Sand-Kieswerke in Nähe von Flüssen mit radioaktiven Belastungen

Begonnen von Jan, 24. Oktober 2022, 23:49

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Jan

Guten Abend  :)

ich hatte die Frage vielleicht bissl komisch in einem anderen Thema gestellt. Deswegegen hier noch mal neu...

Wie verhält es sich bei Sand- und Kieswerken die Sedimente in Flussnähe fördern welche radioaktive Nuklide mit sich gebracht haben bzw. noch bringen? Z. B. an der Mulde. Über die Zwickauer Mulde soll ja ganz schön was den Fluss vom Uranabbau runtergekommen sein, was sich auch in den Sedimenten des Flusses abgelagert hat. Auch bei Hochwasser wird doch einiges in die umliegenden Gegenden geschwemmt. Das würde sich doch alles in den daraus hergestellten Baustoffen wiederfinden, oder?

Raddet

Zitat von: Jan am 24. Oktober 2022, 23:49Das würde sich doch alles in den daraus hergestellten Baustoffen wiederfinden, oder?

Theoretisch wird es. In meiner Praxis gibt es einen Fall, in dem einer der Tester meines Geräts (als es noch in der Entwicklung war) in einem Geschäft eine radioaktive Flasche Wodka gekauft hat. Dies überraschte ihn sehr. Dann goss er Wodka in ein Glas, maß dieses Glas ab. Es gibt keinen Hintergrundüberschuss ... Im Allgemeinen stellte sich heraus, dass die Flasche selbst radioaktiv war. Dann führten sie eine Gammaspektrometrie durch ... Im Allgemeinen Sandgruben in der Gegend von Tschernobyl. Dann wurde aus diesem Sand Glas gemacht, und aus diesem Glas wurde eine Flasche gemacht ...

Übrigens, hier ist eine weitere Aufgabe für Ihren Einfallsreichtum. In Tschernobyl gab es eine Deponie radioaktiver Ausrüstung, die an der Beseitigung der Folgen des Unfalls beteiligt war und mit Radionukliden kontaminiert war.

So sah dieser Friedhof der Technik zu Zeiten der UdSSR aus:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Und so sieht es heute aus:

Sie dürfen in diesem Board keine Dateianhänge sehen.

Die Frage ist, wohin all dieses radioaktive Eisen gegangen ist und in welchen Gebäuden und anderen Metallstrukturen es jetzt vorhanden ist.

Ich werde Sie sofort warnen - ich weiß die Antwort nicht.

miles_teg

Es ist mir relativ klar wohin diese Metalle verschwunden sind: sie wurden dem generellen Rohstoffkreislauf wieder zugeführt. Das trifft ja auch auf die Kupferkabel in Pripyat zu. Soweit ich mich erinnere, habe ich in Pripyat kein Gebäude betreten in dem nicht alle leicht zugänglichen Kabel entfernt wurden.
Was Sand und Kies angeht: der Verdünnungseffekt (im Zuge der Weiterverarbeitung) sollte m.E. hier ausreichend sein.

NuclearPhoenix

Zitat von: miles_teg am 26. Oktober 2022, 16:08Es ist mir relativ klar wohin diese Metalle verschwunden sind: sie wurden dem generellen Rohstoffkreislauf wieder zugeführt. Das trifft ja auch auf die Kupferkabel in Pripyat zu. Soweit ich mich erinnere, habe ich in Pripyat kein Gebäude betreten in dem nicht alle leicht zugänglichen Kabel entfernt wurden.
Was Sand und Kies angeht: der Verdünnungseffekt (im Zuge der Weiterverarbeitung) sollte m.E. hier ausreichend sein.
Genau dasselbe wird ja auch beim Recycling von Stoffen aus AKWs gemacht. Der Stahl wird im Endeffekt so oft eingeschmolzen und die Schlacke abgetrennt bis die Strahlungswerte unter einen bestimmten Grenzwert liegen. Macht ja auch Sinn, dann kann man die Metalle wiederverwenden und hat gleichzeitig weniger "Sondermüll".

etalon

Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 12:38Genau dasselbe wird ja auch beim Recycling von Stoffen aus AKWs gemacht. Der Stahl wird im Endeffekt so oft eingeschmolzen und die Schlacke abgetrennt bis die Strahlungswerte unter einen bestimmten Grenzwert liegen. Macht ja auch Sinn, dann kann man die Metalle wiederverwenden und hat gleichzeitig weniger "Sondermüll".

