgelenk hatte Kiefer mit Übernahme seiner Leitungsfunktion vor sieben Jahren geerbt.

Damals hatten die radioaktiven Uhren bereits sehr lange unbelüftet und zusammen mit weiteren Standuhren beieinander gelegen. Genau das sei das Problem. Denn dadurch lag die Radon-Konzentration offensichtlich über dem erlaubten Grenzwert.

Eigentlich handelte es sich um großzügige Geschenke traditionsreicher Pforzheimer Uhrenfirmen aus den 1990er-Jahren, die auch ein Stück Kulturhistorie abbildeten, sagt Kiefer. Die Schenkenden hätten sich sicher nichts Böses dabei gedacht.
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Und auch die Schüler waren dankbar für die Möglichkeit, an baugleichen Exponaten Technik und die Funktionsweise verschiedener Uhrwerke zu ergründen. Die angehenden Auszubildenden lernten an gängigen Modellen, die sie später dann, als Ausgelernte, in den Firmen reparieren oder produzieren sollten. Das gesundheitsschädliche Radium sei als Leuchtmittel für die Zeiger verwendet worden. Bereits früher habe es dadurch Krebsfälle bei Uhrmachern gegeben, sagt Kiefer.

    150.000 Euro hat die Stadtverwaltung für die fachgerechte Entsorgung der radioaktiven Ziffernblätter beziehungsweise Zeiger veranschlagt. Ob sich für diesen Auftrag eine Spezialfirma finden lässt, ist ungewiss.

Gefährliches Leuchtmittel

Als ,,Radium Girls" berühmt wurden amerikanische Fabrikarbeiterinnen in den 1920er-Jahren, die beim Auftragen des Radiums mit der Zunge den Pinsel befeuchteten und dadurch erkrankten oder gar starben. Zunächst waren leuchtende Ziffernblätter für das Militär im Ersten Weltkrieg interessant gewesen, diese nutzten die praktische Erfindung auch bald Zivilisten im Alltag. Doch bis in die 1930er-Jahre wurde mit der heilenden Wirkung von Radium etwa in Cremes geworben. Bis in die 1960er-Jahre wurde es als Leuchtmittel in Uhren verbaut und danach von Tritium, einem Wasserstoff-Isotop, abgelöst. Die Problemuhren der Goldschmiedeschule hat jedenfalls ein Strahlenbeauftragter begutachtet: Das Regierungspräsidium kümmert sich zusammen mit der Stadt federführend um die Entsorgung.
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Ausstellung mit Meisterstücken der Goldschmiedeschule aus 40 Jahren
Fachfirma gesucht

Gesucht wird seit längerem eine Fachfirma, die die Schule von der strahlenden Last befreit. Was die Sache teuer macht: Jede Uhr müsse einzeln auseinandergenommen und der Zeiger ausgebaut werden. Übrig bleibe vielleicht ein Kilo strahlender Müll. Es gebe kaum eine spezialisierte Firma, für die sich der Auftrag lohnen dürfte, sagt Kiefer. 150.000 Euro sind dafür trotzdem mal in den aktuellen Haushalt eingestellt. Die Schule mit ihren 460 Auszubildenden hat ihre Konsequenzen gezogen: Die Verantwortlichen haben einen Geigerzähler angeschafft, um jede Uhr, die als Geschenk die Schwelle passieren soll, auf ihre gute oder eben ihre böse Strahlung hin zu testen.  "

Norbert

Hannes

Zitat von: Henri am 24. März 2022, 21:12

Du könntest die Lautsprecher-Klicks abgreifen und über einen kleinen Kondensator in die Soundkarte einspeisen. Es gibt verschiedene Software, um über die Soundkarte Impulse zu zählen. Falls Du am MiniMonitor nicht rumbasteln möchtest, geht das sicherlich auch über ein Mikrofon, das man vor den Lautsprecher hält.

Mit dem Promethium habe ich wieder was dazugelernt, sehr schön!  :good2:

Viele Grüße!

Henri

Danke für den Tipp. Ich könnte das mit einem Mikrofon ausprobieren. Mal sehen ob es trotz Hintergrundrauschen gut funktioniert. Sonst muss ich die andere Möglichkeit ausprobieren.
LG
Hannes

Aquae

Ich hatte dieses Wochenende eine Tour mit dem Berliner Unterwelten gemacht, in eins der "Bunker" am U Gesundbrunnen.
Es wurde gezeigt wie die Wände leuchten nach Lichteinwirkung. Da waren auch Schilder mit der Warnung das die Farbe gesundheitsschädlich sei. Der Tourguide meinte es sei Zinkkupfersulfid und radioaktiv.
Nach der Tour war ein Mädel total nervös wegen möglicher Strahlungsausetzung.

