Ist ein günstiger Geigerzähler für diese Aufgabe geeignet?

Begonnen von JoSteph, 30. September 2022, 14:44

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JoSteph

Hallo, ich möchte keine Kaufempfehlung sondern es geht darum, ob günstige Geigerzähler (ohne alpha-Messung) für diese Aufgabe geeignet sind.
Ist es damit möglich z.B. Trinkwasser oder Nahrung aus dem Gemüsegarten auf Genießbarkeit hinsichtlich der Strahlung zu messen?
Ist es damit möglich verschmutzte Kleidung auf Kontaminierung zu testen?
Oder geht das gar nicht, da alpha-Strahlung nicht gemessen wird?

NoLi

Zitat von: JoSteph am 30. September 2022, 14:44...
Ist es damit möglich z.B. Trinkwasser oder Nahrung aus dem Gemüsegarten auf Genießbarkeit hinsichtlich der Strahlung zu messen?
...
Im Prinzip ja, allerdings ist die Nachweisgrenze in der Regel deutlich höher als bei Profi-Geräten. Kommt halt auf den Gerätetyp, dem Detektor und der Messmethodik an. Die gesetzlichen Grenzwerte für Routinekontrollen von Wasser und Nahrung kann man mit solchen Geigerzählern nicht nachweisen, aber unter Notstandsbedingungen sind auch "günstige Geigerzähler" brauchbar.

Zitat von: JoSteph am 30. September 2022, 14:44...
Ist es damit möglich verschmutzte Kleidung auf Kontaminierung zu testen?
Oder geht das gar nicht, da alpha-Strahlung nicht gemessen wird?
Auch hier gilt ähnliches wie bei Wasser und Nahrung, wobei auch z.B. chinesische Billiggeräte auf Kontaminationen durch Beta- und Gamma-Strahler reagieren. Die Empfindlichkeit hängt auch hier von Gerätetyp, Detektor und Methodik ab; für Notstandsbedingungen (unter denen die aktuellen gesetzlichen Grenzwerte für Dauerexpositionen eh nicht mehr gelten) sind etliche günstige Consumer-Geräte brauchbar.

Guckst Du auch hier:  https://www.geigerzaehlerforum.de/index.php?topic=232.0

Tipp: Strahlungsmessgeräte, die auf ein Tütchen Pottasche mit einer deutlich erkennbaren Messratenerhöhung reagieren, sind in jeden Fall im "Fall der Fälle" brauchbar.

Norbert


NoLi

Die Strahlenschutzkommission SSK empfiehlt (Stand Oktober 2019) für Nahrung und Oberflächenkontamination durch beta-/gammastrahlende Radionuklide für einfache schnelle Beurteilung eine Dosisleistungsmessung:
Richtwert unterste Grenze = 1 µSv/h

Ausführliche Infos
https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse_PDF/2019/2019-10-25%20Empf%20Abgeleitete%20Richtwerte.pdf?__blob=publicationFile

Norbert

DG0MG

Zitat von: JoSteph am 30. September 2022, 14:44Ist es damit möglich z.B. Trinkwasser oder Nahrung aus dem Gemüsegarten auf Genießbarkeit hinsichtlich der Strahlung zu messen?
Ist es damit möglich verschmutzte Kleidung auf Kontaminierung zu testen?

Auch wenn NoLis Beiträge implizieren, dass die Antwort auf Deine Fragen "Ja, das geht" wäre, muss man sich natürlich erstmal überlegen, welches Szenario Du im Auge hast, also wann und wo eine solche Messung stattfinden soll:
  • Jetzt?
  • Wenn in der Ukraine im KKW ein Störfall auftreten sollte und hier Zustände wie 1986 herrschen?
  • Wenn im 10 km entfernten deutschen/belgischen/tschechischen KKW ein GAU auftritt?
Du wirst natürlich antworten: "Na immer!". Aber es muss klar sein, dass in unterschiedlichen Szenarien unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden (müssen). Messwerte, die "jetzt" als stark kontaminiert gelten, können im GAU-Fall als "easy durchgewunken" interpretiert werden. Das siehst Du an der Angabe 1 µSv/h im vorherigen Beitrag. Wenn man das "jetzt" auf jemandems Klamotten messen würde, wäre das Geschrei groß, im Ernstfall ist es "noch okay".

Wenn Du Trinkwasser (oder Milch) messen willst, ist das noch schlimmer. Da man das in den Körper aufnimmt, muss man immer mit der HÖCHSTMÖGLICHEN Nachweisempfindlichkeit messen. Das geht nicht mit einem chinesischen Billigmessgerät und auch nicht, wenn Du ein etwas höherwertiges Gerät, das Alphastrahlung nachweist, benutzt. Früher gab es dazu spezielle Flüssigkeitszählrohre, becherförmige Glasbehälter mit einem Zählrohr in der Mitte: http://lampes-et-tubes.info/rd/rd058.php?l=e
Manche Prepper planen, die stabförmige Beta-Sonde zum FAG SV500 mit einem Plastikbeutel oder Kondom zu überziehen und in die zu messende Flüssigkeit zu tauchen. Aber auch das ist eine Notfallmessung, die Nachweisempfindlichkeit aktueller Labormethoden ist um Zehnerpotenzen höher. Gerät 10 Sekunden an die Kartoffeln/den Salat halten und Wert ablesen ist halt nicht.

