radioaktive Röhren

Begonnen von DL3HRT, 24. Juni 2019, 17:08

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DL3HRT

Ich mache hier einen Thread zum Thema "radioaktive Röhren" auf.

Radioaktive Röhren sind verbreiteter, als man allgemein annimmt. Viele Kaltkathodenröhren (z.B. Thyratrons) wurden mit einer schwach radioaktiven Quelle versehen, um ihr Zündverhalten zu verbessern. Gleiches gilt für bestimmte Glimmlampen und auch für Glimmstabilisatorröhren. Auch Funkenstreckenröhren und generell alte Röhren aus der Radartechnik sind oft mehr oder weniger stark radioaktiv.

Es wurden vor allem folgende Nuklide verwendet:

       
  • Radium-226 (HWZ: 1602 Jahre)
  • Krypton-85  (HWZ: 10.756 Jahre)
  • Cobalt-60 (HWZ: 5.271 Jahre)
  • Cäsium-137   (HWZ: 30.17 Jahre) - häufig bei Funkenstrecken
  • Tritium (H3)   (HWZ: 12.32 Jahre) - von außen kaum messbar
  • Nickel-63 (HWZ: 100.1 Jahre) - Betastrahler, von außen nicht messbar
Aufgrund der relativ kurzen Halbwertszeit einiger Nuklide ist es bei alten Röhren manchmal nicht mehr oder kaum noch möglich etwas zu messen, selbst wenn sie als radioaktiv gekennzeichnet sind. Früher war es üblich, dass der gleiche Röhrentyp von verschiedenen Herstellern produziert wurde. So kann es passieren, dass eine OA2 mit Radium-226 versetzt ist, während eine andere OA2 mit Krypton-85 befüllt wurde. Und die meisten anderen OA2-Röhren sind überhaupt nicht radioaktiv. Man kann daher aus den nachfolgenden Beispielen nicht ableiten, dass alle Exemplare der vorgestellten Röhrentypen radioaktiv sind.

Ich werde hier nach und nach ein paar Beispiele einstellen. Jedes Forenmitglied ist aufgerufen, diesen Thread zu erweitern. Dazu nochmals der Hinweis, dass angehängte Bilder nur für registrierte Forenmitglieder sichtbar sind.

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Die OA2 ist eine bekannte Glimmstabilisatorröhre, die von einer Vielzahl von Herstellen produziert wurde. Die abgebildete Röhre wurde von der Firma Haltron produziert und ist mit Radium-226 versetzt. Die Aktivität ist bereits mit einem Geigerzähler sehr gut messbar. Im Gammaspektrometer zeigt sich ein klassisches Spektrum von Radium-226 und seinen Tochternukliden Blei-214 und Bismut-214. Da die Röhre schon ein paar Jahrzehnte alt ist, ist auch das gebildete Blei-210 (HWZ: 22.3 Jahre) gut nachweisbar.

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Bei der GR17 von der Firma Cerberus handelt es sich um ein Kaltkathoden-Thyratron, welches ebenfalls mit Radium-226 versetzt ist. Dabei war man bei der Menge des verwendeten Radiums-226 recht großzügig, wie man im ersten Foto sieht. Eine Dosisleistung von 17 µSv/h direkt auf dem Röhrenkolben ist bisher die höchste, die ich bei Röhren messen konnte.

Ein SBM-20 Zählrohr liefert direkt am Röhrenkolben eine Impulsrate von 245 cps! Um das Gammaspektrum aufzeichnen zu können, musste ich den Abstand zwischen Röhre und Detektor auf 10 cm erhöhen, um den Detektor nicht zu übersteuern.

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Es gibt eine Reihe von Funkenstreckenröhren die mit Cäsium-137 versetzt sind, um ein besseres Zündverhalten zu erreichen. Die CK1097-12 ist ein Vertreter dieser Gattung. Das abgebildete Exemplar im 1. Foto stammt von 1986. 

Mit einem Geigerzähler kann außen an der Röhre in der Regel überhaupt nichts gemessen werden, da die Aktivität sehr gering ist. Dafür kann die beim Cäsium-137 Zerfall entstehende Gammastrahlung (662 keV) problemlos mit dem Gammaspektrometer gemessen werden. Diese Funkenstrecken sind daher als Kalibrierstrahler für Gammaspektrometer sehr beliebt.

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Bei der JAN395A von Western Electric handelt es sich um eine Kaltkathodenröhre, die mit Krypton-85 versetzt ist. Der Umkarton enthält einen diesbezüglichen Hinweis. Aufgrund des Alters der Röhre ist kaum noch Krypton-85 Aktivität vorhanden, so dass es selbst mit dem Gammaspektrometer nicht leicht war, es nachzuweisen. Es bedurfte schon 1.5 Stunden Messzeit, um den Gammapeak des Krypton-85 bei 514 keV deutlich nachzuweisen. Ein Problem ist auch, dass nur bei einem geringen Teil der Zerfälle Gammaquanten abgegeben werden. Der weitaus größte Teil zerfällt unter Abgabe von Betastrahlung.