Weißt jemand darüber bescheid?

DG0MG

Hallo Aquae,
einen schönen guten Tag in diesem Forum, soviel Zeit kann doch zumindest sein?

Zitat von: Aquae am 27. März 2022, 15:04
Der Tourguide meinte es sei Zinkkupfersulfid und radioaktiv.
Nach der Tour war ein Mädel total nervös wegen möglicher Strahlungsausetzung.

Weißt jemand darüber bescheid?

Siehe dazu mein Beitrag weiter oben aus 2019, mir ist diese Behauptung auch schon negativ aufgefallen: https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php/topic,142.msg863.html#msg863

Entweder der Guide findet das "cool" soetwas zu behaupten und freut sich insgeheim dran, wenn die Besucher respektvoll Abstand halten oder er hat schlicht keine Ahnung.
Zinksulfid ist richtig, radioaktiv ist falsch.
Die Schilder, dass die Farbe gesundheitsschädlich wäre, beziehen sich auf Anfassen der Wand und dann Finger ablecken (oder essen). Die enthaltenen Schwermetalle sind jedenfalls nichts, was man unbedingt braucht und die Farbe ist nach ~80 Jahren bröselig.

Einen Menschen, dem soetwas Angst macht, beruhigt diese Aussage (NICHT RADIOAKTIV!) natürlich nicht, das ist mir klar - ganz im Gegenteil. Das Mädel hat nun zwei Aussagen: Einer sagt Ja, der andere Nein.

Zur Erklärung gehört noch der Aspekt, dass die radioaktive Leuchtfarbe (die es natürlich gab) Radium enthält. Radium ist FUURCHTBAR aufwendig in der Herstellung, sicher kennt ein normal gebildeter Bürger die Geschichte von Marie Curie, die mehrere Jahre für ein zehntel Gramm Radium geackert hat. Niemand hätte die Menge Radiumfarbe bezahlen wollen und können, die man braucht, um eine quadratmetergroße Wand damit zu streichen. Deswegen sind in Uhren (Armbanduhren, Weckern) auch immer nur kleine Punkte aus Leuchtfarbe und noch ein Teil der Zeiger damit gefüllt. Wenn es so einfach wäre, hätte man ja auch die gesamte Uhrenzifferblattfläche mit Leuchtfarbe bestreichen können.

Der Stoff, mit dem die Wand gestrichen ist, kann man auch heutzutage kaufen und ist - in Bezug auf Radioaktivität - völlig ungefährlich:




"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 27. März 2022, 16:43
...
Wenn es so einfach wäre, hätte man ja auch die gesamte Uhrenzifferblattfläche mit Leuchtfarbe bestreichen können.
...

Hat man auch (selten?) gemacht ;D
Ich habe so ne defekte Schweizer Armbanduhr mit komplett radiumluminiszenzhaltigem Zifferblatt (Ziffern und Zeiger waren messinghaft) mal gemessen; die Gamma-Dosisleistung direkt auf der Uhrenoberseite lag bei rund 40 µSv/h.

Norbert

DG0MG

Ja, es gibt auch militärische Anzeigeinstrumente, die flächig leuchten, aber das ist eben nicht die Norm. Quadratmeter sind mir noch nie begegnet. :)
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 27. März 2022, 19:05
...
Quadratmeter sind mir noch nie begegnet. :)

Mir auch noch nicht, und ich möchte so was eigentlich auch nicht...

Norbert

DG0MG

Gesundbrunnen dürfte die "Tour 1" sein, auf der Webseite der Unterwelten findet man dann auch ein Foto des "grünen Raumes":

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DG0MG

Unabhängig von Bunkern:
Das BfS schreibt auf seiner Seite von der Existenz von "mit Tritium angereicherter Farbe" - deutlich abgegrenzt von aktuellen Tritium-Gaslichquellen:


"Als Ersatz für die nicht mehr verwendeten Radium-haltigen Leuchtstoffe wurden bis zur Mitte der 1990er Jahre Zinksulfid-haltige Farben verwendet, die mit Tritium (H-3), einem radioaktiven Isotop des Wasserstoffs, angereichert waren."

Tritium ist ein Gas, wenn es nicht in Glasröhrchen eingeschmolzen ist, müsste es sich ja in einer chemischen Verbindung befinden?
Oder? Wie geht das?




"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 28. März 2022, 11:38
...
Tritium ist ein Gas, wenn es nicht in Glasröhrchen eingeschmolzen ist, müsste es sich ja in einer chemischen Verbindung befinden?
Oder? Wie geht das?

Wenn man z.B. in Kunstharz (Kleber, Lack) ein einfaches Wasserstoffatom PROTIUM per Isotopenaustausch durch das radioaktive Wasserstoffatom TRITIUM ersetzt.