Soll heißen: Die immer gerne in der Werbung von Consumer-Geräten vorgebrachte Möglichkeit der "Messung von Lebensmitteln" ist "jetzt" mMn größtenteils Humbug.
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

NoLi

Sag ich ja:

Zitat von: NoLi am 30. September 2022, 16:59Im Prinzip ja, allerdings ist die Nachweisgrenze in der Regel deutlich höher als bei Profi-Geräten. Kommt halt auf den Gerätetyp, dem Detektor und der Messmethodik an. Die gesetzlichen Grenzwerte für Routinekontrollen von Wasser und Nahrung kann man mit solchen Geigerzählern nicht nachweisen, aber unter Notstandsbedingungen sind auch "günstige Geigerzähler" brauchbar.

Zitat von: NoLi am 30. September 2022, 16:59Auch hier gilt ähnliches wie bei Wasser und Nahrung, wobei auch z.B. chinesische Billiggeräte auf Kontaminationen durch Beta- und Gamma-Strahler reagieren. Die Empfindlichkeit hängt auch hier von Gerätetyp, Detektor und Methodik ab; für Notstandsbedingungen (unter denen die aktuellen gesetzlichen Grenzwerte für Dauerexpositionen eh nicht mehr gelten) sind etliche günstige Consumer-Geräte brauchbar.

Auch in den angeführten Richtlinien der Strahlenschutzkommission wird im Einleitungstext auf die Notfall-Gültigkeit hingewiesen:

"Abgeleitete Richtwerte für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von
Radionukliden 2
Vorwort
In der Richtlinie 2013/59/Euratom und im Strahlenschutzgesetz werden die Grundsätze und
Schutzziele des radiologischen Notfallschutzes und daraus abgeleitete Anforderungen für die
Planung und Durchführung von Schutzmaßnahmen bei Notfallereignissen festgelegt."...

Norbert

Henri

Zitat von: JoSteph am 30. September 2022, 14:44Ist es damit möglich z.B. Trinkwasser oder Nahrung aus dem Gemüsegarten auf Genießbarkeit hinsichtlich der Strahlung zu messen?
Ist es damit möglich verschmutzte Kleidung auf Kontaminierung zu testen?
Oder geht das gar nicht, da alpha-Strahlung nicht gemessen wird?


Kommt (zusätzlich zu dem bisher geschriebenen) natürlich auch ein bißchen auf das Gerät an. Üblicherweise gibt es ja, gerade bei den billigen, ein mehr oder fest vorgegebenes Zeitintervall, in dem Impulse aufsummiert und dann in eine Dosisleistung umgerechnet werden. Die Menge der registrierten Impulse führt zu einer bestimmten statistischen Zuverlässigkeit des Messergebnisses. Um eine wirklich gute Genauigkeit zu bekommen, muss man ziemlich viele Impulse zählen. Viele Geräte machen das aber gar nicht, weshalb der angezeigte Wert stark um den tatsächlichen schwankt.

Jetzt willst Du aber Messungen ausführen, bei denen Inkorporation der Expositionspfad ist, das heißt wo auch zunächst recht geringe Mengen radioaktiver Stoffe den Körper langfristig schädigen können, weil sie aufgenommen werden und eine bestimmte Zeit in diesem verweilen. Die mit dem Geigerzähler gemessene Steigerung der Dosisleistung kann also durchaus so gering sein, dass sie in der Messungenauigkeit des Geräts "verloren geht", aber trotzdem kann bei Aufnahme mit der Nahrung ein gesundheitliches Risiko bestehen.

Deshalb braucht das Gerät mindestens eine Funktion, unbegrenzt lange Einzelimpulse aufzusummieren, damit Du Langzeitmessungen machen kannst. So ein Spektrometer im Labor läuft auch gern mal eine Woche, wenn es genau sein soll. Und "im Falle des Unfalles" hast Du ja auch eine Erhöhung des Strahlungshintergrunds, und vor diesem dann noch die kleine Erhöhung kontaminierter Lebensmittel zu messen, macht es zusätzlich schwierig. Da braucht es dann z.B. eine 5 cm dicke Bleiburg.

Dann spielt die Probenaufbereitung eine große Rolle. Z.B. müsstest Du ein paar Liter Trinkwasser bis zur Salzkruste eindampfen, bevor Du messen kannst, um eine brauchbare Messgeometrie mit geringer Selbstabsorption zu bekommen. Dann ist das Wasser, das Du eigentlich trinken wolltest, aber verschwunden...

In der Praxis ist es also praktikabler, bei bekannter Kontamination nur noch sichere, verpackte Lebensmittel zu sich zu nehmen. Wenn es "ganz dicke" kommt, hilft Dir Dein Geigerzähler aber, einen Ort aufzusuchen, an dem Du möglichst wenig Strahlung ausgesetzt bist. Und im Alltag, zu überprüfen, ob Schmuckstücke, Geschirr, Kacheln, Bausubstanz, der Glühstrumpf in der alten Petroleumlampe, das Zifferblatt von Omas Wecker, usw... radioaktiv sind. Die Beurteilung von Lebensmitteln kann man damit nur wagen, wenn die Alternative Verhungern/Verdursten wäre.

Alphaempfindlichkeit braucht es eher nicht, denn in aller Regel hat man keine Freisetzungen reiner Alphastrahler. Geräte, die das können, sind aber oft mechanisch sehr empfindlich und im Katastrophenfall (und auch sonst, bei versehentlich unvorsichtiger Handhabung  :blush: ) deshalb schnell kaputt und auch nicht wirklich dekontaminierbar. Viel wertvoller ist ein Gerät mit Spektrometriefunktion (Theremino, RadiaCode...), weil damit auch kleinste Mengen vieler radioaktiver Strahler nachgewiesen werden können, die ansonsten keine sichtbare Erhöhung der Zählrate bewirken würden, wie z.B. vom Cs-137 in den selbstgesammelten Pilzen.

Viele Grüße!

Henri