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Eine DDR-Röhre von RFT Z862E.

Hier das Datenblatt: https://frank.pocnet.net/sheets/182/z/Z862E.pdf.

Die Z862E ist eine Kaltkathodenröhre (Elektrometerröhre) zur Benutzung mit Ionisationskammern oder anderen höchstohmigen Anwendungen. Die Röhre ist den Typen GR19 und PZ2E ähnlich.

Der auf dem Foto zu sehende Ring (innen) ist der radioaktive Strahler. Was genau verwendet wurde, kann ich nicht sagen, es scheint mir Beta-strahlung zu sein. Die Strahlung ist sehr schwach, selbst mit offenem Pancakezählrohr liegt die Rohre nur einige 10 nSv/h über dem Hintergrund.

"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

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Auch bei dieser Röhre handelt es sich um eine Kaltkathodenröhre mit einem Zusatz von Krypton-85. Mit einem Geigerzähler lässt sich von außen keine Aktivität messen. Im Gammaspektrometer ist die Aktivität noch gut nachweisbar. Das Datenblatt gibt eine Aktivität von maximal 5 µCi zum Zeitpunkt der Produktion an. Die abgebildete Röhre stammt von 1974, ist also bereits 45 Jahre alt. Das entspricht mehr als 4 Halbwertszeiten, so dass die Aktivität auf weniger als 1/16 des Ursprungswertes abgesunken ist.

DL3HRT

Ich habe zwar schon im Thread zum PDRM82 darüber geschrieben, möchte das Zählrohr hier aber noch einmal explizit erwähnen.

Auf den ersten Blick erscheint es wie ein Paradoxon, dass man eine radioaktive Quelle in ein Zählrohr einbaut. Beim ZP1302 erlaubt diese aber, eine automatische Funktionskontrolle des Zählrohrs durchzuführen.

Das normale ZP1301 liefert ca. 1 Impuls pro Minute bei normaler Umgebungsstrahlung. Man muss schon mehrere Minuten abwarten um eindeutig sagen zu können, dass das Zählrohr tatsächlich arbeitet. Die im ZP1302 eingebaute Quelle soll laut Datenblatt 12 .. 120 Impulse pro Minute liefern. Damit kann man bereits nach kurzer Zeit feststellen, ob das Zählrohr einwandfrei arbeitet. Beim untersuchten PDRM82 konnte ich nur noch 10 ipm messen. Es wurde bereits 1984 produziert und die Quelle hat seitdem einen Teil ihrer Aktivität verloren.

Von außen ist natürlich keinerlei Aktivität messbar.

DL3HRT

ZitatEine DDR-Röhre von RFT Z862E.

Hier das Datenblatt: https://frank.pocnet.net/sheets/182/z/Z862E.pdf.

Die Z862E ist eine Kaltkathodenröhre (Elektrometerröhre) zur Benutzung mit Ionisationskammern oder anderen höchstohmigen Anwendungen. Die Röhre ist den Typen GR19 und PZ2E ähnlich.

Der auf dem Foto zu sehende Ring (innen) ist der radioaktive Strahler. Was genau verwendet wurde, kann ich nicht sagen, es scheint mir Beta-strahlung zu sein. Die Strahlung ist sehr schwach, selbst mit offenem Pancakezählrohr liegt die Rohre nur einige 10 nSv/h über dem Hintergrund.
Ich hatte diese Röhre jetzt zum Messen bei mir zu Hause. Im Gammaspektrometer war keinerlei Aktivität erkennbar. Es hat sich wieder gezeigt, wie unterschiedlich Röhren gleichen Typs in dieser Hinsicht sind. Das gilt insbesondere für die Spannungsstabilisatoren. Dort geht es von "überhaupt nicht aktiv" über Krypton-85 bis hin zu Radium-226. Auch Tritium (H3) wurde dort eingesetzt.

DL3HRT

ZitatBei der GR17 von der Firma Cerberus handelt es sich um ein Kaltkathoden-Thyratron, welches ebenfalls mit Radium-226 versetzt ist. Dabei war man bei der Menge des verwendeten Radiums-226 recht großzügig, wie man im ersten Foto sieht. Eine Dosisleistung von 17 µSv/h direkt auf dem Röhrenkolben ist bisher die höchste, die ich bei Röhren messen konnte.

Ein SBM-20 Zählrohr liefert direkt am Röhrenkolben eine Impulsrate von 245 cps! Um das Gammaspektrum aufzeichnen zu können, musste ich den Abstand zwischen Röhre und Detektor auf 10 cm erhöhen, um den Detektor nicht zu übersteuern.
Diese Röhre hat am letzten Wochenende für einige erstaunte Gesichter gesorgt. Nachdem ein kleines Stück pechblendehaltiges Mineral vor dem Geigerzähler lag, haben wir die Röhre im Karton davorgelegt und die Leute raten lassen, worum es sich handelt. Die Mehrzahl der Leute war ziemlich verblüfft, als sie das "Objekt" ausgepackt haben  ;)

DL3HRT

Heute möchte ich wieder einmal eine radioaktive Röhre hier im Geigerzähler Forum vorstellen, die Elesta ER21A. Diese ist baugleich zur Cerberus GR16. Die GR17 habe ich ja bereits vorgestellt.