Diese Austauschreaktion geht allerdings auch umgekehrt mit Luftfeuchtigkeit, so dass diese Uhren, je nach Dichtigkeit, mit der Zeit ihren Tritiumgehalt verlieren und damit ihre Leuchtkraft einbüßen.
Ich hatte in den 1990er Jahre eine SWATCH Kunststoff-Taucheruhr (laut Aufdruck bis 200m dicht, Tritiumgehalt laut Literatur ca. 300 MBq) durch 24-stündige Wässerung und anschliessender LSC-Messung (Liquid Scintillation Counter) des Tauchwassers auf Tritium-Leckrate getestet...sie lag bei ca. 600 Bq/h...durch Isotopenaustausch durch das Kunststoffgehäuse.

Träger solcher Uhren wiesen im Urin einen Tritiumgehalt von bis zu 1400 Bq/l auf.

Norbert

DL3HRT

ZitatTritium ist ein Gas, wenn es nicht in Glasröhrchen eingeschmolzen ist, müsste es sich ja in einer chemischen Verbindung befinden? Oder? Wie geht das?
Eine Verbindung kenne ich - Wasser  ;) : H32O
Das kann natürlich verdunsten. Aber wie Norbert schon geschrieben hat: Man kann jedes "normale" Wasserstoffatom in einer Verbindung durch Tritium ersetzen.

DG0MG

Ja, aber wie macht man das praktisch?
Doch nicht durch Schütteln?  ;)

Ein wichtiges Argument bzgl. der Bunkerleuchtfarbe wäre noch:
SEIT WANN gab es Tritium-angereicherte Leuchtfarbe?
Das BfS schreibt, "BIS MITTE der 90er", aber wann begann das?

Sie schreiben, bis Mitte der 60er Jahre waren es Radium-(Ra-226)- und Promethium- (Pm-147)-Farben in Uhren.
Begann erst danach die Verwendung von Tritium?
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Zitat von: DG0MG am 30. März 2022, 11:49
Ja, aber wie macht man das praktisch?
Doch nicht durch Schütteln?  ;)

Ein wichtiges Argument bzgl. der Bunkerleuchtfarbe wäre noch:
SEIT WANN gab es Tritium-angereicherte Leuchtfarbe?
Das BfS schreibt, "BIS MITTE der 90er", aber wann begann das?

Sie schreiben, bis Mitte der 60er Jahre waren es Radium-(Ra-226)- und Promethium- (Pm-147)-Farben in Uhren.
Begann erst danach die Verwendung von Tritium?
Durch Isotopenaustausch geht das ganz automatisch...Protiumatome werden bei Austauschreaktionen durch Tritium ersetzt, und umgekehrt. Wenn ich nun eine sehr hohe Tritiumkonzentration einsetze, kann ich auch eine große Austauschrate und damit Anreicherung bekommen.

H-3 wurde ab der ersten Hälfte der 1960er Jahre (~ 1962) zusammen mit Pm-147 in die Leuchtfarbenherstellung als alleinige zulässige Anregungsisotope in Deutschland und der Schweiz eingeführt und ersetzte bis Mitte der 1960er Jahre das Ra-226.

Norbert

DG0MG

Zitat von: NoLi am 30. März 2022, 12:36
H-3 wurde ab der ersten Hälfte der 1960er Jahre (~ 1962) zusammen mit Pm-147 in die Leuchtfarbenherstellung als alleinige zulässige Anregungsisotope in Deutschland und der Schweiz eingeführt und ersetzte bis Mitte der 1960er Jahre das Ra-226.

Okay, das ist auch wichtig.
Weil, damit ist dieser Artikel im Tagesspiegel nicht korrekt (es geht auch um den Gesundbrunnen-Bunker):


" "Da ist radioaktives Material drin, bitte nicht dranfassen und den Finger in den Mund stecken", sagt Arnold und zeigt auf die 60 Zentimeter dicke Betonwand eines Schutzraums. Das Geheimnis der laut Gutachten von Schering kaum messbaren Radioaktivität ist schnell gelüftet: Um bei Bedarf das Licht zu löschen, sind die Bunkerwände mit "Leuchtfarbe" gestrichen worden - in den Farbschichten sitzen Millionen Pigmente aus radioaktivem Tritium 33."

Was ist Tritium-33?
Wer ist "Schering"?
Okay, der Artikel ist schon mehr als 20 Jahre alt, aber wenn die Leuchtfarbe an den Wänden noch original aus der vierziger Jahren stammt, kann es keine Tritium-Farbe sein und er war damals auch schon falsch. Und selbst, wenn es doch Tritium-Farbe wäre, wären bereits (2022-1945)/12,32 a = 6,25 Halbwertszeiten verstrichen.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!