Das ist definitiv nicht so. Das wäre ein Verdünnen der Aktivität und ist in der StrlSchV zum Herbeiführen einer Grenzwertunterschreitung ausdrücklich verboten.

Es gibt aber die Möglichkeit, unter Einhaltung spezifischer Grenzwerte Metall zur Recyclierung zu geben. Dieses hat dann entsprechend höhere Grenzwerte, es muss aber ausgeschlossen sein, dass solches Metall in den uneingeschränkten Wertstoffkreislauf überführt wird. Daraus werden dann unter Zugabe von kontaminationsfreien oder nicht aktivierten Metallen in der Regel Abschirmbehälter für radioaktive Abfälle hergestellt.

Grüße Markus

NoLi

Zitat von: etalon am 27. Oktober 2022, 12:58Das ist definitiv nicht so. Das wäre ein Verdünnen der Aktivität und ist in der StrlSchV zum Herbeiführen einer Grenzwertunterschreitung ausdrücklich verboten.

Es gibt aber die Möglichkeit, unter Einhaltung spezifischer Grenzwerte Metall zur Recyclierung zu geben. Dieses hat dann entsprechend höhere Grenzwerte, es muss aber ausgeschlossen sein, dass solches Metall in den uneingeschränkten Wertstoffkreislauf überführt wird. Daraus werden dann unter Zugabe von kontaminationsfreien oder nicht aktivierten Metallen in der Regel Abschirmbehälter für radioaktive Abfälle hergestellt.

Grüße Markus
Oder aber, die Metalle unterschreiten die massenspezifischen Grenzwerte gemäß Anlage 4, Tabelle 1, Spalte 3, Strahlenschutzverordnung und können zur uneingeschränkten Freigabe aus dem Strahlenschutzgesetz durch die Aufsichtsbehörde entlassen (freigegeben) werden, stellen somit dann im rechtlichen Sinne keine radioaktiven Stoffe mehr dar.

Norbert

Raddet

Zitat von: NoLi am 27. Oktober 2022, 13:16Oder aber, die Metalle unterschreiten die massenspezifischen Grenzwerte gemäß Anlage 4, Tabelle 1, Spalte 3,

Ihr seid heilige Menschen, der sich des Lebens in den Weiten der ehemaligen UdSSR absolut nicht bewusst ist. Vor allem on der Ukraine.

Ich bin mir sicher, dass dort alles viel einfacher und profaner war. Und all diese radioaktiven Materialien verwandelten sich wie durch Zauberei zum Beispiel in ein gemütliches Herrenhaus an der Cote d'Azur in Frankreich für eine Person "mit Verbindungen" ...

Was die "Tabelle" betrifft, musste dieses radioaktive Eisen immer noch auf der Deponie bleiben. Und jetzt können Sie es irgendwo in einer Weinflasche aus Glas finden, die vielleicht gerade auf Ihrem Tisch steht...

NuclearPhoenix

Zitat von: etalon am 27. Oktober 2022, 12:58
Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 12:38Genau dasselbe wird ja auch beim Recycling von Stoffen aus AKWs gemacht. Der Stahl wird im Endeffekt so oft eingeschmolzen und die Schlacke abgetrennt bis die Strahlungswerte unter einen bestimmten Grenzwert liegen. Macht ja auch Sinn, dann kann man die Metalle wiederverwenden und hat gleichzeitig weniger "Sondermüll".

Das ist definitiv nicht so. Das wäre ein Verdünnen der Aktivität und ist in der StrlSchV zum Herbeiführen einer Grenzwertunterschreitung ausdrücklich verboten.