Bei Elesta handelt es sich um ein Schweizer Unternehmen. Die ER21 ist eine Kaltkathodenröhre, die in den 1950er/1960er Jahren in großen Stückzahlen hergestellt wurde. Sie arbeitete als Schaltverstärker und wurde häufig als Schaltelement in Ionisationsrauchmeldern eingesetzt. Die Röhre wurde durch einen Zusatz von Radium vorionisiert um ihr Zündverhalten zu verbessern.

Ich habe drei dieser Röhren hier (siehe Foto), die alle drei keine Kennzeichnung des Produktionsjahres tragen. Nur bei der mittleren Röhre ist mit dem Geigerzähler Aktivität messbar, bei den äußeren Röhren überhaupt nicht. Das heißt aber nicht, dass die äußeren Röhren nicht radioaktiv sind bzw. waren. In einem Datenblatt zur baugleichen GR16 von 1966 steht, dass die Röhren mit Tritium vorionisiert wurden. Das lässt sich von außen mit einem Geigerzähler nicht messen. Außerdem sind seit den 1960er Jahren bereits so viele Halbwertszeiten vergangen, dass von der möglichen Tritium-Aktivität kaum noch etwas übrig sein dürfte.

Die Aktivität der mittleren Röhre ist bemerkenswert. Legt man die Stelle mit der höchsten Aktivität direkt an ein SBM-20 Zählrohr, so erhält man 1000 Impulse pro Sekunde! Da Radium verwendet wurde handelt es sich um Beta- und Gammastrahlung, daher die hohe Zählrate. Das Glas der Röhre ist nicht sehr dick, so dass nur ein Teil der Betastrahlung abgeschirmt wird.



DL3HRT

Auch bei der GR16 handelt es sich um eine mit Radium-226 vorionisierte Kaltkathodenröhre. Der Unterschied zur GR17 liegt nur in den technischen Daten. Vor kurzem bekam ich ein Exemplar, welches eine ganz ordentliche Aktivität (>1000 cps) zeigt, wie das nachfolgende Video demonstriert:

Im angehängte Foto kann man sehen, wo sich das Radium befindet. Anscheinend wurde Radiumsalzlösung in den Röhrenkolben getropft. Den Tropfen ließ man dann eintrocknen. Die eingetrockneten Salzreste kann man im oberen Bereich des Röhrenkolbens bei entsprechender Beleuchtung gut sehen. Das ist dann auch der Punkt, an dem man die höchste Aktivität messen kann.

Die Cerberus-Röhren werden zu recht hohen Sammlerpreisen gehandelt. Vielleicht kann mir jemand sagen warum?


DL3HRT

Einem Freund ist eine GR17 zerbrochen >:( . Er hat die Scherbe mit dem Radiumsalzfleck auf das Eingangsfenster seiner Ionisationskammer gelegt (siehe Foto im Anhang) und konnte einen Kammerstrom von 72 pA messen. Das ist deutlich mehr, als ich bisher bei Radiumleuchtfarbe (Weckerzifferblatt, Uhrzeiger, Schalter etc.) und anderen Prüflingen messen konnte.

Der Messwert zeigt, dass die Aktivität recht beachtlich ist und man große Sorgfalt im Umgang mit den Scherben walten lassen muss. Sollte eine Röhre einmal zerbrechen, so darf man die Scherben auf keinen Fall mit bloßen Händen anfassen. Die Gefahr der Inkorporation ist viel zu groß. Es gibt jede Menge Röhrensammler die keine Ahnung davon haben, dass einige ihrer "Schätzchen" aktiv sind...

DG0MG

SIEMENS 108C1 OB2 - ein Stabilisatorröhre.

Es soll wohl ein kleine Menge Cs-137 drinsein, mit dem RadiaScan 701A misst man ca. 0,4 µSv/h bei entferntem Energiefilter.
Reinhard Lauterbach schreibt in [1], dass er mehrere Röhren dieses Typs besitzt, von denen nur eine messbar strahlt.

[1] https://skyviewer.de/physik/radioaktiv/radioaktiv.htm
"Bling!": Irgendjemand Egales hat irgendetwas Egales getan! Schnell hingucken!

DL3HRT

Im Datenblatt steht nichts dazu. Die radioaktiven Zusätze gab oft bei Röhren für den militärischen Einsatz. Dadurch sollte ein definiertes Zündverhalten unter allen klimatischen Bedingungen und vor allem auch bei absoluter Dunkelheit gewährleistet werden.
Cs-137 hatte ich bei Stabilisatorröhren noch nicht, nur bei Funkenstrecken. Da aber von außen schwache Aktivität messbar ist, ist Cs-137 durchaus denkbar.  Bei Gelegenheit muss die Röhre mal ins Gammaspektrometer... Die OA2, die ich gemessen habe enthielt Radium-226, produzierte aber auch eine deutlich höhere Dosisleistung.