Es gibt aber die Möglichkeit, unter Einhaltung spezifischer Grenzwerte Metall zur Recyclierung zu geben. Dieses hat dann entsprechend höhere Grenzwerte, es muss aber ausgeschlossen sein, dass solches Metall in den uneingeschränkten Wertstoffkreislauf überführt wird. Daraus werden dann unter Zugabe von kontaminationsfreien oder nicht aktivierten Metallen in der Regel Abschirmbehälter für radioaktive Abfälle hergestellt.

Grüße Markus
Metalle aus dem Abriss deutscher AKWs werden zum Beispiel nach Schweden geschickt um dort eingeschmolzen und recycelt zu werden. Siehe Cyclife AB, eine Tochter der französischen EdF. Wie das gesetzlich aussieht und wohin das Metall dann im Endeffekt kommt, kann ich nicht sagen.  Frankreich ist da aber seit Jahren, natürlich gerade wegen den eigenen "Problemen" mit Atommüll, sehr bemüht daran diese Stoffe wieder in den Umlauf zu bekommen.

Raddet

Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 14:32Metalle aus dem Abriss deutscher AKWs werden zum Beispiel nach Schweden geschickt um dort eingeschmolzen und recycelt zu werden.

Es ist unwahrscheinlich, dass Teile von Kernreaktoren vollständig recycelt werden. Tatsache ist, dass der Reaktor einen Strom von Neutronen aussendet und alles, was den Kern umgibt, mit der Zeit leicht (und manchmal stark) radioaktiv wird. Neutronenstrahlung führt zur Synthese von Isotopen im Inneren von Metallstrukturen. Und das Trennen von Isotopen in Metallstrukturen, um die gefährlichen Isotope eines Materials vom harmlosesten Material zu trennen, ist ein unerschwinglich teurer Prozess (Chemische Methoden - im Allgemeinen unmöglich), und ich bezweifle stark, dass irgendjemand dies tut ...

Und die Berichte... Papier ist heutzutage billig.

Raddet

Korrektes ,,Recycling" abgebrannter Kernreaktoren: Sehr lange und teilweise ewige Lagerung.


etalon

Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 14:32Metalle aus dem Abriss deutscher AKWs werden zum Beispiel nach Schweden geschickt um dort eingeschmolzen und recycelt zu werden. Siehe Cyclife AB, eine Tochter der französischen EdF. Wie das gesetzlich aussieht und wohin das Metall dann im Endeffekt kommt, kann ich nicht sagen.  Frankreich ist da aber seit Jahren, natürlich gerade wegen den eigenen "Problemen" mit Atommüll, sehr bemüht daran diese Stoffe wieder in den Umlauf zu bekommen.

Ja, natürlich. Aber im Rahmen der oben beschriebenen Richtlinien. Siempelkamp in Deutschland macht das auch. Aber wie gesagt nicht für den allgemeinen Wertstoffkreislauf. Das geht nur, wenn das Material vorher uneingeschränkt freigegeben wurde, wie Norbert oben schon geschrieben hat...

Grüße Markus

NuclearPhoenix

Zitat von: etalon am 27. Oktober 2022, 15:07Ja, natürlich. Aber im Rahmen der oben beschriebenen Richtlinien. Siempelkamp in Deutschland macht das auch. Aber wie gesagt nicht für den allgemeinen Wertstoffkreislauf. Das geht nur, wenn das Material vorher uneingeschränkt freigegeben wurde, wie Norbert oben schon geschrieben hat...
Das glaub ich dir schon. Ich finde es nur interessant wie das ganze dargestellt wird. Uniper schreibt zum Beispiel selber:

ZitatBroadly spoken, there are three kinds of radioactive waste: low active, intermediate active and high active waste. Most of it is low-level – we send it to be smelted, incinerated or recycled. The results are new power cables, intercom systems, welding equipment, scrap metal or tool boxes.

https://www.uniper.energy/news/making-industrial-history-by-recycling-radioactive-waste

Das klingt für mich schon recht nach "allgemeinem Wertstoffkreislauf" und gleichzeitig ist der "low-level waste" doch bestimmt nicht vorher als nicht-radioaktiv freigegeben worden. Sonst wäre er ja von Vornherein nicht "low-level", oder? Aber vielleicht ist das hier nur deutlich vereinfacht dargestellt, wäre natürlich sinnvoll für einen Pressebericht.

etalon

Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 15:27
Zitat von: etalon am 27. Oktober 2022, 15:07Ja, natürlich. Aber im Rahmen der oben beschriebenen Richtlinien. Siempelkamp in Deutschland macht das auch. Aber wie gesagt nicht für den allgemeinen Wertstoffkreislauf. Das geht nur, wenn das Material vorher uneingeschränkt freigegeben wurde, wie Norbert oben schon geschrieben hat...
Das glaub ich dir schon. Ich finde es nur interessant wie das ganze dargestellt wird. Uniper schreibt zum Beispiel selber:

ZitatBroadly spoken, there are three kinds of radioactive waste: low active, intermediate active and high active waste. Most of it is low-level – we send it to be smelted, incinerated or recycled. The results are new power cables, intercom systems, welding equipment, scrap metal or tool boxes.

https://www.uniper.energy/news/making-industrial-history-by-recycling-radioactive-waste

Das klingt für mich schon recht nach "allgemeinem Wertstoffkreislauf" und gleichzeitig ist der "low-level waste" doch bestimmt nicht vorher als nicht-radioaktiv freigegeben worden. Sonst wäre er ja von Vornherein nicht "low-level", oder? Aber vielleicht ist das hier nur deutlich vereinfacht dargestellt, wäre natürlich sinnvoll für einen Pressebericht.

Das ist natürlich in der Tat missverständlich.  ;D

Allerdings darf man bei einem international tätigen Unternehmen nicht vergessen, dass in unterschiedlichen Ländern auch unterschiedliche Regeln und Gesetze gelten. Ich kann da nur für die deutsche Gesetzgebung bzw. kerntechnische Anlagen, welche der deutschen Gesetzgebung unterliegen, sprechen...

Grüße Markus

miles_teg

Zitat von: etalon am 27. Oktober 2022, 12:58
Zitat von: NuclearPhoenix am 27. Oktober 2022, 12:38Genau dasselbe wird ja auch beim Recycling von Stoffen aus AKWs gemacht. Der Stahl wird im Endeffekt so oft eingeschmolzen und die Schlacke abgetrennt bis die Strahlungswerte unter einen bestimmten Grenzwert liegen. Macht ja auch Sinn, dann kann man die Metalle wiederverwenden und hat gleichzeitig weniger "Sondermüll".

Das ist definitiv nicht so. Das wäre ein Verdünnen der Aktivität und ist in der StrlSchV zum Herbeiführen einer Grenzwertunterschreitung ausdrücklich verboten.

Grüße Markus
Wie schon diskutiert, so ist dies vielleicht in DE so, im Rest der Welt wird es m.E. deutlich laxer gehandhabt. Einer unserer guides in Chornobyl war jemand aus der näheren Umgebung und er erzählte das es nicht mal ein Jahr gedauert hat bis die wertvollen Dinge (Fernseher etc.) aus Pripyat verschwunden waren. Und kurz darauf verschwanden auch die Bunt- und andere Metalle. Die wurden bei kleinen Schrotthändlern mit sauberen Teilen eingeschmolzen und dann weiterverkauft. Und schon ist alles wieder Teil des Kreislaufs.

Raddet

Zitat von: miles_teg am 27. Oktober 2022, 16:33Einer unserer guides in Chornobyl war jemand aus der näheren Umgebung und er erzählte

Diese Geschichte hier ist wahr. Ich bestätige. Nach der Zerstörung der UdSSR stahlen sie aufgrund der totalen Armut sogar gusseiserne Kanalisationsschächte und Wasserleitungen von den Straßen, um sie in Altmetall zu verwandeln und zumindest etwas Geld zu verdienen. Gerade zu dieser Zeit wurde Litauen zum größten Exporteur von Nichteisenmetallen (Banaler Handel mit gestohlenen.) in Europa. Es war eine ,,interessante" Zeit. Ich war damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem der wissenschaftlichen Institute, und eines Tages erfuhr ich, dass mein Gehalt auf 1,5 Dollar (Eineinhalb Dollar) pro Monat gekürzt wurde. Wegen Inflation...